T 2394/18 () of 8.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T239418.20201008
Datum der Entscheidung: 08 October 2020
Aktenzeichen: T 2394/18
Anmeldenummer: 11180226.0
IPC-Klasse: F24C7/08
F24C15/10
A47L15/42
D06F39/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hausgerät mit einer Steuereinheit
Name des Anmelders: BSH Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: Electrolux Rothenburg GmbH Factory and Development
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b) (2007)
European Patent Convention Art 100(c) (2007)
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 111(1) (2007)
RPBA2020 Art 011 (2020)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein)
Neuheit - (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-2 400 224 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Hausgerät mit einer Steuereinheit wie zum Beispiel ein Kochfeld.

Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und ihn auf die Gründe des Artikels 100 a), b) und c) EPÜ gestützt.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent zu widerrufen. Diese Entscheidung beruht auf der Ansicht der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents nicht neu gegenüber einer offenkundigen Vorbenutzung sei und dass die Änderungen im Hilfsantrag 1 nicht die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ erfüllen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

V. Mit einem Schreiben vom 19. August 2020 nahm die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdegegnerin) zu der vorläufigen Meinung der Kammer Stellung.

VI. Mit Schreiben vom 8. September 2020 reichte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 1 bis 3 ein.

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt, hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit dem Schreiben vom 8. September 2020, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unzulässig abzuweisen oder als unbegründet zurückzuweisen.

VIII. Eine mündliche Verhandlung fand am 8. Oktober 2020 statt. Im Rahmen dieser Verhandlung beantragten beide Beteiligte, die Angelegenheit zur Erörterung der erfinderischen Tätigkeit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

IX. Ansprüche

Anspruch 1 des Patents inklusive einer von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung betrifft ein:

M0101 "Hausgerät mit einer Steuereinheit (14) und einer

Benutzerschnittstelle (16) zum Auswählen einer Stufe aus einer Anzahl von Stufen zum Einstellen eines stufenweise einstellbaren Betriebsparameters, wobei

M0102 die Steuereinheit (14) dazu ausgelegt ist,

wenigstens eine Zuordnungsfunktion (20) zu nutzen, um den Betriebsparameter abhängig von der ausgewählten Stufe zu bestimmen, wobei

M0103 die Benutzerschnittstelle (16) wenigstens ein

Einstellmittel (18) zum Verändern der Zuordnungsfunktion (20) umfasst,

gekennzeichnet durch

M0104 mehrere Betriebsparameter mit jeweils einer

Zuordnungsfunktion (20), wobei

M0105 das Einstellmittel (18) zum gleichzeitigen

Verändern der Zuordnungsfunktionen (20) aller Betriebsparameter ausgelegt ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Hausgeräts.

X. Stand der Technik

Der angefochtene Widerruf des Patents beruht auf einer offenkundigen Vorbenutzung V1, die durch die folgenden Unterlagen nachgewiesen wurde:

V1-1: Liste mit Reklamationen;

V1-2: Sicherheitshinweis;

V1-3: Geräteliste;

V1-4: Service Bulletin;

V1-5: Explosionszeichnung;

V1-6: Technical Specification;

V1-7: Electronic Bus Interface Specification;

V1-8: HCS Messages;

V1-9: Konstruktionszeichnung;

V1-10: Eidesstattliche Versicherung Kurt Reul;

V1-11: Eidesstattliche Versicherung Anton Schatz;

V1-12: Kundendienstbeleg;

V1-13: Kundendienstbeleg;

V1-14: Kundendienstbeleg;

V1-15: Stückliste;

V1-16: Anzeige;

V1-17: Niederschrift über die Beweisaufnahme durch

Einvernahme der Zeugen Herrn Kurt Reul und Herrn Anton Schatz, aufgenommen in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 2. Februar 2016 - Europäisches Patent EP 2 065 651 (Patentanmeldung Nr. 08 105 876.0).

