T 0270/19 () of 11.1.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T027019.20210111
Datum der Entscheidung: 11 Januar 2021
Aktenzeichen: T 0270/19
Anmeldenummer: 16153854.1
IPC-Klasse: A47L11/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HANDGEFÜHRTES BODENBEARBEITUNGSGERÄT
Name des Anmelders: i-mop GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 76(1) (2007)
European Patent Convention Art 111(1) (2007)
RPBA2020 Art 011 (2020)
Schlagwörter: Teilanmeldung - unzulässige Erweiterung (nein)
Teilanmeldung - nach Änderung
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Zurückverweisung - besondere Gründe für Zurückverweisung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, zur Post gegeben am 31. August 2018, die europäische Patentanmeldung Nr. 16153854.1 nach Artikel 97 (2) EPÜ zurückzuweisen. Die Patentanmeldung wurde als Teilanmeldung der früheren europäischen Patentanmeldung 10766222.3 eingereicht (nachfolgend Stammanmeldung, als PCT/DE2010/000987 eingereicht und als WO 2011/023169 A1 veröffentlicht).

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin als Beschwerdeführerin am 30. Oktober 2018 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 10. Januar 2019 eingereicht.

III. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, so dass die Anmeldung und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, nicht den Erfordernissen des EPÜ genügen.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung auf Grundlage der mit dem Schreiben vom 8. Dezember 2020 eingereichten Patentansprüche.

V. Der für diese Entscheidung relevante unabhängige Anspruch 1 (Fassung vom 8. Dezember 2020, Änderungen gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung sind von der Kammer durch Unterstreichung hervorgehoben) hat folgenden Wortlaut:

"Handgeführtes Bodenbearbeitungsgerät, aufweisend ein Bodenteil (1) mit mindestens einem Werkzeug (31) für die Bodenbearbeitung und einem Motor (26) zum Antreiben des mindestens einen Werkzeugs (31) und aufweisend ein Führungsteil (2) mit einem Griffteil (3), wobei das Führungsteil (2) über ein in Bearbeitungsrichtung (6) verstellbares erstes Gelenk (4) mit einer Gelenkachse (G1) quer zur Bearbeitungsrichtung (6) mit dem Bodenteil (1) verbunden ist, wobei das Bodenteil (1) eine Flüssigkeitszuführung (11) und eine Flüssigkeitsaufnahme (13) aufweist, und wobei eine baulich getrennte Saugeinheit mit einer Saugturbine für die Aufnahme von Flüssigkeit vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Führungsteil (2) am unteren Ende unterhalb der Mitte, aber oberhalb des Bodenteils (1) ein weiteres Gelenk (8) mit einer quer zur ersten Gelenkachse (G1) verlaufenden weiteren Gelenkachse (G2) aufweist, um welche das Führungsteil (2) quer zur Bearbeitungsrichtung (6) derart verstellbar ist, dass das Bodenteil (1) von einem Benutzer (P) aus parallel zur Bearbeitungsfläche (8) um eine Hochachse (A1) des Bodenteils (1) um mindestens± 270° gedreht werden kann, und dass das Bodenbearbeitungsgerät mindestens einen Energiespeicher (24, 33) zur Versorgung des mindestens einen Werkzeugs (31) für die Bodenbearbeitung aufweist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat zu den entscheidungs-erheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand von Anspruch 1 gehe nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Daher solle die Zurückweisung der Patentanmeldung durch die Prüfungsabteilung aufgehoben werden und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Die Patentanmeldung betrifft ein handgeführtes Bodenbearbeitungsgerät mit einem Bodenteil mit mindestens einem Werkzeug für die Bodenbearbeitung, einem Motor zum Antreiben des mindestens einen Werkzeugs und einem Führungsteil mit einem Griffteil. Das Führungsteil ist über ein in Bearbeitungsrichtung verstellbares erstes Gelenk mit einer Gelenkachse quer zur Bearbeitungsrichtung mit dem Bodenteil verbunden. Das Führungsteil weist am unteren Ende ein weiteres Gelenk mit einer quer zur ersten Gelenkachse verlaufenden weiteren Gelenkachse auf, um welche das Führungsteil quer zur Bearbeitungsrichtung derart verstellbar ist, dass das Bodenteil von einem Benutzer aus parallel zur Bearbeitungsfläche um eine Hochachse des Bodenteils um mindestens± 270° gedreht werden kann. Zudem weist das Bodenteil eine Flüssigkeitszuführung und eine Flüssigkeitsaufnahme auf, wobei eine baulich getrennte Saugeinheit mit einer Saugturbine für die Aufnahme von Flüssigkeit vorgesehen ist. Dadurch wird ein Bodenbearbeitungsgerät bereitgestellt, das neben Polieren oder Schleifen auch Nassreinigen ermöglicht und dabei von Hand leicht beweglich und bedienbar ist (Anmeldung, Seite 2, Zeilen 16-18).

