T 1048/18 () of 8.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T104818.20201008
Datum der Entscheidung: 08 October 2020
Aktenzeichen: T 1048/18
Anmeldenummer: 05742370.9
IPC-Klasse: G02B5/30
B42D25/29
B42D25/355
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FOLIE MIT POLYMERSCHICHT
Name des Anmelders: Leonhard Kurz Stiftung & Co. KG
Name des Einsprechenden: CCL Secure Pty Ltd
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1737677 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das Patent weder in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag noch in einer gemäß damaligen Hilfsanträgen 1 bis 6 geänderten Fassung die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) bzw. 83 EPÜ 1973).

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020, die als Anlage einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige und unverbindliche Meinung zu bestimmten, wesentlichen Aspekten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit.

IV. In Antwort auf die Mitteilung der Kammer erklärte die Einsprechende im Schreiben vom 2. September 2020, dass für sie niemand zur mündlichen Verhandlung erscheinen werde.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 8. Oktober 2020 statt. Für die Einsprechende war wie angekündigt niemand erschienen.

VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1 bis 6, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 6. Juli 2018, weiter hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung.

VII. Laut Aktenlage beantragte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf das folgende Dokument Bezug genommen:

E7: Optical LPP/LCP Devices: A new Generation of Optical Security Elements", Franco Moia et al., Optical Security and Counterfeit Deterrence Techniques III, Proceedings of SPIE, Vol. 3973 (2000), pages 196 to 203.

IX. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist wie folgt:

"Folie (3, 4, 5, 8), insbesondere Prägefolie, Laminierfolie oder Stickerfolie, wobei die Folie (3, 4, 5, 8) zumindest eine anisotrope Polymerschicht (32, 83, 84) aus einem zumindest partiell orientierten Flüssigkristall-Material aufweist,

wobei die anisotrope Polymerschicht (32) oder die anisotropen Polymerschichten (83, 84) aus einem zumindest partiell orientierten Flüssigkristall-Material einen oder mehrere ein erstes Sicherheitsmerkmal (21) bildende erste Bereiche (41, 43, 45, 48, 50, 54) aufweist bzw. aufweisen, in denen die anisotrope Polymerschicht (32, 83) linear polarisierende oder die Polarisationsrichtung drehende Eigenschaften besitzt, und welche bei Betrachtung durch einen ersten Polarisator (61) visualisierbar ist, und einen oder mehrere ein zweites Sicherheitsmerkmal (22) bildende zweite Bereiche (42, 44, 46, 47, 49, 51, 53) aufweist bzw. aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass

die anisotrope Polymerschicht (32, 84) des zweiten Sicherheitsmerkmals (22) zirkular polarisierende Eigenschaften besitzt,

wobei das zweite Sicherheitsmerkmal bei Betrachtung durch einen zweiten auf einen anderen Polarisationszustand ansprechenden Polarisator (62) visualisierbar ist."

Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erstens dadurch, dass im Oberbegriff des Anspruchs die Wörter "linear polarisierende oder" gestrichen wurden und zweitens, dass im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 zusätzliche Merkmale der Folie hinzugefügt wurden. Der genaue Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 wird nicht wiedergegeben, da das Merkmal "dass die anisotrope Polymerschicht (32, 84) des zweiten Sicherheitsmerkmals (22) zirkular polarisierende Eigenschaften besitzt" in jedem Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 weiterhin vorhanden ist. Für den vollständigen Wortlaut des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 wird auf den Anhang der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin, eingereicht mit Schreiben vom 6. Juli 2018, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Offenbarung der Erfindung

Die im Anspruch 1 definierte Erfindung ist nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ 1973).

1.1 Gemäß Anspruch 1 weist die anisotrope Polymerschicht Bereiche mit zirkular polarisierenden Eigenschaften auf. Aus der Patentschrift geht jedoch nicht eindeutig hervor, wie diese zirkular polarisierenden Eigenschaften der anisotropen Polymerschicht in der gesamten Breite des Anspruchs 1 zustande kommen. Eine anisotrope Polymerschicht weist im Allgemeinen nicht ohne Weiteres zirkularpolarisierende Eigenschaften, aufgrund derer einfallendes, unpolarisiertes Licht zirkular polarisiert wird, auf. Zur Bestimmung der strukturellen Merkmale der anisotropen Polymerschicht fehlt dem Fachmann in der Patentschrift sowohl eine konkrete, vollständige Anleitung zu dessen Herstellung als auch eine theoretische Beschreibung der involvierten, physikalischen Phänomene. Siehe hierzu auch die angefochtene Entscheidung, Punkte 13.4 bis 13.9, und die Beschwerdeerwiderung, beispielsweise Seite 6, letzter Absatz.