Zudem sind folgende in der angefochtenen Entscheidung genannte Dokumente für diese Entscheidung relevant:

E1: EP 1 273 851 A2;

E2: DE 197 13 315 C2;

E3: DE 10 2005 027 199 A1;

E5: DE 10 2005 040 346 A1;

E6: DE 10 2005 032 088 A1;

E7: DE 10 2005 043 917 A1.

XI. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Zu den Rügen der Beschwerdegegnerin gegen die Zulässigkeit der Beschwerde trug die Beschwerdeführerin wie folgt vor: Aus der Beschwerdebegründung gehe klar hervor, dass sich die Beschwerde gegen den Widerruf des Patents richte. Auch mache diese deutlich, welches Merkmal von der Einspruchsabteilung zu Unrecht als in V1 offenbart angesehen worden sei. Der Beschwerdegegenstand sei daher klar erkennbar und die Beschwerde ordnungsgemäß begründet worden. Damit stehe die Zulässigkeit der Beschwerde außer Frage.

Der beanspruchte Gegenstand könne von einem Fachmann ohne Probleme nachgearbeitet werden, insbesondere unter Berücksichtigung des Ausführungsbeispiels und der Figuren des Patents.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents sei neu in Hinblick auf die im Anlagenkonvolut V1 dargestellte Vorbenutzung, da das darin gezeigte Kochfeld keine Benutzerschnittstelle mit einem Eingabemittel für einen Endbenutzer aufweise, mit dem die Zuordnungsfunktion für einen Betriebsparameter verändert werden könne.

Keines der weiteren zitierten Dokumente E1, E2, E3, E5, E6 und E7 beschreibe ein Hausgerät, bei dem die Zuordnungsfunktion aller Betriebsparameter gleichzeitig mit einem Einstellmittel einer Benutzerschnittstelle geändert werden könne.

XII. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Die Beschwerdeführerin habe den Beschwerdegegenstand weder in der Beschwerdeschrift noch in der Beschwerdebegründung genannt. Damit seien die Bestimmungen der Regel 99(1) c) EPÜ nicht erfüllt und die Beschwerde unzulässig.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht ausführbar, da die darin definierten Merkmale widersprüchlich seien und die gleichzeitige Änderung der Zuordnungsfunktionen für jede der möglichen Kombinationen von Betriebsparametern nur mit unzumutbaren Aufwand von einem Fachmann erzielt werden könne. Zudem beruhe der beanspruchte Gegenstand nicht auf der ursprünglichen Lehre der Stammanmeldung.

V1 offenbare ein Hausgerät, bei dem die Zuordnungsfunktion eines Betriebsparameters mittels einer BUS-Schnittstelle gewählt werden könne. Eine BUS-Schnittsstelle stelle ein Einstellmittel dar, das Teil einer Benutzerschnittstelle sei.

Ferner sei der beanspruchte Gegenstand in Hinblick auf die Dokumente E1, E2, E3, E5, E6 und E7 nicht neu.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Nach Regel 99 (1) c) EPÜ muss die Beschwerdeschrift einen Antrag enthalten, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt ist, ansonsten ist die Beschwerde nach Regel 101 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.

Im vorliegenden Fall enthält zwar weder die Beschwerdeschrift noch die Beschwerdebegründung einen explizit formulierten Antrag.

Gemäß ständiger Rechtsprechung kann ohne einen ausformulierten Antrag in der Beschwerdeschrift gegebenenfalls aber auch implizit darauf geschlossen werden, dass ein Beschwerdeführer die Aufhebung der Entscheidung in vollem Umfang beantragt, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, Kapitel IV.E.2.5.2.c).

Die angefochtene Entscheidung beruht auf den erteilten Ansprüchen (Hauptantrag) und geänderten Ansprüchen gemäß Hilfsantrag 1. Das Rechtsmittel der Beschwerde kann sich also bei vernünftiger Betrachtungsweise nur gegen den Widerruf des Patents wie erteilt, ggf. auch gegen die Ablehnung des Hilfsantrags 1 richten. Dass dies vorliegend der Fall ist, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Der Beschwerdegegenstand wird in der Beschwerdebe-gründung dadurch implizit benannt, dass der - allerdings vermeintliche - Wortlaut des Anspruchs 1 des erteilten Patents zitiert wird.

