T 1534/18 () of 3.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T153418.20200303
Datum der Entscheidung: 03 März 2020
Aktenzeichen: T 1534/18
Anmeldenummer: 09761542.1
IPC-Klasse: B81C 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HERSTELLUNGSVERFAHREN FÜR EIN MIKROMECHANISCHES BAUELEMENT BESTEHEND AUS EINEM TRÄGER UND EINEM HALBLEITERCHIP
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 111(1)
RPBA2020 Art 011
Schlagwörter: Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmelderin hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 09761542.1 Beschwerde eingelegt. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass die Erfordernisse der Artikel 84, 54(1) und 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

II. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Anmelderin

- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Grundlage der Ansprüche, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, sowie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr,

- oder, hilfsweise, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz in Verbindung mit einer Rückerstattung der Beschwerdegebühr,

- oder, weiter hilfsweise, die Erteilung eines Patents im Umfang geänderter Ansprüche gemäß einem von zwei Hilfsanträgen, bezeichnet als "zweiter Hilfsantrag" bzw. "dritter Hilfsantrag",

- oder, noch weiter hilfsweise, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

III. Am 20. Januar 2020 rief der Berichterstatter die Anmelderin an, um die Antragslage zu klären (siehe Protokoll vom 24. Januar 2020).

IV. Mit Schreiben vom 7. Februar 2020 "konkretisierte" die Anmelderin die Antragslage dahingehend, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit auf Grundlage des mit "drittem Hilfsantrag" bezeichnetem Anspruchssatzes an die erste Instanz zurückzuverweisen sei (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2020 stellte die Anmelderin klar, dass die mit der Beschwerdebegründung gestellten Anträge durch die mit dem Schreiben vom 7. Februar 2020 gestellten Anträge zu ersetzen sind.

V. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Herstellungsverfahren für ein mikromechanisches Bauelement mit den Schritten:

Bereitstellen eines Siliziumwafers (Wl; Wl'; Wl''; Wl''') mit einer Vielzahl von Halbleiterchips (SC1, SC2, SC3; SC2''; SC1''', SC2'''; SC3'''), wobei der Siliziumwafer eine erste vorderseitige Oberfläche (V1; V1'; V1''; V1''') und eine erste rückseitige Oberfläche (R1; R1'; R1''; R1''') aufweist;

Bereitstellen eines Edelstahlwafers (W2; W2') mit einer entsprechenden Vielzahl von Trägersubstraten (SS1, SS2, SS3; SS1''', SS2''', SS3'''), wobei der Edelstahlwafer eine zweite vorderseitige Oberfläche (V2; V2''') und eine zweite rückseitige Oberfläche (R2; R2''') aufweist;

Aufbringen einer strukturierten Haftvermittlungsschicht (SG) auf die erste vorderseitige Oberfläche (V1; V1'; V1''; V1''') und/oder die zweite vorderseitige Oberfläche (V2; V2'''), welche Ausgasungskanäle (SK, KG) aufweist;

Ausrichten der ersten vorderseitigen Oberfläche (V1; V1'; V1''; V1''') und der zweiten vorderseitige Oberfläche (V2; V2''') entsprechend einer Vielzahl von mikromechanischen Bauelementen, welche jeweils einen Halbleiterchip (SC1, SC2, SC3; SC2''; SC1''', SC2'''; SC3''') und ein entsprechendes Trägersubstrat (SS1, SS2, SS3; SS1''', SS2''', SS3''') aufweisen;

Verbinden der ersten vorderseitigen Oberfläche (V1; V1'; V1''; V1''') und der zweiten vorderseitigen Oberfläche (V2; V2''') über die strukturierte Haftvermittlungsschicht (SG) unter Anlegen von Druck derart, dass jeder Halbleiterchip (SC1, SC2, SC3; SC2''; SC1''', SC2'''; SC3''') mit einem entsprechenden Trägersubstrat (SS1, SS2, SS3; SS1''', SS2''', SS3''') entsprechend einem jeweiligen mikromechanischen Bauelement verbunden wird, wobei ein Gas der Umgebungsatmosphäre durch die Ausgasungskanäle (SK, KG) nach außerhalb entweichen kann;

Vereinzeln der mikromechanischen Bauelemente".

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Klarheit

1.1.1 Gemäß der angefochtenen Entscheidung, Punkte 10.1 bis 10.4, waren die Ansprüche 1 bis 15 des damals vorliegenden Anspruchssatzes nicht klar hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs "Verbund".

In den Ansprüchen 1 bis 11 des vorliegenden Anspruchssatzes befindet sich der Begriff "Verbund" nicht mehr, da er durch die Begriffe "Siliziumwafer" bzw. "Edelstahlwafer" ersetzt wurde.

1.1.2 Gemäß der der angefochtenen Entscheidung, Punkte 10.5 bis 10.9, war der unabhängige Vorrichtungsanspruch 14 des damals vorliegenden Anspruchssatzes nicht klar, weil dessen Merkmale "strukturierte Haftvermittelungsschicht" und "lunkerfrei" einander widersprüchlich gegenüberstanden.

Alle Vorrichtungsansprüche, inklusive des damaligen unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 14, wurden in dem vorliegendem Anspruchsatz gestrichen. Darüber hinaus befindet sich der Begriff "lunkerfrei" nicht in den Verfahrensansprüchen 1 bis 11 des vorliegenden Anspruchssatzes.

1.1.3 Es folgt, dass alle in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Klarheitseinwände durch entsprechende Änderungen in dem Anspruchssatz des vorliegenden Hauptantrags ausgeräumt worden sind.

1.2 Neuheit

Gemäß der angefochtenen Entscheidung, Punkte 11.1 bis 11.5, nimmt die Druckschrift WO2005/040747 A1 (D3) die Neuheit des Gegenstands des damaligen Vorrichtungsanspruchs 14 vorweg.

Da der damalige unabhängige Vorrichtungsanspruch 14 gestrichen wurde, ist der in der angefochtenen Entscheidung erhobene Neuheitseinwand ebenfalls ausgeräumt.

1.3 Erfinderische Tätigkeit

Gemäß der angefochtenen Entscheidung, Punkt 11.6, legt D3 den Gegenstand des damaligen Vorrichtungsanspruchs 15 nahe.

Da der damalige Vorrichtungsanspruch 15 gestrichen wurde, ist der in der angefochtenen Entscheidung erhobene Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgeräumt.

1.4 Zurückverweisung an die erste Instanz

1.4.1 Alle Zurückweisungsgründe der angefochtenen Entscheidung wurden durch entsprechende Änderungen in dem vorliegenden Anspruchssatz ausgeräumt. Somit hat die angefochtene Entscheidung keinen Bestand mehr und muss aufgehoben werden.

1.4.2 Da der vorliegende Sachverhalt sich im Vergleich zu demjenigen, auf Grundlage dessen die Prüfungsabteilung ihre Entscheidung traf, grundsätzlich verändert hat, übt die Kammer das ihr von Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass sie die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverweist. Insbesondere geht aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, inwiefern die Erfordernisse gemäß den Artikeln 84, 123(2), 54 und 56 EPÜ von dem vorliegenden Anspruchssatz erfüllt sind. Dabei wäre hinsichtlich der Patentierbarkeit des beanspruchten Verfahrens der aus dem entsprechenden japanischen Prüfungsverfahren bekannte Stand der Technik, z.B. die Druckschrift JP09-280986, in Betracht zu ziehen. Angesichts des bedeutenden Ausmaßes der ausstehenden Überprüfung liegen "besondere Gründe" im Sinne des Artikels 11 VOBK 2020 vor, die dafür sprechen, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

2. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

2.1 Ursprünglich hatte die Anmelderin die Rückerstattung der Beschwerdegebühr beantragt (siehe Beschwerdebegründung, Seite 6, dritter Absatz). Diesen Antrag hat die Anmelderin mit Schreiben vom 11. Februar 2020 zurückgezogen.

2.2 Bei der Überprüfung von Amts wegen hinsichtlich eines möglichen Verfahrensfehlers durch die Prüfungsabteilung wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt die Kammer zu dem folgenden Schluss:

Wie bereits telefonisch am 20. Januar 2020 mit der Anmelderin besprochen, ist die Kammer der Auffassung, dass trotz der Bitte der Anmelderin in ihrem Antwortschreiben vom 15. Mai 2017 "um einen weiteren Bescheid oder eine telefonische Mitteilung" der sofortigen, auf einen ersten Bescheid folgende Zurückweisung der Patentanmeldung durch die Prüfungsabteilung kein wesentlicher Verfahrensfehler anhaftet. Wenigstens der in den Punkten 10.1 bis 10.4 der angefochtenen Entscheidung beschriebene Klarheitseinwand hinsichtlich des Begriffs "Verbund" stützte sich auf Gründe, die der Anmelderin aus dem einzigen Prüfungsbescheid vom 29. März 2017 bekannt gewesen waren. Ein weiterer Bescheid oder eine telefonische Mitteilung waren nicht veranlasst, da sich die Anmelderin zu dem besagten Klarheitseinwand in ihrem vorgenannten Schreiben vom 15. Mai 2017 geäußert hat (siehe dort, Seite 1 unten bis Seite 3 oben). Sie hat im Übrigen während des erstinstanzlichen Verfahrens keine mündliche Verhandlung beantragt. Insbesondere ist die obige Bitte der Anmelderin "um einen weiteren Bescheid oder eine telefonische Mitteilung" nicht als Antrag auf mündliche Verhandlung zu werten. Es folgt, dass das rechtliche Gehör durch die sofortige, auf einen ersten Bescheid folgende Zurückweisung nicht verletzt wurde.

Auch sonstige Verfahrensfehler sind für die Kammer nicht erkennbar. Insgesamt liegt daher kein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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