T 1641/18 (Verbundscheibe/SCHOTT) of 31.1.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T164118.20220131
Datum der Entscheidung: 31 Januar 2022
Aktenzeichen: T 1641/18
Anmeldenummer: 11179998.7
IPC-Klasse: B32B 17/10
E04B 1/94
C03C 27/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verbundscheibe
Name des Anmelders: Schott AG
Name des Einsprechenden: SAINT-GOBAIN GLASS FRANCE
Etex Building Performance GmbH
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

Während eine Fachperson im Allgemeinen Dokumente nicht kombinieren würde, wenn dies zu einem Verzicht auf eine wesentliche Funktion der Erfindung im nächstliegenden Stand der Technik führen würde, gilt dies in der Regel nicht für Kombinationen, bei denen ein wesentliches Merkmal durch ein dieselbe Funktion erfüllendes alternatives Merkmal ersetzt wird (Punkte 1.3.2 und 1.3.3 der Gründe).

Angeführte Entscheidungen:
T 2201/10
T 2057/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Einsprechenden und der Patentinhaberin richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 439 065 auf Grundlage des am 20. Februar 2018 in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 3 aufrechtzuerhalten.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin, die Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), wobei Anspruch 1 lautet:

"1. Verbundscheibe (20) mit einer Brandschutzverglasung (10), zu der beabstandet eine Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) angeordnet ist, wobei zwischen der Brandschutzverglasung (10) und der Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) mindestens ein Kunststoffinterlayer (14), bestehend aus Polycarbonat oder Polymethylmethacrylat, angeordnet ist, wobei der Kunststoffinterlayer (14) flächig mit der Brandschutzverglasung (10) und der Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) verbunden ist, wobei die Brandschutzverglasung (10) mindestens zwei zueinander parallel beabstandete Scheiben (11), bestehend aus Glas oder Glaskeramik, aufweist, wobei zwischen den Scheiben (11) der Brandschutzverglasung (10) eine intumeszierende Schicht (12) angeordnet ist, und wobei der Kunststoffinterlayer (14) unter Zwischenlage jeweils einer Haftvermittlerschicht (13) stoffschlüssig mit der Brandschutzverglasung (10) und der Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) verbunden ist."

Hilfsweise beantragte sie, das Patent gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 3, ebenfalls eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2018, aufrechtzuerhalten.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem des Hauptantrags mit dem folgenden zusätzlichen Merkmal: "... wobei die Verbundscheibe (20) im Autoklavverfahren hergestellt ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht dem des Hauptantrags mit dem folgenden zusätzlichen Merkmal: "... wobei die Schichtdicke der Haftvermittlerschicht (13) im Bereich zwischen 0,3 mm und 0,8 mm gewählt ist."

III. Die Einsprechenden 1 und 2 argumentierten unter anderem, dass der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf die Kombination von A6 (WO 2010/091525 Al) und A1 (WO 2008/103419 A2) nicht erfinderisch sei.

IV. Mit Schreiben vom 27. Mai 2019 reichte die Patentinhaberin neue Hilfsanträge 3 und 4 ein, wobei Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dem des Hauptantrags entspricht, mit den folgenden hervorgehobenen Änderungen:

"1. Verbundscheibe (20) [deleted: mit] bestehend aus einer Brandschutzverglasung (10), zu der beabstandet eine Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) angeordnet ist, wobei zwischen der Brandschutzverglasung (10) und der Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) [deleted: mindestens] ein Kunststoffinterlayer (14), ..."

und Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 (entsprechend der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung) lautet:

"1. Verfahren zur Herstellung einer Verbundscheibe (20), wobei unter Zwischenlage mindestens eines Kunststoffinterlayers (14) aus Polycarbonat oder Polymethylmethacrylat eine Brandschutzverglasung (10) mit mindestens zwei zueinander parallel beabstandeten Scheiben (11) bestehend aus Glas oder Glaskeramik und einer zwischen den Scheiben (11) der Brandschutzverglasung (10) angeordneten intumeszierenden Schicht (12) beabstandet zu einer Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) angeordnet wird, und wobei die Brandschutzverglasung (10) mit der Glas- oder Glaskeramikscheibe (15) im Autoklavverfahren unter Vermittlung jeweils einer Haftvermittlerschicht (13) verbunden wird."

