T 2830/18 (Aluminiumlegierung/AMAG) of 16.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T283018.20200616
Datum der Entscheidung: 16 Juni 2020
Aktenzeichen: T 2830/18
Anmeldenummer: 01890265.0
IPC-Klasse: C22F1/05
C22C21/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ausscheidungshärten einer Aluminiumlegierung
Name des Anmelders: AMAG rolling GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 105b (2007)
European Patent Convention R 95(2) (2007)
European Patent Convention Art 112(1)(a) (2007)
Schlagwörter: Beschränkungsverfahren - Beschränkung des Europäischen Patents
Beschränkungsverfahren - (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung den Antrag auf Beschränkung des europäischen Patents Nr. EP-B-1 195 449 zurückzuweisen. Die Prüfungsabteilung fand, dass die geänderten Ansprüche keine Beschränkung des Schutzumfangs darstellen.

II. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Ansprüche des erteilten Patents (Druckexemplar vom 24. Juli 2006) lauten wie folgt:

"8. Vormaterial für Bau- oder Formteile aus einer Aluminiumbasislegierung enthaltend in Gew.-%

0,3 bis 1,8 Silizium (Si)

0,25 bis 1,6 Magnesium (Mg)

0,005 bis 0,6 Eisen (Fe)

bis 0,15 Titan (Ti)

bis 1,5 Kupfer (Cu)

bis 1,5 Mangan (Mn)

bis 0,25 Chrom (Cr)

bis 0,16 Zirkonium (Zr)

Rest Aluminium (Al) und

herstellungsbedingte Verunreinigungen, welches nach einer Lösungsglühung thermisch vorbehandelt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Werkstoff nach einer aus zumindest dreimaligem Erwärmen und Abkühlen bestehenden Vorbehandlung, bei welcher der letzte Warmbehandlungsschritt zur Stabilisierung der Keimstruktur mit abgesenkter Temperatur erfolgt, zumindest für 420 Stunden, vorzugsweise für zumindest 1000 Stunden, eine stabilisierte Keimstruktur mit den mechanischen Kennwerten

Härte HB - 65 (2,5/62,5/16)

Dehngrenze Rp0,2 - 140 MPa, vorzugsweise = 130

Zugfestigkeit Rm - 270 MPa, vorzugsweise = 240

Gleichmaßdehnung Ag - 18%

aufweist und gegebenenfalls nach einer Ausformung des Teiles dieser bei einer Temperatur zwischen 165°C und 190°C innerhalb einer Zeitdauer von 12 bis 38 Minuten ausscheidungshärtbar ist."

"9. Vormaterial nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der daraus hergestellte ausscheidungsgehärtete Bau- oder Formteil folgende mechanische Kennwerte besitzt

Härte HB - 80

Dehngrenze Rp0,2 - 190 MPa, vorzugsweise = 210

Zugfestigkeit Rm - 240 MPa, vorzugsweise = 260

Gleichmaßdehnung Ag - 12%"

Der der Entscheidung zugrunde liegende Beschränkungsantrag betraf nur die Ansprüche 8 und 9 und enthielt folgende Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen (Hervorhebung durch die Kammer):

"8. [...] stabilisierte Keimstruktur mit den mechanischen Kennwerten

Härte HB <= 65 (2,5/62,5/16)

Dehngrenze Rp0,2 <= 130 MPa

Zugfestigkeit Rm <= 270 MPa, vorzugsweise <= 240

Gleichmaßdehnung Ag >= 18%

aufweist [...]"

"9. [...] Formteil folgende mechanische Kennwerte besitzt

Härte HB >= 80

Dehngrenze Rp0,2 >= 210 MPa

Zugfestigkeit Rm >= 240 MPa, vorzugsweise >= 260

Gleichmaßdehnung Ag >= 12%"

III. In der Beschwerdebegründung schlug die Beschwerdeführerin vor, dass es vorteilhaft sei, die folgenden Fragestellungen der Großen Beschwerdekammer vorzutragen:

"1. Im Falle, dass im Beschränkungsverfahren eine Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers nach Art. [sic] 139 EPÜ statthaft ist, ist dieses berichtigte Merkmal in weiterer Folge einer Beschränkung zugänglich?

2. Wenn ja, reicht es aus, einzig durch diese Beschränkung des nach Art. [sic] 139 EPÜ berichtigten Merkmals die Beschränkungsanforderungen nach Art. 105b iVm Regel 95(2) EPÜ zu erfüllen - dies auch dann, wenn das nach Art. [sic] 139 EPÜ berichtigte und beschränkte Merkmal gegenüber dem fehlerhaften Merkmal keine Beschränkung darstellt?"

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß den Ansprüchen vom 24. Januar 2017 einzuschränken.

