T 1355/18 (Belitzement/HeidelbergCement AG) of 9.7.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T135518.20200709
Datum der Entscheidung: 09 Juli 2020
Aktenzeichen: T 1355/18
Anmeldenummer: 12004620.6
IPC-Klasse: C04B111/00
C04B7/345
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines Belitzements mit hoher Reaktivitaet und geringem Calcium/Silicat-Verhaeltnis
Name des Anmelders: HeidelbergCement AG
Name des Einsprechenden: Karlsruher Institut für Technologie
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 111(2) (2007)
European Patent Convention Art 112(1)(a) (2007)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - Anlass zu neuen Einwänden
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge (nein)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent EP 2 676 943 B1 in geänderter Form basierend auf dem damaligen Hilfsantrag 2 - im Gegensatz zum Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - den Erfordernissen des EPÜ genüge.

II. Die folgenden Dokumente sind hier von Relevanz:

D1: I. Hideki et al.; J. Am. Ceram. Soc., Vol. 76(7),

Seiten 1707-1712, 1993

D17: Versuchsbericht der Beschwerdeführerin eingereicht

am 22. August 2016

III. Zu Beginn des Beschwerdeverfahrens hielt die Beschwerdeführerin den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Haupt- und den ersten Hilfsantrag aufrecht.

IV. In der Mitteilung vom 5. März 2020 war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass die Beschwerde zurückzuweisen sei. Daraufhin reichte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 22. April 2020 einen neuen Hauptantrag und einen Hilfsantrag 2 ein.

V. Die für die Entscheidung relevanten Ansprüche des Hauptantrags sind wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Bindemittels, umfassend die Schritte:

a) Bereitstellen eines Ausgangsmaterials aus Rohstoffen, das ein molares Ca/Si-Verhältnis von 1,5 bis 2,5 aufweist, bei dessen Ermittlung diejenigen Bestandteile unberücksichtigt bleiben, die sich bei der hydrothermalen Behandlung im Autoklaven inert verhalten,

b) Mischen der Rohstoffe,

c) Hydrothermales Behandeln der in Schritt b) hergestellten Ausgangsmaterialmischung im Autoklaven bei einer Temperatur von 100 bis 300 °C und einer Verweilzeit von 0,1 bis 24 h, wobei das Wasser/Feststoff-Verhältnis 0,1 bis 100 beträgt,

d) Tempern des in Schritt c) erhaltenen Zwischenprodukts bei 350 bis 495 °C, wobei die Aufheizrate 10-6000 °C/min und die Verweilzeit 0,01-600 min betragen

dadurch gekennzeichnet, dass

während des Mischens b) und/oder in den folgenden Schritten 0,1 bis 30 Gew.-% zusätzliche Elemente und/oder Oxide zugegeben werden."

"8. Bindemittel, erhältlich durch ein Verfahren gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3 und 7, wobei Schwefel oder Phosphor oder Kombinationen davon als zusätzliche Elemente und/oder Oxide verwendet werden, die zusätzlichen Elemente und/oder Oxide während des Mischens b) zugegeben werden, und die Ausgangsmaterialmischung ein molares Verhältnis von P/Si von etwa 0,05 und/oder S/Si von etwa 0,05 aufweist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 1. Beide enthalten gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags folgende Änderung am Ende (Hervorhebungen durch die Kammer):

"1. [...]während des Mischens b) und/oder in den folgenden Schritten 0,1 bis 30 Gew.-% zusätzliche Elemente [deleted: und/oder Oxide] zugegeben werden, wobei Natrium, Kalium, Bor, Schwefel oder Phosphor oder Kombinationen davon als zusätzliche Elemente verwendet werden."

VI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Anspruch 8 des Hauptantrags entspreche Anspruch 7 des Hilfsantrags 2, der von der Einspruchsabteilung als EPÜ-konform angesehen worden sei. Der Hauptantrag vereinfache das Beschwerdeverfahren und bedinge keine neuen Diskussionspunkte. Er sei somit eindeutig zuzulassen. Die Fachperson verstehe Anspruch 8 so, dass die in Anspruch 1 angegebenen "Elemente und/oder Oxide" nun auf Schwefel oder Phosphor oder Kombinationen davon eingeschränkt seien. Durch die Anwendung der neuen Verfahrensordnung im vorliegenden Fall würde das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt. Unter der alten Verfahrensordnung wäre der Antrag sicherlich zugelassen worden.