V. In Verbindung mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung, dass keiner der Anträge die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfülle und dass das Patent daher widerrufen werden sollte.

VI. Mit Schreiben vom 29. November 2021 reichte die Patentinhaberin weitere Argumente sowie neue Dokumente P15 und P16 ein.

VII. In der mündlichen Verhandlung, die am 31. Januar 2022 stattfand, konzentrierte sich die Erörterung auf die erfinderische Tätigkeit der verschiedenen Anträge im Hinblick auf die Kombination von A6 mit A1. Die abschließenden Anträge der Parteien waren wie folgt:

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 20. Februar 2018, oder der Hilfsanträge 3 oder 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019.

Die Einsprechenden und Beschwerdeführerinnen beantragten, die Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Der Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung aus folgenden Gründen entgegen:

1.1 Nächstliegender Stand der Technik

Das Dokument A6, das alle Parteien als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet haben, offenbart eine Verbundscheibe, die aus einer Brandschutzverglasung besteht, welche zwei Glasscheiben mit einer dazwischen liegenden intumeszierenden Schicht umfasst, und einem damit verklebten Sicherheitsglas, das aus einer Glasschicht (Figur 1) oder zwei miteinander verklebten Glasschichten besteht (Figur 4).

Da dieses Dokument der Erfindung in Bezug auf die Merkmale und die zu lösende Aufgabe (nämlich die Bereitstellung einer Verbundscheibe, die sowohl Durchbruchhemmung als auch Brandschutz bietet) sehr ähnlich ist, betrachtet die Kammer es als geeigneten Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

Anspruch 1 unterscheidet sich von dem Inhalt der A6 dadurch, dass die Verbundscheibe eine Zwischenschicht aus Polycarbonat (im Folgenden: "PC") oder Polymethylmethacrylat (im Folgenden: "PMMA") umfasst, die flächig mittels Haftvermittlerschichten mit der Brandschutzverglasung und der gegenüberliegenden Sicherheitsglasschicht verbunden ist.

1.2 Aufgabe der Erfindung

1.2.1 Wie in Absatz [0020] des Streitpatents angedeutet, sorgt die Zwischenschicht aus PC oder PMMA für eine verbesserte Durchbruchsicherheit. Diesbezüglich reichte die Patentinhaberin (vgl. Seiten 22-24 der Beschwerdebegründung) Durchbruch- und Brandschutztests ein, um zu belegen, dass die Verbundscheibe der Erfindung gute Durchbruch- und Brandschutzeigenschaften aufweist.

1.2.2 In ihren schriftlichen Ausführungen machte die Patentinhaberin geltend (vgl. Seite 21 der Beschwerdebegründung), dass die Erfindung verschiedene Probleme löse, nämlich die Bereitstellung einer Verbundscheibe mit guten Brandschutz- und durchbruchhemmenden Eigenschaften sowie einen einfachen Fertigungsprozess. Ausgehend von A6 erziele die Erfindung somit nicht nur eine höhere Durchbruchhemmung und einen Schutz gegen punktförmigen Durchschlag oder mechanische Beanspruchung, sondern ermögliche auch die Herstellbarkeit im Autoklavenverfahren trotz abweichender thermischer Ausdehnung von Glas und Kunststoff, die Verarbeitbarkeit im Autoklaven bei geringerem Druck und letztendlich auch ein geringes Gewicht und/oder eine geringe Dicke der Scheibe.

