T 1843/18 () of 16.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T184318.20200616
Datum der Entscheidung: 16 Juni 2020
Aktenzeichen: T 1843/18
Anmeldenummer: 09761739.3
IPC-Klasse: E05F1/16
E05F5/00
E05F5/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 387 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SCHIEBETÜR
Name des Anmelders: Gebr. Willach GmbH
Name des Einsprechenden: GEZE GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja): Hauptantrag, Hilfsantrag 1; unzulässige Erweiterung (nein): Hilfsantrag 2
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. Mai 2018, mit der festgestellt wurde, dass das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 3 die Erfordernisse des EPÜ erfülle, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das Patent gemäß dem damaligen Hilfsantrag 3 die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, dass der Gegenstand der Ansprüche dieses Antrags nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und dass dieser Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

III. Am 16 Juni 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die für die Entscheidung relevante Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 286 047.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der von der angefochtenen Entscheidung bestätigten Fassung, oder hilfsweise in der Fassung gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 5, vorgelegt mit der Beschwerdeerwiderung vom 5. Februar 2019.

V. Anspruch 1 des Hauptantrags (entsprechend dem Hilfsantrag 3 des Einspruchsverfahrens), mit einer an die angefochtene Entscheidung angelehnten Merkmalsgliederung der Kammer, lautet:

M1 |"Schiebetür |

M2 |mit einer Laufschiene (10), |

M3 |einem daran mit mindestens einem Laufwerk (13) geführten Türflügel (12), |

M4 |einer den Laufweg des Türflügels (12) begrenzenden Begrenzungsvorrichtung (15), |

M5 |einem an dem Türflügel (12) befestigten Dämpfer (20) mit Einzugsfunktion |

M8 |und einem an der Laufschiene (10) befestigten Koppler (30), |

M7 |der mit einem Angreifteil (17) des Dämpfers (20) rastend zusammengreift, |

M6 |wobei der Dämpfer den Türflügel (12) beim Schließen zunächst abbremst und anschließend in die Schließstellung treibt, |

M9a |wobei die Begrenzungsvorrichtung (15) zusammen mit dem Koppler (30) eine Baueinheit (35) bildet |

M10 |und der Koppler (30) einen parallel zu der Laufschiene (10) verlaufenden Arm (31) |

M11 |mit einem Koppelteil zum Zusammengreifen mit dem Angreifteil (17) des Dämpfers aufweist, |

M113|wobei das Koppelteil an einem freien Ende des Arms (31) angeordnet |

M112|und in der Höhenlage ortsfest ist, |

|dadurch gekennzeichnet, dass |

M12 |das Koppelteil in der Vertikalen größer als das Angreifteil (17) ist, so dass ein Koppeln zwischen Koppelteil und Angreifteil (17) unabhängig von der Montagehöhe des Türflügels (12) oder des Angreifsteils (17) zuverlässig funktioniert."|

VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass Merkmal M10 wie folgt geändert wurde (im Folgenden als M10' bezeichnet):

"... und der Koppler (30) einen parallel zu der Laufschiene (10) verlaufenden, flachen Arm (31) ... aufweist"

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass am Ende des Anspruchs das folgende Merkmal M13 hinzugefügt wurde:

"..., wobei die Ebene des Armes (31) parallel zu der Ebene des Türflügels (12) verläuft."

VIII. Die weiteren Hilfsanträge haben für diese Entscheidung keine Rolle gespielt.

IX. Für die vorliegende Entscheidung waren die folgenden Dokumente relevant:

D1:|DE 20 2005 012 954 U1 |

D2:|DE 20 2007 014 567 U1 |

D3:|DE 10 2006 019 351 A1 |

D6:|JP 2007-23554 A mit englischer Zusammenfassung|

X. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Ausführbarkeit

Das Patent enthalte zwar ein Ausführungsbeispiel, das der Fachmann ausführen könne. Die Erfindung sei jedoch nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Das Merkmal M12 definiere im Wesentlichen ein zu erreichendes Ergebnis, welches nur dann realisierbar sei, wenn das Angreifteil des Dämpfers eine vertikale Kippachse habe. Dieses wesentliche Merkmal fehle jedoch im Anspruch. Somit umfasse der Anspruch auch Ausführungsformen mit horizontaler Kippachse des Angreifteils, bei denen die Koppelung zwischen Koppelteil und Angreifteil gerade nicht unabhängig von der Montagehöhe des Türflügels funktioniere.

Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterungen

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinaus. Der letzte Absatz der Beschreibung auf Seite 3 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, welchen die Beschwerdegegnerin als Basis für die Merkmale M113, M112 und M12 ansieht, offenbare ein Ausführungsbeispiel mit verschiedenen Merkmalen, die das in Merkmal M12 des Anspruchs definierte Ergebnis nur in Kombination miteinander gewährleisten könnten. Dies werde besonders bei einem Vergleich mit dem ursprünglich eingereichten Anspruch 2 deutlich. Im vorliegenden Anspruch seien jedoch nicht alle Merkmale aufgenommen, die in funktionellem Zusammenhang mit dem in Merkmal M12 definierten Ergebnis stünden. Konkret fehlten im Anspruch die Merkmale, dass der Arm flach sei und dessen Ebene parallel zu der Ebene des Türflügels verlaufe. Dies sei nötig, da die Laufschiene räumlich beengt sei. Weiter fehle, dass das Koppelteil seitlich vom Arm abstehe und auf den Türflügel gerichtet sei. Schließlich fehle das Merkmal, wonach das Koppelteil deutlich größer als das Angreifteil des Dämpfers ausgebildet sei. Das Fehlen dieser Merkmale im Anspruch stelle daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

D1, Figur 1, offenbare eine Schiebetür. Diese weise unter anderem einen Koppler mit Koppelteil in Form eines vertikalen Stifts 4 auf, das mit dem Angreifteil 6 des Dämpfers koppeln könne. Da dieser Stift länger als das Angreifteil des Dämpfers sei und somit ein Koppeln unabhängig von der Montagehöhe des Türflügels oder des Angreifteils zuverlässig funktioniere, sei Merkmal M12 bei dieser Tür verwirklicht.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich durch die Merkmale M9, M10', M12 und M13 von dieser Tür.

Die Unterscheidungsmerkmale lösten die auch im Patent, Paragraf [0006] gestellte technische Aufgabe, eine Schiebetür zu schaffen, deren Zusammenbau bzw. Einbau vereinfacht ist, wobei fehlerhafte Anpassungen praktisch unmöglich sind.

Die D2 offenbare eine Schiebetür, bei der keine Fehler beim Einbau auftreten könnten, siehe Absatz [0005]. Es wäre für den Fachmann daher naheliegend, die in der D2 offenbarte Lösung auf die Schiebetür der D1 zu übertragen. Diese Lösung zeichne sich durch eine Begrenzungsvorrichtung aus, die zusammen mit dem Koppler eine Baueinheit bildet, wobei der Koppler einen flachen Arm mit einem am freien Ende des Arms angeordneten Koppelteil aufweist. Dabei würde der Fachmann das Koppelteil in Form des Stiftes 4 der Tür der D1 beibehalten und dieses am Ende des Armes als Koppelteil vorsehen, um so das in D1 bereits realisierte zuverlässige Koppeln unabhängig von der Montagehöhe zu erhalten.

Die in D3, Figuren 12 und 13, sowie D6, Figuren 1 und 2 offenbarten Schiebetüren unterschieden sich in den gleichen Merkmalen von der beanspruchten Schiebetür. Ausgehend von einer dieser Schiebetüren stelle sich daher die gleiche technische Aufgabe, für deren Lösung der Fachmann ebenfalls auf die Lehre der D2 zurückgreifen würde.

Die Ausrichtung des flachen Armes in der Weise, dass dessen Ebene parallel zu der Ebene des Türflügels verlaufe, sei dann eine einfache und nicht erfinderische Anpassung im Rahmen des fachmännischen Handelns. Diese Anpassung biete sich insbesondere auch deswegen an, weil die Begrenzungsvorrichtung dann besser in der nach unten offenen Laufschiene der Tür gemäß D1 oder D3 befestigt werden könne.

Somit gelange der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2.

