T 0632/18 (Mehrkomponentenkit/FISCHERWERKE) of 8.12.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T063218.20201208
Datum der Entscheidung: 08 Dezember 2020
Aktenzeichen: T 0632/18
Anmeldenummer: 04804155.2
IPC-Klasse: C04B26/14
C04B28/02
C08G59/62
C04B111/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 361 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: MEHRKOMPONENTENKIT FÜR BEFESTIGUNGSZWECKE UND DESSEN VERWENDUNG
Name des Anmelders: fischerwerke GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Michalski Hüttermann & Partner Patentanwälte mbB
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 123(3) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
Schlagwörter: Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Spät eingereichter Antrag - eingereicht kurz vor der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - unerwartete Verbesserung
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
T 0088/87
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent EP 1 716 195 B den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Unter anderem die folgenden Dokumente waren Gegenstand des Einspruchsverfahrens:

D6 |Sicherheitsdatenblatt EPIKURE**((TM)) Curing Agent 111, Hexion, Version 4.0, 5. Mai 2015|

D7 |Bakelite**((R))-Mannichbasenhärter, Auszug aus Produktbroschüre|

D8 |Sicherheitsdatenblatt EPIKURE**((TM)) Curing Agent 111, Hexion, 12. Januar 2006|

D13|DE 100 02 605 A1 |

III. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung zum Schluss gekommen, dass der damalige Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genügt.

IV. Die Beschwerdebegründung enthielt unter anderem (neue) Versuchsergebnisse.

V. In der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren hielt die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ausschließlich ihren mit Schriftsatz vom 5. November 2020 eingereichten Hilfsantrag 7 als neuen Hauptantrag aufrecht.

VI. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Zweikomponentenkit für eine härtbare Masse für Befestigungszwecke umfassend eine Epoxidharzkomponente (a), die härtbare Epoxide beinhaltet, und eine Härterkomponente (b), welche aus einer Mannichbasenformulierung besteht, dadurch gekennzeichnet, dass die Mannichbasenformulierung H-Äquivalente im Bereich von 40 bis 80, bei Messung mit einem Brookfield Rotationsviskosimeter mit Spindel 3 bei 23 °C und bei 10 bis 50 U/min eine Viskosität im Bereich von 500 bis 2700 mPas und einen Gehalt an freien Phenolderivaten von 20 Gew.-% oder weniger hat, wobei die Mannichbasen in der Mannichbasenformulierung unter Abreaktion der Phenolderivate von bis auf 20 Gew.-% der Phenolderivate oder weniger hergestellt sind, wobei die Mannichbasenformulierung durch Reaktion von als Phenolderivate Bisphenol A, m-Xylylendiamin und Formaldehyd hergestellt wird und anschließend zur Herstellung der Mannichbasen das Reaktionsgemisch zur Verschiebung des chemischen Gleichgewichtes durch Entfernung von Wasser unter Vakuum erwärmt wird, und abschließend zur Herstellung einer Mannichbasenformulierung die Mannichbase mit weiterem freiem m-Xylylendiamin und gewünschtenfalls Benzylalkohol als einem inerten Verdünnungsmittel auf die gewünschte Verdünnung einstellt,

wobei die Mannichbasenformulierung einen Gehalt an freiem m-Xylylendiamin von 35 Gew.-% oder mehr hat."

"7. Verwendung eines Zweikomponentenkits nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Befestigung von Verankerungselementen, dadurch gekennzeichnet, dass man dessen Komponenten mischt und in Oberflächenvertiefungen eines Substrates einbringt."

"8. Verwendung eines Zweikomponentenkits nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Befestigung von Fasern, Gelegen, Geweben oder Composites zur Verstärkung von Bauwerken."

Die Ansprüche 2 bis 6 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.

VII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Hauptantrag sei nach Artikel 12 und 13 VOBK nicht zu berücksichtigen/zuzulassen.

Er erfülle zudem nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2), 84, 83 und 56 EPÜ:

Beim vorliegenden Hauptantrag liege eine Zwischenverallgemeinerung vor.