1.2.3 Für die Kammer ist es technisch plausibel und wird auch von den Parteien nicht bestritten, dass die Erfindung angesichts der bekannten Eigenschaften von PC und PMMA eine verbesserte Schlagfestigkeit bietet. Die von der Patentinhaberin angeführten zusätzlichen Schlagzähigkeitseigenschaften scheinen jedoch, wie von den Einsprechenden vorgetragen, Unteraspekte der verbesserten Bruchfestigkeit oder einfach Bonuseffekte zu sein. Die Patentinhaberin verwies auch auf andere technische Effekte, wie die Herstellbarkeit und Verarbeitbarkeit im Autoklaven oder die geringe Dicke der Scheibe, die in der Praxis jedoch von spezifischen, nicht in Anspruch 1 definierten Aspekten abhängen würden wie z.B. vom Dickenverhältnis des feuerfesten Glass zur Zwischenschicht (siehe Absatz [0029] des Streitpatents), vom Druck des Autoklaven oder von der Dicke und/oder dem Gewicht der Verbundscheibe. Außerdem wurden keine Beweise dafür vorgelegt, dass diese Probleme durch die Verwendung einer PC- oder PMMA-Zwischenschicht gelöst werden.

1.2.4 In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Patentinhaberin weiter, dass es unerwartet sei, dass eine Verbundscheibe mit einer intumeszierenden Schicht und einer PC- oder PMMA-Schicht gute Brandschutzeigenschaften aufweise und die Herstellbarkeit nicht beeinträchtigt sei. Die Aufgabe der Erfindung bestehe somit darin, die Durchbruchhemmung der Scheibe zu verbessern bei Erhaltung der Brandschutzeigenschaften und guter Herstellbarkeit.

1.2.5 Die Kammer ist von der vorstehenden Argumentation nicht überzeugt, da nicht nachgewiesen wurde, dass das Unterscheidungsmerkmal zu A6 (nämlich das Vorhandensein einer PC- oder PMMA-Zwischenschicht) in irgendeiner Weise zur Aufrechterhaltung der Brandschutzeigenschaften oder zur Herstellbarkeit der Scheibe beitragen würde. Demgegenüber hat die Patentinhaberin selbst argumentiert, dass Polymerschichten wie PC und PMMA brennen würden, wenn sie mit Feuer konfrontiert werden, so dass nicht ersichtlich ist, wie das Hinzufügen solcher Schichten zur Aufrechterhaltung der Brandschutzeigenschaften beitragen kann. Darüber hinaus gibt es keinen Hinweis oder Beweis dafür, dass die Einfügung einer PC- oder PMMA-Zwischenschicht irgendeinen Einfluss auf die Herstellbarkeit haben würde. Es wurde auch nicht nachgewiesen, dass der Brandschutzteil und der durchbruchfeste Teil der Verbundscheibe eine kombinierte Wirkung haben (z.B. einen unerwarteten Beitrag des Brandschutzteils zur Durchbruchhemmung und/oder der Sicherheitsverglasung zur Feuerbeständigkeit).

Infolgedessen ist die Kammer der Ansicht, dass die einzige Wirkung, die mit der Verwendung einer PC- oder PMMA-Zwischenschicht in Verbindung gebracht werden kann, darin besteht, eine gute oder verbesserte Durchbruchfestigkeit zu erzielen. Die durch die Erfindung gelöste Aufgabe besteht somit darin, die Durchbruchhemmung der Verbundscheibe zu verbessern.

1.3 Naheliegen der Lösung

1.3.1 Dokument A1 offenbart ebenso Verbundscheiben mit einer Brandschutzverglasung und einer Sicherheitsscheibe. Insbesondere lehrt A1 das Vorsehen einer organischen Polymerschicht zwischen der Brandschutzverglasung und einer äußeren Glasschicht, um die Schlagfestigkeit der Verbundscheibe zu verbessern (Absatz [0158]). In den bevorzugten Ausführungsformen (siehe auch die Beispiele) bestehen die organischen Zwischenschichten aus Polycarbonat (C) oder Polymethylmethacrylat (M) und die Verbindung zu den angrenzenden Glasschichten (G) erfolgt über Haftvermittlerschichten (A) (Absatz [0175]).

