European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T298218.20220525 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 Mai 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2982/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 13721301.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08K 3/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | NICHT-WÄSSRIGE ANTIDRÖHNMASSE MIT LÖSEMITTELFREIEM POLYACRYLATBINDEMITTEL | ||||||||
Name des Anmelders: | BASF SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | PPG Industries, Inc. | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein) Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein) Zulassung des Hauptantrags (ja) Spät eingereichter Neuheitseinwand (nicht zugelassen) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 852 634 in geändertem Umfang.
II. Die angefochtene Entscheidung basierte auf einem Hauptantrag, der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde. Folgende Dokumente wurden darin unter anderem herangezogen:
D1: US 5 120 795
D5: DE 10 2005 021 017 A1
D7: US 2004/0087721 A1
D11: Versuchsbericht, eingereicht von der
Patentinhaberin mit Schreiben vom 22. Mai 2018
III. Die angefochtene Entscheidung, soweit sie für die vorliegende Beschwerde relevant ist, kann wie folgt zusammengefasst werden:
D7 sei als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von D7 sowohl in dem K-Wert des Polyacrylatbindemittels als auch in der Anwesenheit von mindesten 60% C1 bis C10 Alkyl(meth)acrylaten. Es sei von der Patentinhaberin glaubhaft gezeigt worden, dass die gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags verwendete Antidröhnmasse sprühbar sei. Es sei zudem dem Fachmann allgemein bekannt, dass die Sprühbarkeit von Materialen von deren Viskosität und damit vom K-Wert abhänge. Folglich sei das im Streitpatent genannte technische Problem der Bereitstellung sprühbarer Antidröhnmassen durch den Gegenstand des Anspruchs 1 als gelöst erachtet. Es gebe in D7 auch keinen Hinweis dafür, Antidröhnmittel in sprühbarer Form bereitzustellen. D5 offenbare ein Polyacrylatbindemittel und die Verwendung von Klebstoffen als Bindemittel für Trittschalldämmung. Diese Verwendung sei allerdings kein Hinweis auf eine Eignung als Antidröhnmasse zur Dämpfung von Schwingungen von Bauteilen von Fahrzeugen oder Maschinen. D5 würde daher nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags führen. Der Hauptantrag sei somit erfinderisch gegenüber D7.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein und reichte D13 (US 2008/0237529 A1) mit der Beschwerdebegründung (Schriftsatz vom 8. Februar 2019, ergänzt durch Schriftsatz vom 14. Februar 2019) ein. Die Beschwerdeführerin reichte zusätzlich die Dokumente D14 ("Polymerization of Methyl Methacrylate in Organic Solvents", D.E. Strain, Industrial and Engineering Chemistry, März 1938, Seiten 345-347) und D15 ("A Viscosity Primer: Viscosity Definitions") am 14. Februar 2019, D17 (DuPont**TM Vamac**(®) G, "Technical Information - Rev. 8, July 2010") am 11. Oktober 2019 und D18 ("Thermal Analysis of Plastics, Theory and Practice", G.W. Ehrenstein, G. Riedel, P. Trawiel, Carl Hanser Verlag, Munich, 2004, Seiten 58-60) am 25. April 2022 ein.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) reichte mit ihrer Beschwerdeerwiderung am 23. Mai 2019 den Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 bis 8 (als 1. bis 8. Hilfsanträge gekennzeichnet) ein.
VI. Mit Bescheid vom 26. Januar 2022 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 25. Mai 2022 statt.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen schwerwiegender Verfahrensmängel seitens der Einspruchsabteilung. Als Hilfsantrag beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
IX. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte das Streitpatent im Umfang des Hauptantrags oder der Hilfsanträge 1 bis 8, eingereicht am 23. Mai 2019, aufrechtzuerhalten.
Ansprüche 1 und 16 des Hauptantrags lauteten wie folgt:
"1. Verwendung einer nicht-wässrigen Antidröhnmasse, enthaltend
(a) mindestens ein nicht-pulverförmiges, losemittelfreies Polyacrylatbindemittel mit einem K-Wert im Bereich von 10 bis 35, gemessen als 1%ige Lösung in Tetrahydrofuran bei 21°C, wobei das Polyacrylatbindemittel durch Polymerisation von radikalisch polymerisierbaren Monomeren erhältlich ist und zu mindestens 60 Gew. % aus C1 bis C10 Alkyl(meth)acrylaten gebildet ist; und
(b) anorganische Füllstoffe,
zur Dämpfung von Vibrationen oder Schwingungen von Bauteilen von Fahrzeugen oder Maschinen;
wobei das Polyacrylatbindemittel eine Glasübergangstemperatur im Bereich von -30°C bis kleiner oder gleich +60°C aufweist, gemessen als Mittelpunktstemperatur durch Differential Scanning Calorimetrie gemäß ASTM 3418-08".