1.2 Aus der Patentschrift gehen zwar einerseits allgemeine Erläuterungen hinsichtlich der Wahl der Strukturparameter einer diffraktiven Struktur, anhand derer die polarisierenden Eigenschaften der aufgebrachten anisotropen Polymerschicht bestimmbar sind (Patentbeschreibung, z.B. [0012] bis [0017]) hervor, andererseits werden auch Herstellungsschritte eines speziellen Ausführungsbeispiels offenbart (Patentbeschreibung, z.B. [0034] bis [0052]). Jedoch sind diese Angaben aus den folgenden Gründen (siehe unten Punkte 1.2.1 bzw. 1.2.2) unzureichend deutlich und vollständig, um dem Fachmann die Ausführung der Erfindung zu erlauben:

1.2.1 Aus den Absätzen [0012] bis [0017] entnimmt der Fachmann, dass die Folie eine diffraktive Struktur aufweisen soll, die bevorzugt aus einer Überlagerung einer ersten und einer zweiten Struktur gebildet ist (Absatz [0015]), wobei dieses Kombinationsgitter "im Resultat zu der zirkularpolarisierenden, optischen Funktion führt" (Absatz [0017]). Obwohl weiterhin in [0013] angegeben wird, dass "[d]ie Strukturform, Spatialfrequenz und vor allem die mittlere Strukturtiefe (...) die Polarisationseigenschaften der darüber liegenden anisotropen Polymerschicht" bestimmen, erhält der Fachmann weder genaue Anweisungen oder Formeln noch theoretisches Hintergrundwissen, die es ihm erlauben würden, diese Strukturparameter für ein konkretes Kombinationsgitter zu bestimmen. Aus den alleinigen Angaben numerischer Bereiche der Frequenz und Tiefe der beiden Gitter in den Absätzen [0015] bis [0017] kann der Fachmann nicht die spezielle Struktur eines konkreten Kombinationsgitters ableiten. Der optische Effekt des Kombinationsgitters ist durch das Zusammenspiel der beiden überlagerten Gitterstrukturen definiert. Es müssen daher wenigstens die in der Patentschrift erwähnten sechs voneinander abhängigen Strukturparameter (Form, Frequenz, Tiefe je Gitterstruktur) genau bestimmt werden, um die beanspruchte zirkularpolarisierende Eigenschaft zu erzeugen. Darüber hinaus sind im Fall, dass als zweite Struktur eine isotrope Mattstruktur ausgewählt wird, deren statistische Kenngrößen, "wie beispielsweise Mittenrauhigkeit, Korrelationslänge usw." zu bestimmen (siehe Patentschrift [0015] und [0050]). In der Patentschrift fehlt jegliche Erläuterung, wie diese Auswahl voneinander abhängiger Strukturparameter für ein konkretes Kombinationsgitter zu treffen ist. Ferner fehlt es, in Ermangelung einer detaillierten Diskussion in der Patentschrift über die physikalischen Wechselwirkungen des Lichts mit dem in die mikroskopischen Strukturen des Kombinationsgitters aufgetragenen Flüssigkristallmaterials, dem Fachmann auch an dem theoretischem Hintergrundwissen, eigenständig eine geeignete Auswahl aller voneinander abhängigen Strukturparameter des Kombinationsgitters zu treffen.