1.3.2 Die Patentinhaberin führte die folgenden Argumente an, um ihre Schlussfolgerung zu untermauern, dass die Lösung nicht naheliegend sei:

a) Die Fachperson würde eine Kombination von A6 und A1 nicht in Betracht ziehen:

Zwar sei die Verwendung von intumeszierenden Schichten für den Brandschutz und von PC- oder PMMA-Schichten für die Widerstandsfähigkeit seit Jahrzehnten bekannt, doch sei niemand auf die Idee gekommen, beides zu kombinieren, was als solches ein Zeichen dafür sei, dass die Erfindung nicht naheliegend sei.

Die Kombination der A6 und der A1 komme für die Fachperson nicht in Betracht, weil die Einbindung der PC- oder PMMA-Zwischenschicht in A6 zu dem Verzicht auf die in diesem Dokument als wesentlich dargestellte Glaszwischenschicht führe. Nach der Rechtsprechung (vgl. T 2201/10, Gründe 5.1.3 und T 2057/12, Gründe 3.1.3-3.1.4) sei eine solche Kombination nur mithilfe einer rückschauenden Betrachtung der Erfindung möglich.

Weiterhin enthalte A6 eine intumeszierende Schicht, wohingegen A1 ausdrücklich feststelle (Abs. [0005]), dass die Verwendung intumeszierender Materialien zu Problemen bei der Herstellbarkeit und der strukturellen Stabilität führe. Dies sei somit ein weiterer Grund, die A1 nicht mit der A6 zu kombinieren.

Die Fachperson auf dem Gebiet des Brandschutzes sei außerdem von Natur aus zurückhaltend mit Änderungen bei sicherheitsrelevanten Glasscheiben. Sie würde daher nur dann eine Änderung der Konfiguration der Verbundscheibe von A6 in Betracht ziehen, wenn es dafür triftige Gründe gäbe. Demgegenüber gebe es ausgehend von A6 keinen Anreiz, die wesentliche Glasschicht, die mit dem Brandschutzteil verbunden sei, durch eine Polymerschicht gemäß A1 zu ersetzen, die bei Kontakt mit Feuer verbrennen könnte. Weiterhin offenbare das Dokument A6 ein Verbundglas, das "aus einem ein- oder mehrschichtigen Sicherheitsglas" besteht (Seite 12, Absatz 2), was einerseits impliziere, dass die Verwendung von Glasschichten für das Verbundglas unerlässlich sei, und andererseits darauf hinweise, dass die Verbesserung der Durchbruchhemmung durch Hinzufügen weiterer Glasschichten erreicht werden solle.

b) Technische Hindernisse:

Die Fachperson würde auch erkennen, dass die für das Laminieren der Scheiben in A6 und A1 erforderlichen Herstellungsbedingungen inkompatibel seien. Während nämlich für die Scheibe in A6 hohe Temperaturen und hydrostatischer Druck in einem Autoklaven erforderlich seien, müssen die Klebstoffschichten in A1 mit einem unidirektionalen mechanischen Druck verbunden werden. Außerdem würde die Kombination der Herstellungsbedingungen beider Dokumente bedeuten, dass über einen längeren Zeitraum bei hohen Temperaturen gearbeitet werde, was zu einer Schädigung der Polymerschicht aus PC oder PMMA führen könne.

c) Die Kombination führe nicht zur beanspruchten Erfindung:

Selbst wenn die Fachperson die Kombination von A6 und A1 in Betracht ziehen würde, käme sie jedenfalls nicht in naheliegender Weise zu der beanspruchten Erfindung. Aus dem Absatz [0009] von A1 gehe nämlich hervor, dass die Verbundscheibe als Einheit funktioniere. Es gebe also keinen Grund, bestimmte Merkmale wie die PC/PMMA-Schicht isoliert von den anderen Elementen der Scheibe zu betrachten. Insbesondere sei es technisch nicht vertretbar, auf die Kombination der Polymerschicht und der Silikonschicht nach A1 zu verzichten, da diese nach Absatz [0009] einen wesentlichen Aspekt der Erfindung darstelle, um die erforderliche Strukturstabilität und die Brandschutzeigenschaften zu gewährleisten. Obwohl A1 Beispiele für die angebliche Wirkung der Polymerschichten anführe, gehe aus dem Wortlaut klar hervor, dass diese hypothetisch seien und keine echten Tests durchgeführt worden seien.