Entscheidungsgründe

1. Dem Antrag auf Beschränkung kann aus folgenden Gründen stattgegeben werden:

Gemäß Artikel 105b(1) EPÜ prüft das Europäische Patentamt, ob die in der Ausführungsordnung festgelegten Erfordernisse für eine Beschränkung erfüllt sind. Dabei wird nach Regel 95(2) EPÜ geprüft, ob die geänderten Patentansprüche gegenüber den Ansprüchen in der erteilten Fassung eine Beschränkung darstellen und den Artikeln 84 und 123 Absätze 2 und 3 genügen.

Die einzigen Ansprüche, die gegenüber dem erteilten Patent geändert wurden sind vorliegend die Ansprüche 8 und 9, sodass nur diese zu prüfen sind.

1.1 Artikel 84 EPÜ

Die eingefügten Änderungen sind klar, sodass die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ bezüglich der Änderungen erfüllt sind.

1.2 Artikel 123(2) EPÜ

Ansprüche 8 und 9 gehen unmittelbar und eindeutig aus den Ansprüchen 9 und 10 der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervor. Die Bedingungen des Artikel 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.

1.3 Artikel 123(3) EPÜ

Es ist anerkannte Rechtsprechung, dass zum Zwecke des Artikels 123(3) EPÜ ein Anspruch so auszulegen ist, dass er technischen Sinn ergibt und die gesamte Offenbarung des Patents berücksichtigt wird (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9.Auflage, 2019, II, E.2.3.3).

In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung das Zeichen "-" entweder (a) als Minus oder (b) als Gleichheitszeichen angesehen.

Ad (a): Im vorliegenden Fall erkennt die Fachperson, dass die Ansprüche 8 und 9 des erteilten Patents fehlerhaft sein müssen, da negative Angaben bezüglich der Härte, Dehngrenze, Zugfestigkeit und Gleichmaßdehnung im beanspruchten Kontext technisch nicht sinnvoll sind.

Ad (b): Auch bei der Deutung als Gleichheitszeichen ist der Wortlaut der Ansprüche mit Widersprüchen behaftet, da die allgemeinen und die bevorzugten, jeweils singulären Werte für die Dehngrenze und die Festigkeit voneinander abweichen (z.B. Dehngrenze Rp0,2= 140 MPa, vorzugsweise = 130 MPa).

Die einzig technisch sinnvolle Auslegung ergibt sich durch Konsultation der Beschreibung. Auf Seite 4, Zeilen 29 bis 34 der B1-Publikation sind die mechanischen Kennwerte der stabilisierten Keimstruktur angegeben, sodass der erteilte Anspruch 8 so auszulegen ist, dass die Härte HB <= 65 (2,5/62,5/16), die Dehngrenze Rp0,2<= 140 MPa, die Zugfestigkeit Rm <= 270 MPa und die Gleichmaßdehnung Ag >= 18% der Keimstruktur sind. Entsprechendes gilt für die mechanischen Kennwerte des ausscheidungsgehärteten Bau- oder Formteils, die auf Seite 4, Zeilen 51 bis 54 der B1-Publikation angegeben sind. Der erteilte Anspruch 9 ist demzufolge so auszulegen, dass die Härte HB >= 80, die Dehngrenze Rp0,2 >= 240 MPa, die Zugfestigkeit Rm >= 240 MPa und die Gleichmaßdehnung Ag >= 12% sind.

Die Ansprüche 8 und 9 des vorliegenden Antrags wurden dahingehend geändert, dass die Dehngrenzen in beiden Ansprüchen auf die bevorzugten Bereiche eingeschränkt sind. Eine Einschränkung gegenüber den erteilten Ansprüchen, wenn auch nur in einem mechanischen Kennwert, liegt somit vor und die Bedingungen des Artikels 123(3) EPÜ sind erfüllt.

1.4 Demzufolge sind auch die Bedingungen der Regel 95(2) EPÜ erfüllt, sodass der Beschränkung stattgegeben werden kann, wenn die Bedingungen der Regel 95(3) EPÜ erfüllt werden.

2. Artikel 112(1)a) EPÜ

Es ist etablierte Rechtsprechung, dass eine Vorlagefrage für die Entscheidung der Beschwerdekammer in der ihr zugrunde liegenden Sache maßgeblich sein muss (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.B.2.3.3).

Selbst wenn der im Abschnitt III. zitierte Vorschlag der Patentinhaberin, die angeführten Fragestellungen der Großen Beschwerdekammer vorzutragen, als formaler Antrag angesehen würde, so ist eine derartige Vorlage für die gegenständliche Entscheidung nicht angebracht. Da der vorliegende Fall sich auf etablierte Rechtsprechung bezüglich der Auslegung von Ansprüchen unter Artikel 123(3) EPÜ stützt und durch die Kammer auf der alleinigen Grundlage des vorliegenden Sachverhalts entschieden werden kann, ist eine Vorlage der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer nicht erforderlich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent auf Basis der Ansprüche des vorliegenden Antrags eingereicht am 24. Januar 2017 zu beschränken.

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