T 0949/18 () of 20.1.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T094918.20210120
Datum der Entscheidung: 20 Januar 2021
Aktenzeichen: T 0949/18
Anmeldenummer: 12773285.7
IPC-Klasse: B05B 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SPENDER FÜR PASTÖSE MASSEN
Name des Anmelders: Von Schuckmann, Alfred
Name des Einsprechenden: Aptar Radolfzell GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 015(1) (2020)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Beschwerdebegründung - Berücksichtigung unvollständigen Vorbringens (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung, mit der der Einspruch gegen das europäische

Patent Nr. EP 2 763 796 zurückgewiesen wurde, form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden.

III. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf folgende Dokumente:

E1: US 2008/0110934 A1;

E2: FR 2 877 325 A1;

E3: DE 93 02 196 U1;

E4: DE 10 2008 029 004 A1;

E5: WO 2006/031110 A1;

E6: US 2010/0206910 A1;

E7: WO 2010/106256 A1;

E8: US 5 544 789 A.

IV. Die Parteien stellten folgende Anträge zur Entscheidung:

für die Beschwerdeführerin (Einsprechende)

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents,

für den Beschwerdegegner (Patentinhaber)

die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Mit einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents neu gegenüber E1, E2 und E3 angesehen werde und die weiteren Angriffslinien bezüglich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen seien, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen sein dürfte.

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 20. Januar 2021 statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

VII. Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung lautet:

Spender (1) für pastöse Massen (11) bestehend aus einem rohrförmigen Massengehäuse (2) mit Nachlaufkolben (7) und einem handbetätigbaren Kopfstück (3), welches mit einem Mundstück ausgestattet ist und zur Massenausgabe linear geführt und in Richtung des Nachlaufkolbens (7) niederdrückbar ist unter Anspannen eines sich durch Einknicken aufbauenden Rückstellfedergliedes (25), dadurch gekennzeichnet, dass der Mittelabschnitt (29) des federnden Rückstellfedergliedes (25) in die Portionierungskammer (18) des Kopfstuckes (3) einklappt, wobei das Rückstellfederglied (25) aus einer geschweiften S-Form in die Form zweier gegensinnig stehender U-Abschnitte (33, 33') übergeht und die beiden Endabschnitte (28, 30) an dem Kopfstück (3) und an einem oberen Rohrstuck (9) des Massengehäuses (2) eingeklemmt sind.

VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Artikel 100 a) und 54 EPÜ)

Die Kammer kann sich der Beschwerdeführerin nicht anschließen, dass die Dokumente E1 bis E3 die folgende Merkmalskombination des Anspruchs 1 offenbaren, nämlich:

"... wobei das Rückstellfederglied (25) aus einer geschweiften S-Form in die Form zweier gegensinnig stehender U-Abschnitte (33, 33') übergeht ..."

Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen, dass das Rückstellfederglied von E1 (siehe Seite 11, vorletzter Absatz, - Seite 12, erster Absatz, der Beschwerdebegründung sowie Figur 2 der E1), E2 (siehe Seite 12, letzter Absatz, - Seite 13, erster Absatz, der Beschwerdebegründung sowie Figur 1 und 5 der E2) und E3 (siehe Seite 13, letzter Absatz, - Seite 14, dritter Absatz, der Beschwerdebegründung sowie Figur 14 der E3) eine geschweifte S-Form aufweist.

Die in der Beschwerdebegründung auf Seiten 12 bis 14 oben skizzierten S-Formen sind den Entgegenhaltungen E1 bis E3 selbst nicht zu entnehmen.

Die Kammer teilt die begründete Feststellung der Einspruchsabteilung (siehe in den Entscheidungsgründen die die Seiten 8 und 9 überbrückende Passage, Seite 10, zweiter Absatz, und die die Seiten 11 und 12 überbrückende Passage), dass ein Fachmann aus den Dokumenten E1 bis E3 die obige streitige Merkmalskombination nicht entnimmt und die Rückstellfederglieder von Figur 2 der E1, Figuren 1 und 5 der E2 und Figur 14 der E3 nicht als S-förmig ansieht.