"16. Verfahren zur Dämpfung von Vibrationen oder Schwingungen von Bauteilen von Fahrzeugen oder Maschinen, wobei
(1) eine Antidröhnmasse gemäß einem der Anspruche 1 bis 15 zur Verfügung gestellt wird, und
(2) die Antidröhnmasse auf ein Bauteil eines Fahrzeuges oder einer Maschine aufgebracht und optional getrocknet und/oder vernetzt wird".
X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind den untenstehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin trug folgendes vor:
- Die Beschwerdegebühr sei zurückzuzahlen und die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
- D13 bis D15, D17 und D18 seien ins Verfahren zuzulassen.
- Der Hauptantrag sei nicht zuzulassen.
- Der Neuheitseinwand gegenüber Anspruch 16 im Hinblick auf D1 sei zuzulassen.
- Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht erfinderisch ausgehend von D7 als nächstliegendem Stand der Technik.
XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind den untenstehenden Entscheidungsgründen zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin trug folgendes vor:
- Die Angelegenheit sei nicht an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
- D13 bis D15 seien nicht in das Verfahren zuzulassen. D17 und D18 seien ins Verfahren zuzulassen.
- Der Hauptantrag sei zuzulassen.
- Der Neuheitseinwand gegenüber Anspruch 16 im Hinblick auf D1 sei nicht zuzulassen.
- Anspruch 1 des Hauptantrags sei erfinderisch ausgehend von D7 als nächstliegendem Stand der Technik.
Entscheidungsgründe
1. Zurückverweisung und Rückzahlung der Beschwerdegebühr
1.1 Die Beschwerdeführerin beantragte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung.
1.1.1 Die Beschwerdeführerin machte insbesondere geltend, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf einem Anspruchssatz beruhte, der nicht dem Anspruchssatz entsprach, der in der mündlichen Verhandlung erörtert und entschieden worden sei (Beschwerdebegründung, Seiten 1-4, Punkt 2).
1.1.2 Anspruch 1 des Hauptantrags, worauf die Entscheidung der Einspruchsabteilung beruhte und der im Abschnitt 9 der Entscheidung aufgeführt sei, sei durch das Merkmal "wobei die Antidröhnmasse eine pump- und spritzbare LASD-Masse ist" eingeschränkt. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags stütze sich auf dieses zusätzliche Merkmal. Dieses Merkmal sei allerdings im Anspruch 1 des Hauptantrags, der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde, nicht enthalten.
1.1.3 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die Erfordernisse des Artikels 113 (1) und (2) EPÜ somit verletzt worden seien, was einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle, der die Rückerstattung der Beschwerdegebühr und die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung rechtfertige.
1.2 Die Kammer schließt sich dieser Interpretation nicht an. In der Entscheidung der Einspruchsabteilung wird im Absatz 8 des Abschnitts "Sachverhalts und Anträge" dargelegt, dass in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2018 ein neuer Hauptantrag mit siebzehn Ansprüchen sowie eine angepasste Beschreibung eingereicht wurden. Dieser Hauptantrag ist der Entscheidung beigefügt und ist auch Teil des Druckexemplars, das die rechtsverbindliche Fassung des aufrechterhaltenen Textes des Patents darstellt. Aus dem ersten Satz des Abschnitts 9 auf Seite 2 der Entscheidung geht auch explizit hervor, dass sich die Entscheidung auf diesen Hauptantrag stützt. Aus dem Abschnitt "Gründe der Entscheidung" ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf einem anderen als dem der Entscheidung angefügten Wortlaut des Anspruchs 1 beruht.
1.3 Abschnitt 5.3 der Gründe der Entscheidung (letzter Absatz auf Seite 7) erwähnt die Sprühbarkeit der Antidröhnmasse, allerdings nicht als eigentliches Merkmal der Ansprüche, geschweige denn als Unterscheidungsmerkmal gegenüber D7. Die nächsten Absätze im Abschnitt 5.3 einschließlich der Formulierung des technischen Problems deuten darauf hin, dass die Einspruchsabteilung die Sprühbarkeit der Antidröhnmasse als Effekt und nicht als technisches Merkmal von Anspruch 1 ansah. Selbst wenn die am Ende des Abschnitts 9 wiedergegebene Fassung des Anspruchs 1 die zusätzliche Formulierung "wobei die Antidröhnmasse eine pump- und spritzbare LASD Masse ist" enthält, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit auf einer Fassung von Anspruch 1 beruht, die auf diese Formulierung eingeschränkt wäre.
1.4 Im Gegenteil basiert die Begründung der Entscheidung auf dem beigefügten Hauptantrag, der tatsächlich in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde und auch Teil der rechtsverbindlichen Fassung des Patents (Druckexemplar) ist. Der im Abschnitt 9 der Entscheidung angefügten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist daher offensichtlich irrtümlich wiedergegeben worden.
1.5 Die irrtümliche Wiedergabe des Anspruchs im Text der Entscheidung hat keinen materiellen Einfluss auf die Entscheidung und stellt daher keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin dar. Die Kammer kann auch keine nachteiligen Auswirkungen für die Beschwerdegegnerin sehen, da das Druckexemplar die Fassung des Anspruchs wiedergibt, die diskutiert und über die gemäß der Begründung der Entscheidung entschieden worden ist.
1.6 Daraus folgt, dass die Kammer keinen wesentlichen Verfahrensmangel feststellt, der sich aus einer Verletzung von Artikel 113 (1) und (2) EPÜ ergibt. Insofern werden die Anträge der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr und Zurückverweisung der Sache aufgrund dieses behaupteten wesentlichen Verfahrensfehlers zurückgewiesen.
1.7 Die Beschwerdegegnerin hat mit der Beschwerdeerwiderung am 23. Mai 2019 einen Antrag auf Berichtigung der Entscheidung der Einspruchsabteilung gemäß Regel 140 EPÜ formuliert (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkte I und II.1).
1.8 Die Einspruchsabteilung hat am 29. Mai 2019 die Korrektur ihrer Entscheidung, für die allein die Einspruchsabteilung verantwortlich ist, schriftlich verkündet. Somit kann der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Berichtigung der Entscheidung gemäß Regel 140 EPÜ dahingestellt bleiben.
2. Zulassung des Hauptantrags
2.1 Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag ein. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entsprach Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung mit dem Zusatz, dass das Polyacrylatbindemittel eine Glasübergangstemperatur im Bereich von -30°C bis kleiner oder gleich +60 °C aufweist, gemessen als Mittelpunktstemperatur durch Differential Scanning Calorimetrie gemäß ASTM 3418-08. Die Zulassung des Hauptantrags zum Verfahren, welche von der Beschwerdeführerin bestritten wurde, unterliegt dem Ermessen der Kammer gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 (der gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 Anwendung findet).
2.2 Die Beschwerdegegnerin machte geltend (Beschwerdeerwiderung, Seite 2, Punkt II.2.1), dass diese Änderung als Reaktion auf den Einwand der Beschwerdeführerin auf Seite 2 der Beschwerdebegründung (Eingabe vom 14. Februar 2019) gesehen werden muss, nach dem Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung auch Bindemittel aus 100% Methylmethacrylat umfassen würde. Es sei nicht plausibel, dass damit die Aufgabe hinsichtlich schwingungsdämpfender Eigenschaften im gesamten beanspruchten Bereich gelöst sei.
2.3 Diesbezüglich stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu. Durch die Änderung ist klargestellt, dass Bindemittel aus 100% Methylmethacrylat (Glasübergangstemperatur 105°C) nicht umfasst sind. Die Einführung eines Bereiches in Anspruch 1, der die Glasübergangstemperatur definiert, stellt eine Einschränkung des beanspruchten Gegenstandes dar. Die Einreichung des neuen Hauptantrags mit der Beschwerdeerwiderung stellt somit eine zeitnahe und angemessene Reaktion auf einen zum ersten Mal in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwand dar.
2.4 Die Einschränkung der Glasübergangstemperatur ist auch als ernsthafter Versuch zu werten, dem Einwand unter Artikel 56 EPÜ (Artikel 100(a) EPÜ) zu begegnen. Damit steht diese Änderung formal im Einklang mit Regel 80 EPÜ. Darüber hinaus lassen sich aus Regel 80 EPÜ keinerlei Beschränkungen bezüglich der Art und des Umfangs von Änderungen ableiten, die die Patentinhaberin zur Ausräumung erhobener Einwände vornimmt bzw. anstrebt. Der Patentinhaberin steht es im Gegenteil frei, jegliche ihr geeignet erscheinende Änderung der Patenschrift vorzuschlagen, soweit sie durch einen Einspruchsgrund veranlasst ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage, 2019, Kapitel IV.C.5.1.1). Der Einwand der Beschwerdeführerin über den Umfang der vorgenommenen Änderung ist somit in Bezug auf Regel 80 EPÜ nicht gerechtfertigt.
2.5 Die Beschwerdeführerin machte zusätzlich geltend, dass die Aufnahme der Messmethode der Glasübergangstemperatur in Anspruch 1 überflüssig sei und somit nicht im Einklang mit den Erfordernissen der Regel 80 EPÜ stehe.
2.6 Diesbezüglich stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu. Die Diskussion der Dokumente D17 und D18 durch die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin (schriftliche Stellungnahmen der Beschwerdeführerin am 25. April 2022, Punkt 3 und der Beschwerdegegnerin am 15. Februar 2022, Seite 2) macht deutlich, dass die Messmethode so wie sie auf Seite 4, Zeilen 18-22 der Beschreibung offenbart ist, d.h. gemessen als Mittelpunktstemperatur, ein wesentlicher Aspekt der Definition der Glasübergangstemperatur ist. Die Aufnahme der Messmethode der Glasübergangstemperatur in Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt somit die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ.
2.7 Folglich kann die Kammer keinen Grund erkennen, ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend auszuüben, den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hauptantrag nicht ins Verfahren zuzulassen.
3. Zulassung von D13 bis D15, D17 und D18
3.1 D13 wurde mit der Beschwerde eingereicht mit der Begründung, dass dieses Dokument relevant für die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags sei (Punkt 3.3 und Punkt 3.4.1 der Beschwerdebegründung) und dass dieses Dokument als Reaktion auf die Einreichung, am 22. Mai 2018, eines neuen Anspruchssatzes im Einspruchsverfahren anzusehen sei (Punkt 3.1 der Beschwerdebegründung). Darüber hinaus sei D13 im Hinblick auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht worden und insbesondere als Reaktion auf die Anerkennung der Sprühbarkeit der Antidröhnmasse (Entscheidung, Seite 7, letzter Absatz).
3.2 Die Beschwerdegegnerin beantragte, dass D13 nicht ins Verfahren zugelassen werde. Im vorliegenden Fall ist die Frage der Nichtzulassung von D13, welches mit der Beschwerdebegründung (Schreiben vom 8. Februar 2019) eingereicht wurde, nach Artikel 12(4) VOBK 2007 zu beurteilen (Artikel 25(2) VOBK 2020), wobei zu berücksichtigen ist, dass es das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens ist, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, wie jetzt im Artikel 12(2) VOBK 2020 explizit angegeben. Somit ist die Frage zu beantworten, ob es gerechtfertigt wäre, das Dokument D13 nach Artikel 12(4) VOBK 2007 vom Verfahren auszuschließen, weil dieses bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätte eingereicht werden können und müssen.
3.3 Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass sie in Reaktion auf neue Anspruchssätze eine Gelegenheit haben sollte, neue Dokumente einzureichen. Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwiefern die Anspruchsätze vom 22. Mai 2018 im Einspruchsverfahren die Einreichung von D13 rechtfertigen könnten, insbesondere weil die Beschwerdeführerin diesbezüglich keine weitere Argumentation vorgebracht hat.
3.4 In Bezug auf die von der Beschwerdeführerin angegebene Sprühbarkeit der Antidröhnmasse ist aus dem Einspruchsverfahren ersichtlich, dass diese Eigenschaft nicht erst mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung angesprochen wurde, sondern schon im schriftlichen Einspruchsverfahren zwischen den Parteien diskutiert wurde (Eingabe der Einsprechende vom 17. Oktober 2017, Seite 3, sechste und siebte Absätze, Seite 4, fünfte und sechste Absätze, Seite 6, fünfte Absatz und Eingabe vom 20. Juli 2018, Seite 2, fünfte Absatz). Aus diesem Grund hätte D13 schon früher im Einspruchsverfahren eingereicht werden können und müssen und nicht erst mit der Beschwerdebegründung. Somit erkennt die Kammer keinen Grund, warum D13 erst im Beschwerdeverfahren eingereicht wurde und nicht vor der ersten Instanz.
3.5 D14 und D15 wurden von der Beschwerdeführerin eingereicht, um eine Korrelation zwischen dem K-Wert und dem Molekulargewicht eines Polymers zu zeigen. Obwohl D14 und D15 am 14. Februar 2019 eingereicht wurden, und zwar nach Einreichung der Beschwerdebegründung durch die Beschwerdeführerin am 8. Februar 2019, waren diese Dokumente noch innerhalb der Frist von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung gemäß Artikel 108 EPÜ vorgelegt worden. Ihre Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren unterliegt daher dem Ermessen der Kammer gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007.
