European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T081318.20181109 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 09 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0813/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 12001151.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B66C 3/16 B66C 13/14 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Kran | ||||||||
Name des Anmelders: | EPSILON Kran GmbH. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Patentansprüche - Klarheit (ja) Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die vorliegende europäische Patentanmeldung zurückgewiesen wurde.
Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, dass der Anspruch 1 nicht klar sei (Artikel 84 EPÜ) und dass die Erfindung in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart werde, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 83 EPÜ).
II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und beantragt, ein Patent auf Basis des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags zu erteilen, hilfsweise in der Fassung eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I bis IV.
III. Folgende Dokumente sind als Stand der Technik im Recherchebericht zitiert:
D1: EP 1 448 471 B1
D2: US 4 470 229 A
IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Kran (1) mit wenigstens einem teleskopierbaren Kranarm (2), welcher einen Ausleger (3) und eine Auslegerverlängerung (4) aufweist, wobei über ein an der Auslegerverlängerung (4) angeordnetes Drehgelenk (5), welches zwei voneinander beabstandete Drehlager (10) aufweist, ein Arbeitsgerät (20) am teleskopierbaren Kranarm (2) befestigt ist und Hydraulikleitungen (6) vom Ausleger (3) zwischen den beabstandeten Drehlagern (10) des Drehgelenks (5) zum Arbeitsgerät (20) führen, wobei im Bereich jenes Ende (41) der Auslegerverlängerung (4), an welchem das Drehgelenk (5) angeordnet ist, eine Führung (7) für die Hydraulikleitungen (6) vorgesehen ist, welche die Hydraulikleitungen (6) von der Auslegerverlängerung (4) zum Bereich (51) zwischen den beabstandeten Drehlagern (10) des Drehgelenks (5) führt, dadurch gekennzeichnet, dass am arbeitsgerätfernen Ende (31) des Auslegers (3) und am arbeitsgerätfernen Ende (71) der Führung (7) Befestigungselemente (8) für die Hydraulikleitungen (6) angeordnet sind, zwischen denen die Hydraulikleitungen (6) in Form von Hydraulikschläuchen (9) verlaufen."
Entscheidungsgründe
1. Die Ansprüche 1 bis 9 entsprechen den Ansprüchen 1 bis 9 wie ursprünglich eingereicht.
2. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
2.1 In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung beanstandet, dass das Merkmal - "eine Führung (7) für die Hydraulikleitungen (6) vorgesehen ist, welche die Hydraulikleitungen (6) von der Auslegerverlängerung (4) zum Bereich (51) zwischen den beabstandeten Drehlagern (10) des Drehgelenks (5) führt" in Widerspruch zu den Figuren stehe. Dieser Widerspruch lasse "Zweifel in Bezug auf den Gegenstand des Schutzbegehrens" entstehen.
Die Kammer ist der Ansicht, dass dieses Merkmal ein funktionelles Merkmal der Führung darstellt, welches lediglich eine Eignung der Führung fordert, die Hydraulikleitungen wie beansprucht zu führen.
Entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung definiert dieses Merkmal nicht, wie die Führung strukturell gebaut wird, und insbesondere nicht, dass ein erstes Ende der Führung an der Auslegerverlängerung angeordnet ist und das zweite Ende davon entfernt und in der Nähe des Drehgelenks angeordnet sein muss. Die Erstreckung der Führung ist im Anspruch offen gelassen. Die Führung soll lediglich im Kran so ausgestaltet sein, dass die Leitungen von der Auslegerverlängerung zum Bereich zwischen den beabstandeten Drehlagern des Drehgelenks geführt werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 steht daher nicht im Widerspruch zu dem in den Figuren gezeigten Ausführungsbeispiel der Erfindung. Die in den Figuren der Anmeldung gezeigte Führung 7 führt die Hydraulikleitungen sowohl von ihrem ersten Ende, das in der Nähe der Mitte der Auslegerverlängerung liegt, zum arbeitsgerätnahen Ende der Auslegerverlängerung, als auch von der Auslegerverlängerung zum Bereich zwischen den beabstandeten Drehlagern des Drehgelenks. Dieses Ausführungsbeispiel fällt daher unter den Gegenstand des Anspruchs 1.
3. Die Erfindung erfüllt ebenso die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ, da sie in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart wird, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Der Einwand der Prüfungsabteilung hinsichtlich nicht ausreichender Offenbarung basiert auf ihrer oben genannten Auslegung des Anspruchs 1. Da keine Führung mit einem ersten Ende an der Auslegerverlängerung und einem zweiten Ende davon entfernt und in der Nähe des Drehgelenks in D1 gezeigt sei, offenbare die Anmeldung kein Ausführungsbeispiel der beanspruchten Erfindung. Somit liege ein Verstoß gegen Artikel 83 EPÜ vor.
Wie oben erläutert ist diese Auslegung zu eng, und das Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren fällt unter den Gegenstand des Anspruchs 1. Dieses zeigt dem Fachmann deutlich und vollständig, wie die Erfindung auszuführen ist.