1.2.2 In den Absätzen [0034] bis [0052] der Patentschrift, in Verbindung mit den Figuren 2 bis 4, wird versucht, ein konkretes Ausführungsbeispiel der Erfindung zu offenbaren.

a) Gemäß Absatz [0036] der Patentschrift wird vorzugsweise ein "nematisches Flüssigkristall-Material der OPALVA®-Reihe der Fa. Vantico AG Basel, CH" als die im Anspruch 1 definierte anisotrope Polymerschicht eingesetzt. Es wurde allerdings ausführlich in der ersten Instanz diskutiert, und nicht von der Patentinhaberin in der Beschwerdebegründung grundsätzlich bestritten, dass nematische Flüssigkristalle an sich keine polarisierenden, insbesondere keine zirkularpolarisierenden, Eigenschaften besitzen. Cholesterische Flüssigkristalle verfügen zwar über solche zirkularpolarisierenden Eigenschaften, werden aber nicht als Ausgangsmaterial für die beanspruchte Folie in der Patentschrift erwähnt. Welches Flüssigkristall-Material genau unter der Bezeichnung "OPALVA®-Reihe der Fa. Vantico AG Basel, CH" zu verstehen sei, blieb im Beschwerdeverfahren unbestimmt. Daraus folgen Zweifel, ob das Ausführungsbeispiel auf Basis eines nematischen Flüssigkristall-Materials der OPALVA®-Reihe tatsächlich zirkularpolarisierende Eigenschaften aufweist.

b) Die Absätze [0034] bis [0052] der Patentschrift beschreiben einzelne Herstellungsschritte einer Folie, inklusive Beschreibung benutzter Materialien (siehe beispielsweise [0034], [0036], [0039], [0040]), schematischem Aufbau der Folie (siehe beispielsweise [0043], [0044], [0046], Figur 3) und numerische Bereiche der Strukturparameter eines zirkularpolarisierenden Kombinationsgitters (siehe beispielsweise [0047] bis [0052] und Figuren 4a und 4b). Aus dieser Beschreibung der Herstellungsschritte geht allerdings keine allgemein gültige Methode für die Auswahl der Strukturparameter der Folie hervor, nämlich anhand allgemeiner technischer Kriterien oder mathematischer Formeln. Insbesondere bekommt der Fachmann keine konkrete Anleitung, wie aus den offenbarten großen numerischen Bereichen der konkrete Wert jedes einzelnen Strukturparameters zu bestimmen ist. Die alleinige Offenbarung dieser numerischen Bereiche ist in dem vorliegendem Fall fehlender technischer Erläuterungen der Funktionsweise des angeblich zirkularpolarisierenden Kombinationsgitters nicht ausreichend, um die Ausführbarkeit der Erfindung in ihrer Allgemeinheit zu gewährleisten.

c) Außerdem ist das in den Absätzen [0044] bis [0046] und Figur 3 beschriebene Ausführungsbeispiel irreführend hinsichtlich einer konkreten Ausführung einer Folie gemäß Anspruch 1. Entgegen der Offenbarung in [0015] und [0047] ist kein Kombinationsgitter mit einer überlagernden, isotropen Mattstruktur notwendig, um unpolarisiertes Licht zirkular zu polarisieren, sondern "[d]ie Polarisationseigenschaften, d.h. ob ein Bereich zirkular polarisierende Eigenschaften oder linear polarisierende bzw. Polarisationsrichtung drehende Eigenschaften besitzt, wird im Wesentlichen durch die mittlere Strukturtiefe der diffraktiven Struktur in dem jeweiligen Bereich bestimmt". Die Figur 3 zeigt nämlich eine einzige diffraktive Struktur (36), welche in die Replikationsschicht (33) eingeprägt ist. Die diffraktive Struktur (36) weist zwei Bereiche mit unterschiedlichen Dicken der anisotropen Polymerschicht auf. Was genau mit "mittlerer Strukturtiefe" gemeint ist, bleibt in der Beschreibung offen. Ebenfalls unbestimmt bleibt, welche der beiden Bereiche der diffraktiven Struktur (36) das unpolarisierte Licht zirkular bzw. linear polarisieren soll.

1.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass:

a) das einzige, konkret erwähnte, in der beanspruchten anisotropen Polymerschicht verwendete Flüssigkristall-Material, nämlich das nematische Flüssigkristall-Material der OPALVA®-Reihe, nicht ohne Weiteres zirkularpolarisierende Eigenschaften aufweist;

b) die aus der Patentschrift abgeleitete Behauptung, wonach das Ausführungsbeispiel zirkularpolarisierende Eigenschaften aufweise, für den Fachmann nicht anhand des Offenbarungsgehalts des Patents nachvollziehbar ist, sondern begründete Zweifel aufwirft (siehe oben Punkt 1.2);

c) die Patentinhaberin während des gesamten Einspruchsverfahrens weder schriftlich noch mündlich die physikalische Funktionsweise der beanspruchten Folie hat überzeugend und vollständig erklären können, insbesondere wie die zirkularpolarisierenden Eigenschaften bei der beanspruchten Folie zustande kommen; dies bestätigt, dass die begründeten Zweifel der Kammer hinsichtlich des Vorhandenseins der zirkularpolarisierenden Eigenschaften nicht aufgrund von Fachwissen ohne Weiteres beseitigt werden können.