1.3.3 Die Kammer schließt sich den Argumenten der Patentinhaberin aus folgenden Gründen nicht an:

Zu a), stellt die Kammer zunächst fest, dass die Fachperson immer danach strebt, den Stand der Technik zu verbessern, unabhängig von den spezifischen Umständen des zugrunde liegenden technischen Gebiets. Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Kombination von Dokumenten des Standes der Technik ist daher nicht der Grad der Risikotoleranz auf einem bestimmten Gebiet, sondern die tatsächliche Erfolgserwartung bei der Lösung der zugrunde liegenden technischen Aufgabe.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Ersetzung der Glaszwischenschicht in A6 durch die aus der A1 bekannte Polymerzwischenschicht nicht erst aufgrund rückschauender Betrachtung, da beide Merkmale die gleiche Funktion der Durchbruchhemmung erfüllen und sogar an der gleichen Stelle (zwischen einer Brandschutzverglasung und einer äußeren Glasschicht) angeordnet sind. Die Kombination führt nicht zum Verzicht auf eine wesentliche Funktion der Erfindung in A6, sondern lediglich zu der Ersetzung eines in diesem Dokument (A6) bevorzugten Merkmals durch ein alternatives Merkmal, das in dem anderen Dokument (A1) als vorteilhaft angesehen wird. Nach Ansicht der Kammer entsprechen solche Ersetzungen den Überlegungen der Fachperson. Sie stellen einen üblichen und vernünftigen Ansatz dar, der bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zugrunde gelegt werden kann, weil er die Beweggründe der Fachpersonen bei der Entwicklung des Standes der Technik realistisch wiedergibt. Die Kammer ist insbesondere der Ansicht, dass es zu den normalen Aufgaben der Fachperson gehört (im Streben nach Verbesserung des Stands der Technik), ein Merkmal, das in dem engen Kontext des nächstliegenden Standes der Technik als wesentlich angesehen wird, durch andere Merkmale zu ersetzen, die unter Berücksichtigung der Lehren in den zitierten Dokumenten eine verbesserte oder alternative Möglichkeit bieten, dieselbe Funktion zu erfüllen.

Die Kammer stellt diesbezüglich fest, dass die obigen Schlussfolgerungen nicht im Widerspruch zu den von der Patentinhaberin angeführten Entscheidungen stehen, da diese eine andere Situation betrafen, nämlich eine, in der die vorgeschlagenen Änderungen den Verzicht auf eine wesentliche Funktion (eher als ein wesentliches Merkmal, unabhängig von der in diesen Entscheidungen verwendeten Wortwahl) des im nächstliegenden Stande der Technik offenbarten Gegenstands zur Folge gehabt hätte. Dies, weil entweder ein Merkmal durch ein alternatives Merkmal mit einer anderen Funktion hätte ersetzt werden müssen (T 2057/12, Grund 3.1.4), oder weil ein Merkmal hätte gestrichen werden müssen (T 2201/10, Gründe 5.1.3), so dass die Modifikation dem nächstliegenden Stand der Technik zuwidergelaufen wäre.

Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt, dass die in A1 offenbarten Nachteile von gewissen Materialien die Fachperson davon abhalten würden, die Dokumente A6 und A1 zu kombinieren. Zunächst ist festzustellen, dass A1 nicht einmal von der Verwendung intumeszierender Materialien (Materialien, die sich ausdehnen, wenn sie hohen Temperaturen ausgesetzt werden) im allgemeinen abrät, sondern nur auf die angeblichen Nachteile von anorganischen Materialien auf Siliziumbasis hinweist, wobei nicht alle intumeszierenden Materialien aus anorganischem Silizium bestehen, und in der Tat sich A6 auch auf andere intumeszierende Materialien wie Hydrogele bezieht (Seite 1, Zeile 18). In jedem Fall scheitert das Argument der Patentinhaberin von vornherein, denn es gibt keinen Grund, die für die zugrundeliegende technische Aufgabe relevanten Lehren in A1 (diejenigen, die sich auf die Durchbruchhemmung beziehen) mit der Begründung außer Acht zu lassen, dass andere Lehren in diesem Dokument, die mit dieser technischen Aufgabe nichts zu tun haben (weil sie sich auf die Brandschutzfunktion beziehen), einen anderen Ansatz als im nächstliegenden Stand der Technik vorschlagen. Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Fachperson ist insoweit nämlich die Aufgabe, die sich aus dem nächstliegenden Stand der Technik ergibt. Ausgehend von A6 besteht die Aufgabe in einer Verbesserung der Durchbruchhemmung. Aus der A1 ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass sich diese Durchbruchhemmung durch die Einbindung der PC- oder PMMA-Zwischenschicht nachteilig verändern würde, sondern im Gegenteil, dass sich diese verbessert.

Die Kammer ist daher der Ansicht, dass die Fachperson bei der Suche nach Lösungen zur Verbesserung der Durchbruchhemmung der aus A6 bekannten Verbundscheibe den Inhalt von A1 zweifelsfrei berücksichtigen würde.

Zu b), stellen für die Kammer die Herstellungsbedingungen in A6 und A1 für die Fachperson keine technische Herausforderung dar. Insbesondere wird in Dokument A6 eine Laminierungstemperatur von über 80°C bis zu 170°C (Seite 7, Zeilen 15-17) angegeben, so dass die in A1 vorgeschlagene Temperatur von 150°C damit durchaus vereinbar ist. Außerdem wäre auch die Laminierung im Autoklaven gemäß A6 unproblematisch, da diese erfolgt, um einen breiteren Arbeitstemperaturbereich bereitzustellen, ohne das intumeszierende Material negativ zu beeinflussen. In jedem Fall ist auch festzustellen, dass die Argumentation der Patentinhaberin auf der Annahme zu beruhen scheint, dass die Fachperson sich gezwungen sehen würde, mit genau den in A6 oder A1 offenbarten Haftvermittlerschichten und Herstellungsbedingungen zu arbeiten. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Fachperson weiß sehr wohl (sowohl im Hinblick auf A6 (Seite 6, Zeilen 1-9) als auch aus dem allgemeinen Wissen), dass es eine Vielzahl von Haftvermittlerschichten mit unterschiedlichen Erweichungstemperaturen gibt, die im Laminierungsprozess verwendet werden können. Wenn also die Arbeit mit einer Haftvermittlerschicht, die hohe Laminierungstemperaturen erfordert, zu technischen Problemen mit der Polymerschicht führt, wäre es für die Fachperson trivial, dieses Problem zu lösen, indem sie einfach eine andere Klebstoffschicht mit einer niedrigeren Erweichungstemperatur wählt.

Zu c), stellt die Kammer fest, dass Dokument A1 ausdrücklich die Rolle der PC- oder PMMA-Zwischenschicht bei der Bereitstellung einer erhöhten Schlagfestigkeit hervorhebt (Abs. [0158]). A1 liefert außerdem experimentelle Beweise für diesen Effekt (Abs. [0175]). Es besteht außerdem kein Grund zu der Annahme, dass es sich lediglich um hypothetische Versuche handele, die nicht in der Realität durchgeführt worden seien, nur weil die Beschreibung dieser Versuche in der Zeitform des Präsens erfolgt (wie von der Patentinhaberin argumentiert). Doch selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies die Fachperson nicht daran hindern, den ausdrücklichen Hinweis in A1 zu erkennen, dass die Verwendung einer PC- oder PMMA-Zwischenschicht eine hochwiderstandsfähige Konfiguration ergibt.