4. In der Patentanmeldung (siehe Absatz [0003] der veröffentlichten Anmeldung) wird ein Kran gemäß D1 als Ausgangspunkt angegeben. Der in diesem Dokument gezeigte Kran weist in der Tat alle Merkmale des Oberbegriffes des Anspruchs 1 auf. Die Figuren 1 und 2 von D1 zeigen einen Kran (1) mit wenigstens einem teleskopierbaren Kranarm, welcher einen Ausleger (36) und eine Auslegerverlängerung (37) aufweist, wobei über ein an der Auslegerverlängerung (37) angeordnetes Drehgelenk (30), welches zwei voneinander beabstandete Drehlager (34, 34', Figur 3) aufweist, ein Arbeitsgerät (2) am teleskopierbaren Kranarm befestigt ist und Hydraulikleitungen (13) vom Ausleger (36) zwischen den beabstandeten Drehlagern (34, 34') des Drehgelenks zum Arbeitsgerät (2) führen, wobei im Bereich jenes Ende (siehe Figur 2) der Auslegerverlängerung (37), an welchem das Drehgelenk angeordnet ist, eine Führung (39) für die Hydraulikleitungen (13) vorgesehen ist, welche die Hydraulikleitungen (13) von der Auslegerverlängerung (39) zum Bereich zwischen den beabstandeten Drehlagern (34, 34') des Drehgelenks (5) führt.
5. Neuheit
Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1. In D1 sind keine Befestigungselemente am arbeitsgerätfernen Ende des Auslegers und am arbeitsgerätfernen Ende der Führung für die Hydraulikleitungen angeordnet, zwischen denen die Hydraulikleitungen in Form von Hydraulikschläuchen verlaufen. In D1 sind Befestigungselemente am arbeitsgerätnahen Ende des Auslegers 36 angeordnet und in Absatz [0017] der Beschreibung bleibt offen, wo genau innerhalb des Führungsarms 39 der Führung 38 die Leitungen 13 befestigt werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß D1. Auch der übrige im Recherchenbericht ermittelte Stand der Technik offenbart keinen Kran mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 (Artikel 54 EPÜ).
6. Erfinderische Tätigkeit
Dokument D1 stellt nach Ansicht der Kammer den nächstliegender Stand der Technik dar.
Gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 sind am arbeitsgerätfernen Ende des Auslegers und am arbeitsgerätfernen Ende der Führung Befestigungselemente für die Hydraulikleitungen angeordnet, zwischen denen die Hydraulikleitungen in Form von Hydraulikschläuchen verlaufen.
Im Kran von D1 sind die Hydraulikschläuche am arbeitgerätnahen Ende des Auslegers befestigt. Das arbeitsgerätferne Ende des Auslegers ist in D1 nicht mal gezeigt oder erwähnt. Daher ermöglichen diese Merkmale gegenüber dem aus D1 bekannten Kran, dass im ausgefahrenen Zustand der Auslegerverlängerung die Hydraulikschläuche gestreckt und annähernd parallel zu Ausleger und Auslegerverlängerung verlaufen (siehe Absatz [0006] der veröffentlichten Patentanmeldung). Somit baut der telekopierbare Kranarm des beanspruchten Krans relativ klein (siehe Absatz [0006] der veröffentlichten Patentanmeldung), wodurch - wie von der Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt (siehe Seiten 7 und 8) - einen verbesserten Schutz der Hydraulikschläuche erreicht wird (z.B. vor einem Verfangen mit Gegenständen wie Bäumen oder Ästen).
Ausgehend von diesem Unterschied besteht daher die objektive technische Aufgabe darin, die Hydraulikschläuche des Krans besser zu schützen.
Keines der im Recherchenbericht zitierten Dokumente - nämlich D1 und D2 - zeigt einen Kran mit einer derartigen Befestigung der Hydraulikschläuche am Ausleger und an der Führung oder legt diese sonst wie nahe.
Tatsächlich beschreibt Dokument D2 einen Kran mit einem teleskopierbaren Kranarm, der aus drei Teile (12, 14 und 16) besteht. Die Hydraulikleitungen 26 sind am arbeitsgerätnahen Ende (siehe Spalte 2, Zeile 37 bis 46) des Auslegers 12 fixiert aber nicht an seinem arbeitsgerätfernen Ende(siehe Figuren 1a und 1b). Die Hydraulikleitungen sind auch nicht am arbeitsgerätfernen Ende des Zwischenteils 14 befestigt (siehe Figuren 1b und 2b).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
7. Die Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 bis 9 beinhalten vorteilhafte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Gegenstands und können daher ebenfalls bestehen bleiben.
8. Der vorliegende Anspruch 1 und die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 9 zusammen mit der Beschreibung und den Figuren wie ursprünglich eingereicht können deshalb als Grundlage für die Patenterteilung dienen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein europäisches Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
- Seiten 1 bis 5 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung;
- Ansprüche 1 bis 9 des Hauptantrags eingereicht am 6. März 2018 mit der Beschwerdebegründung;
- Zeichnungsblätter 1/4-4/4 in der ursprünglich eingereichten Fassung.