Folgende Fragen sollten zur Klärung der Beanstandungen im Hinblick auf das rechtliche Gehör an die Große Beschwerdekammer gestellt werden, falls der Hauptantrag und/oder der Hilfsantrag 2 nicht zugelassen würden:

"1. Is the right to be heard fulfilled when amended claims, which merely restrict one category of claims in a request to the scope found patentable by the first instance, are filed more than one month before oral proceedings in appeal and are not allowed into the proceedings?"

(Übersetzung durch die Kammer:

1. Ist das rechtliche Gehör gewahrt, wenn geänderte Ansprüche, die lediglich eine Kategorie von Ansprüchen auf den von der ersten Instanz akzeptierten Umfang einschränken, mehr als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht werden und nicht in das Verfahren zugelassen werden?)

"2. Is the right to be heard fulfilled when amended claims, which merely cancel claims from a set of claims in a request, are filed more than one month before oral proceedings in appeal and are not allowed into the proceedings?"

(Übersetzung durch die Kammer:

2. Ist das rechtliche Gehör gewahrt, wenn geänderte Ansprüche, die lediglich Ansprüche von einem Anspruchssatz streichen, mehr als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht werden und nicht in das Verfahren zugelassen werden?)

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags basiere auf einer erfinderischen Tätigkeit. D1 lehre nicht, das Zwischenprodukt als Bindemittel einzusetzen. Zudem sei aus D1 gerade nicht erkennbar, dass die Temperung bei niedrigen Temperaturen in Anwesenheit der zusätzlichen Elemente zu besonders reaktiven Bindemitteln führe. D17 zeige die Vorteile der Zugabe von Schwefel oder Phosphor. D1 lehre die Zugabe solcher Elemente und die damit einhergehenden Vorteile nicht. Obwohl nicht alle Proben den gleichen Effekt zeigten, wisse die Fachperson wieviel von den Elementen zuzugeben sei, damit der gewünschte Effekt erreicht werde.

VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Hauptantrag sei nicht zuzulassen, da er neue Klarheitsprobleme aufwerfe.

D17 zeige, dass eine Verbesserung der Eigenschaften des Bindemittels nicht über den gesamten Bereich erreicht werde. Demzufolge könne die Aufgabe nur darin gesehen werden, ein alternatives Verfahren bereitzustellen. Dies sei naheliegend ausgehend von D1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gelte somit auch für Hilfsantrag 2.

Die vorgeschlagenen Fragen für die Große Beschwerdekammer seien nicht relevant für den vorliegenden Fall und entsprächen nicht der vorliegenden Fallkonstellation. Zudem sei das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin gewahrt, da die Zulässigkeit der Anträge diskutiert worden sei.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, und zwar auf Basis des Hauptantrags vom 22. April 2020, oder auf Basis des Hilfsantrags 1 vom 22. August 2016, oder auf Basis des Hilfsantrags 2 vom (ebenfalls) 22. April 2020; hilfsweise werden die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und die Vorlage obgenannter Fragen an die Große Beschwerdekammer beantragt.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Artikel 13(1) VOBK 2020

Im vorliegenden Fall gilt Artikel 13(1) VOBK 2020 (siehe Artikel 25 VOBK 2020), da die Beschwerde bei Inkrafttreten der Verfahrensordnung am 1. Januar 2020 anhängig war.

1.1.1 Der vorliegende Antrag wurde am 22. April 2020 eingereicht, obwohl alle Einwände seit Anfang des Einspruchsverfahrens vorlagen. Gemäß ständiger Rechtsprechung zur VOBK 2007 (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, V.A.4.5.1. a)), die im Artikel 13(1) VOBK 2020 weitgehend kodifiziert wurde, liegt es im Ermessen der Kammer, einen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrag ins Verfahren zuzulassen (zu berücksichtigen), wenn er eindeutig oder offensichtlich gewährbar ist.

Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der geänderte Anspruch neue Klarheitsprobleme aufwirft. Anspruch 8 ist ein Product-by-process-Anspruch, der durch die gegenüber dem erteilten Anspruch zusätzlich zugefügten Verfahrensmerkmale eingeschränkt werden soll. Diese Merkmale stammen nicht aus einem der abhängigen erteilten Bindemittelansprüche. Auch enthält der Wortlaut des erteilten Verfahrensanspruchs 4 nicht mehr "und/oder Oxide", sodass die Beschränkung auf Schwefel oder Phosphor dort nur für die zusätzlichen Elemente zu gelten scheint. Zudem stammt das Merkmal betreffend das P/Si- und das S/Si-Verhältnis aus der Beschreibung. Die Klarheit der Änderungen war somit zu prüfen (G 3/14, ABl. 2014, A87, Gründe 81).