Die Formulierung des Anspruchs 1 als "product-by-process" Anspruch sei unklar und nicht zulässig. Auch sei der Begriff "Mannichbasenformulierung" unklar.

Ohne Zusatz weiterer Bestandteile, wie Verdickern, sei das beanspruchte Produkt mit den geforderten Viskositätswerten nicht herstellbar.

Zudem beruhe der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VIII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Vergleichsversuche seien nach Artikel 12 VOBK nicht zuzulassen.

Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des EPÜ.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Patent unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht am 5. November 2020 als Hilfsantrag 7, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Berücksichtigung der nachgereichten Versuchsergebnisse

1.1 Die Beschwerdegegnerin beantragt, die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuchsergebnisse nicht zu berücksichtigen.

Diese Versuche sollen die Abwesenheit eines mit den Parametern der Mannichbasenformulierung (im folgenden MBF) verbundenen Effektes belegen.

1.2 Aus den folgenden Gründen sind die Versuchsergebnisse jedoch eine angemessene Reaktion auf die angefochtene Entscheidung:

In der Ladung zur mündlichen Verhandlung hatte die Einspruchsabteilung keine vorläufige Meinung zur erfinderischen Tätigkeit geäußert (Punkt 10.3 der Ladung).

Während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass mit dem freien Amingehalt der MBF in Anspruch 1 des damaligen Hauptantrages, welcher das alleinige Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand "Rütadur**((R)) H91" darstelle, kein Effekt über den gesamten beanspruchten Bereich verbunden sei (siehe Punkt 7.1 der angefochtenen Entscheidung und Punkt 5.5 des Protokolls).

In der angefochtenen Entscheidung teilte die Einspruchsabteilung zwar die Auffassung bzgl. der Abwesenheit eines überraschenden Effektes, erkannte aber trotzdem die erfinderische Tätigkeit an: Ausgehend von Rütadur**((R)) H91 oder D13 hätte die Fachperson keine Veranlassung gehabt, selektiv einzelne Bestandteile der Härterkomponente (b) auszutauschen (siehe die Punkte 7.3 (ii) und (iii) auf Seite 17 der angefochtenen Entscheidung).

Daher stellen die nachgereichten Versuche den Versuch dar, den bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Einwand wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit weiter zu untermauern und sind eine angemessene Reaktion auf die angefochtene Entscheidung.

1.3 Aus diesem Grund werden die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuchsergebnisse berücksichtigt (Artikel 25(2) VOBK 2020 und Artikel 12(4) VOBK 2007).

2. Zulässigkeit des Hauptantrages

2.1 Der Hauptantrag wurde als Hilfsantrag 7 mit Schriftsatz vom 5. November 2020 eingereicht, also etwas mehr als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren.

Während nach dem aufrechterhaltenen Anspruch 1 die Härterkomponente (b) die MBF lediglich umfasst, erfordert Anspruch 1 des Hauptantrages, dass die Härterkomponente (b) aus ihr besteht.

2.2 Wie nachfolgend erklärt, ist der Hauptantrag eine angemessene Reaktion auf die Mitteilung der Kammer vom 4. Juni 2020, welche wiederum eine Antwort auf die Argumentation in der Beschwerdebegründung darstellt.

2.3 Unter Punkt 2 der Beschwerdebegründung "Anspruchsgegenstand der erteilten Ansprüche" (Seiten 5 bis 7 der Beschwerdebegründung) wurde unter anderem mit Bezugnahme auf Abschnitt [0032] des Streitpatents darauf hingewiesen, dass die MBF von Anspruch 1 möglicherweise als solche "in freier Form gar nicht existiert"; nämlich in dem Fall, dass die restlichen Komponenten der MBF erst zusammen mit den übrigen Bestandteilen der Härterkomponente (b) zugemischt werden.

Dieser Aspekt der Anspruchsinterpretation war weder in der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren, noch in der mündlichen Verhandlung selbst, noch in der angefochtenen Entscheidung thematisiert worden und warf Fragen bezüglich der Anspruchsinterpretation und der erfinderischen Tätigkeit auf.