Die Kammer stimmt weiterhin dem Argument der Patentinhaberin, dass eine Fachperson die PC- oder PMMA-Schicht nicht isoliert von den anderen Merkmale der Verbundscheibe betrachten würde, nicht zu. Im Absatz [0009] von A1 wird lediglich festgestellt, dass die Silikonschicht und die Polymerzwischenschicht (bezeichnet als "organische Schicht") die gewünschten Eigenschaften der Feuerbeständigkeit und Schlagfestigkeit bereitstellen, wodurch die unterschiedlichen Funktionen dieser Merkmale hervorgehoben werden. Der anschließende Verweis auf die Rolle des Silikons für die strukturelle Stabilität erfolgt im Zusammenhang mit der Feuerbeständigkeit ("... nachdem sich durch die Hitze ein Riss in den Scheiben gebildet hat.") und impliziert daher nicht, dass das Silikon eine wesentliche Rolle bei der Durchbruchhemmung spielt. In jedem Fall setzt der Inhalt dieses Absatzes keine der oben genannten ausdrücklichen Lehren in A1 bezüglich der Wirkung der Polymerzwischenschicht außer Kraft.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es naheliegend wäre, ausgehend von Figur 4 der A6 als nächstliegendem Stand der Technik, die zugrunde liegende technische Aufgabe durch Ersetzen der Glaszwischenschicht 7 durch die in den Beispielen 1 oder 2 der A1 vorgeschlagene PC- oder PMMA-Zwischenschicht zu lösen. Der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass es auch naheliegend wäre, den gesamten durchbruchsicheren Teil in Figur 1 von A6 (d.h. die einzelne Glasschicht 7) durch den entsprechenden Teil in A1 zu ersetzen, der aus der PC- oder PMMA-Zwischenschicht und einer äußeren Glasschicht besteht. Jede dieser beiden alternativen Kombinationen würde in naheliegender Weise zu dem Gegenstand von Anspruch 1 führen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt des Dokuments A6 in Kombination mit der Lehre des Dokuments A1 für die Fachperson naheliegend und daher nicht erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

2. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass die Fachperson nicht in Betracht ziehen würde, die Komponenten gemäß A1 einem Autoklavenverfahren zu unterziehen, weil dieses Dokument Klebstoffschichten vorschlage, die in einem Autoklavenverfahren nicht richtig funktionieren würden. Auch würden Polycarbonatschichten wegen der großen Unterschiede der thermischen Ausdehnungen beim Autoklavieren Probleme verursachen.

2.2 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Angabe in Anspruch 1, dass die Verbundscheibe in einem Autoklaven hergestellt wird, den Schutzbereich des Produktsanspruchs 1 nicht eindeutig einschränkt (d. h. sie verlangt lediglich, dass die Verbundscheibe unter Verwendung eines Autoklaven hätte hergestellt werden können). Selbst wenn aber dieses Merkmal als Einschränkung des Schutzumfangs angesehen würde, wird die Verbundscheibe nach A6 ebenfalls in einem Autoklaven hergestellt (siehe Anspruch 4), und es gäbe keinen Grund, ein anderes Verfahren zu verwenden, weil der Einsatz des Autoklaven gerade dazu dient, Probleme mit der intumeszierenden Schicht zu vermeiden. Sollte das Autoklavenverfahren zu Problemen mit der Polymerschicht und/oder der Haftvermittlerschichten führen, wäre es für die Fachperson trivial, andere Temperaturen und/oder Haftvermittlerschichten zu wählen, um diese Probleme zu überwinden (s.o. 1.3.3).

2.3 In Anbetracht der obigen Erwägungen enthalten somit die Änderungen im Anspruch 1 keine zusätzlichen Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Kombination von A6 und A1. Infolgedessen gelten für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag.

