T 1246/18 (Dünnschichtige Heizestrickonstruktion/Knauf) of 29.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T124618.20200929
Datum der Entscheidung: 29 September 2020
Aktenzeichen: T 1246/18
Anmeldenummer: 09179498.2
IPC-Klasse: C04B28/14
F24D3/14
C04B14/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Dünnschichtige Heizestrichkonstruktion auf Trenn- und Dämmschicht
Name des Anmelders: Knauf Gips KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 09 179 498.2 zurückzuweisen.

II. Folgende Dokumente sind hier von Relevanz:

D5: EP 0 001 205 A1

D7: DE 100 32 670 A1

D8: EP 0 330 976 A2

D9: EP 1 462 727 A2

D10: DIN Norm 18560-2

III. In der angefochtenen Entscheidung war die Prüfungsabteilung der Meinung, dass der Fachmann ausgehend von D10 auf Kapillarrohrmatten gemäß Dokument D7 zurückgreife um zu einer Heizestrichkonstruktion nach Anspruch 1 zu gelangen. Auch sei der Anspruchsgegenstand durch die Kombination von D5 mit allgemeinem Fachwissen nahegelegt. Die weiteren in den damaligen Hilfsanträgen I und II vorgenommenen Einschränkungen seien aus D8 resp. D9 bekannt.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Versuchsbericht ein.

V. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) EPÜ war die Beschwerdekammer der vorläufigen Meinung, dass ausgehend von D10 als nächstliegendem Stand der Technik der Gegenstand des Anspruchs 1 der Anträge nicht erfinderisch sei und die Beschwerde somit zurückzuweisen sei.

VI. Daraufhin reichte die Beschwerdeführerin einen Hilfsantrag III ein.

VII. In der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2020 legte die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag III vor, den sie letztlich als Hauptantrag stellte nachdem sie den bisherigen Hauptantrag, sowie alle übrigen Hilfsanträge zurücknahm.

Anspruch 1 dieses Antrags ist wie folgt:

"1. Heizestrichkonstruktion zur Verlegung auf einer Dämmschicht umfassend:

- Folienelemente zur Aufnahme von Heizrohren;

- Heizrohre;

- Calciumsulfatestrich;

wobei die Heizestrichkonstruktion ohne die Dämmschicht eine Aufbauhöhe von weniger als 35 mm aufweist,

wobei die Folienelemente ungefüllte, offene Noppenelemente sind,

wobei die Dämmschicht ausgewählt wird aus expandiertem Polystyrol (EPS), Holzweichfasern, Mineralwolle, Gummi oder geschäumtem Polyurethan oder Phenolharz, Vakuumdämmstoffen oder Dämmstoffen auf Basis von Aerogelen

mit folgender Zusammensetzung des Calciumsulfatestrichs:

- 50 bis 80% Zuschlag aus Kalkstein, Quarzsand oder Naturanhydrit mit Körnung zwischen 0 bis 0,5 mm und 0 bis 2,5 mm;

- 20 bis 50% CaSO4-Binder

- Zusatzmittel wie Fließmittel und Abbindereqler."

Die Ansprüche 2 und 3 beziehen sich direkt auf Anspruch 1, wobei Anspruch 3 ein Verfahren zur Verlegung des Heizestrichs nach Anspruch 1 beschreibt.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche des Hauptantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag III, zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 13(2) VOBK 2020

Der vorliegende Antrag wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020, der im vorliegenden Fall gilt (siehe Artikel 25(3) VOBK 2020), kann ein solch spät eingereichter Antrag berücksichtigt werden, wenn der betreffende Beteiligte - hier die Beschwerdeführerin - stichhaltige Gründe aufzeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Die Kammer sieht dies als erfüllt an, da der Antrag als berechtigte Reaktion auf die Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020, in der von einer gegenüber der Argumentation der Vorinstanz unterschiedlichen Begründung im Hinblick auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit ausgegangen wurde, angesehen wird. Der Antrag räumte den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit aus, führte zu keinen neuen Einwänden und diente somit der Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens. Letztlich wurde er auch als gewährbar erachtet.

Der Antrag ist deshalb als Teil des Verfahrens zu berücksichtigen.

2. Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Anspruch 1 basiert auf den Ansprüchen 1 und 4, sowie der allgemeinen Offenbarung auf Seite 4, Zeilen 6 und 7 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.

2.2 Anspruch 2 entspricht Anspruch 2 der ursprünglich eingereichten Fassung und enthält die Korrektur einer offensichtlichen sprachlichen Unrichtigkeit.

2.3 Anspruch 3 basiert auf Anspruch 5 in Kombination mit Seite 4, Zeile 10 der ursprünglich eingereichten Fassung, aus der hervorgeht, dass das Verfahren sich auf die vorher beschriebene Heizestrichkonstruktion bezieht. Die Zusammensetzung des Calciumsulfatestrichs ist auf Seite 4, Zeilen 24 bis 27 offenbart, bzw. geht aus dem Anspruch 1 hervor (siehe Punkt 2.1 oben).

Die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.

3. Artikel 56 EPÜ

3.1 Die Erfindung betrifft eine Heizestrichkonstruktion mit geringer Schichtdicke (Seite 1, Zeilen 1 bis 3), die ohne direkten Verbund zum Untergrund hergestellt werden kann.

3.2 Als nächstliegender Stand der Technik wird D10 angesehen, da die DIN Norm Heizestriche auf Dämmschichten betrifft. Sie offenbart einen Heizestrich gemäß Bauart A (Bild 1, Seite 5), der auf Calciumsulfat basiert und je nach Härteklasse nur 30 mm dick sein muss (Tabelle 1). Die Gesamtdicke der Heizestrichkonstruktion ergibt sich aus der Dicke der Heizrohre und des Calciumsulfatestrichs (D10, 3.2.2, erster Absatz). Die Foliendicke ist dagegen eher vernachlässigbar (D10, 5.1.2).

D5 ist weniger geeignet als nächstliegender Stand der Technik, da diese Entgegenhaltung sich nicht mit der Höhe des Estrichs und der Festigkeit befasst.

3.3 Die zu lösende Aufgabe besteht darin Heizestrichkonstruktionen bereitzustellen, die möglichst geringe Aufbauhöhen benötigen, aber ausgeführt werden können, ohne dass es einer Verbindung zwischen dem Untergrund und dem Heizestrich bedarf (Seite 2, Zeilen 10 bis 13).

3.4 Die Aufgabe wird durch eine Heizestrichkonstruktion gemäß Anspruch 1 gelöst, dadurch gekennzeichnet, dass die Folienelemente zur Aufnahme von Heizrohren ungefüllte, offene Noppenelemente sind, der Calciumsulfatestrich zu 50 bis 80% aus Kalkstein, Quarzsand oder Naturanhydrit mit Körnung zwischen 0 bis 0,5 mm und 0 bis 2,5 mm, zu 20 bis 50% CaSO4-Binder und Zusatzmittel besteht und die Aufbauhöhe weniger als 35 mm ist.

3.5 Die Aufgabe wird als erfolgreich gelöst angesehen, da der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Versuchsbericht zeigt, dass eine Heizestrichkonstruktion von 32 mm Aufbauhöhe bestehend aus einer Fußbodenheizung, die zwischen den Noppenelementen verlegt ist (Uponor-Minitec-Fußbodenheizung) und einem Calciumsulfatestrich (Nivellierestrich NE 425), der die Rohre 20 mm überdeckt, die auf Holzfaserdämmplatten verlegt sind, eine ausreichende Tragfähigkeit hat.

3.6 Die Lösung wird aus folgenden Gründen als nicht naheliegend angesehen:

Die Heizestrichkonstruktion gemäß Anspruch 1 muss zur Verlegung auf einer Dämmschicht geeignet sein. Dies bedeutet, dass die Heizestrichkonstruktion an sich eine ausreichende Tragfähigkeit auch ohne Verbindung mit dem Untergrund gewährleisten muss. D10 lehrt, dass in solchen Fällen die Rohrüberdeckung mindestens 30 mm betragen soll (Seite 11, vorletzte und letzte Zeilen). Selbst wenn diese Lehre mit dem Aufbau der D7 kombiniert würde, so wäre die Aufbauhöhe über 35 mm, denn in D7 sind die Rohre in so genannten Paneelen verlegt (siehe Figuren), die selbst eine Dicke aufweisen, die mindestens der des Durchmessers der Kapillarrohre entspricht, sodass eine 30 mm Schicht oberhalb der Rohre insgesamt mehr als 35 mm ergibt. Eine Lehre diese Schicht dünner zu gestalten findet sich in D10 nicht.

Die Zusammensetzung des Calciumsulfatestrichs ist aus D8 (Spalte 4, Zeilen 29 bis 43) bekannt, jedoch sind die in den Beispielen des Dokuments D8 offenbarten Estrichflächen jeweils bereits 35 mm dick. Einen Hinweis diese Dicke zu verringern gibt es weder in D10 noch in D8.

D9 offenbart die ungefüllten, offenen Noppenelemente zur Aufnahme der Heizrohre (siehe z.B. Figuren 1 und 4). Diese können auf einen Estrich aufgebracht werden (Absatz [0015]) und zeichnen sich durch einen niedrigen Aufbau von 12 bis 15 mm aus (Absatz [0016]). Diese Noppenelemente und die darin enthaltenen Heizrohre werden mit Nivelliermasse bzw. Estrich gefüllt und sind in direktem Kontakt mit dem darunterliegenden Estrich (Absatz [0023] und Figur 4). Eine Dämmschicht wird in D9 nicht erwähnt. Es geht auch nicht aus D9 hervor, dass der dort erwähnte Estrich, der über die Noppenelemente gegeben wird ein Calciumsulfatestrich ist und geeignet wäre auf einer Dämmschicht aufgebracht zu werden. Ausgehend von D10 gibt es also keinen Grund, dass die Fachperson D9 zur Lösung der Aufgabe heranziehen würde, da der Aufbau in D9 unterschiedlich ist.

Die Kombination der Noppenelemente mit dem Calciumsulfatestrich wird zur Lösung der gestellten Aufgabe somit nicht im vorliegenden Stand der Technik gelehrt. Diese Kombination ist jedoch entscheidend zur erfolgreichen Lösung der gestellten Aufgabe (siehe auch Anmeldung, Seite 4, Zeilen 6 bis 9).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht somit nicht in naheliegender Weise aus dem verfügbaren Stand der Technik hervor. Das gleiche gilt demzufolge für den Gegenstand der Ansprüche 2 und 3, die sich auf Anspruch 1 rückbeziehen.

Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind somit erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag III während der mündlichen Verhandlung und einer anzupassenden Beschreibung zu erteilen.

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