In der Mitteilung vom 4. Juni 2020 (Punkt 9) wurden die Parteien dementsprechend erstmals informiert, dass die Kammer den Anspruchswortlaut dahingehend interpretierte, dass die Komponenten der MBF und der Härterkomponente (b) im aufrechterhaltenen Anspruch 1 nicht unbedingt voneinander abgegrenzt werden können.

Die die MBF betreffenden Parameter H-Äquivalente, Viskosität, freier Amingehalt und Gehalt an freien Phenolderivaten im aufrechterhaltenen Anspruch 1 seien für die beanspruchte Härterkomponente (b) des Kits wegen der möglichen Anwesenheit von weiteren Bestandteilen unter Umständen nicht einschränkend. Dies hätte eventuell Auswirkungen auf die zu lösende Aufgabe und auf die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit (Punkte 11.4 bis 11.9).

Der unabhängige Anspruch 1 des neuen Hauptantrages erfordert nunmehr, dass die Härterkomponente (b) aus der MBF besteht und ist somit eine geeignete Reaktion auf die Mitteilung der Kammer vom 4. Juni 2020.

2.4 Wie nachfolgend dargelegt wird, räumt der neue Hauptantrag zudem sämtliche aufgeworfene Fragen aus und gibt keinen Anlass zu neuen Einwänden.

2.5 Somit liegen außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 vor, weshalb der neue Hauptantrag zu berücksichtigen ist.

3. Änderungen

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 123 EPÜ:

3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags basiert auf folgenden Stellen der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht:

- Ansprüche 1, 2 und 5,

- Beispiel 2 auf Seite 12 für die spezifischen Edukte zur Bildung der Mannichbasen, d.h. Bisphenol A, m-Xylylendiamin (MXDA) und Formaldehyd, sowie die allgemeine Offenbarung auf

- Seite 2, Zeilen 31 bis 32 für die Parameter zur Messung der Viskosität und

- Seite 4, Zeile 18, bis Seite 5, Zeile 23, für die "product-by-process Merkmale".

Insbesondere wegen der allgemeinen Offenbarung auf Seite 4, Zeile 18, bis Seite 5, Zeile 23, ist es nicht nötig, die spezifischen Mengen der Edukte aus Beispiel 2 ebenfalls in Anspruch 1 aufzunehmen.

3.2 Die weiteren Ansprüche 2 bis 8 haben ihre jeweilige Basis in den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 5, 8, 9, 11 und 12.

3.3 Somit sind die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ erfüllt.

3.4 Im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ wurden gegen die Ansprüche 1 bis 8 des vorliegenden Hauptantrags keine Beanstandungen erhoben. Anhaltspunkte dafür sind auch nicht ersichtlich.

4. Klarheit

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ:

4.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verursacht die Änderung des Merkmals "Härterkomponente (b), welche eine Mannichbasenformulierung umfasst" in der erteilten Fassung von Anspruch 1 in "Härterkomponente (b), welche aus einer Mannichbasenformulierung besteht" in Anspruch 1 des Hauptantrags ein Klarheitsproblem. Der Begriff "Mannichbasenformulierung" sei unklar. Es sei außerdem unklar, was die Bestandteile der MBF seien.

Dieses Argument überzeugt nicht. Nach dem Leitsatz von G 3/14, ABl. 2015, A 102, können die Ansprüche des geänderten Patents in einem solchen Fall nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden, "sofern und dann auch nur soweit diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt".

Im vorliegenden Fall war das Merkmal "Mannichbasenformulierung" jedoch bereits in der erteilten Fassung von Anspruch 1 vorhanden und steht somit nicht zur Diskussion. Auch das Ersetzen von "umfasst" in "besteht" führt zu einer Verengung des Schutzbereiches und verursacht keine Klarheitsprobleme, die nicht bereits in der erteilten Fassung vorhanden gewesen wären.

