T 1597/18 (Gestrichene dreilagige Faserstoffbahn /VOITH PATENT) of 10.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T159718.20200910
Datum der Entscheidung: 10 September 2020
Aktenzeichen: T 1597/18
Anmeldenummer: 11721321.5
IPC-Klasse: D21H27/30
D21H19/36
D21F11/04
D21H23/48
D21F3/02
D21F5/04
D21F9/00
D21G1/00
D21G9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer gestrichenen, mehrlagigen Faserstoffbahn
Name des Anmelders: Voith Patent GmbH
Name des Einsprechenden: Valmet Technologies Oy
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Verfahrensmodifikation
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 576 900 in geändertem Umfang auf der Grundlage des am 21. Februar 2018 eingereichten Hilfsantrags 2.

II. Anspruch 1 in der vor der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung hat folgenden Wortlaut:

" 1. Verfahren zur Herstellung einer gestrichenen, dreilagigen Faserstoffbahn, insbesondere Verpackungspapier- oder Kartonbahn, bei dem zunächst ein Stoffstrom (S) erzeugt wird, der danach nacheinander drei Stoffaufläufen (1, 1a), mindestens einer Siebpartie (I) zur Bildung einer dreilagigen Faserstoffbahn (B), einer Pressenpartie (II), einer Trockenpartie (III) mit Trockengruppen (8a, 8b) und anschließend einer Aufrollung zugeführt wird, wobei die Trockengruppen (8a, 8b) innerhalb einer Vortrockenpartie (III) liegen und nach dem Ende der Vortrockenpartie Stärke aufgetragen wird und sich eine Nachtrockenpartie (IV) anschließt, wobei die dreilagig hergestellte Faserstoffbahn (B) mit einem Bandkalander (13) innerhalb oder im Anschluss an die Nachtrockenpartie (IV) vorgeglättet wird und danach die Decklage der Faserstoffbahn (B) mit Hilfe eines Vorhang-Auftragswerkes (14.1) mit einer weißen pigmenthaltigen Strichschicht beschichtet und danach getrocknet wird und dass in der Pressenpartie (I) wenigstens eine glatte Walze verwendet wird, die zumindest auf die Decklage einwirkt."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 in der vor der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens gemäß Anspruch 1.

III. Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin/Einsprechende unter anderem vorgebracht, dass der beanspruchte Gegenstand ausgehend aus E1, E2, E3, E7, E8 oder E17 als nächstliegendem Stand der Technik naheliege. Zudem hat sie die weiteren Dokumente E19 und E20 eingereicht.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände stützen sich daher auf folgende Dokumente:

El: "The board machine beyond 2000" aus dem Magazin "twogether" aus dem Jahr 1999 ;

E2: DE 20 2009 011 396 Ul ;

E3: "Reliability beyond Equipment", "ahead 2004 Customer Conference" aus dem Jahr 2004 ;

E5: "ValZone metal belt calender starts a new era in calendering" - aus "Fiber & Paper" 3, 2006 ;

E7: WO 2010/020707 Al ;

E8: WO 2006/024695 Al ;

E12: Papierlexikon, Band 2, ,,Oberflächenleimung" ;

E13: Papierlexikon, Band 3, ,,Vortrockenpartie" ;

E14: Papierlexikon, Band 2, ,,Nachtrockenpartie" ;

E17: "Paper and Board grades", Papermaking Science and Technology, 2000, Seiten 58-67 ;

E19: "Pigment Coating and Surface Sizing of Paper", Papermaking Science and Technology, 2000, Seiten 580-585;

E20: Handbook of Paper and Board, Holik (Ed.), 2006, Seiten 72-73 und 320-325.

IV. Die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin hat in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 22.November 2018 das Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung verteidigt.

V. In ihrer Mitteilung in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat die Kammer den Stand des Verfahrens zusammengefasst und ihre vorläufige Meinung dargestellt, unter anderem dass:

- nur E2 und E3 mindestens zum Teil eine ähnliche Zielsetzung wie das Streitpatent verfolgen, aber dass

- E3 (Figur 11) im Gegensatz zu E2 eine Papiermaschine offenbare, die alle wesentlichen Verfahrensschritte des Anspruchs 1 enthalte und daher ein Verfahren, das im Vergleich zum Verfahren des beanspruchten Anspruchs 1 die wenigstens strukturellen Änderungen erfordert,

- so dass E3 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei.