Dieser entspricht zwar nicht dem tatsächlichen Wortlaut des Anspruchs 1 des Patents, sondern vielmehr dem der zugehörigen Stammanmeldung. Die Kammer ist insofern aber der Auffassung, dass es sich dabei um einen offensichtlichen Fehler handelt, insbesondere weil diese Anspruchsformulierung nicht in Form eines neuen Anspruchssatzes eingereicht wurde, sondern im Rahmen eines Zitats des Anspruchs verwendet wurde.

Weiterhin stützt die übrige Beschwerdebegründung diesen Beschwerdegegenstand und damit einen impliziten Antrag, denn die Beschwerdeführerin setzt sich darin mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die erteilten Ansprüche auseinander. Die Beschwerdeführerin legt detailliert dar, aus welchen Gründen die Entscheidung in ihrem tragenden Gesichtspunkt in Bezug auf die Vorbenutzung V1 unrichtig sei, nämlich weil V1 keine Benutzerschnittstelle offenbare, mit der die Zuordnungsfunktion für mehrere Betriebsparameter geändert werden könne.

Eine Auseinandersetzung seitens der Beschwerdeführerin mit allen möglichen, im Einspruchsverfahren zusätzlich erhobenen Einwände ist entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin für die bloßen Erfordernisse der Zulässigkeit zunächst nicht erforderlich, da im Beschwerdeverfahren primär zu überprüfen ist, ob die Entscheidung der Einspruchsabteilung zutreffend war.

Soweit die Beschwerdeführerin wiederum zu dem von der Einspruchsabteilung zurückgewiesenen Hilfsantrag in der Beschwerdeschrift keine Stellung genommen hat, lässt dies nur den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin diesen zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde auch nicht weiter verfolgen wollte.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Beschwerde zulässig ist.

2. Artikel 100 c) EPÜ in Verbindung mit Artikel 76 EPÜ

Anspruch 1 beruht unstreitig auf einer bloßen Kombination der Ansprüche 1 und 13 der Stammanmeldung wie ursprünglich eingereicht.

Die Beschwerdegegnerin wiederholt im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Einspruchsverfahren, dass diese in der Stammanmeldung ursprünglich offenbarte Kombination von Merkmalen technisch keinen Sinn ergebe und daher die technische Umsetzung gemäß Anspruch 1 des Patents nicht ursprünglich offenbart worden sei.

Dieses Argument ist einerseits nicht nachvollziehbar und betrifft andererseits lediglich die Klarheit des Anspruchs.

Eine ursprünglich offenbarte, einfache Kombination eines Unteranspruchs mit dem Hauptanspruch erfüllt, wie auf Seite 5 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, zweifelsfrei die Erfordernisse des Artikels 76 EPÜ.

Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents daher nicht entgegen.

2.1 Artikel 100 b) EPÜ

2.1.1 Die Beschwerdegegnerin argumentiert entsprechend ihrem Vorbringen im Einspruchsverfahren, dass die Kombination der Merkmale in Anspruch 1 in Widerspruch zueinander stünden und daher die technische Umsetzung gemäß Anspruch 1 des Patents nicht ausführbar sei.

Die Frage, ob der kennzeichnende Teil und der Oberbegriff eines Anspruchs widersprüchlich aufgefasst werden können, betrifft zweifelsfrei die Klarheit des Anspruchswortlauts, die allerdings keinen Einspruchsgrund darstellt.

2.1.2 Die in den Absätzen [0035] bis [0044] beschriebene Ausführungsform eines Hausgeräts veranschaulicht, wie ein Hausgerät gemäß Anspruch 1 realisiert werden kann. Die Beschwerdegegnerin hat nicht in Frage gestellt, dass diese Ausführungsform eines Kochfelds von einem Fachmann nachgearbeitet werden kann.

