T 0487/18 () of 14.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T048718.20200914
Datum der Entscheidung: 14 September 2020
Aktenzeichen: T 0487/18
Anmeldenummer: 09749072.6
IPC-Klasse: A61L15/20
A61F13/15
A61L9/00
A61L15/22
C08J3/20
C08K11/00
A61L15/46
A61L15/60
C08J3/24
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG WASSERABSORBIERENDER POLYMERPARTIKEL
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Nippon Shokubai Co., Ltd.
Evonik Operations GmbH
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 025 (2020)
European Patent Convention Art 116(1) (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche gegen das Europäische Patent Nr. EP-B-2 341 881 unter Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Im Einspruchsverfahren war das Patent unter Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) sowie unter Artikel 100(b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) angegriffen worden.

III. Die unabhängigen Ansprüche des Streitpatents lauten wie folgt:

Anspruch 1:

"Verfahren zur Herstellung wasserabsorbierender Polymerpartikel, umfassend

i) die Neutralisation mindestens eines ethylenisch ungesättigten, säuregruppentragenden Monomers mit einer Base bis zu einem Neutralisationsgrad von 40 bis 70 mol-%, wobei die Base weniger als 0,0005 Gew.-% Eisenionen enthält und die zur Förderung der Base verwendeten Leitungen aus Edelstahl und/oder einem polymeren Material sind,

ii) Polymerisation des neutralisierten Monomers in Gegenwart mindestens eines Vernetzers und mindestens eines Initiators, wobei der Initiator im Wesentlichen frei von Eisenionen ist,

iii) Trocknung des erhaltenen Polymergels,

iv) Zerkleinerung des getrockneten Polymergels zu Polymerpartikeln,

v) Klassierung der erhaltenen Polymerpartikel und

vi) optional Oberflächennachvernetzung der klassierten Polymerpartikel,

wobei die Polymerpartikel mit 0,01 bis 1 Gew.-% mindestens eines kondensierten und/oder eines hydrolysierbaren Tannins beschichtet werden."

Anspruch 7

"Wasserabsorbierende Polymerpartikel, erhältlich durch Polymerisation einer wässrigen Monomerlösung oder -Suspension, enthaltend

a) mindestens ein ethylenisch ungesättigtes, säuregruppentragendes Monomer, wobei die Säuregruppen zu 40 bis 70 mol-% neutralisiert sind,

b) mindestens einen Vernetzer und

c) mindestens einen Initiator,

wobei die Polymerpartikel weniger als 0,001 Gew.-% Eisenionen enthalten und mit 0,01 bis 1 Gew.-% mindestens eines kondensierten und/oder eines hydrolysierbaren Tannins beschichtet sind, wobei das Gewichtsverhältnis von Eisenionen zu kondensierten und/oder hydrolysierbaren Tannin weniger als 0,02 beträgt."

Anspruch 16:

"Hygieneartikel, enthaltend Polymerpartikel gemäß einem der Ansprüche 7-15".

IV. Von den im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren zitierten Dokumenten sind folgende für die vorliegende Entscheidung relevant:

D2 |JP11-116829 mit eingereichter Übersetzung |

D13 |Merck Index, 12th ed. 1996, p. 9221 "Tannic Acid" |

D14 |"Encyclopedic Dictionary of Chemistry 5" mit eingereichter teilweiser Übersetzung "Tannin, Tannic Acid" |

D15 |Brochure "Tannic Acid" by Fuji mit eingereichter teilweiser Übersetzung |

D22 |F. L. Buchholz, A. T Graham (ed.), "Modern Superabsorbent Technology", Wiley-VCH, New York 1998 |

D30 |Römpps Chemie-Lexikon, Achte Auflage, Franckh'sche Verlagshandlung 1988, Seite 4121, "Tannine" |

D39 |R. D. Lillie, "A Histochemical Reaction from 1807: Iron Tannin", Journal of Histochemistry and Cytochemistry, 1972, Vol. 20(4), 295-296 |

D40 |J. Logan, "Tannic Acid treatment", CCI Notes 9/5, 1989 |

D41 |A. Dacosta et al., "Scanning electron microscopic characterization of iron-gall inks from different tannin sources - applications for cultural heritage", Chemical Technology Vol. 8, No.4, 2014|

D48 |F. L. Buchholz , N. A. Peppas (ed.); Superabsorbent Polymers, ACS Symposium Series 573, Washington 1994, Chapter 2 "Preparation Methods of Superabsorbent Polyacrylates" |

D52 |Versuchsbericht von Dr. Asif Stöckel-Karim vom 08.04.2016 |

A054**(*)|WO2006/109845 |

*: Nummerierung gemäß der konsolidierten Liste, zur elektronischen Akte am 7. Mai 2020; das Dokument wird von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung als D53, D56 und D52 bezeichnet.

V. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, die beanspruchten wasserabsorbierenden Polymerpartikel seien ausreichend offenbart worden, ebenso wie das Verfahren zu deren Herstellung und die daraus hergestellten Hygieneartikel. Neuheit gegenüber D1-D4 sei gegeben, da diese Dokumente insbesondere nicht den beanspruchten niedrigen Gehalt an Eisenionen offenbarten, auch nicht implizit. Ausgehend von D2 sei der Gegenstand der Ansprüche auch durch Kombination mit den Dokumenten D13-D15, D22, D30, D39 oder D40 nicht nahegelegt. Die in D52 enthaltenen Testdaten wurden als Bestätigung dafür angeführt.

VI. Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Beschwerdebegründung ihre Ansicht zum Ausdruck, die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung sei fehlerhaft. Der Inhalt der Ansprüche sei aus dem Stand der Technik nahegelegt. Ausführbarkeit und Neuheit wurden nicht angegriffen.

Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Mündliche Verhandlung (Artikel 116 EPÜ) wurde nicht beantragt.

VII. Die Beschwerdegegnerin verteidigt in der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung die Entscheidung der Einspruchsabteilung.

Sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Im Zuge dessen beantragt sie, das von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument A054 nicht ins Verfahren zuzulassen. Sie beantragt außerdem, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, falls die Kammer nicht auf Zurückweisung der Beschwerde entscheidet.

VIII. Die weitere Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 1) hat im Beschwerdeverfahren weder Anträge gestellt noch Eingaben gemacht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Entscheidung im schriftlichen Verfahren

Weder die Beschwerdeführerin noch die weitere Verfahrensbeteiligte haben einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Die Beschwerdegegnerin hat einen solchen Antrag nur hilfsweise gestellt, falls die Kammer die Beschwerde nicht zurückzuweisen beabsichtigt. Die Kammer selbst hält die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht für sachdienlich (Artikel 116(1) EPÜ).

Die vorliegende Entscheidung beruht auf Gründen, die in der angefochtenen Entscheidung und in den Eingaben der Parteien im Beschwerdeverfahren diskutiert wurden und zu denen sich die Parteien äußern konnten. Rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 EPÜ ist daher für alle Parteien auch ohne das Abhalten einer mündlichen Verhandlung gewahrt.

3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.1 Einziger Streitpunkt im Verfahren ist die Frage, ob der Inhalt der Patentansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht oder nicht.

Die Patentansprüche richten sich auf ein Verfahren zur Herstellung von tanninbeschichteten Polymerpartikeln und die entsprechend erhaltenen Produkte. Charakteristisches Merkmal der beanspruchten Produkte sind niedrige Gehalte an Eisenionen, die durch die im Verfahrensanspruch verlangte Verwendung von weitgehend eisenfreier Natronlauge und eisenfreien Polymerisationsinitiatoren sowie die Verwendung von Edelstahl- oder Polymerrohren zum Natronlaugetransport erreicht werden. Dies soll einer Verfärbung der Polymerpartikel entgegenwirken, siehe Absatz [0026] der Patentschrift.

3.2 Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung ausgehend von D2 als nächstem Stand der Technik das Vorliegen einer erfinderische Tätigkeit bejaht, siehe Punkt 14 der angefochtenen Entscheidung.

In der Beschwerdeschrift bezieht sich die Beschwerdeführerin ausschließlich auf den Verfahrensanspruch 1 (Punkt 14.2 der angefochtenen Entscheidung); für den Produktanspruch 7 (Punkt 14.2 der angefochtenen Entscheidung) werden keine separaten Argumente vorgebracht. Daher wird im folgenden auf den Produktanspruch nicht näher eingegangen.

Die Kammer hält die Begründung der Einspruchsabteilung für zutreffend, auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente. Die Gründe dafür werden im Folgenden ausgeführt.

3.3 Den nächsten Stand der Technik bildet D2. D2 offenbart superabsorbierende Polymerpartikel, die zur Geruchsbindung mit Tanninen beschichtet sind.

Der Unterschied von Anspruch 1 des vorliegenden Patents im Vergleich zu D2 liegt darin, dass im beanspruchten Verfahren die zur Neutralisation verwendete Base einen Eisengehalt von unter 5 ppm aufweist und dass zu deren Förderung Leitungen aus Edelstahl oder Polymermaterialien verwendet werden.

Diese Maßnahmen führen dazu, dass einer Verfärbung der Polymerpartikel entgegengewirkt wird.

Die zu lösende technische Aufgabe bestand daher darin, ausgehend von D2 tanninhaltige Superabsorber vor Verfärbung zu bewahren.

Dies alles wurde von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung so festgehalten und ist zwischen den Parteien unstrittig. Insbesondere schließt sich die Beschwerdeführerin dem an (siehe Punkt I der Beschwerdebegründung). Daher erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

3.4 Zur Lösung der Aufgabe wird im beanspruchten Verfahren Natronlauge mit einem Eisengehalt von <5 ppm sowie Edelstahl- oder Polymerrohre zu deren Förderung verwendet.

Die Beschwerdeführerin hat nicht explizit bestritten, dass die Aufgabe durch diese Maßnahmen gelöst wird. Sie hat allerdings argumentiert, dass ein Unterschied zwischen der Verwendung von Rohren aus (nicht rostfreiem) Schwarzstahl und solchen aus Edelstahl nicht belegt sei. Die Auswahl des Rohrmaterials, wie in Anspruch 1 verlangt, sei daher willkürlich. Dabei wurde auf den Versuchbericht D52 verwiesen, der im Einspruchsverfahren von der jetzigen Beschwerdegegnerin eingereicht wurde.

Im Versuchsbericht D52 wird eisenfreie Natronlauge sowohl mit Schwarzstahl als auch mit Edelstahl in Kontakt gebracht. Es stellt sich heraus, dass, obwohl die Konzentration der Eisenionen in beiden Fällen <5 ppm beträgt, die Verwendung der mit Schwarzstahl in Kontakt gekommenen Lauge im beanspruchten Verfahren zu Verfärbungen der Polymerpartikel führt. Bei der mit Edelstahl in Kontakt gekommenen Lösung ist dies nicht der Fall. Die Einspruchsabteilung sowie die Beschwerdegegnerin sehen dies als Beweis, dass nicht allein die im Anspruch definierte Konzentration von Eisenionen, sondern auch die im Anspruch definierte Auswahl des Materials der Rohrleitungen entscheidend ist.

Die Kammer schließt sich dem an. Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, die genauen Eisengehalte der Lösungen seien aus D52 nicht bekannt und es sei möglich, dass die mit Schwarzstahl in Kontakt gekommene Lösung mehr Eisenionen enthält. Dieses Argument ist allerdings nicht als Begründung für die behauptete Willkür in der Materialauswahl geeignet. D52 zeigt, dass eine Kombination von Eisengehalten <5 ppm mit der Verwendung von Edelstahl das technische Problem löst, wohingegen die Bedingung des Eisengehalts <5 ppm alleine nicht dafür ausreicht.

Die oben definierte technische Aufgabe wird daher durch das beanspruchte Verfahren gelöst.

3.5 Die Beschwerdeführerin hält die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, diese Lösung der technischen Aufgabe beruhe auf erfinderischer Tätigkeit, für falsch. Ihrer Ansicht nach wäre der Fachmann ausgehend von D2 durch verschiedene Dokumente im Stand der Technik ohne erfinderisches Zutun auf die beanspruchte Lösung gekommen. Dazu wurden verschiedene Argumentationslinien vorgebracht.