Diese Dokumente wurden eingereicht ohne eine Begründung für deren Verspätung anzugeben. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Beziehung zwischen dem K-Wert und dem Molekulargewicht wurde schon im schriftlichen Einspruchsverfahren zwischen den Parteien diskutiert (Seite 3, vierter Absatz, Eingabe der Patentinhaberin vom 22. Mai 2018). Diese Beziehung ist sogar auch im Streitpatent selbst (Abschnitt 15) offenbart. Somit erkennt die Kammer keinen Grund, warum D14 und D15 erst im Beschwerdeverfahren eingereicht wurden und nicht bereits vor der ersten Instanz.
3.6 D17 und D18 wurden von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren eingereicht. Es gab keine Einwände gegen die Zulassung dieser beiden Dokumente. Es wurde insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, dass D17 spät eingereicht worden sei. D17 ist ein technisches Datenblatt über das Produkt Vamac® G von Dupont**(TM) und offenbart die Glasübergangstemperatur als Inflektionspunktstemperatur dieses Produkts. D17 ist als Reaktion auf die Einschränkung der Glasübergangstemperatur im Anspruch 1 des neuen Hauptantrags eingereicht worden. D18 beschreibt den Zusammenhang zwischen der Inflektionspunktstemperatur und die Mittelpunktstemperatur für die Glasübergangstemperatur. D18 stellt somit das allgemeine Fachwissen auf dem Gebiet der Messung der Glasübergangstemperatur dar. Somit kann ferner das Einreichen von D17 und D18 als das Ergebnis der normalen Entwicklung des Beschwerdeverfahrens angesehen werden.
3.7 Folglich fand die Kammer es für angemessen, ihr Ermessen gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 (der gemäß Artikel 25(2) VOBK 2020 Anwendung findet) dahingehend auszuüben, die Dokumente D13 bis D15 nicht ins Verfahren zuzulassen. Die Dokumente D17 und D18 wurden jedoch ins Beschwerdeverfahren zugelassen.
4. Zulassung des Neuheitseinwands gegenüber Anspruch 16 im Hinblick auf D1
4.1 Die Beschwerdeführerin machte mit Ihrer Eingabe vom 11. Oktober 2019 (Seite 3) einen neuen Neuheitseinwand gegen Anspruch 16 des Hauptantrags vom 23. Mai 2019 ausgehend von D1 geltend.
4.2 Entsprechend der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern liegt die Zulassung von Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung und der Erwiderung ausdrücklich im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1) VOBK 2020, welcher Artikel 13(1) VOBK 2007 entspricht).
4.3 Verfahrensanspruch 16 des Hauptantrags entspricht dem Verfahrensanspruch 17 des Hauptantrags vom 22. Mai 2018, der die Basis der Entscheidung der Einspruchsabteilung darstellte. Im Vergleich zum Verfahrensanspruch 17 des Hauptantrags vom 22. Mai 2018 bezieht sich Verfahrensanspruch 16 des Hauptantrags vom 23. Mai 2019 auf die Antidröhnmasse gemäß der Ansprüche 1 bis 14 für die die Glasübergangstemperatur des Polyacrylatbindemittels eingeschränkt wurde. Es ist aus dem Abschnitt 3.2 auf Seite 4 der Entscheidung der Einspruchsabteilung ersichtlich, dass ein Neuheitseinwand gegen den Verfahrensanspruch 17 des Hauptantrags vom 22. Mai 2018, insbesondere gegenüber D1, nicht erhoben wurde. Der neue Neuheitseinwand geht auch nicht aus den Änderungen im neuen Hauptantrag hervor.