VI. In der am 10. September 2020 abgehaltenen mündlichen Verhandlung wurde mit den Parteien insbesondere die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung ausgehend aus E3 als nächstliegendem Stand der Technik erörtert. Bezüglich der weiteren Angriffe gegen die erfinderische Tätigkeit bezog sich die Beschwerdeführerin auf das schriftliche Vorbringen.

VII. Die endgültigen Anträge der Parteien waren wie folgt:

Die Beschwerdeführerin/Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Patent in der vor der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung

1. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1

1.1 Die Erfindung

1.1.1 Das Patent (Anspruch 1 und Absatz [0001] der Beschreibung) betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer gestrichenen, dreilagigen Faserstoffbahn, insbesondere Verpackungspapier- oder Kartonbahn.

1.1.2 Als Nachteile der bekannten Verfahren zur Herstellung mehrschichtiger Faserstoffbahnen werden in der Beschreibung die Folgenden aufgeführt:

- A: (Absatz [0004]) die in den Papiermaschinen für die Herstellung von Karton- und Verpackungspapieren eingesetzten Trockenpartien benötigen einen hohen Platzbedarf und weisen eine beschränkte Trocknungskapazität auf;

- B: (Absatz [0005]) die mit Hilfe konventioneller Kalander (Hardnip Kalander, Softnip Kalander, Breitnip Kalander, Schuhkalander) eingesetzten Glätteverfahren gehen mit Dickeverlust der Faserstoffbahn einher oder führen nur zu einer geringen Glättesteigerung bei gleichzeitigem Volumenverlust;

- C: (Absätze [0006] bis [0009]) mit den konventionellen Streichaggregaten zum Auftrag eines Pigmentstrichs (Filmpressen, Coater mit Walzenauftrag (LDTA), Coater mit Freistrahldüsen, Auftragswerken mit kurzer Verweilzeit des Mediums auf der Bahn (SDTA)), womit Weiße, Glätte, Glanz, Opazität und erhöhte Bedruckbarkeit der Bahn erzielt werden soll, ist nur eine beschränkte Auftragskapazität und damit eine schlechte Abdeckung und Opazität der hergestellten Faserstoffbahn erreichbar.

Diese zu überwundenen Nachteile werden im Folgenden als Zielsetzung A bzw. B bzw. C bezeichnet.

1.1.3 Gemäß dem Streitpatent (Absatz [0010]) setzt sich die Erfindung das Ziel, ein Verfahren zur Herstellung einer gestrichenen, dreilagigen Faserstoffbahn, insbesondere Verpackungspapier- oder Kartonbahn bereit zu stellen, welches die Nachteile des Standes der Technik nicht aufweist.

1.2 Der nächstliegende Stand der Technik

1.2.1 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass jede der geltend gemachten Entgegenhaltungen E1, E2, E3, E7, E8 und E17 als Ausgangspunkt für die Prüfung auf das Naheliegen der erfindungsgemäßen Lösung nach Artikel 56 EPÜ gewählt werden kann.

Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (9. Auflage 2019, I.D.3.1, Seite 204) ist der zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehende nächstliegende Stand der Technik ein Dokument des Standes der Technik, das einen Gegenstand, der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat, und daher die wenigstens strukturellen Änderungen erfordert.

Daher ist als nächstliegender Stand der Technik, unter die geltend gemachten Entgegenhaltungen, ein Dokument zu wählen, welches mindestens zum Teil eine gleiche oder ähnliche Zielsetzung wie das Streitpatent verfolgt.

1.2.2 E1 betrifft (Seite 1, linke Spalte, erster Absatz; rechte Spalte, zweiter und dritter Absatz, Figur 2) die Bereitstellung einer Papier/Kartonmaschine, die mit höherer Geschwindigkeit betrieben werden kann, womit eine hohe Leistungseffizienz und eine hohe Produktqualität, insbesondere im Bezug auf Steifigkeit und Bedruckbarkeit (Glätte und Glanz), erreichbar ist.

Daher setzt sich E1 nicht ausdrücklich mit einem der oben aufgelisteten Ziele A, B oder C auseinander.