2.4 Der Gegenstand nach Anspruch 1 wird daher im Hinblick auf die Kombination von A6 und A1 als naheliegend angesehen, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

3. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass, obwohl das Patent darauf hinweise, dass Polyurethanschichten von 0,38 mm (d. h. innerhalb des beanspruchten Bereichs) handelsüblich seien, dies nicht die Schlussfolgerung erlaube, dass es naheliegend sei, diesen Dickenbereich mit den übrigen Bestandteilen der Verbundscheibe zu kombinieren. Da weder A6 noch A1 dieses Merkmal vorweggenehmen würde, sei der Gegenstand von Anspruch 1 erfinderisch.

3.2 Die Kammer stimmt der Pateninhaberin nicht zu, weil das Streitpatent keinen technischen Effekt mit dem definierten Dickenbereich von 0,3 bis 0,8 mm verbindet. Somit ist die Auswahl des Schichtdickebereichs als willkürlich zu betrachten, wenn die Fachperson unter bekannten oder üblichen Bedingungen in diesem Bereich arbeiten würde. In Anbetracht der Tatsache, wie vom Streitpatent anerkannt (vgl. Absatz [0031]), dass Polyurethanschichten von 0,38 mm handelsüblich sind, und der beanspruchte Bereich sich außerdem mit den normalen Arbeitsbereichen gemäß zahlreichen Dokumenten des Fachgebiets überschneidet (siehe z. B.

A7 (US 4 243 719, Spalte 13, Zeile 31),

A8 (DE 34 86 336 T2, Seite 6, Zeile 20),

A9 (DE 2 347 955, Seite 20, Zeilen 9-10),

A14 (DE 94 19 721 U1, Seite 2, Zeilen 27-28) und

A16 (DE 10 2008 043 718 A1, [0051]), kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Änderungen zum Anspruch 1 die Einwände gegen die erfinderische Tätigkeit nicht ausräumen.

3.3 Ansonsten gelten für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag. Anspruch 1 wird somit im Hinblick auf die Kombination von A6 und A1 als naheliegend angesehen, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

4. Hilfsantrag 3 - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Kombination von A6 und A1 führt zu einem Gegenstand, der unter den geänderten Anspruch 1 fällt, da A1 die Verwendung einer einzigen PC- oder PMMA-Zwischenschicht vorschlägt. Folglich gelten für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag.

4.2 Anspruch 1 wird daher im Hinblick auf die Kombination von A6 und A1 als naheliegend angesehen, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

5. Hilfsantrag 4 - Erfinderische Tätigkeit

5.1 Da sich der geänderte Anspruch 1 auf ein Herstellungsverfahren bezieht, bei dem die Verbundscheibe unter Verwendung eines Autoklaven hergestellt wird, wird dieser Schritt (anders als im Hilfsantrag 1) als Einschränkung des Schutzumfangs angesehen.

5.2 Dokument A6 offenbart jedoch (wie bereits zum Hilfsantrag 1 dargestellt) die Herstellung der Verbundscheibe mit einem Autoklavenverfahren (vgl. Anspruch 4). Die Änderungen im Anspruch 1 stellen daher keine weiteren Unterscheidungsmerkmale dar, so dass für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen gelten wie für den Hauptantrag.

5.3 Anspruch 1 wird daher im Hinblick auf die Kombination von A6 und A1 als naheliegend angesehen, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

6. Da keiner der von der Pateninhaberin eingereichten Anträge die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllt, kommt die Kammer zu dem Schluss, das das Streitpatent zu widerrufen ist.

7. In Anbetracht der obigen Schlussfolgerung ist es nicht erforderlich, sich mit den Fragen der Zulassung des Hilfsantrags 3, der öffentlichen Zugänglichkeit der Vorbenutzung, der Zulassung von P15 und P16 oder den von den Einsprechenden erhobenen zusätzlichen Einwänden der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zu befassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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