Daher kommt die Kammer zum Schluss, dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ 1973).

1.4 Gegenargumente der Patentinhaberin

1.4.1 Gemäß der Beschwerdebegründung, Punkt 1.4, ist "die polarisierende Wirkung von Flüssigkristallen schon seit langem bekannt (...) und damit [standen] auch entsprechende Materialien dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt entsprechend umfangreich zur Verfügung". Weiterhin rügte die Patentinhaberin, dass kein Beleg vorgelegt worden sei, wonach die beanspruchte Folie keine zirkular polarisierende Eigenschaften aufweise. Stattdessen beruhe der Einwand der Nicht-Ausführbarkeit auf "der nicht weiter durch Beweismittel gestützten subjektiven Vermutung, dass (...) zirkular polarisierende Eigenschaften (...) nicht durch Flüssigkristall-Materialien und insbesondere einem nematischen Flüssigkristall-Material erzielt werden können" (Beschwerdebegründung, Punkt 1.5). Ferner argumentierte die Patentinhaberin, dass der Fachmann auch ohne Hinzuziehung der Ausführungsbeispiele des Streitpatents eine Folie mit zirkularpolarisierenden Eigenschaften nacharbeiten könne, indem er cholesterische Flüssigkristalle verwenden würde (Beschwerdebegründung, Punkt 1.8). Dabei verwies die Patentinhaberin auf weitere, in der Patentschrift erwähnte Druckschriften, in denen Flüssigkristall-Materialien offenbart seien, die alle für die Polymerschicht des Anspruchs 1 verwendbar seien (Beschwerdebegründung, Punkt 1.9).

Die Kammer kann diesen Argumenten nicht folgen. Manche Flüssigkristalle, insbesondere cholesterische Flüssigkristalle, können unter bestimmten Bedingungen eine polarisierende Wirkung aufweisen. Jedoch ist weder der Anspruch 1 auf cholesterische Flüssigkristalle eingeschränkt, noch offenbart die Beschreibung der Patentschrift die Verwendung cholesterischer Flüssigkristalle zur Erzeugung einer polarisierenden Wirkung (siehe auch angefochtene Entscheidung, Punkt 13.9). Auch die Verwendung von Flüssigkristallen in Verbindung mit dichroitischen Molekülen zum Erlangen linear polarisierender Eigenschaften ist weder in der Patentschrift offenbart noch relevant für die Frage der Ausführbarkeit der beanspruchten Folie hinsichtlich ihrer zirkularpolarisierenden Eigenschaften. Bezüglich des vermeintlichen Fehlens eines Belegs für das Fachwissen, dass nematische Flüssigkristalle an sich keine zirkularpolarisierende Eigenschaften aufweisen, bleibt die Kammer bei ihrer Meinung (siehe Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK, Seite 4, zweiter Absatz), dass "Beweismittel für dieses Fachwissen nicht als unabdingbar einzustufen" sind, weil dieses Wissen zum Standartrepertoire des Fachmanns auf dem Gebiet der Flüssigkristalle gehört. Es wurde von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung auch nicht ernsthaft bestritten, dass nematische Flüssigkristalle an sich keine polarisierende Wirkung zeigten. Mit Verweis auf E7, Seite 199, letzter Absatz, bestätigte die Patentinhaberin, dass nematische Flüssigkristalle, die eine chirale Anordnung mit zirkularpolarisierenden Eigenschaften aufweisen, als cholesterische Flüssigkristalle zu bezeichnen sind. Siehe auch die Argumente der Einsprechenden (Beschwerdeerwiderung, Seiten 7 und 8 überbrückender Absatz).