1.2.3 E2 setzt sich das Ziel (Absätze [0014]), eine effektive und möglichst kompakte in die Papiermaschine integrierte Streich- und Kalandrierungsanlage bereitzustellen, womit die Nachteile des bekannten Standes der Technik vermieden werden können. Die in E2 angesprochenen Nachteilen betreffen (Absätze [0003]) die durch den Einsatz von Rakelstreichvorrichtungen für die Applikation eines Pigmentsstrichs hervorgerufenen Streifen, Spuren und leichte Bahnabrisse. Außerdem setzt sich E2 (Absätze [0016] und [0017]) auch das Ziel, das bei der Vorkalandrierung durch den Einsatz von konventionellen Maschinenkalandern (Soft-, Mehrwalzen- oder WetStack-Kalandern) erreichte Ergebnis (verringerte Rauheit und Porosität und höhere Glanz) zu verbessern.

Daher setzt sich E2 mindestens zum Teil mit den obigen Zielsetzungen B und C auseinander.

1.2.4 E3 betrifft (Seite 96, Figur 2 und die Beschreibung auf Seite 97) die Bereitstellung einer Papiermaschine und eines Verfahrens zur Herstellung einer gestrichenen Faserstoffbahn, bei dem die Dicke und Volumen der Bahn soweit wie möglich aufrechterhalten und die Glätte gesteigert wird. Insbesondere (Seite 97, rechte Spalte, zweiter Absatz) ist der durch die Verwendung von Standard-Kalandrierungsanlagen wie Hardnip Kalandern bei der Vorkalandrierung entstehende Dickeverlust zu vermeiden. Also je früher die Glätte während des Verfahrens verbessert wird, desto kleiner der Dickeverlust. Zudem werden die mit der Verwendung einer Rakelstreichanlage beim Pigmentstrich verbundenen Nachteile auch überwunden (Seite 101, linke Spalte, letzter Absatz und rechte Spalte, zweiter Absatz).

Daher verfolgt auch E3 mindestens zum Teil die Zielsetzungen B und C.

1.2.5 E7 stellt nur eine Papiermaschine dar und beschreibt keine ausdrückliche Zielsetzung. Es ist jedoch aus der Beschreibung (Seite 7, Zeilen 3-12 und Seite 8, Zeile 30 bis Seite 9, Zeile 8) zu entnehmen, dass durch solch eine Papiermaschine die Qualität der aus den eingesetzten Stoffaufläufen erhaltenen Faserstoffbahn verbessert werden kann und Kosten gesenkt werden können.

E7 verfolgt daher eine andere Zielsetzung als das Streitpatent.

1.2.6 E8 betrifft (Seite 7, Zeilen 6-20) die allgemeine Optimierung eines Verfahrens zur Herstellung einer Faserstoffbahn in welchem ein Metallbandkalander eingesetzt wird, insbesondere die Optimierung des eingesetzten Metallbandkalanders. E8 setzt sich daher ein anderes Ziel als das Streitpatent.

1.2.7 E17 offenbart (Figur 4) eine für die Herstellung von Karton mit guter Qualität geeignete Papiermaschine. Diese Entgegenhaltung beschreibt jedoch keine eindeutige Zielsetzung, und ist daher als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ungeeignet.

1.2.8 Die Kammer kann daher dem Schluss in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 2.4.4) nicht zustimmen, dass E7 oder E17 den nächstliegenden Stand der Technik darstellen. Aus den obigen Aufführungen ergibt sich im Gegenteil, dass nur E2 und E3 eine zum Teil ähnliche Zielsetzung wie das Streitpatent verfolgen.

Zudem, im Gegensatz zu E2, offenbart E3 ausdrücklich (Figur 11 in Kombination mit der Beschreibung auf Seiten 98-103) ein Verfahren, das alle wesentlichen Verfahrensschritte des Anspruchs 1 in der beanspruchten Reihenfolge aufweist (Zuführung von mehreren Stoffaufläufen zu einer Siebpartie, Pressenpartie mit Verwendung einer glatten Walze, Vortrockenpartie, Oberflächenleimung, Nachtrockenpartie, Vorkalandrierung, Auftrag eines Pigmentstrichs durch einen Vorhang-Auftragswerk, Aufrollung), und daher ein Verfahren, das im Vergleich zu dem laut Anspruch 1 die wenigstens strukturellen Änderungen erfordert.

Die Kammer hat daher keinen Grund, von ihrer in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 enthalten vorläufigen Meinung abzuweichen, dass E3 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

Beide Parteien haben in der mündlichen Verhandlung zugestimmt, dass E3 ein geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei.