Ihr weiterer Einwand zur mangelnden Offenbarung zielt vielmehr darauf ab, dass der Fachmann in Anbetracht der Vielzahl an möglichen Betriebsparametern und Kombinationen davon, unzumutbaren Aufwand benötige, den Gegenstand des Anspruchs 1 über seine ganze Breite nachzuarbeiten.

Die Kammer kann dieser Argumentation nicht zustimmen. Auch wenn in Anspruch 1 der Betriebsparameter nicht genau definiert wird, ist die Anzahl der möglichen Betriebsparameter für ein gegebenes Hausgerät überschaubar. Diesbezüglich ist auch nicht erkennbar, in wie fern ein Fachmann vor unüberwindbaren Problemen stehen sollte, um die Zuordnungsfunktion weiterer gängiger Betriebsparameter zu ändern. Weiterhin sind keine Probleme dahingehend erkennbar, mittels einer geeigneten Programmierung der Steuereinheit gleichzeitig eine Änderung der Zuordnungsfunktion aller Betriebsparameter zu ermöglichen.

In Übereinstimmung mit der Feststellung auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

3. Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ

3.1 Auslegung des Anspruchs 1

3.1.1 Anspruch 1 definiert ein Hausgerät, das eine Benutzerschnittstelle aufweist, die ein Einstellmittel zum Verändern der Zuordnungsfunktion für einen Betriebsparameter umfasst.

3.1.2 Eine Benutzerschnittstelle soll ihrem Namen nach eine Eingabemöglichkeit für den Benutzer des Geräts aufweisen, der dieses Gerät bestimmungsgemäß nutzt. Im Falle eines Kochfelds ist das folglich die Person, die das Kochfeld zum Kochen nutzt. Die Benutzerschnitt-stelle ermöglicht in diesem Fall durch gattungsübliche Einstellmittel, wie beispielsweise ein Touchscreen, Drehknöpfe oder Tasten, die bestimmungsgemäße Bedienung des Kochfelds.

Eine BUS-Schnittstelle hingegen, die in der Fertigung eines Kochfeldes dazu eingesetzt wird, Steuerungsprogramme auf das Kochfeld einzuspielen oder dem Servicetechniker die Möglichkeit gibt, das Kochfeld neu zu programmieren, stellt kein Einstellmittel einer Benutzerschnittstelle dar, da es nicht dazu ausgelegt ist, von einem Benutzer bedient zu werden.

Zum einen sind derartige Anschlüsse für den Benutzer üblicherweise nicht einfach zugänglich, sondern vielmehr im Inneren des Geräts verborgen, und auch ohne weitere Kenntnisse, Equipment und Softwarekenntnisse nicht einstellbar. Ferner sind Service- und Produktionsmitarbeiter keine Benutzer des Hausgeräts im oben genannten Sinne, da diese das Haushaltsgerät allenfalls herstellen oder warten.

Diese wortsinngemäße Auslegung des Begriffs Benutzerschnittstelle korreliert auch mit der entsprechenden Gesamtlehre des Patents, insbesondere der darin definierten technischen Aufgabe, die gemäß den Absätzen [0006] bis [0008] darin liegen soll, Benutzern bei der Anpassung an individuelle Vorlieben durch mehr Flexibilität mehr Bedienkomfort zu verschaffen.

Weder der Wortlaut des Anspruchs noch die Beschreibung im Patent geben daher Anlass dazu, den Begriff "Benutzerschnittstelle" derart auszulegen, dass darunter auch eine BUS-Schnittstelle für die Konfiguration eines Kochfeldes im Rahmen der Herstellung oder des Services zu verstehen ist.

Die Kammer kommt mithin zu dem Schluss, dass das in Anspruch 1 definierte Einstellmittel dazu ausgelegt sein muss, von dem Benutzer des Hausgeräts betätigt zu werden, da es ein Bestandteil der Benutzerschnittstelle ist.