4.4 Der am 11. Oktober 2019 erhobene Einwand der mangelnden Neuheit gegen Anspruch 16 ist somit ein neuer Einwand, der erst im Beschwerdeverfahren eingereicht wurde, obwohl dieser Einwand im Einspruchsverfahren hätte eingereicht werden können. Dieser Einwand wurde ferner auch nicht mit der Beschwerdebegründung (sondern mit einer späteren Eingabe datiert vom 11. Oktober 2019) erhoben. Somit entspricht dieser Einwand nicht den Erfordernissen der Artikeln 12(2), (3) VOBK 2020, nach denen das Beschwerdevorbringen der Beteiligten u.a. auf die Einwände zu richten ist, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen und die Beschwerdebegründung das vollständige Beschwerdevorbringen eines Beteiligten enthalten muss. Aus diesen Gründen hält die Kammer es im vorliegenden Fall für angebracht, ihr Ermessen gemäß Artikel 13(1) VOBK 2020 dahingehen auszuüben, dass der Neuheitswand gegenüber Anspruch 16 im Hinblick auf D1 nicht ins Verfahren zugelassen wird.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Dämpfung von Vibrationen oder Schwingungen von Bauteilen von Fahrzeugen und Maschinen (Absatz 1). In D7 werden auch vibrationsdämpfende Materialien beschrieben, welche bestimmte Elastomere in Kombination mit bestimmten Modifizierungsmitteln und thermisch aktivierbaren Vernetzern enthalten (Anspruch 1, Absatz 2). Somit offenbart D7 einen Gegenstand, der zum gleichen Zweck entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat, der also die wenigsten strukturellen Änderungen erfordert (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, Neunte Auflage, Juli 2019, I.D.3.1).
5.2 D7 wurde als nächstliegender Stand der Technik sowohl in der Entscheidung der Einspruchsabteilung (Seite 5, Punkt 5.3) als auch im Beschwerdeverfahren angesehen (Beschwerdebegründung, Punkt 3.4.5; Beschwerdeerwiderung, Punkt IV.2). Die Kammer sieht keinen Grund, von D7 als nächstliegendem Stand der Technik abzuweichen.
5.3 Die Materialien der Tabelle 1 (Beispiel 1, Materialien A-C) von D7 wurden in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer von der Beschwerdeführerin für relevant gehalten. Die Materialien A-C werden zur Dämpfung von Vibrationen eingesetzt (Tabelle 2) und es ist aus den Abschnitten 9, 18, 20 und 46 auch ersichtlich, dass die offenbarten Materialien für Bauteile in Fahrzeugen verwendet werden.
5.4 Diese Materialien enthalten ein Ethylen/Methylmethacrylat Copolymer und Calciumcarbonat, welches ein anorganischer Füllstoff gemäß Merkmal (b) des geltenden Anspruchs 1 ist (D7, Absatz 50). Die Beschwerdeführerin hat auch gezeigt, dass das Ethylen/Methylmethacrylat Copolymer der Materialien A-C das kommerziell erhältliche Produkt VAMAC G ist, dass im Absatz 53 der D7 identifiziert wurde. D17 offenbart zusätzlich, dass VAMAC G eine Glasübergangstemperatur, gemessen als Wendepunktstemperatur, von -27.92°C besitzt (D17, Seite 3).
5.5 Anspruch 1 des Hauptantrags setzt allerdings voraus, dass die Glasübergangstemperatur des Polyacrylatbindemittels (a) als Mittelpunktstemperatur gemessen wird. Somit wenden D17 und das Streitpatent Messmethoden an, die die Glasübergangstemperatur jeweils an unterschiedlichen Punkten der thermischen Kurve ableiten. Diesbezüglich hat die Beschwerdegegnerin gezeigt, dass es sich hierbei um zwei unterschiedliche Auswertemethoden von DSC-Messungen handelt, die in der Regel zu unterschiedlichen Glasübergangstemperaturen führen, wobei die Glasübergangstemperatur am Mittelpunkt niedriger als die Glasübergangstemperatur am Inflektionspunkt ist (Schriftsatz vom 15. Februar 2022, Seiten 2/3). D18 bestätigt auch, dass die Glasübergangstemperatur am Mittelpunkt der thermischen Kurve (tm) niedriger ist als die Glasübergangstemperatur am Inflektionspunkt der thermischen Kurve (D18, Seite 60, Abbildung 1.44).
5.6 Daraus kann die Kammer nur schließen, dass die Glasübergangstemperatur am Mittelpunkt von VAMAC G niedriger als -27,92°C ist. Die Beschwerdeführerin hat behauptet, dass diese Temperatur noch im Bereich von -30°C bis kleiner oder gleich +60°C sei, wie in Anspruch 1 des Hauptantrags definiert, allerdings hat die Beschwerdeführerin für diese Behauptung keinen eindeutigen Beleg gebracht. Unter diesen Umständen kommt die Kammer zum Schluss, dass sich Anspruch 1 des Hauptantrags von den Materialien A-C der Tabelle 1 der D7 in der Glasübergangstemperatur am Mittelpunkt unterscheidet.
5.7 Es war zwischen den Parteien auch nicht strittig, dass D7 sowohl den K-Wert des Polyacrylatbindemittels VAMAC G als auch die Menge an C1 bis C10 Alkyl(meth)acrylaten dieses Polymers nicht offenbart.