1.1.2 Der Anspruch 8 entspricht auch nicht dem Anspruch 7 des Hilfsantrags 2, der von der Einspruchsabteilung als EPÜ-konform angesehen wurde, da die Variante "und/oder Oxide" im dortigen Anspruch 1 auf den sich der Anspruch 7 bezieht, nicht mehr vorkommt. Der jetzige Anspruch 8 des Hauptantrags ist dahingehend unklar, dass die Verwendung des Ausdrucks "und/oder" nicht eindeutig definiert, ob neben Schwefel oder Phosphor weitere Oxide zugegeben werden oder nicht. Auch geht nicht eindeutig hervor, wann diese Elemente zuzugeben sind, da gemäß Anspruch 8 entweder die zusätzlichen Elemente und die Oxide während des Mischens b) zugegeben werden können, oder die zusätzlichen Elemente oder die Oxide während des Mischens b) zugegeben werden. Im letzteren Fall könnte die jeweils anderen Komponente (Elemente oder die Oxide) auch in einem anderen Schritt zugegeben werden, wie es gemäß Anspruch 1 vorgesehen ist. Dass Anspruch 8 so verstanden werden soll, dass nur Phosphor oder Schwefel im Schritt b) zuzugeben sind, ist im Widerspruch zum Wortlaut und geht so auch nicht aus der Beschreibung des Patents hervor. Dort ist nämlich die Möglichkeit vorgesehen, dass neben Schwefel oder Phosphor auch noch Oxide vorhanden sein können (Absatz [0013]).

Auch ist die Verwendung einerseits von "zusätzlichen Elementen" und andererseits von "Ausgangsmaterialmischung" unklar, da eigentlich Schwefel und Phosphor als zusätzliche Elemente zugegeben werden sollen, das Verhältnis von P/Si oder S/Si jedoch bereits in der Ausgangsmaterialmischung zu bestimmen ist.

Die in Anspruch 8 durchgeführte Änderung gibt also eindeutig Anlass zu neuen Einwänden unter Artikel 84 EPÜ, sodass der Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen ist. Dies wäre im Übrigen auch im Geltungsbereich der VOBK 2007 nicht anders zu beurteilen.

2. Hilfsantrag 1

2.1 Artikel 56 EPÜ

2.1.1 Die Erfindung gemäß Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Bindemittels.

2.1.2 D1 ist nächstliegender Stand der Technik, da das darin beschriebene Verfahren zur Herstellung des Zwischenproduktes unstreitig unter den Wortlaut des allgemeinen Teils des Anspruchs 1 fällt und das Zwischenprodukt auch als Bindemittel geeignet ist. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das Zwischenprodukt nicht als Bindemittel eingesetzt wird, kann nicht gefolgt werden, da Anspruch 1 nur ein Verfahren zur Herstellung eines beliebigen Bindemittels betrifft, das nicht durch weitere Eigenschaften gekennzeichnet ist. Es muss also nur als Bindemittel - ob gut oder schlecht ist nicht entscheidend - geeignet sein. Dies ist in D1 der Fall; es geht auch eindeutig daraus hervor, dass das Zwischenprodukt isoliert und analysiert wurde (siehe z.B. (3) auf Seite 1711).

2.1.3 Die zu lösende Aufgabe besteht darin, ein Verfahren bereitzustellen, das es erlaubt Bindemittel herzustellen, die eine erhöhte Reaktivität haben und damit die Herstellung leistungsfähiger Zemente erlauben (Absatz [0008] des Patents).

2.1.4 Die Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöst, dadurch gekennzeichnet, dass während des Mischens b) und/oder in den folgenden Schritten von 0,1 bis 30 Gew.-% zusätzliche Elemente zugegeben werden, wobei Natrium, Kalium, Bor, Schwefel oder Phosphor oder Kombinationen davon als zusätzliche Elemente verwendet werden.