3.1.3 Die Merkmale M0104 und M0105 definieren zudem, dass das Hausgerät mehrere Betriebsparameter aufweist und das Einstellmittel zum gleichzeitigen Verändern der Zuordnungsfunktionen aller Betriebsparameter ausgelegt ist.

Gemäß dem expliziten Wortlaut dieses Merkmals muss das Einstellmittel folglich dazu ausgelegt sein, nicht nur die Zuordnungsfunktion für einen Betriebsparameter wie die Leistungsstufe, Temperatur oder Zeit für eine Leistungseinheit zu ändern, sondern muss vielmehr dazu ausgelegt sein, die Zuordnungsfunktion aller verfügbaren Betriebsparameter eines Hausgeräts gleichzeitig zu ändern, also jeden verfügbaren Betriebsparameter jeder Leistungseinheit des Geräts.

3.2 Neuheit gegenüber V1

Die öffentliche Zugänglichmachung des im Anlagenkonvolut V1 beschriebenen Kochfelds wurde im Einspruchsverfahren unstreitig nachgewiesen.

In V1-6, das die elektronische Konfiguration des vorbenutzten Kochfeldes V1 beschreibt, wird auf Seite 7 in Punkt 3.1 offenbart, dass das Kochfeld vier verschiedene Varianten für die Anzahl der Kochstufen in einem Speicher hinterlegt hat. Die Festlegung der für einen Endbenutzer verfügbaren Anzahl an Kochstufen erfolgt unstreitig mittels einer BUS-Schnittstelle durch einen Mitarbeiter im Herstellungswerk. Dies wird von Herrn Reul durch die auf den Seite 6, 7 und 26 des Vernehmungsprotokolls V1-17 protokollierten Aussagen bestätigt.

Eine BUS-Schnittstelle zum Programmieren des Kochfelds in Herstellungswerk ist, wie im obigen Punkt 3.1.1. ausgeführt, keine Benutzerschnittstelle.

V1 offenbart daher keine Benutzerschnittstelle mit einem Einstellmittel, mittels dem die Zuordnungsfunktionen aller Betriebsparameter vom Benutzer des Kochfeldes geändert werden kann.

3.3 Neuheit gegenüber E1

3.3.1 Die Stelleinheit für ein Gargerät gemäß E1 umfasst einen berührungsempfindlichen Stellstreifen 4 mit 16 Sensorflächen und 16 zugeordneten LED-Feldern in einem Anzeigestreifen 6, siehe Figur 1 der E1:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Gemäß den Absätzen [0019] and [0020] der E1 erlaubt dieses Bedienelement einem Benutzer, die Heizrate in insgesamt 16 Stufen zwischen Null und dem Maximalwert zu regeln. Eine erste hinterlegte Zuordnungsfunktion weist den Sensorflächen des Stellstreifens jeweils eine bestimmte Leistungsstufe von größer Null bis zur Maximalleistung zu, die durch die 16 LED-Felder dem Nutzer angezeigt werden und die von ihm einstellbar sind.

Gemäß Absatz [0028] wird durch ein langes Berühren des Stellstreifens eine Zoomfunktion aktiviert, für die zur Erzielung der Maximalleistung der Stellstreifen 10 Mal völlig überstrichen werden muss. Dies bedeutet, dass der Benutzer in der Zoomfunktion eine andere Anzahl von Stufen zur Einstellung der Heizrate zur Verfügung hat, die durch die LED-Felder 6 und die genaue Zoom-Anzeige 24 dem Benutzer verdeutlicht werden, siehe Figur 3 der E1:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Eine zweite hinterlegte Zuordnungsfunktion weist folglich den Sensorflächen des Stellstreifens jeweils 10 Sätze von Leistungsstufen zu, die jeweils nur einen Bruchteil des Leistungsspektrums umfassen.