5.8 Es wurde dann zwischen den Parteien diskutiert, ob durch die oben erwähnten Unterscheidungsmerkmale, d.h. i) die relative Menge an Methylmethacrylat im Polyacrylatbindemittel, ii) der K-Wert und iii) die Glasübergangstemperatur am Mittelpunkt des Polyacrylatbindemittels ein Effekt gegenüber D7 anerkannt werden kann. In diesem Zusammenhang wurde nicht bestritten, dass das Streitpatent selbst keinen Nachweis für einen Effekt der Merkmale i)-iii) zeigt. Eine verbesserte Spritzfähigkeit/Sprühbarkeit der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Antidröhnmasse ist aus dem Streitpatent nicht ableitbar. Es wurde auch nicht gezeigt, dass die in D7 offenbarten Massen nicht spritzfähig/sprühbar sind. Die Beschwerdegegnerin machte allerdings geltend, dass D11 einen Effekt des K-Werts des Polyacrylatbindemittels auf die Viskosität der hergestellten Massen zeige.
5.9 Bestimmte günstige Wirkungen oder vorteilhafte Eigenschaften können, wenn sie durch wirklich vergleichbare Ergebnisse in geeigneter Weise nachgewiesen werden, unter bestimmten Umständen der Definition der Aufgabe zugrunde gelegt werden, die mit der beanspruchten Erfindung gelöst werden soll, und können grundsätzlich als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden. Hierzu eignen sich allerdings nur Vergleichsversuche, die sich an dem der Erfindung strukturell nächsten Stand der Technik orientieren, weil ausschließlich hierin die unerwartete Wirkung zu suchen ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, Neunte Auflage, Juli 2019, I.D.4.2).
5.10 In D11 wurden allerdings Acrylatcopolymeren verwendet und verglichen für die die genaue Menge und die Identität des Monomers nicht bestimmt wurde (Acronal® 3500 und acResin UV 3532). Darüber hinaus weist keiner der eingesetzten Polyacryaltbindemittel Acronal® 3500 (Glasübergangstemperatur von -40°C, Seite 2 der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 11. Oktober 2019) und acResin UV 3532 (-60°C, Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 2022, Seite 1) eine Glasübergangstemperatur gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags (Glasübergangstemperatur zwischen -30°C und +60°C) auf. Somit ist nicht ersichtlich, ob etwaige Effekte mit dem K-Wert oder mit der Glasübergangstemperatur oder dem Monomer in Verbindung stehen. Auch kann nicht daraus geschlossen werden, dass der angestellte Vergleich einen fairen Vergleich mit den Materialien der Tabelle 1 der D7 darstellt.
5.11 Angesichts des Fehlens von Daten, die einen Effekt des K-Werts bestätigen könnten, kann der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Effekt bei der Formulierung der technischen Aufgabe nicht berücksichtigt werden. Unter diesen Umständen ist die einzige Aufgabe, die sich formulieren lässt, die Verwendung von weiteren nicht-wässrigen Antidröhnmassen zur Dämpfung von Vibrationen oder Schwingungen von Bauteilen von Fahrzeugen oder Maschinen.
5.12 Es bleibt zu beantworten, ob der Stand der Technik der Fachperson Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Verwendung der anspruchsgemäßen Antidröhnmassen zu lösen.
5.13 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die Verwendung von Polyacrylatbindemittel aus mindestens 60 Gew. % aus i) C1 bis C10 Alkyl(meth)acrylaten, ii) mit einem K-Wert von 10 bis 35 und iii) mit einer Glasübergangstemperatur im Bereich von -30°C bis kleiner oder gleich +60°C in nicht-wässrigen Antidröhnmassen aus D7 alleine naheliegend sei.
5.14 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin nicht folgen. D7 enthält keinen Hinweis auf Polyacrylatbindemittel gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, d.h. mit den Merkmalen i) bis iii). Absatz 26 von D7, der die Polyacrylatbindemittel betrifft, offenbart lediglich die Verwendung, als Ethylen/Methylacrylat Elastomer, von VAMAC G, das kommerzielle Produkt der Materialen A-C. Für dieses Produkt wurden die Merkmalen i) bis iii) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags allerdings nicht dargelegt, sodass es nicht ersichtlich ist, inwiefern diese, im Fall von VAMAC G, sich von dem beanspruchten Bereich unterscheiden und ob diese Unterschiede für die Anwendung als Antidröhnmasse relevant wäre. Es wurde auch nicht gezeigt, dass Polyacrylatbindemittel allgemein für die Anwendungen der D7 geeignet wären, d.h. ungeachtet deren Kombination an Parametern i) bis iii). Die Kammer kann demnach aus D7 nicht erkennen, dass eine Fachperson die Verwendung von Polyacrylatbindemittel gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags in Antidröhnmassen in Betracht gezogen hätte.