XI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Ausführbarkeit

Selbst die Beschwerdeführerin gestehe zu, dass das im Patent beschriebene Ausführungsbeispiel ausführbar sei. Die Patentschrift offenbare daher unstreitig mindestens einen Weg, die Erfindung in die Praxis umzusetzen.

Die Beschwerdeführerin habe weiterhin nicht erläutert, warum der Fachmann in Hinblick auf sein Fachwissen nicht in der Lage sein sollte, die Funktion in Merkmal M12 oder die beanspruchte Erfindung auch auf andere Weise zu realisieren. Das behauptete Fehlen des wesentlichen Merkmals einer vertikalen Kippachse des Angriffteils, ebenso wie die behauptete Definition durch das angestrebte Ergebnis (nämlich, dass ein Koppeln zwischen Koppelteil und Angreifteil unabhängig von der Montagehöhe des Türflügels oder des Angreifteils zuverlässig funktioniere) seien allenfalls im Einspruchs­beschwerdeverfahren nicht zu prüfende Klarheitsmängel. Zudem verlange der Anspruch lediglich ein rastendes Zusammengreifen zwischen Koppler und Angreifteil, ohne irgendeine Verkippung des Angreifteils. Selbst ein horizontal kippbares Angreifteil ermögliche bei ausreichender Tiefe der Ausnehmung zwischen den Höckern des Angreifteils ein Koppeln unabhängig von der Montagehöhe des Türflügels. Die Beschwerdeführerin habe daher die Ausführbarkeit der Erfindung nicht überzeugend in Frage stellen können.

Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterungen

Die in Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 aufgenommenen und als unzulässige Zwischenverallgemeinerung beanstandeten Merkmale hätten ihre Basis im letzten Absatz der Seite 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Dabei stellten Koppelteil und Arm zwei voneinander unabhängige Aspekte der Erfindung dar und könnten daher ohne Verletzung der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ individuell konkreter definiert und beansprucht werden.

Wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt sei für die Funktion des Merkmals M12 nicht entscheidend, ob der Arm flach ausgebildet und wie dessen Ebene ausgerichtet sei. Selbst ein rohr- oder quaderförmiger Querschnitt des Armes sei denkbar. Der Fachmann verstehe daher, dass für die Funktion nicht die spezifische Ausführung des Armes entscheidend sei, sondern nur, dass das Koppelteil in der Vertikalen größer sei als das Angreifteil.

Durch den Wortlaut "deutlich größer ..., so dass das Koppeln unabhängig von der Montagehöhe ... sicher funktioniert" im zweitletzten Satz der Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung sei zudem klar, dass die Eigenschaft "deutlich größer" durch ihre Funktion definiert werde. Dass das Koppelteil "deutlich größer" sei, gehe somit aus der im Merkmal M12 bereits definierten Funktion hervor. Ein wörtliches Einfügen des Worts "deutlich" in den Anspruch sei überflüssig.

Ferner beziehe sich der zweite Satzteil des Nebensatzes "dessen Ebene parallel zu der Ebene des Türflügels verläuft" im ersten Satz des dritten Absatzes auf Seite 2 sprachlich auf die insgesamt fakultative Ausbildung des Armes als Blechstreifen. Die Definition des Verlaufs der Ebene verstehe der Fachmann daher ebenfalls als optional.

Eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung der Offenbarung auf Seite 3, dritter Absatz der ursprünglichen Anmeldung liege daher nicht vor.

Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik sei D2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe jedoch auch ausgehend von D1, D3 oder D6 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Selbst wenn der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, zur Vermeidung einer durch eine fehlerhafte Montage nicht korrekten Endlage der Tür auf die Lehre der D2 gestoßen wäre, so hätte er keinen Anlass gehabt, nur einzelne Elemente der Schiebetür der D2 auf die Türen der D1, D3 oder D6 zu übertragen. Die verschiedenen Elemente der Schiebetür der D2 seien aufeinander abgestimmt und könnten nur in ihrem funktionellen Verbund eine fehlerhafte Montage der Tür vermeiden. Daher würde der Fachmann, falls überhaupt, den gesamten Mechanismus der D2 übernehmen.