Da schon der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend aus E3 als nächstliegendem Stand der Technik scheitert (siehe infra), ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die erfinderische Tätigkeit ausgehend aus den anderen genannten, aber weniger geeigneten, potentiellen Ausgangspunkten (E1, E2, E7, E8 und E17) daher a fortiori nicht mehr zu berücksichtigen.

1.3 Die durch das Verfahren des Anspruchs 1 tatsächlich gelöste technische Aufgabe

1.3.1 Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass die Zielsetzung (A) durch den beanspruchten Gegenstand nicht zwingend erreicht worden sei und dass die Zielsetzung (C) durch das Verfahren des nächstliegenden Standes der Technik E3 bereits erreicht worden sei. Daher bestehe die ausgehend aus dem nächstliegendem Stand der Technik (E3) zugrundeliegende technische Aufgabe in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens, wodurch eine weitere Steigerung der Glätte der Faserstoffbahn ohne Dicke oder Volumenverlust erzielt werden könne.

Die Beschwerdegegnerin hat auch zugestimmt, dass diese Formulierung mindestens einem Teil der Aufgabe des Streitpatents entspricht.

Die Kammer teilt daher die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die zugrundeliegende technische Aufgabe wie oben dargestellt formuliert werden kann.

1.3.2 Es wurde auch nicht bestritten, dass das Verfahren des Anspruchs 1, wie im Absatz [0014] des Streitpatents dargestellt, diese technische Aufgabe tatsächlich löst.

Die Kammer hat keinen Grund, diesbezüglich eine andere Auffassung zu vertreten.

1.4 E3 + E2 (+ allgemeines Fachwissen)

1.4.1 Der Gegenstand des Verfahrens laut vorliegendem Anspruch 1 unterscheidet sich von dem in E3 (Figur 11 in Kombination mit der Beschreibung auf Seiten 98-103) offenbarten Verfahren darin,

(1) dass aus drei (statt vier) Stoffaufläufen eine dreilagige (statt einer vierlagigen) Faserstoffbahn hergestellt wird;

(2) dass Stärke zwischen Vortrocken- und Nachtrockenpartie aufgetragen wird;

(3) dass bei der Vorglättung vor dem Streichen ein Bandkalander statt eines Softnip Kalanders oder eines Schuhkalanders verwendet wird; sowie

(4) dass die auf die Faserstoffbahn aufgetragene Strichschicht eine weiße Pigmentschicht ist.

1.4.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass das beanspruchte Verfahren für den Fachmann ausgehend aus E3, unter Berücksichtigung von der Lehre von E2 und, eventuell, des allgemeinem Fachwissens (wie in E12-E14, E17, E19-E20 dargestellt), naheliegend gewesen sei.

1.4.3 E2 betrifft (Absatz [0001], Anspruch 1) eine in einer Papier-Kartonmaschine integrierten Strich/Kalandrierungsanlage zur Herstellung gestrichener Faserbahnen.

Die offenbarte Streich/Kalandrierungsanlage umfasst (Anspruch 1, Absatz [0020] und Figur 1) einen Metallbandkalander als Vorkalander (III) der von einem Vorhang-Auftragswerk (Florstreichvorrichtung IV) gefolgt wird. Gemäß der Lehre der E2 (Absätze [0014]- [0017]) wird durch diese Kombination eine bessere Verteilung der Streichfarbenmenge, eine höhere Glanz und eine niedrige Rauheit beim gestrichenen und endkalandrierten Produkt erreicht. Insbesondere wird der Metallbandkalander eingesetzt, um die normalerweise mit der Verwendung eines Vorhang-Auftragswerkes verbundene niedrigere Glätte zu verbessern.

Nach Meinung der Beschwerdeführerin war es daher für den Fachmann naheliegend, einen Metallbandkalander auch in dem aus E3 bekannten Verfahren als Vorkalander einzusetzen, um die formulierte technische Aufgabe zu lösen.

Die restlichen Unterscheidungsmerkmale (1, 2 und 4) des Anspruchs 1 seien auch angesichts der Lehre der E2 oder E3 und/oder angesichts allgemeines Fachwissens (E12-14, E17, E19-20) für den Fachmann naheliegend gewesen.

1.4.4 Jedoch, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen wurde, stellt E3 bereits ein Verfahren dar, womit optimale Ergebnisse auch in Bezug auf die Glätte ohne Dicke oder Volumenverlust der Faserstoffbahn erzielt werden.