5.15 Die Beschwerdeführerin brachte zusätzlich vor, dass D5 mit der Lehre der Beispiele B18 und B7, die Polyacrylatbindemitteln mit einer berechneten Menge an Monomeren von jeweils 98 Gew.-% Ethylacrylat in B7 (Absatz 75) und 98 Gew.-% Ethylacrylat und n-Butylacrylat in B18 (Absatz 86), eine berechnete Glasübergangstemperatur von 26°C (B18) bzw. -24°C (B7) und einen K-Wert von 11,2 (B18, Absatz 86) bzw. 26,1 (B7, Absatz 75) offenbart, welche die Verwendung von Polyacrylatbindemitteln gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nahelegen würden. In diesem Zusammenhang machte die Beschwerdeführerin geltend, dass Absatz 24 von D5 die Verwendung dieser Klebestoffe als Bindemittel für Trittschalldämmungen offenbare, sodass es für die Fachperson naheliegend wäre, diese Bindemittel zur Lösung der gestellten Aufgabe einzusetzen.
5.16 D5 betrifft allerdings nicht nur Klebestoffe als Bindemittel für Trittschalldämmungen, sondern das breitere Anwendungsspektrum von Bauklebstoffe, darunter Parkettklebstoffe, Montageklebstoffe, Schaumklebstoff/-imprägnierung, Folienklebstoff, Knetmasse sowie Bindemittel für Beschichtungen, Fliesenklebstoffe und Trittschalldämmungen (Absätze 2, 9, 11 und 24). Ob sich die Polyacrylatharze der Beispiele B7 und B18 auch für Trittschalldämmungen eignen, ist allerdings in D5 nicht offenbart. Darüber hinaus offenbaren zwar die Beispiele B7 und B18 von D5 Polyacrylatharze auf Basis von C1-C10 Akyl(meth)acrylaten. Diese Polyacrylatharze enthalten allerdings auch zwangsläufig ein Silan (Absatz 1; Anspruch 1; 3-Aminopropyl-trimethaxysilan in B7 und Dynasilan 1189 in B18). Wieso die Fachperson die Silan enthaltenden Polyacrylatharze gemäß B7 und B18 der D5 als Alternative für das kommerziell erhältliche Produkt VAMAC G auf Basis von einem Ethylen/Methylacrylat Elastomer in den Materialen A-C der D7 in Betracht gezogen hätte, ist weder aus D7 noch aus D5 ersichtlich und wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht gezeigt. D7 insbesondere offenbart das Produkt VAMAC G als Ethylen/Methylacrylat Elastomer (Absatz 26 und Materialen A-C). Dieses Produkt wird in den Massen von D7 in Verbindung mit einem Modifizierungsmittel verwendet, wobei das Modifizierungsmittel aus der Gruppe ausgewählt ist, die aus einem Styrol/Butadien-Harz, einem Copolymer aus (Meth)acrylsäureestern und Styrol, einem Cumaron-Inden-Harz, einem Kohlenwasserstoffharz, einem Phenolharz und mindestens einem Epoxidharz besteht (Absätze 22, 27 und Anspruch 1). Diese Kombination an Elastomer und Modifizierungsmittel ist in D7 für die darin gestellten Aufgabe, nämlich die verbesserte Dämpfung von Vibrationen oder Schwingungen bei hohen Temperaturen, entscheidend (Absatz 27). Inwiefern die Silan enthaltenden Polyacrylatharze der Beispiele B7 und B18 der D5 mit den Modifizierungsmitteln der D7 kompatibel wären, um die Aufgabe zu lösen, wurde auch nicht gezeigt.
5.17 Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ausgehend von den Materialen A-C von D7, nicht in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik ergibt. Der Hauptantrag erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
6. Da die Beschwerdeführerin am Ende der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (siehe Seite 4 des Protokolls, Ende des fünften Absatzes), dass sie keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag habe und keiner der vorgebrachten und entschiedenen Einwände Erfolg hat, ist das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des geltenden Hauptantrags und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Anträge auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr und Zurückverweisung aufgrund schwerwiegender Verfahrensmängel werden zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 16 des am 23. Mai 2019 eingereichten Hauptantrags und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.