Zudem gebe es für ihn keine Veranlassung, die Ebene des flachen Armes des Kopplers der D2 um 90° zu drehen, und diesen parallel zur Ebene des Türflügels auszurichten. Dies würde nur zu Platzproblemen mit den in D1 dort positionierten Führungsrädern führen. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach die Übertragung von einigen Teilen der Schiebetür der D2 auf die Schiebetüren der D1, D3 oder D6 naheliegend wäre, beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Entscheidungsgründe

1. Ausführbarkeit

1.1 Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Fachmann in der Lage ist, die Erfindung gemäß dem Ausführungsbeispiel zu realisieren.

Streitig ist hingegen ob der Fachmann in der Lage ist, die Erfindung über die gesamte Breite des Anspruchs auszuführen.

1.2 Für ein erteiltes Patent trägt die Beweislast für eine mangelnde Ausführbarkeit zunächst die Einsprechende, d.h. im vorliegenden Falle die Beschwerdeführerin.

1.3 Diese hat argumentiert, dass Merkmal M12 lediglich ein zu erreichendes Ergebnis definiere, das der Fachmann nur unter Verwendung des im Anspruch nicht enthaltenen wesentlichen Merkmals einer vertikalen Kippachse des Angreifteils des Dämpfers in die Praxis umsetzen könne.

Die Einwände eines fehlenden wesentlichen Merkmals bzw. einer Definition durch das zu erreichende Ergebnis betreffen jedoch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ und nicht die Ausführbarkeit der Erfindung.

Da Merkmal M12 schon in der erteilten Fassung des Patents vorhanden war, und die erteilten Ansprüche diesbezüglich auch das nach Auffassung der Beschwerdeführerin wesentliche Merkmal einer vertikalen Kippachse des Angriffsteils des Dämpfers nicht aufwiesen, sind diese Einwände nicht durch im Einspruchsverfahren vorgenommene Änderungen verursacht und somit gemäß der Entscheidung G 3/14 der großen Beschwerdekammer nicht zu prüfen, siehe Leitsatz.

1.4 Die Beschwerdeführerin hat weiter argumentiert, dass insbesondere eine unter den Anspruch fallende Ausführungsform mit einem Angreifteil mit einer horizontalen Kippachse nicht ausführbar sei. Denn in diesem Fall funktioniere das Koppeln zwischen Koppelteil und Angreifteil gerade nicht unabhängig von der Montagehöhe des Türflügels. Bei einer derartigen Ausführungsform ist jedoch das Merkmal M12 wie von der Beschwerdeführerin selbst vorgetragen nicht erfüllt, so dass diese Ausführungsform gar nicht unter den Anspruch fiele. Eine nicht unter den Anspruch fallende Ausführungsform kann dessen Ausführbarkeit nicht in Frage stellen.

1.5 Zudem ist das Koppeln zwischen Angreifteil und Koppelteil anspruchsgemäß als rastendes Zusammengreifen definiert, ohne dass dafür eine Kippbewegung des Angreifteils erforderlich wäre. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, hat die Beschwerdeführerin nicht erläutert warum der Fachmann die so beanspruchte Erfindung nicht ausführen könne.

1.6 Daraus folgt, dass die unter Artikel 100 b) EPÜ vorgetragenen Einwände einer Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegenstehen.

2. Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Unzulässige Erweiterungen

Die Beschwerdegegnerin sieht die Basis für die Merkmale M113, M112 und M12 im dritten Absatz der Seite 3 der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Sie ist der Auffassung, dass alle für die im Merkmal M12 definierte Funktion notwendigen Merkmale bereits in den Anspruch aufgenommen seien.

Die Beschwerdeführerin ist dagegen der Auffassung, diese Merkmale seien in nicht ursprünglich offenbarter Weise aus dem Kontext herausgegriffen. Der Anspruch enthalte somit eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung.