2.1.5 Es stellt sich die Frage, ob die Aufgabe über den gesamten Bereich des Anspruchs als gelöst angesehen werden kann. Die Beschwerdeführerin hat im Einspruchsverfahren den Versuchsbericht D17 eingereicht, um den Vorteil der Zugabe von P oder S zu belegen. Dieser Versuchsbericht, der nur zwei der fünf im Anspruch 1 aufgezählten Elemente betrifft, wurde im Konzentrationsbereich von 1 bis 10% durchgeführt. Aus den in Figuren 6 bis 8 lässt sich kein Effekt durch die Zugabe von 1% Phosphor erkennen. Dies gilt auch für die Zugabe von Schwefel, da aus Figuren 14 bis 16 der Vorteil der Schwefelzugabe nicht systematisch abgeleitet werden kann. Angesichts der Tatsache, dass die vorgeschlagene Lösung so geringe Mengen wie 0,1% an Natrium, Kalium, Bor, Schwefel oder Phosphor vorsieht, zeigt D17 vielmehr, dass die Aufgabe nicht über den gesamten Bereich als gelöst angesehen werden kann.

2.1.6 Die zu lösende Aufgabe muss also umformuliert werden und besteht darin, ein alternatives Verfahren zur Herstellung eines Bindemittels bereitzustellen.

2.1.7 Aus den Beispielen des Patents geht hervor, dass die zusätzlichen Elemente auch bereits mit den Ausgangsmaterialien zugeführt werden können. D1 benutzt "reagent-grade" Ausgangsmaterialien (II. (1)), was der Fachperson angibt, dass eine gewisse Verunreinigung kein Problem darstellt. Obwohl das im CaCO3 enthaltene Natrium und Kalium bei der Herstellung von CaO möglicherweise verdampft, ist auch das Silizium enthaltende Ausgangsmaterial (in D1 Kieselsäure) nur "reagent-grade". Es liegt deshalb für eine Fachperson nahe, dass im Verfahren aus D1 auch 0,1 Gew.-% von z.B. Natrium, Kalium, Bor, Schwefel oder Phosphor vorhanden sein können, wenn das Verfahren zur Herstellung des Zwischenproduktes durchgeführt wird. Es ist zumindest eine willkürliche Alternative, im Anfangsprodukt solche geringen Mengen wie 0.1% an den erwähnten Elementen zuzulassen, da regelmäßig nicht sehr reine Ausgangsprodukte verwendet werden, sodass dann bereits ein beanspruchtes Verfahren durchgeführt würde. Die vorgeschlagene Lösung beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.1.8 Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind nicht erfüllt.

3. Hilfsantrag 2

Unabhängig von der Zulässigkeit dieses Antrags, sind die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ aus den gleichen Gründen wie für Hilfsantrag 1 nicht erfüllt, da Anspruch 1 wortgleich mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist.

4. Artikel 111(2) EPÜ

Der Antrag zur Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung wurde bedingt für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag als Artikel 83-konform angesehen würde (Schriftsatz vom 29. Juni 2020, zweiter Absatz). Da darüber nicht entschieden werden muss, ist die Bedingung nicht erfüllt. Auch hat die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung bereits die Neuheit und erfinderische Tätigkeit von einem ähnlichen Antrag wie dem Hilfsantrag 1 behandelt, sodass es keinen besonderen Grund im Sinne des Artikels 11 VOBK 2020 gäbe, der für eine Zurückverweisung sprechen würde.

5. Artikel 112(1)a) EPÜ

Es ist ständige Rechtsprechung, dass eine Vorlagefrage für die Entscheidung der Beschwerdekammer in der ihr zugrunde liegenden Sache maßgeblich sein muss (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.B.2.3.3).

Im vorliegenden Fall ist dies schon deshalb nicht gegeben, da die Entscheidung auf Basis der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Zulassung (Berücksichtigung) von Anträgen unmittelbar erfolgen kann. Zudem trifft die der ersten vorgeschlagenen Frage zu Grunde liegende Fallkonstellation hier nicht zu, da der Schutzumfang des Anspruchs 7 des damaligen Hilfsantrags 2 aus den oben angebenden Gründen (siehe Punkt 1.1.2) nicht mit dem Schutzumfang des Anspruchs 2 identisch ist. Auch wurde die Zulässigkeit des Hauptantrags ausführlich diskutiert, sodass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs - unabhängig von der Frage der zeitlichen Anwendungsbereichs der VOBK 2020 - schon deshalb nicht vorliegen kann. Die zweite Frage betraf die Zulässigkeit des Hilfsantrags 2, die jedoch irrelevant ist, da der Gegenstand des Hilfsantrags 2 ohnehin nicht erfinderisch ist. Deshalb ist eine Vorlage der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer schon aus diesen Gründen nicht angezeigt. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Artikel 112(1)a) EPÜ erübrigt sich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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