T 0169/19 () of 6.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T016919.20191106
Datum der Entscheidung: 06 November 2019
Aktenzeichen: T 0169/19
Anmeldenummer: 13194530.5
IPC-Klasse: B65B 43/18
B65B 43/28
B65B 7/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Aufrichten eines Faltschachtelzuschnittes
Name des Anmelders: Pester Pac Automation GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 113(1)
European Patent Convention Art 116(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(3)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 13194530.5 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

II. Nach der angefochtenen Entscheidung genügt Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags nicht den Erfordernissen der Artikel 83 und 84 EPÜ.

III. Die Beschwerdeführerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und

ein Patent auf der Basis des mit Schriftsatz vom 2. Juli 2015 gestellten Hauptantrags oder des mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2015 gestellten Hilfsantrags zu erteilen,

hilfsweise die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

Für den Fall der Nichtgewährung der vorgenannten Anträge wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

IV. Der unabhängiger Anspruch 1 des Hauptantrags, der der angefochtenen Entscheidung und der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt, lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Aufrichten eines Faltschachtelzuschnittes (2) zu einer Faltschachtel (20), mit wenigstens einem Vorratsstapel (1) an flachliegenden Kartonzuschnitten (2), die eine Bodenfläche, zwei Seitenwände sowie mehrere Stirnwände aufweisen, mit zwei Aufrichtestationen (3, 6) sowie einer Ablagestation (8) für die aufgerichteten Faltschachteln (20), dadurch gekennzeichnet, dass jeweils der oberste oder unterste Kartonzuschnitt (2) in einer ersten Aufrichtestation (3) zu einer offenen Hülse geformt wird, anschließend befüllt wird, während in einer zweiten, unmittelbar an die erste Aufrichtestation anschließenden Station (6) Stirnklappen an die Hülse angelegt werden und anschließend verschlossen werden und dass ein Saugheber (4) vorgesehen ist, welcher einen Kartonzuschnitt (2) anzuheben und beim Aufrichten zu halten vermag."

V. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Anmeldung gemäß dem Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ erfülle und, dass die in der angefochtenen Entscheidung vorgebrachte Einwände der Prüfungsabteilung gegen den Hauptantrag unbegründet seien. Die Argumente der Beschwerdeführerin sind Teil der nachstehend erläuterten Entscheidungsgründe.

Entscheidungsgründe

1. Die vorliegende Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren.

1.1 Gemäß Artikel 12 (3) VOBK kann die Kammer vorbehaltlich der Artikel 113 (1) und 116 (1) EPÜ jederzeit nach Einreichung der Beschwerdebegründung über die Sache entscheiden.

1.2 Der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin auf mündliche Verhandlung ergänzt ihre Sachanträge dergestalt, dass eine mündliche Verhandlung nur für den Fall beantragt wird, dass die Kammer weder eine Patenterteilung, noch eine Zurückweisung der Angelegenheit auf der Basis des Haupt- oder Hilfsantrags erwägen sollte. Da die Kammer bereits in diesem Sinne der Beschwerde auf der Basis des Hauptantrags stattgibt und die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverweist, entfaltet der Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung keine prozessuale Wirkung (Artikel 116 (1) EPÜ).

1.3 Die Entscheidungsreife ist auf der Grundlage des schriftsätzlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin und der von der Kammer geprüften Feststellungen der angefochtenen Entscheidung gegeben. Mithin ist das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin gewahrt (Artikel 113 (1) EPÜ).

1.4 Aus diesem Grund entspricht der Erlass der Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung den Anforderungen des Artikels 113 (1) EPÜ.

2. Klarheit, Artikel 84 EPÜ

2.1 Die Prüfungsabteilung vertritt im Punkt 14.2 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht klar sei, weil dem Begriff "Faltschachtelzuschnitt" unterschiedliche Bedeutungen zugemessen werden könnten. Zusätzlich weist die Prüfungsabteilung darauf hin, dass aus den unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten des Begriffs eine Unsicherheit der Öffentlichkeit hinsichtlich des Schutzbereichs resultierte, die zu eine mangelnde Klarheit des Anspruchs 1 führte.

2.2 Die Kammer kann dieser Auffassung nicht zustimmen. Allein der Umstand, dass das fragliche Merkmal unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten bieten kann, bedeutet nur, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 breit auszulegen ist. Das Merkmal wird dadurch indes nicht unklar. Die Breite des Gegenstands eines Anspruchs ist nämlich nicht mit einem Mangel an Klarheit gleichzusetzen.

3. Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ

3.1 Die Prüfungsabteilung führt im Punkt 14.3 der angefochtenen Entscheidung aus, dass der Fachmann, um die Erfindung ausführen zu können, ausgehend von der vorliegenden Anmeldung selber erfinderisch tätig werden müsste, und daher die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt seien.

3.2 Dies ist für die Kammer nicht überzeugend.

3.2.1 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, II.C.9, erster Absatz) setzt ein Einwand unzureichender Offenbarung ernsthafte, durch nachprüfbare Tatsachen erhärtete Zweifel voraus. Dies ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer nicht der Fall.

3.2.2 Wie die Beschwerdeführerin auf Seiten 4 und 5 der Beschwerdebegründung zutreffend angibt, enthält die Anmeldung mindestens zwei Ausführungsformen zur Durchführung des Erfindung, und zwar durch eine Vorrichtung, die ein Zusammenwirken von Saugheber und Schieneanordnung ermöglicht (Seite 6, zweiter Absatz), oder durch eine Vorrichtung mit einer besonderen Ausgestaltung des Saughebers (Seite 6, dritter Absatz). Die Kammer vermag, entgegen der Begründung der Prüfungsabteilung keinen Anhaltspunkt für etwaige Zweifel zu erkennen, dass der Fachmann mit Hilfe des allgemeinen Fachwissens und der oben angegebenen Ausführungsformen die Erfindung ausführen kann.

4. Die Kammer gelangt mithin zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin die die angefochtene Entscheidung tragenden Gründe für die Zurückweisung des Hauptantrages im Bezug auf Artikel 83 und 84 EPÜ einer Überprüfung durch die Kammer nicht standhalten.

5. Soweit die Prüfungsabteilung im Punkt 16 der angefochtenen Entscheidung in Rahmen eines obiter dictum die Neuheit des beanspruchten Gegenstands bezweifelt, weist die Kammer darauf hin, dass entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der Prüfungsabteilung im Ladungsbescheid vom 12. Oktober 2017 die in D2 und D3 offenbarten Saugheber nicht eindeutig dazu geeignet erscheinen, einen Kartonzuschnitt aus dem Kartonstapel anzuheben.

6. Die angefochtene Entscheidung wird daher aufgehoben und die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung auf Grundlage des Hauptantrages nach Artikel 111 (1) EPÜ zurückverwiesen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Basis des mit Schriftsatz vom 2. Juli 2015 eingereichten und der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags zurückverwiesen.

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