2.1 Im ersten Satz des dritten Absatzes der Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung wird eine bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung offenbart, bei der der parallel zu der Laufschiene verlaufende Arm flach ist und dessen Ebene parallel zu der Ebene des Türflügels verläuft. Ein Koppelteil, das gemäß Merkmal M12 in der Vertikalen größer als das Angreifteil des Dämpfers ist, so dass das Koppeln unabhängig von der Montagehöhe des Türblattes bzw. des Angreifteils sicher funktioniert, wird in dem Ausführungsbeispiel ausschließlich in Verbindung mit diesem Arm offenbart. Ein Weglassen der in Verbindung mit dem Arm offenbarten Merkmale ist nur zu rechtfertigen, wenn keinerlei eindeutig erkennbare funktionale oder strukturelle Verbindung zwischen den Merkmalen der spezifischen Kombination besteht. Da Form und Position des Armes es ermöglichen, das Koppelteil auf eine bestimmte Art und Weise relativ zur Tür zu positionieren, besteht eine derartige Verbindung zwischen dem in Merkmal M12 des Anspruchs 1 aufgenommenen Merkmal und der Ausbildung des Arms.

Das Herausgreifen und Hinzufügen des Merkmals M12 zum Anspruch 1 ohne die im letzten Absatz auf Seite 3 genannten Eigenschaften des Arms stellt für den Fachmann eine neue technische Lehre dar. Somit geht Anspruch 1 des Hauptantrags über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

2.2 Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach sich "dessen Ebene" im ersten Satz des dritten Absatzes nur auf die fakultative Ausbildung des flachen Armes als Blechstreifen beziehe, kann nicht überzeugen. Dieser Satz wird vom Fachmann vielmehr technisch so verstanden, dass sich "dessen Ebene" auf den flachen Arm bezieht. Das Vorliegen einer "Ebene" und deren Ausrichtung ist eine Eigenschaft eines flachen Arms - unabhängig davon, ob dieser als Blechstreifen ausgeführt ist oder nicht. Somit geht auch Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, bei dem die Definition der Ebene des flachen Armes fehlt, über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

2.3 Dagegen ist die Aussage, wonach das Koppelteil eine zum Türflügel hin gerichtete Nase ist, die seitlich von dem Arm absteht, durch das davorstehende Wort "vorzugsweise" eindeutig als ein fakultatives Merkmal dieses Ausführungsbeispiels gekennzeichnet. Das Fehlen dieses Merkmals in Anspruch 1 stellt daher keine neue technische Information hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung dar.

2.4 Die Kammer folgt der Beschwerdegegnerin auch darin, dass die Bedeutung des Adjektivs "deutlich" im zweitletzten Satz auf Seite 3 auf Grund des sprachlichen Aufbaus dieses Satzes durch die am Ende des Satzes beschriebene Funktion oder Wirkung definiert wird. Wenn die Funktion erfüllt ist, ist das Koppelteil in der Vertikalen als "deutlich größer" als das Angreifteil des Dämpfers im Sinne der Offenbarung anzusehen.

Das Weglassen des Adjektivs "deutlich" in Merkmal M12 führt daher nicht zu einem gegenüber der ursprünglichen Offenbarung erweiterten Gegenstand.

2.5 Aus den in den Punkten 2.1 und 2.2 genannten Gründen geht der jeweilige Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 über die ursprünglich eingereichte Anmeldung hinaus (Artikel 123(2) EPÜ).

3. Hilfsantrag 2 - Artikel 123(2) EPÜ

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags beinhaltet die in Punkt 2.1 und 2.2 genannten Merkmale, deren Fehlen zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung führen.

Die weiter vorgebrachten Einwände sieht die Kammer als nicht überzeugend an (siehe obige Punkte 2.3 und 2.4).

Artikel 123(2) EPÜ steht daher einer Aufrechterhaltung auf Basis des Hilfsantrags 2 nicht entgegen.

4. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Beschwerdeführerin geht von D1, D3 oder D6 als nächstliegendem Stand der Technik aus.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 unterscheide sich zumindest durch die Merkmale M9a (Begrenzungsvorrichtung bildet mit dem Koppler zusammen eine Baueinheit), M10' (der Koppler weist einen parallel zu der Laufschiene verlaufenden flachen Arm auf), M113 (das Koppelteil ist an einem freien Ende des Arms angeordnet) und M13 (die Ebene des Armes verläuft parallel zu der Ebene des Türflügels) von diesen Türen.

Die dadurch gelöste technische Aufgabe sei es, eine Schiebetür bereitzustellen, deren Zusammenbau bzw. Einbau vereinfacht ist, wobei fehlerhafte Anpassungen praktisch unmöglich sind.