Durch Beenden der Zoomfunktion kann der Benutzer wieder die erste Zuordnungsfunktion aktivieren.

Das in E1 beschriebene Stellelement weist mithin ein Bedienelement mit einem Eingabemittel auf, mittels dem zwischen zwei Zuordnungsfunktionen gewechselt werden kann.

Absatz [0028] offenbart die Zoomfunktion in Bezug auf das in den Figuren dargestellte Gargerät. Diesbezüglich finden sich allerdings keine weiterführenden Angaben darüber, dass das Gerät mehrere Betriebsparameter aufweist oder dass deren Zuordnungsfunktionen gleichzeitig geändert werden.

Der in E1 beschriebene Stellstreifen kann gemäß Anspruch 19 zwar auch in einem Kochfeld eingesetzt werden. Allerdings kann daraus nicht unmittelbar abgeleitet werden, dass bei einem derartigen Kochfeld nur ein einziger Stellstreifen zur Bedienung aller Kochstellen eingesetzt wird und zudem eine Aktivierung der Zoomfunktion für alle Kochstellen gleichzeitig erfolgt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der Offenbarung der E1 dadurch, dass das Einstellmittel die Zuordnungsfunktion aller Betriebsparameter gleichzeitig ändert.

3.3.2 Neuheit gegenüber E2

E2 offenbart in Anspruch 1 und in Spalte 2, Zeilen 53 bis 63 ein Steuerungsgerät, mittels dem die einzelnen Kochzonen variabel den Bedienelementen zugeordnet werden können. Gemäß Spalte 3, Zeilen 18 bis 38 ist es dabei möglich, Heizringe variabel den Bedienelementen zuzuordnen. Die entsprechende Programmierung des Steuerungsgeräts ist gemäß Spalte 1, Zeile 60 bis Spalte 2, Zeile 1 nach der Montage und vor der Betriebnahme oder später durch einen Service- oder Wartungstechniker möglich.

Eine Möglichkeit für den Benutzer der Kochmulde, eine Umprogrammierung vorzunehmen, wird in E2 allerdings nicht beschrieben. Vielmehr offenbart E2 in Spalte 2, Zeilen 64 und 65, dass die Programmierung während der gesamten Betriebszeit beibehalten wird.

Ferner beschreibt E2 auch nicht, dass die Zuordnungsfunktion der weiteren Betriebsparameter wie die Heizleistung gleichzeitig geändert werden kann.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist folglich neu gegenüber E2, da dieses Dokumente keine Benutzerschnittstelle offenbart, die dem Benutzer eine Änderung der Zuordnungsfunktion aller Betriebsparameter gleichzeitig ermöglicht.

3.3.3 Neuheit gegenüber E3

E3 beschreibt in Absatz [0034] ein Kochfeld mit einer Steuereinheit 14 und einer Benutzerschnittstelle in Form eines Sensorfelds 10, das Sensorstreifen und Tasten aufweist.

Der Timer kann gemäß Absatz [0048] beispielsweise im Zehnermodus und Minutenmodus eingestellt werden. In Absatz [0038] wird ein weiteres Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2b beschrieben, bei dem mittels des Berührungsstreifens und einer ersten Zuordnungsfunktion die Zeit als Betriebsparameter in 5 Stufen (10, 20, 30, 40, 50 Minuten) gewählt werden kann. Einzelne Berührbereiche bilden dazu Tasten. Diese Zeitvorwahl kann dann gemäß Absatz [0039] mittels Inkrementierung oder Dekrementierung verändert werden.

Die beiden Absätze beschreiben daher eine Methode zur Eingabe einer Timereinstellung.

E3 beschreibt zusätzlich, dass das Sensorfeld auch zum Regeln der Heizleistung (Absatz [0036]) oder für alternative Timerfunktionen (Absatz [0046]) eingesetzt werden kann und daher unterschiedliche Zuordnungsfunktionen zum Einsatz gelangen können.