3.5.1 D2 in Kombination mit D13-D15, D30, D39-D41 (Eisengallustinten)

Es ist bekannt, dass tanninhaltige Lösungen mit Eisenionen dunkle Niederschläge bilden. Dieses Wissen wird seit Jahrhunderten zur Herstellung sogenannter Eisengallustinten verwendet.

Die Beschwerdeführerin argumentiert, insbesondere D13 und D30 als Fachlexika seien dem Fachmann wohlbekannt. Ein Fachmann hätte daher die Farbreaktion von Tanninen mit Eisenionen gekannt. Auch aus der Produktbroschüre D15 hätte ein Fachmann schon beim Einkauf der Chemikalien zur Nacharbeitung des nächsten Standes der Technik (D2) bemerkt, dass Tannine mit Eisenionen eine dunkle Färbung ergeben. Die genaue Obergrenze könne der Fachmann dann durch Routineversuche ermitteln. Die Verwendung von rostfreien Edelstahl- oder Kunststoffleitungen sei technisch alternativlos und daher selbstverständlich.

Die Kammer ist allerdings mit der Einspruchsabteilung der Meinung, ein Fachmann hätte ausgehend von D2 nicht ohne erfinderisches Zutun zur beanspruchten Lösung des Problems gefunden. Selbst, wenn man der Beschwerdeführerin insoweit folgt und annimmt, der Fachmann habe von der Existenz der Farbreaktion gewusst (D13, D15, D30), so legt doch der Stand der Technik weder eisenfreies Arbeiten noch die dazu vorgenommenen Maßnahmen nahe. D2 selbst schlägt explizit die Verwendung von Eisenionen zur Oberflächenvernetzung der tanninbeschichteten Polymerpartikel vor (siehe Absatz [0019]), ohne dabei auf eventuelle Nachteile in Bezug auf den Farbeindruck hinzuweisen. Die Beschwerdeführerin konnte auf keine Offenbarung verweisen, die durch Eisen verursachte Verfärbungen tanninhaltiger Materialien im angegebenen Konzentrationsbereich betrifft, umso weniger Offenbarungen, die zusätzlich die Verwendung von Edelstahl- oder Polymerrohren zur Förderung von eisenfreier Natronlauge erwähnen. Zwar wurde vorgebracht, die Verwendung solcher Rohre sei alternativlos; es wurde allerdings auf kein Dokument verwiesen, in dem solche Rohre verwendet werden, geschweige denn im hier vorliegenden Zusammenhang. Dass eine Kombination dieser Maßnahmen zu Farbstabilität der tanninbeschichteten Polymerpartikel führen würden, war für den Fachmann den zitierten Dokumenten demnach nicht zu entnehmen.

3.5.2 D2 in Kombination mit D22 (allgemeines Fachwissen zu Superabsorbern)

D22 ist ein Auszug aus einem Buch zur Technologie von Superabsorbern. D22 beschreibt in dem Seite 71 und 72 übergreifenden Absatz, dass Eisen als Verunreinigung in der als Monomer in der Polymerisation verwendeten Acrylsäure unerwünschte Wirkungen während der Polymerisation haben kann, die sich in der Qualität des Endprodukts widerspiegeln. Diese Probleme träten bereits beim Vorhandensein sehr geringer Mengen auf.

Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass bereits aus diesem Grund ein Fachmann bestrebt gewesen wäre, den Eisengehalt möglichst niedrig zu halten; dieses Bestreben ginge konform mit dem Wissen um die färbende Wirkung von Eisengallustinten.

D22 erläutert die nachteilige Wirkung eines schwankenden Gehalts an Eisenionen auf die Polymerisation, da diese katalytisch aktiv sind. Wie von der Beschwerdegegnerin richtigerweise angeführt, ist dies auch aus anderen Dokumenten bekannt, beispielsweise aus dem Übersichtsartikel D48 (siehe Seite 32, zweiter Absatz). Wie dort erklärt ist, wird variablen und daher unkontrollierbaren Konzentrationen von katalytisch aktiven Eisenionen üblicherweise durch den Einsatz von Chelatbildnern entgegengewirkt, d. h. die Eisenionen werden maskiert. Ein Fachmann findet hier weder Hinweise auf die maximal tolerierbare Konzentration von Eisenionen in der zur Neutralisation verwendeten Natronlauge, noch zur Verwendung bestimmter Materialien zu deren Transport, noch zur Frage der Verfärbung der Produkte. D22 und D48 befassen sich an den angegebenen Stellen auch nicht mit Verunreinigungen in der Natronlauge, sondern mit Verunreinigungen in der als Monomer verwendeten Acrylsäure (D22) bzw. des als Lösungsmittel verwendeten Wassers (D48).

Auch in Zusammenschau mit dem Wissen um die färbende Wirkung von Eisengallustinten führt das allgemeine Fachwissen über Superabsorber den Fachmann ausgehend von D2 daher nicht zum beanspruchten Verfahren.

3.5.3 Rückschauende Betrachtungsweise

Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung ausgeführt, die Ansicht, dass das Wissen über Eisengallustinten automatisch zur Erfindung führen würde, entspringe einer rückschauenden Betrachtungsweise (Punkt 14.2.8). Die Beschwerdeführerin bestreitet dies und hat hierzu vorgetragen, eine rückschauende Betrachtungsweise liege nur dann vor, wenn Fachwissen bei der Bewertung einer Erfindung in Betracht gezogen werde, das erst nach der Erfindung entstanden ist. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da das Fachwissen über Eisengallustinten zum Anmeldezeitpunkt bereits bekannt war.

Die Kammer kann der von der Beschwerdeführerin gegebenen Definition einer rückschauenden Betrachtungsweise nicht zustimmen. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Begründung klar zum Ausdruck gebracht, und die Kammer schließt sich dem an, dass eine rückschauende Betrachtungsweise dann vorliegt, wenn die Kenntnis der Erfindung eine zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht naheliegende Erfindung als naheliegend erscheinen lässt. Im vorliegenden Fall mag es in Kenntnis der Erfindung nahegelegen haben, im beanspruchten Verfahren im wesentlichen eisenfreie Natronlauge zu verwenden, um eine Verfärbung der tanninbeschichteten Polymerpartikel zu vermeiden. Zum Zeitpunkt der Anmeldung des vorliegenden Patents und ausgehend von D2 war dies jedoch aus den oben ausgeführten Gründen nicht der Fall.

3.6 Das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Zulassung von A054 ins Beschwerdeverfahren

A054 wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007, der hier wegen der Übergangsbestimmungen des Artikels 25 VOBK 2020 einschlägig ist, liegt es im Ermessen der Kammer, dieses Dokument vom Verfahren auszuschließen, falls es bereits im Einspruchsverfahren hätte eingereicht werden können.

Die Beschwerdeführerin hat angeführt, es sei erst aus der Begründung der Einspruchsentscheidung ersichtlich gewesen, dass Dokumente für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant sind, die sowohl einen geringen Eisengehalt, als auch die damit verbundene Farbwirkung zum Gegenstand haben. Eine Recherche nach solchen Dokumenten habe daher nicht zu einem früheren Zeitpunkt stattfinden können, zumal die Beschwerdeführerin davon ausgegangen sei, das im Einspruchsverfahren vorgebrachte Material sei für einen Widerruf des Patents bereits ausreichend.

Diese Begründung vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Die Beschwerdegegnerin hat mit Recht angemerkt, dass die Frage der Kontrolle des Eisengehalts und der damit verbundenen Verringerung der Verfärbungsneigung der tanninbeschichteten Polymerpartikel bereits in der Patentschrift behandelt wird (Absatz [0026]). Eine Recherche nach Dokumenten, die sich mit diesem erfindungswesentlichen Problem beschäftigen, hätte daher bereits spätestens nach der Erteilung des Patents durchgeführt werden können bzw. sollen und entsprechende Dokumente wären zu Beginn des Einspruchsverfahrens einzureichen gewesen. Dass die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidungsbegründung den Argumenten der Patentinhaberin folgt, ist jedenfalls keine Rechtfertigung, eine solche Recherche erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens durchzuführen.

Im übrigen beschäftigt sich A054 weder mit tanninhaltigen Polymeren, noch mit der Auswahl von Materialien für Rohrleitungen zur Förderung von Natronlauge und geht daher ohnehin nicht über die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente hinaus.

A054 wird daher unter Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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