Das Argument der Beschwerdeführerin, dass ein Fachmann das Rückstellfederglied des Ausführungsbeispiels des Streitpatents nicht als S-förmig bezeichne (siehe Seite 8, letzter Absatz, der Beschwerdebegründung), bleibt eine unbewiesene Behauptung und wird ferner als nicht relevant angesehen, weil dies allenfalls ein Indiz eines denkbaren Klarheitsmangels sein könnte, der im vorliegenden Verfahren indes nicht betrachtet werden kann, da die vorliegende Fassung des Anspruchs 1 der erteilten Anspruchsfassung entspricht (siehe die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14, ABl. EPA 2015, A102).

Das Argument der Beschwerdeführerin (siehe Seite 8, vierter Absatz der Beschwerdebegründung), dass im Streitpatent keine genaue Definition von "S-Form" angegeben werde, ist zwar zutreffend, dennoch ist die Kammer davon überzeugt, dass ein Fachmann aufgrund des allgemeinen Fachwissens weiß, was unter dem Ausdruck "S-Form" zu verstehen ist, und entsprechend die Rückstellfederglieder von E1, E2 und E3 nicht als

S-förmig betrachtet.

Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann als (allgemeine) Definition für S-förmig eventuell "die Form zweier gegensinniger Krümmungsbereiche" betrachte, so dass E1 die obige streitige Merkmalskombination offenbare, weil das Rückstellfederglied (34) von Figur 2 der E1 eine solche Definition erfülle, greift vorliegend nicht durch.

Vielmehr ist die Kammer überzeugt, dass für einen Fachmann bei der Beurteilung, ob ein Rückstellfederglied als S-förmig anzusehen ist, weniger eine abstrakte Definition, sondern der Gesamteindruck aus der spezifischen Offenbarung und ihrem Kontext maßgeblich ist, wie z.B. im Hinblick auf die Größe, Länge und Dicke der verschiedenen Elemente, die in Kombination gezeigt werden.

Die Kammer teilt mithin die Auffassung des Beschwerdegegners, dass ein Fachmann, der die Figur 2 der E1 anschaut, aus dem Gesamteindruck, der durch diese Figur entsteht, das Rückstellfederglied (34) eher als konkav und nicht als S-förmig wahrnimmt.

Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die streitige Merkmalskombination aus keinem der Dokumente E1, E2 und E3 zu entnehmen ist und dass zumindest aus diesem Grund der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist.

2. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Artikel 100 a) und 56 EPÜ)

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von einem der Dokumente E4 bis E8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (siehe Punkt 2.2.4 der Beschwerdebegründung).

In ihrer eher pauschaliert formulierten Argumentation geht die Beschwerdeführerin davon aus, dass die Dokumente E4 bis E8 die Merkmalskombination

"...wobei das Rückstellfederglied (25) aus einer geschweiften S-Form in die Form zweier gegensinnig stehender U-Abschnitte (33, 33') übergeht..."

aufwiesen, ohne dies in substantiierter Weise zu begründen.

Die Einspruchsabteilung hat detaillierte Gründe angegeben, warum die streitige Merkmalskombination aus keinem der obigen Dokumente eindeutig und unmittelbar abgeleitet werden kann (siehe die Entscheidungsgründe, die die Seiten 13 und 14 überbrückende Passage für E4; Seite 16, zweiter Absatz, für E5; Seite 17, letzter Absatz, für E6; Seite 19, vierter Absatz, für E7; die die Seiten 20 und 21 überbrückende Passage für E8), mit denen sich die Beschwerdeführerin nicht in der Sache auseinandergesetzt und im Detail aufgezeigt hat, in welcher Hinsicht die begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung unrichtig wären.

Die Argumentation der Beschwerdeführerin zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit ist daher als unsubstantiiert und damit unbegründet zu betrachten.

Die vorstehende Auffassung der Kammer wurde den Beteiligten mit der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 bekannt gegeben, worauf der Einsprechende weder im schriftlichen Verfahren noch an der mündlichen Verhandlung Stellung genommen hat. Die Kammer sieht nach erneuter Prüfung aller Aspekte des Falles keinen Grund, von ihrer vorläufigen Auffassung abzuweichen.

Die Kammer entscheidet daher, die obigen Einwände der fehlenden erfinderischen Tätigkeit in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigten.

Da keine weiteren zulässigen Argumentationslinie gegen die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 vorliegen, darf es nicht bezweifelt werden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Schlussbemerkungen

3. Die Beschwerdeführerin hat somit die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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