Diese Ausführungen der Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin nicht bestritten.

4.2 Im Folgenden wird zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass der Fachmann in [0005] der D2 einen Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgabe sehen würde (obwohl es hier eigentlich um eine horizontal korrekte Ausrichtung der Endstellung der Türe geht, nicht um den Ausgleich der vertikalen Montagehöhe der Türe wie in der Patentschrift).

D2 offenbart in den Figuren 1, 2 und 4 die Ausbildung von Koppler und Begrenzungsvorrichtung als Baueinheit (Merkmal M9a, siehe insbesondere D2, Figur 4) und die Ausbildung des Kopplers als flachen Arm mit an dessen Ende angeordnetem Koppelteil (Merkmal M113).

4.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Fachmann das in D1, D3 und D6 in Form eines Stiftes ausgebildete Koppelteil (siehe D1, Figur 1, No. 4; D3, Figur 12, No. 21, 25; D6, Figur 1, No. 18, 19) beibehalten und dieses am freien Ende des Armes anbringen würde, um so die im Merkmal M12 definierte Funktion beizubehalten. Er würde diese Baueinheit außerdem um 90° drehen, um den Einbau in den nach unten offenen Laufschienen der D1 und D3 zu vereinfachen. Die Ebene des aus D2 bekannten flachen Armes befände sich somit parallel zu der Ebene des Türflügels.

Auf diese Weise würde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gelangen.

4.4 Diese Argumentation der Beschwerdeführerin beruht jedoch auf einer rückschauenden Betrachtung des Stands der Technik in Kenntnis des im Anspruch 1 beanspruchten Gegenstands.

Zunächst hat der Fachmann keine Veranlassung, nur die Baueinheit aus Stopper und Fanghaken der D2 (Begrenzungsvorrichtung und Koppler im Anspruchswortlaut) auf eine der Schiebetüren der D1, D3 oder D6 zu übertragen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.

In Absatz [0005] der D2 ist beschrieben, dass sich das genaue Positionieren der Dämpfungsvorrichtung erübrigt und daher keine Fehler beim Einbau auftreten können, da der Fanghaken und der Stopper genau auf den Rollwagen (Referenz 2 in den Figuren der D2) abgestimmt sind. Es ist die Abstimmung des gesamten Aufbaus, die Fehler beim Einbau verhindert und nicht allein die Ausführung von Stopper und Fanghaken als eine Baueinheit. Wenn der Fachmann aus der D2 eine Lösung für die gestellte Aufgabe auf eine der Schiebetüren der D1, D3 oder D6 übertragen würde, wäre dies zumindest die Kombination aus Stopper, Fanghaken und Rollwagen. Dies würde jedoch nicht zum beanspruchten Gegenstand führen, da der Fanghaken der D2 (Koppelteil) in der Vertikalen nicht größer ist als das zugehörige Angreifteil.

Ferner hätte der Fachmann überhaupt keine Veranlassung gehabt, den Stopper mit dem Fanghaken um 90°zu drehen. Dies würde weitere Anpassungen an Laufwerk und Koppelmechanismus verlangen, für deren Durchführung sich aus der gestellten Aufgabe keinerlei Motivation ableiten lässt. Insbesondere gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Begrenzungsvorrichtung gemäß D2 in einer nach unten offenen Schiene in vorteilhafter Weise seitlich anzubringen sei. Der Fachmann würde daher auch nicht in naheliegender Weise zu einer Schiebetür gelangen, bei der die Ebene des flachen Armes (des Kopplers) parallel zur Ebene des Türflügels verläuft, wie Merkmal M13 es verlangt.

4.5 Folglich würde der Fachmann, ausgehend von einer der Schiebetüren der D1, D3 oder D6 nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 gelangen. Dieser beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden Fassung aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht

mit Schriftsatz vom 5. Februar 2019,

- Beschreibung: Paragraphen [0001] bis [0007], [0010] bis [0012] und [0014] bis [0026] der Patentschrift, Paragraph [0013] wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 24. November 2017, sowie Paragraphen [0008] und [0009] wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer,

- Zeichnungen: Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.

Quick Navigation