4.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin stünde das "product-by-process" Merkmal "Abreaktion der Phenolderivate von bis auf 20 Gew.-% der Phenolderivate oder weniger" in Anspruch 1 im Widerspruch zur vermeintlich ebenfalls umfassten Möglichkeit, dass nicht Phenolderivate zur Herstellung der Mannichbase verwendet werden, sondern Phenol selbst, und dieses dann vollständig abreagiere. Daher seien die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ auch insoweit nicht erfüllt.

Auch diese Einwände sind nicht stichhaltig. Laut dem "product-by-process"-Merkmal in Anspruch 1 findet ausdrücklich eine Abreaktion von Phenolderivaten statt. Phenolderivate sind von Phenol unterscheidbar, somit sind auch ihre Reaktionsprodukte von jenen des Phenols unterscheidbar. Zudem, da eine vollständige Abreaktion der Phenolderivate nicht möglich ist - gewisse Spuren verbleiben immer in der erzeugten Mannichbase - schließt dies die Möglichkeit aus, dass Phenol statt Phenolderivaten für die Herstellung der Mannichbase verwendet wird.

4.3 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei es trotz der nunmehr geschlossenen Formulierung mit "besteht" und der Angabe der Reagenzien nicht möglich, eindeutig zuzuordnen, welche Komponenten die MBF aufweist

Die Beschwerdeführerin ist außerdem der Meinung, dass das Zweikomponentenkit anders definiert werden könne und müsse als durch ein "product-by-process"-Merkmal.

Eine Einschränkung der MBF auf eine abgeschlossene Liste bestimmter Komponenten wäre jedoch im vorliegenden Fall, in dem die Fachperson durch einfaches Analysieren prüfen kann, ob eine gegebene MBF die beanspruchten Parameter Viskosität, H-Äquivalente, Gehalt an freiem MXDMA und freien Phenolderivaten besitzt, eine nicht zumutbare Einschränkung (siehe beispielsweise T 88/87, Entscheidungsgründe 3).

5. Ausreichende Offenbarung

5.1 Die Beschwerdeführerin sieht aus den im Abschnitt 4.2 genannten Gründen auch einen Mangel an Offenbarung, ohne dazu jegliche Nachweise zu erbringen. Es besteht auch im Übrigen kein Anlass, davon auszugehen, dass die Fachperson die Mannichbasen und auch die Mannichbasenformulierung nicht herstellen, bzw. nicht von Reaktionsprodukten den Phenols unterscheiden kann.

5.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei eine Härterkomponente, die lediglich aus der anspruchsgemäßen MBF bestehe und keine weiteren Zusätze wie Thixotropiermittel, Rheologiehilfsmittel und Füllstoffe enthalte, nicht verarbeitbar. Daher seien die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ nicht erfüllt.

Auch dieses Argument ist nicht überzeugend. Der erfindungsgemäße Versuch des Streitpatents (Tabelle 7) belegt, dass die Verarbeitung einer MBF ohne diese Zusätze möglich ist. Die Beschwerdeführerin hat dies nicht widerlegt. Zudem wird auch bei den Härtern der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Vergleichsversuche das Vorhandensein dieser Zusätze nicht genannt. Gleichwohl sind die Härter verarbeitbar.

5.3 Somit sind auch die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt.

6. Erfinderische Tätigkeit

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags letztlich auch die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ:

6.1 Die Erfindung betrifft ein Zweikomponenten-Epoxidharzsystem mit einer Epoxidharzkomponente (a) und einer Härterkomponente (b).

6.2 In den Vergleichsversuchen des Streitpatents in den Abschnitten [0038] bis [0044] wird unter anderem ein Zweikomponentenkit mit der "Epoxidkomponente (A)" und der Härterkomponente "Rütadur**((R)) H91" verwendet.

Es ist nicht bestritten worden, dass der Härter "EPIKURE**((TM)) Curing Agent 111" aus D6 und Rütadur**((R)) H91 identisch sind (siehe auch D7 und D8).