3. Änderungen

Die Patentanmeldung wurde als Teilanmeldung eingereicht. Deswegen darf der Gegenstand von Anspruch 1 nicht über den Inhalt der früheren Anmeldung (nachfolgend: Stammanmeldung) in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen, Artikel 76(1) EPÜ.

3.1 Anspruch 1 beruht auf einer Kombination der Ansprüche 1, 11, 25 und 26 der Stammanmeldung. Dabei wurde das Merkmal "[baulich getrennte] Saugeinheit vorgesehen ist, die zumindest eine Saugturbine [für die Aufnahme von Flüssigkeit] enthält" in Anspruch 1 durch die Formulierung "[baulich getrennte] Saugeinheit mit einer Saugturbine [für die Aufnahme von Flüssigkeit] vorgesehen ist" ersetzt.

Daher ist nun zu untersuchen, ob sich eine Saugeinheit mit einer Saugturbine unmittelbar und eindeutig aus der Offenbarung der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten lässt.

3.2 In der Stammanmeldung dient die Saugeinheit im Zusammenhang mit der Nassreinigung eines Bodens unbestritten dem Zweck, durch die Saugturbine eine Saugwirkung auf Flüssigkeit auszuüben. Siehe dazu die Beschreibung der früheren Anmeldung (Seite 21, Zeilen 1-3: "Flüssigkeit ... abgesaugt wird"; Seite 28, Zeile 29: "Flüssigkeit abgesaugt werden kann").

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Erzeugnisansprüchen mit Zweckmerkmalen ist die Angabe der Zweckbestimmung (mit Ausnahme der medizinischen Verwendung bekannter Stoffe) in dem Sinne als Einschränkung anzusehen, dass der Gegenstand für diesen Zweck geeignet sein muss (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.8.1.5, und insbesondere die darin genannte Entscheidung T 523/89).

Bei dieser Auslegung muss die in Anspruch 1 definierte Saugeinheit mit einer Saugturbine zum Ausüben einer Saugwirkung auf Flüssigkeit geeignet sein. Um diese Eignung aufzuweisen, muss die Saugeinheit die Saugturbine enthalten. Folglich besteht kein Unterschied zwischen einer Saugeinheit mit einer Saugturbine und einer Saugeinheit, die eine Saugturbine enthält. Daher geht die geänderte Formulierung für einen Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dem entsprechenden Merkmal in Anspruch 1 der früheren Anmeldung hervor.

3.3 Anspruch 1 geht somit nicht über den Inhalt der Stammanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, so dass die Erfordernisse von Artikel 76(1) EPÜ erfüllt sind.

4. Zurückverweisung

4.1 Die Beschwerdeführerin hat beantragt, dass die Sache zur weiteren Entscheidung auf Grundlage der geänderten Patentansprüche an die Prüfungsabteilung zurück verwiesen werden solle.

4.2 Die Beschwerdekammer wird gemäß Artikel 111 (1) EPÜ entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Dabei ist das Verfahren vor den Beschwerdekammern auch im ex parte Verfahren primär auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung abgestellt. Ob die Beschwerdekammer in der Sache selbst entscheidet oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung verweist (Art. 111(1) Satz 2 EPÜ), hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die maßgebenden Umstände des Einzelfalles in Betracht zu ziehen und insbesondere abzuwägen, ob noch weitere Ermittlungen anzustellen sind, ob sich der Sachverhalt gegenüber dem angefochtenen Beschluss erheblich geändert hat, und welche Stellung der Anmelder zum "Instanzverlust" einnimmt. Welche Bedeutung den einzelnen Erwägungen zukommt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (siehe G10/93, Punkte 4 und 5 der Entscheidungsgründe).

4.3 Im vorliegenden Fall wurde die Anmeldung alleine unter Verweis auf Artikel 76(1) EPÜ wegen vermeintlich unzulässiger Änderungen gegenüber ursprünglich eingereichten Fassung der früheren Anmeldung zurückgewiesen. Die Erfordernisse der Zulässigkeit der Änderungen gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung der Teilanmeldung nach Artikel 123(2) EPÜ, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit wurden dagegen nicht untersucht. Zudem beantragt auch die Beschwerdeführerin, dass die Sache zur weiteren Entscheidung auf Grundlage der geänderten Patentansprüche an die Prüfungsabteilung zurück verwiesen werden solle.

Nach Auffassung der Kammer stellt das im vorliegenden Fall besondere Gründe dar, die eine Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung nach Artikel 11 VOBK 2020 rechtfertigen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

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