E3 offenbart allerdings nicht, dass ein Benutzer des Kochfelds die Zuordnungsfunktionen für alle Betriebsparameter gleichzeitig ändern kann. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber E3.

3.3.4 Neuheit gegenüber E5

E5 offenbart in Absatz [0022] und Anspruch 1 ein Kochfeld mit einer Benutzerschnittstelle in Form eines Sensorstreifens und einer Steuerelektronik, die den Betrieb in einer Hauptbetriebsart und einer Nebenbetriebsart erlaubt.

Der Timer ist in der Hauptbetriebsart nur auf einen Teilbereich der kompletten Stellwertreihe einstellbar, nämlich von 40 bis 70 Minuten, während in der Nebenbetriebsart 0 bis 99 Minuten einstellbar sind.

Damit kann gemäß E5 die Zuordnungsfunktion für einen Betriebsparameter, nämlich die Betriebszeit, von einem Benutzer geändert werden.

Allerdings beschreibt E5 nicht, dass ein Benutzer des Kochfelds die Zuordnungsfunktion für alle Betriebsparameter des Kochfelds, also beispielsweise auch für die Heizleistung, gleichzeitig ändern kann.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber E5.

3.3.5 Neuheit gegenüber E6

E6 offenbart in Anspruch 1 ein Kochfeld mit einer Benutzerschnittstelle in Form eines Sensorstreifens 10, Wahlschaltern 12 und 14 zum Umschalten von einem ersten Bedienmodus in einen zweiten Bedienmodus.

Gemäß Absatz [0018] betreffen die verschiedenen Modi auch verschiedene Betriebsparameter wie beispielsweise die Betriebszeit oder die Heizrate.

Allerdings beschreibt E6 weder, dass die Zuordnungsfunktionen für alle Betriebsparameter zumindest einer Leistungseinheit gleichzeitig geändert werden kann, geschweige denn, dass die Zuordnungsfunktionen, wie in Merkmal M0105, gefordert für alle Betriebsparameter des Geräts gleichzeitig geändert werden kann.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber E6.

3.3.6 Neuheit gegenüber E7

E7 offenbart in Anspruch 1 ein Kochfeld eines Gargeräts mit einer Regeleinrichtung zum Steuern und Regeln eines Temperatur-Istwerts. In Absatz [0012] wird dazu im Detail ausgeführt, dass es dem Bediener des Kochfelds ermöglicht werden soll, Temperatursollwertvorgaben für sämtliche Garstufen zu machen, die dann von der Regeleinrichtung eingehalten werden. Dabei ist es gemäß Absatz [0014] auch möglich, verschiedene Temperatursollwerte an verschiedenen Bedienelementen bereitzustellen. Die Regeleinrichtung kann gemäß Absatz [0009] eine einem beheizten Bereich zugeordnete Heizeinrichtung ansteuern.

Die Temperaturregelung betrifft daher nur einen Betriebsparameter, nämlich die Temperatur selbst, und gemäß Absatz [0009] nur einen einzelnen beheizten Bereich des Geräts.

Dementsprechend offenbart E7 kein Gerät, bei dem die Zuordnungsfunktionen für alle Betriebsparameter des Geräts mittels eines Einstellmittels gleichzeitig geändert werden können.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber E7.

3.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ einer Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.

4. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

Eine Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist, soweit ersichtlich, im Rahmen des Einspruchsverfahrens nicht erfolgt. Denn diese Einspruchsgründe wurden weder im Anhang zur Ladung im Detail diskutiert, noch sind sie Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

Auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens fokussierten die beiden Verfahrensbeteiligten ihre Argumente maßgelblich auf die Frage der Neuheit. Beide Beteiligte beantragten zudem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, dass die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen wird, um den Einspruchsgrund der erfinderischen Tätigkeit zu prüfen.

Daher liegen besondere Gründe gemäß Artikel 11 VOBK 2020 vor, die dafür sprechen, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Unter Ausübung ihres von Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessens hält es die Kammer daher für angebracht, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung des Einspruchs an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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