Nach D6 betrifft Rütadur**((R)) H91 eine Härterkomponente ("Härter für Epoxidharze") zur Verwendung in "Epoxidharzsystemen" (Seite 1).

Laut der Tabelle auf Seite 3 von D6 besteht die Härterkomponente aus D6 aus einer MBF mit den Bestandteilen "Phenol, Polymer mit Diethylentriamin und Formaldehyd", "Diethylentriamin" und "Phenol". Das Vorhandensein von Mannichbasen wird durch die Komponente "Phenol, Polymer mit Diethylentriamin und Formaldehyd" impliziert.

Laut der Tabelle auf Seite 7 des Streitpatents hat die MBF "Rütadur**((R)) H91" eine Viskosität und H-Äquivalente in den beanspruchten Bereichen. Der Gehalt an freien Aminen liegt bei weniger als 25% (Fußnote).

Da das Zweikomponentenkit mit Rütadur**((R)) H91 den gleichen Zweck verfolgt wie das Streitpatent und mehrere übereinstimmende Merkmale aufweist, stellt Rütadur**((R)) H91 im vorliegenden Fall der unbestrittenen Vorveröffentlichung einen geeigneten Startpunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit dar.

6.3 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines Epoxidharzsystems mit einer hohen Verbundspannung bei hohen Temperaturen (wie beispielsweise 80°C), selbst wenn die Aushärtung bei niedrigen Temperaturen (wie beispielsweise -5°C) geschieht (Abschnitte [0009] und [0044]).

6.4 Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe mit dem Zweikomponentenkit nach Anspruch 1 zu lösen, das durch eine MBF charakterisiert ist:

- welche durch Abreaktion von Phenolderivaten in einer Reaktion aus Bisphenol A, MXDA und Formaldehyd hergestellt wird,

- wobei das Gleichgewicht der Reaktion durch Entfernung von Wasser verschoben wird, und

- welche einen Mindestgehalt an freiem Amin in Form von MXDA von 35 Gew.-% und einen Höchstgehalt an freien Phenolderivaten von 20 Gew.-% aufweist.

6.5 Die Tabelle auf Seite 7 des Streitpatents belegt, dass die Aufgabe erfolgreich gelöst wird: Sowohl die Verbundspannung bei -5°C nach einer Aushärtung bei der gleichen Temperatur als auch die Verbundspannung bei 80°C liegen deutlich über den Werten der Vergleichsversuche.

Die Beschwerdeführerin bestritt zunächst das Vorliegen eines Effekts über die gesamte Breite von Anspruch 1 wie erteilt und versuchte, dies anhand der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Vergleichsversuche zu demonstrieren. Diese Versuche beschreiben aber nicht eine MBF, die aus den beanspruchten Komponenten hergestellt wurde. Letztlich erkannte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung für das Beispiel 2 ausdrücklich einen Effekt an.

Daher gibt es keinen Beleg dafür, dass die gestellte Aufgabe nicht erfolgreich gelöst wird.

6.6 Die Beschwerdeführerin hat keine Elemente im Stand der Technik angeführt, die einen Hinweis darauf geben, dass die gestellte Aufgabe durch das Herstellen des Zweikomponentensystems mit den beanspruchten "product-by-process"-Merkmalen, sowie durch die beanspruchten Anteile an freien Aminen und an freien Phenolderivaten gelöst wird.

Daher ist erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 56 EPÜ anzuerkennen.

6.7 In analoger Weise kommt man zum gleichen Schluss, wenn man vom Zweikomponentensystem aus D13 ausgeht. Dabei ist es unerheblich, ob man von Anspruch 1 von D13 ausgeht oder von der allgemeinen Lehre auf Seite 2, Zeilen 42 bis 51, bzw. Seite 3, Zeile 59, bis Seite 4, Zeile 1.

6.8 Wegen der Abhängigkeit von Anspruch 1 erfüllt auch der Gegenstand der restlichen Ansprüche die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

7. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

8. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrages, eingereicht als Hilfsantrag 7 am 5. November 2020, und einer allenfalls noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation