T 1085/18 () of 12.12.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T108518.20191212
Datum der Entscheidung: 12 Dezember 2019
Aktenzeichen: T 1085/18
Anmeldenummer: 10763602.9
IPC-Klasse: B66C 19/00
B66C 13/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: PORTALHUBWAGEN ZUM EINSATZ IN CONTAINERTERMINALS UND FÜR ALLGEMEINE TRANSPORTZWECKE
Name des Anmelders: Pfenning Elektroanlagen GmbH
Name des Einsprechenden: Demag Cranes & Components GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Patentansprüche - Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichter Antrag - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Patent zu widerrufen.

II. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) als Einspruchsgrund angeführt.

III. Die Einspruchsabteilung fand, dass:

- der Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf E1 in Kombination mit E3 beruhe;

- die Hilfsanträge 1-3 gegen Artikel 84 EPÜ und/oder gegen Artikel 123(2) EPÜ verstießen.

IV. Am 12. Dezember 2019 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des mit der Beschwerde­begründung eingereichten Hilfsantrags, der zum einzigen Antrag gemacht wurde.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Anspruch 1 des einzigen Antrags lautet wie folgt:

Portalhubwagen zum Einsatz in Containerterminals und für allgemeine Transportzwecke, mit

- einem Rahmengestell (2),

- einem Lastaufnahmemittel (4), vorzugsweise einem Spreader oder Toppspreader, das zwischen dem Rahmengestell (2) hängt und mit einer Last, vorzugsweise einem Container (7), verriegelbar ist,

- Hubwinden (8), mittels denen das Lastaufnahmemittel (4) vertikal bewegbar ist,

- Fahrwerken (3), die am unteren Bereich des Rahmengestells (2) angeordnet sind und jeweils eine Vielzahl in einer Reihe angeordneter Räder (11) aufweisen, und

- einer Antriebseinheit (13), mittels der die für den Betrieb des Portalhubwagens (1) erforderliche Antriebsenergie erzeugbar ist und die einen Dieselmotor (14) und einen Generator (15) aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

- dass der Generator (15) der Antriebseinheit (13) als permanent erregter Generator (PEM) (15) ausgebildet ist und

- dass am Lastaufnahme mittel (4) eine Hubwinde (8), mittels der das Lastaufnahme mittel (4) zwischen vertikalen Stützen (5) des Rahmengestells vertikal bewegbar ist, angeordnet ist.

VII. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Entgegenhaltungen Bezug genommen:

E1: DE 20 2004 018 066 U1

E3: "Permanenterregte Großmaschinen: Potenziale in der Oberklasse" von Martin Kaufhold und Andreas Jöckel, Antriebstechnik 2002

E7: EP 0 763 497 A1

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des Antrags - Artikel 12(4) VOBK

1.1 Zusammen mit der Beschwerdebegründung hat die Patentinhaberin einen neuen Hilfsantrag (wurde in der mündlichen Verhandlung zum Hauptantrag gemacht) eingereicht, den die Beschwerdegegnerin als verspätet zurückzuweisen beantragt, weil er bereits im Einspruchsverfahren hätte vorgebracht werden können.

Gemäß Artikel 12(4) VOBK liegt es im Ermessen der Kammer, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden können. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird "können" dabei als "sollen" gelesen.

Die Patentinhaberin hat in Einspruchsverfahren 3 Hilfsanträge eingereicht, um den Mangel an erfinderischer Tätigkeit des Hauptantrags zu überwinden. Die Einspruchsabteilung kam in der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss, dass die geänderten Anträge gegen Artikel 84 EPÜ und/oder Artikel 123(2) EPÜ verstießen.

Die Tatsache, dass die Patentinhaberin keinen weiteren Antrag mehr einreichte, nachdem diese Anträge als Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ und/oder 123(2) EPÜ gewertet worden waren, kann nicht allein deshalb als vorwerfbare Unterlassung angesehen werden, weil sie theoretisch ad hoc weitere Änderungen hätte einreichen können. Die Kammer sieht es als legitim an, in der vorliegenden Situation die schriftliche Begründung abzuwarten. Der Hilfsantrag wurde dann zusammen mit der Beschwerdebegründung, also im frühestmöglichen Stadium des Beschwerdeverfahrens, eingereicht.

Unter diesen Umständen ist die Einreichung des Hilfsantrags 1 durch den Beschwerdeführer eine normale und gerechtfertigte Reaktion einer unterlegenen Partei. Die Kammer sieht daher keinen Grund, diesen Antrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

2. Unzulässige Erweiterung - Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Der Antrag erfüllt die Anforderung des Artikels 123(2) EPÜ. Die Einführung des Merkmals "dass am Lastaufnahmemittel (4) eine Hubwinde (8), mittels der das Lastaufnahmemittel (4) zwischen vertikalen Stützen (5) des Rahmengestells vertikal bewegbar ist, angeordnet ist" führt keinen Gegenstand ein, der über die ursprünglich eingereichte Anmeldung hinausgeht.

2.2 Die Einsprechende ist der Meinung, dass Anspruch 1 des Antrags aus folgenden Gründen gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße:

2.2.1 Das aufgenommene Merkmal beziehe sich auf die Ausführungsform der Figur 1, die eine Fahrerkabine 10, je Fahrwerk 3 vorgesehene Anzahl von vier Rädern 11 und die zugehörigen Radantriebe 12 umfasse. Diese Merkmale seien aber nicht in Anspruch 1 aufgenommen worden und dies führe zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeine­rung.

2.2.2 Darüber hinaus sei in der Ausführungsform der Figur 1, Seite 4, Zeile 2 und Seite 4, Zeilen 17-18 genau eine Hubwinde 8 vorgesehen. In dieser Ausführungsform seien keine Mehrzahl von Hubwinden vorgesehen wie es in Anspruch 1 beansprucht wurde. Anders als in Bezug auf die im Plural beschriebenen Fahrwerke 3 (Seite 3, Zeilen 23-25) sei auch an keiner Stelle der Beschreibung ausgeführt, dass nur eine Hubwinde von mehreren Hubwinden sichtbar sei.

2.3 Der Argumentation der Einsprechenden kann nicht gefolgt werden.

2.3.1 Dass die Fahrerkabine 10, die je Fahrwerk 3 vorgesehene Anzahl von vier Rädern und die zugehörigen Radantriebe nicht in den Anspruch 1 aufgenommen wurden, führt nicht zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung; denn diese Merkmale stehen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der am Lastaufnahmemittel angeordneten Hubwinde. Es besteht zwischen der Hubwinde und den Rädern und dem zugehörigen Radantrieb kein enger struktureller und funktioneller Zusammenhang.

2.3.2 Darüber hinaus umfasst der Portalhubwagen der Erfindung gemäß Anspruch 1 in der eingereichten Fassung und Seite 1, Zeilen 13-25, der eingereichten Beschreibung mehrere Hubwinden. Figur 1, die als Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Portalhubwagens offenbart ist (siehe Seite 3, Zeilen 20-21), enthält daher mehrere Hubwinden. Von den Hubwinden ist eine auf dem Lastaufnahmemittel angeordnet (siehe Seite 4, Zeilen 1-4). Figur 1 ist eine vereinfachte schematische Darstellung des Portalshubwagens der Erfindung, in dem nicht alle Komponenten dargestellt sind. Die Tatsache, dass in Figur 1 nur eine Hubwinde dargestellt ist, bedeutet nicht, dass keine anderen Hubwinden vorhanden sind.

3. Klarheit - Artikel 84 EPÜ

Die Einsprechende ist der Meinung, dass es dem Fachmann beim Lesen des Anspruchs nicht klar sei, ob die am Lastaufnahmemittel 4 angeordnete Hubwinde 8 zusätzlich zu den im Oberbegriff des Anspruchs 1 definierten Hubwinden vorgesehen oder eine der mehreren Hubwinden sei. Seiner Meinung nach sei es unklar, ob mindestens zwei oder drei Hubwinden beansprucht seien.

Nach dem Wortlaut dieses Anspruchs enthält der Portalhubwagen "Hubwinden" (Plural, also mindestens zwei); eine davon ist auf dem Lastaufnahmemittel angeordnet. Wo die andere bzw. die anderen Hubwinden angeordnet sind, lässt der Anspruch offen.

Die Kammer kann folglich keine Unklarheit in der Definition des Schutzumfanges (Artikel 84 EPÜ) erkennen.

4. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber E1 in Kombination mit der Lehre der E3 und der E7.

4.1 E1 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbart (Figur 1, Absatz [0021]) einen Portalhubwagen gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 mit einem Antriebsmotor 1 und zwei Seilwinden 2 am Oberrahmen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von E1 dadurch:

a - dass der Generator der Antriebseinheit des Portalhubwagens als permanent erregter Generator (PEM) ausgebildet ist und

b - dass am Lastaufnahmemittel eine Hubwinde, mittels der das Lastaufnahmemittel zwischen vertikalen Stützen des Rahmengestells vertikal bewegbar ist, angeordnet ist.

Dies wird von den Parteien nicht bestritten.

4.2 Die Beschwerdegegnerin ist der Meinung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht erfinderisch gegenüber E1 zusammen mit E3 und E7.

4.2.1 Die Kammer teilt die Meinung der Einspruchsabteilung (siehe insbesondere Punkt 14.2.5 der angefochtenen Entscheidung) und der Beschwerdegegnerin, dass Merkmal a) keine erfinderische Tätigkeit bedingt. E3 - als Beleg für das allgemein Fachwissen - gibt nämlich eine konkrete Anregung, den Generator der Antriebseinheit des Portalhubwagens gemäß E1 als permanent erregten Generator (PEM) auszubilden.

4.2.2 Bezüglich Merkmal b) führt die Beschwerdegegnerin aus, die Anordnung der Hubwinde am Lastaufnahmemittel habe keinen Vorteil, da die Anordnung der anderen Hubwinden nicht definiert sei.

E7 (Figur 3, Spalte 3, Zeilen 8-15) offenbare einen Portalhubwagen, wobei die Hubwinde 16 am Unterrahmen angeordnet sei. Aus dieser Lehre gehe für den Fachmann hervor, dass die Hubwinden statt am Oberrahmen wie in der E1 (Figur 1) an einer tieferen Stelle am Portalhubwagen angeordnet werden können, um den Schwerpunkt abzusenken. Daraus leite er ab, dass die Hubwinden auf dem Lastaufnahmemittel angeordnet werden können.

4.3 Die Argumentation der Einsprechenden in Bezug auf die Anordnung der Hubwinde auf dem Lastaufnahmenmittel konnte die Kammer allerdings nicht überzeugen.

E7 (Figur 3, Spalte 3, Zeilen 8-15) offenbart zwar einen Portalhubwagen, bei dem die Hubwinde 16 am Unterrahmen angeordnet ist. E7 offenbart aber nicht die Anordnung der Hubwinde auf dem bewegbaren Lastaufnahmenmittel, sodass die Kombination der Lehre der E1 mit E7 nicht direkt zum Gegenstand des Anspruchs 1 führt. Aber auch wenn der Fachmann aus E7 herleiten sollte, dass es vorteilhaft wäre, die Hubwinden anstatt am Oberrahmen des Portalhubwagens an tieferen Stellen anzuordnen, ist es nicht ersichtlich, warum der Fachmann überhaupt auf die Idee kommen würde, eine Hubwinde ausgerechnet auf dem Jochbalken 9 des Portalhubwagens der E1 anzuordnen. Dort (siehe Fig. 1 der E1) ist nämlich kein ausreichender Platz für die Hubwinden 2 vorhanden; eine solche Modifizierung würde darüber hinaus erhebliche Anpassungen des Portalhubwagens erfordern.

5. Der einzige Anspruch mit der während der mündlichen Verhandlung angepassten (und von der Beschwerdegegnerin nicht beanstandeten) Beschreibung und die Figuren wie erteilt stellen daher geeignete Grundlagen für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang dar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Anspruch gemäß Hilfsantrag wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht;

- Beschreibung, Spalten 1 bis 3, wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;

- Figuren 1 bis 3 wie erteilt.

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