Insbesondere ist es aus E3 (die ganze Seite 97 in Verbindung mit Figur 2 auf Seite 96) zu entnehmen, dass die erzielte Glätte ohne Dicke- oder Volumenverlust nicht nur von dem Vorkalandrierungsschritt, sondern auch von der Kombination aller Verfahrensschritten abhängt, da jeder Verfahrensschritt die Folgenden beeinflusst.

In Abwesenheit eines klaren Hinweises in E2, die dort offenbarte Strich/Kalandrierungsanlage in eine Papiermaschine einzusetzen, welche alle Verfahrensschritte des in E3 offenbarten Verfahrens vorsieht, war es folglich für den Fachmann am Prioritätsdatum des Streitpatents nicht vorhersehbar, dass das Ersetzen des in dem Vorkalandrierungsschritt der E3 verwendeten Softnip- oder Schuh-Vorkalanders mit dem Metallbandkalander nach der Lehre von E2 zu einer weiteren Verbesserung der Glätte ohne Dicke- oder Volumenverlust der hergestellten Faserstoffbahn geführt hätte.

Hingegen ist aus der Gegenüberstellung der Abbildungen 11 von E3 und 1 von E2 ersichtlich, dass der Einsatz der "integrierten Streich-/Kalandrierungsanlage" von E2 in die Kartonanlage nach E3 auch weitere, wesentliche Baumodifikationen der Anlage nach E3 erfordert (siehe infra), dessen Wirkungen auf das Verfahren von E3 nicht ersichtlich sind.

Aus diesem Grund hatte daher der Fachmann nach Meinung der Kammer keine Veranlassung gehabt, die integrierte Streich- und Kalandrierungsanlage der E2 in die Papiermaschine von E3 einzusetzen, in der Erwartung, die optimalen Ergebnisse von E3 in Bezug auf Glättesteigerung ohne Dicke- oder Volumenverlust zu übertreffen.

Auch deswegen beruht der Ansatz der Beschwerdeführerin auf einer rückschauenden Betrachtung bei der Kombination von E3 mit E2.

1.4.5 Ausweislich der E3 (Seite 101, linke Spalte, erster Absatz) kann die offenbarte Papiermaschine zur Herstellung von FFB- oder WLC-Kartonen eingesetzt werden. Es ist aus der E17 zu entnehmen, dass FFB-Kartonen (Seite 59, Zeile 3 und Figur 3 auf Seite 58) in der Regel drei oder vier Lage aufweisen, während WLC-Kartonen (Figur 5 auf Seite 60) eine weiße Oberfläche und vier Lagen aufweisen. Daher können FFB-Kartonen auch mit drei Lagen und aus drei Stoffaufläufen hergestellt werden. WLC-Kartonen aber in der Regel nicht.

Die E2 (Absatz [0013]) offenbart auch die Möglichkeit, die offenbarte Anlage in Papiermaschinen unter anderem zur Herstellung von Faltschachtelkartonen (FFB) oder von Kartonen, die eine gestrichene Oberflächeschicht mit weißer Oberfläche aufweisen (coated White top liner, carrier board) einzusetzen, wobei E2 die mögliche Anzahl von Lagen solch eines gestrichenen Kartons nicht offenbart.

Daher fehlt in E2 auch ein klarer Hinweis, die offenbarte Anlage zur Herstellung eines dreilagigen Kartons mit aufgetragenem weißen Pigmentstrich einzusetzen. Dies stellt noch ein weiteres Anzeichen für eine rückschauende Betrachtung dar.

1.4.6 Zudem bemerkt die Kammer, dass die Streich- und Kalandrierungsanlage der E2 eine Streichvorbehandlungsvorrichtung (I) als zwingendes wesentlichen Bestandteil enthält, welche, gemäß Figur 1, vor einer Trockenpartie (II), dem Vorkalander (III) und dem Vorhang-Auftragswerk (IV) vorhanden sein muss. Es ist aus der E2 (Absatz [0019]) auch zu entnehmen, dass die Streichvorbehandlungsvorrichtung (I) der Oberflächenleimung, Pigmentierung und/oder der Vorstreichung dient und eine Florstreichvorrichtung (Vorhang-Auftragswerk) oder eine Filmübertragungsvorrichtung sein kann. Daher kann die Vorrichtung (I) nicht zwingend für die Oberflächenleimung eingesetzt werden. Außerdem wird in E2 nicht offenbart, dass die in Figur 1 dargestellte Filmübertragungsvorrichtung zum Auftragen von Stärke als Leimmittel zu verwenden ist, noch weniger dass die potentielle Oberflächenleimung, wie bei dem in der E3 verwendeten Speedsizer (Seite 99 der E3), zwischen einer Vortrocken- und einer Nachtrockenpartie stattzufinden hat.