1.4.2 Die von der Patentinhaberin in den Punkten 1.6 und 1.7 der Beschwerdebegründung vorgetragene Auslegungsalternative B, wonach auch die Umwandlung von bereits polarisiertem Licht in linear oder zirkular polarisiertes Licht als die beanspruchten linear oder zirkular polarisierenden Eigenschaften zu werten sei, widerspricht dem Sinn des Anspruchwortlauts. Unabhängig davon, ob das einfallende Licht polarisiert ist oder nicht, ist im Anspruch 1 eine anisotrope Polymerschicht mit polarisierenden Eigenschaften definiert, d.h. die Polymerschicht muss unpolarisiertes Licht polarisieren können.

1.4.3 Entgegen der in der Beschwerdebegründung verwendeten Argumentationslinie argumentierte die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung, dass die linear oder zirkularpolarisierenden Eigenschaften nicht von dem Flüssigkristall-Material an sich abhingen, sondern von dessen Ausrichtung und den Strukturparametern des Gitters. Mit Verweis auf eine große Anzahl von Absätzen in der Patentschrift, beispielsweise [0013] bis [0015], [0017], [0034], [0036], [0037], [0042], [0053], [0054], erklärte die Patentinhaberin, wie die Patentschrift ihrer Meinung nach ein entsprechendes Ausführungsbeispiel offenbare.

Die Kammer ist aus den in den Punkten 1.1 bis 1.3 angegebenen Gründen nicht überzeugt, dass die Patentschrift ausreichende Informationen offenbart, wie das Flüssigkristall-Material und die Strukturparameter des Gitters auszuwählen sind, damit die beanspruchte Folie zirkular polarisierende Eigenschaften über den gesamten Schutzumfang des Anspruchs 1 entfaltet. In Ermangelung dieser Information und von grundsätzlichen Erläuterungen für die physikalischen Phänomene, die den zirkular polarisierenden Eigenschaften der auf dem Gitter abgelagerten Polymerschicht zugrunde liegen, hat die Kammer Zweifel, ob das beschriebene Ausführungsbeispiel unpolarisiertes Licht tatsächlich zirkular polarisiert.

2. Hilfsanträge 1 bis 6 - Offenbarung der Erfindung

2.1 In der vorliegenden Sache hat die Kammer die Hilfsanträge 1 bis 6, die denselben Mangel wie der Hauptantrag aufweisen (siehe unten Punkt 2.2), zum Verfahren zugelassen und kann im Hinblick auf diesen identischen Mangel selbst abschließend über die Hilfsanträge entscheiden (Artikel 111 (1) EPÜ). Der Antrag der Patentinhaberin auf eine Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung wird daher zurückgewiesen.

2.2 Die im Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 6 definierte Erfindung ist nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ 1973).

2.2.1 Anspruch 1 aller Hilfsanträge 1 bis 6 enthält das gleiche Merkmal wie Anspruch 1 des Hauptantrags, wonach die anisotrope Polymerschicht zirkular polarisierende Eigenschaften besitzt. Dieses Merkmal ist aus den im Punkt 1. oben angegebenen Gründen nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen kann.

2.2.2 Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer lediglich auf ihre in der Beschwerdebegründung, Punkt 2.6, schriftlich vorgetragenen Argumente verwiesen, denen zufolge "die beanstandete Ausführungsalternative 'linear polarisierend' gestrichen sowie der Schichtaufbau und die Orientierung des Flüssigkristall-Materials näher spezifiziert [wurden], um diesbezügliche Einwände nach Artikel 83 EPÜ auszuräumen".

Diese Argumente überzeugen die Kammer nicht. Auch nach dem Streichen der Ausführungsalternative 'linear polarisierend' verbleibt die beanstandete Ausführungsalternative "zirkular polarisierend" im Anspruch 1. Die nähere Spezifizierung des Schichtaufbaus und der Orientierung des Flüssigkristall-Materials kann den Einwand nach Artikel 83 EPÜ ebenfalls nicht ausräumen, weil die in der Patentschrift grundsätzlich fehlende Information hinsichtlich der Fragen, wie das Flüssigkristall-Material und die Strukturparameter des Gitters auszuwählen sind und welche physikalischen Phänomene den zirkular polarisierenden Eigenschaften der auf dem Gitter abgelagerten Polymerschicht zugrunde liegen, nicht durch das Hinzufügen von weiteren, aus der Patentschrift entnommenen Merkmalen in den Anspruch 1 beantwortet werden können.

|3. Aus den oben dargelegten Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass keiner der Anträge der Pateninhaberin gewährbar ist. | | | |

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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