In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass auch, wenn die Möglichkeit des Auftragens von Stärke als Oberflächenleimung zwischen einer Vortrocken- und einer Nachtrockenpartie dem allgemeinen Fachwissen (E12-E14, E19 und E20) angehört, E2 das Vorhandensein einer Vortrockenpartie weder ausdrücklich noch implizit offenbart.

Daher würde eine Integration der Anlage der Figur 1 von E2, die nur eine Trockenpartie vorsieht, die Papiermaschine von E3 zwingend verändern und nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.

Also, um aus der Kombination von E3 mit E2 zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, hätte der Fachmann sich entscheiden müssen, Stärke als Leimmittel einzusetzen, die Papiermaschine zur Herstellung von dreilagigen statt vierlagigen Kartonen aus drei Stoffaufläufen umzuwandeln, den in E3 verwendeten Vorkalander durch den Metallbandkalander der E2 zu ersetzen und einen weißen Pigmentstrich aufzutragen, ohne auf die Vortrockenpartie der Papiermaschine der Figur 11 der E3 zu verzichten.

1.4.7 Folglich ist die Kammer der Meinung, dass der Fachmann die geltend gemachte Kombination der Lehren von E3 mit E2 und alle die oben dargestellten Änderungen nur mit ruckschauender Betrachtungsweise in Betracht ziehen würde.

1.4.8 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann ausgehend aus E3 nicht nahe lag.

1.4.9 Somit beruht der beanspruchte Gegenstand gegenüber der Kombination von E3 mit E2, auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens, auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

1.5 E3 + E5

1.5.1 Im schriftlichen Verfahren wurde von der Beschwerdeführerin als Alternative auch eine Kombination von E3 mit E5 vorgeschlagen (Beschwerdebegründung, Seiten 26-27).

1.5.2 E5 offenbart einen ValZone Metallbandkalander. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist aus dem rechten Kasten auf der letzten Seite der E5 zu entnehmen, dass dieser Artikel im Allgemeinen den Rebuild einer Kartonmaschine in Finnland betrifft in der drei Stoffaufläufen, den Oberfläche-Sizer und den Aufroller ausgetauscht wurden. Daher betreffe E5 ein ähnliches Verfahren wie beansprucht. Zudem ist es aus der Seite 47 (rechte Spalte) und aus den Figuren auf Seite 48 der E5 zu entnehmen, dass der offenbarte Kalander zu einer geringeren Rauheit und einer verbesserten Bedruckarbeit führt, also die Oberflächequalität von gestrichenen Faserstoffbahnen im Vergleich zu konventionellen Kalandern (Hardnip, Softnip, Schuhnip) verbessert. Nach Meinung der Beschwerdeführerin wäre es daher für den Fachmann naheliegend gewesen, den in E3 eingesetzten konventionellen Kalander mit diesem Metallbandkalander auszutauschen.

1.5.3 Jedoch wurde weder von der Beschwerdeführerin erklärt, noch ist aus der E5 ausdrücklich zu entnehmen, dass ein durch die Kartonmaschine der E5 durchgeführtes Verfahren alle Schrittabfolgen des Anspruchs 1 umfasst.

1.5.4 Also, wie bereits in Bezug auf E2 ausgeführt, enthält auch E5 keinen Hinweis, dass der offenbarte Metallbandkalander in eine Papiermaschine, die alle Verfahrensschritte des in E3 offenbarten Verfahrens vorsieht, integriert werden kann, noch weniger in der Erwartung, die optimalen Ergebnisse von E3 in Bezug auf Glättesteigerung ohne Dicke- oder Volumenverlust zu übertreffen. Daher gab es für den Fachmann aus den bereits in Bezug auf E2 ausgeführten Gründen (Punkt 1.4.4) keine Veranlassung, die in E3 verwendeten Soft- oder Schuhkalander durch den Kalander der E5 auszutauschen und zusätzlich die weiteren Unterscheidungsmerkmale 1, 2 und 4 zu wählen. Der Fachmann konnte somit nur mit ruckschauender Betrachtungsweise die Kombination von E3 mit E5 in Betracht ziehen.

1.6 Die Kammer kommt folglich zum Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 13 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

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