European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T025718.20211104 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 November 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0257/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08020689.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07C 201/08 C07C 205/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Nitrobenzol durch adiabate Nitrierung | ||||||||
Name des Anmelders: | Covestro Deutschland AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Josef Meissner GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Zulässigkeit der Änderungen (nein) Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 2 070 907 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent auf der Grundlage von Artikel 100(a) wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), sowie unter Artikel 100(b) und (c) EPÜ angegriffen worden.
III. Unter anderem wurde auf die folgenden Dokumente verwiesen, die auch für die vorliegende Entscheidung relevant sind:
D1: EP 0 156 199 A1
D3c: US 6,288,289 B1
D6: EP 1 291 078 A2
D7a: EP 0 668 263 A1
D10: Karl-Heinz Wehde et al.: Wissenschaftliche
Forschungsarbeit, Synopse 1338,
"Löslichkeitsverhalten anorganischer Sulfate in
Schwefelsäuren unterschiedlicher Konzentration",
Chem.-Ing.-Tech. 57, Nr. 4, S. 348-349 (1985)
IV. Im Einspruchsverfahren verteidigte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) ihr Patent in geänderter Form. Die Einspruchsabteilung erachtete die vorgelegten Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3) als zulässig. Sie kam ferner zu dem Schluss, dass die im Hauptantrag durchgeführten Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfüllten, dass der beanspruchte Gegenstand klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ, sowie für die Fachperson ausführbar offenbart im Sinne des Artikels 83 EPÜ sei. Ferner sei das beanspruchte Verfahren neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D3c (Artikel 54 EPÜ). Es beruhe zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der technischen Lehren der Dokumente D1 oder D3c (Artikel 56 EPÜ).
V. Gegen diese Entscheidung wurde von der Einsprechenden fristgerecht Beschwerde eingelegt.
VI. Von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wurden in ihrer Erwiderung auf die Beschwerde Argumente vorgebracht in Bezug auf die Zulässigkeit und Gewährbarkeit ihres Hauptantrags - dem im Einspruchsverfahren verteidigten Hauptantrag - sowie betreffend Zulässigkeit und Gewährbarkeit der mit demselben Schriftsatz eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5. Die Hilfsanträge 1 bis 3 waren bereits während des Einspruchsverfahrens vorgelegt worden.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit. Gleichzeitig wurden die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung geladen.
VIII. In Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer wurde von beiden Parteien je ein weiterer Schriftsatz vorgelegt mit zusätzlichen Argumenten bezüglich Zulässigkeit und Gewährbarkeit der Anträge.
IX. Am 4. November 2021 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz statt.
X. Der vorliegende Hauptantrag enthält einen unabhängigen Anspruch, der den folgenden Wortlaut hat:
Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Nitrobenzol durch adiabate Nitrierung von Benzol mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure, dadurch gekennzeichnet,
dass das bei der Nitrierung erhaltene Reaktionsgemisch in eine wässrige und eine organische Phase getrennt wird, aus der wässrigen Phase anschließend Wasser verdampft wird,
und die dabei erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure teilweise in einem Maß in die Nitrierung zurückgeführt wird,
und zusätzlich Schwefelsäure einer Konzentration von größer 65 Gew.-% in einem Maß in die Nitrierung eingeführt wird,
dass die Summe der Konzentrationen der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone kleiner als 900 mg/l und dabei für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist, jeweils bezogen auf das Volumen der wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure.
XI. Anspruch 1 des für die vorliegende Entscheidung relevanten ersten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut (Ergänzungen gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags wurden von der Kammer hervorgehoben):
Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Nitrobenzol durch adiabate Nitrierung von Benzol mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure, dadurch gekennzeichnet, dass das bei der Nitrierung erhaltene Reaktionsgemisch in eine wässrige und eine organische Phase getrennt wird, aus der wässrigen Phase anschließend Wasser verdampft wird,
und die dabei erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure teilweise als Kreislaufsäure in einem Maß in die Nitrierung zurückgeführt wird,
und zusätzlich Schwefelsäure mit einer vergleichbaren oder größeren Konzentration als diejenige der Kreislaufsäure, nämlich einer Konzentration von größer 65 Gew.-%, in einem Maß in die Nitrierung eingeführt wird,
dass die Summe der Konzentrationen der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone kleiner als 900 mg/l und dabei für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist, jeweils bezogen auf das Volumen der wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure.
XII. Anspruch 1 des für die vorliegende Entscheidung ebenfalls relevanten zweiten Hilfsantrags hat den folgenden Wortlaut (Ergänzungen gegenüber Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurden von der Kammer hervorgehoben):
Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Nitrobenzol durch adiabate Nitrierung von Benzol mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure, dadurch gekennzeichnet, dass das bei der Nitrierung erhaltene Reaktionsgemisch in eine wässrige und eine organische Phase getrennt wird, aus der wässrigen Phase anschließend Wasser verdampft wird,
und die dabei erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure teilweise als Kreislaufsäure in einem Maß in die Nitrierung zurückgeführt wird,
und zusätzlich Schwefelsäure mit einer vergleichbaren oder größeren Konzentration als diejenige der Kreislaufsäure, nämlich einer Konzentration von größer 65 Gew.-% und einem Gehalt an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen von 100 mg/l oder weniger, in einem Maß in die Nitrierung eingeführt wird,
dass die Summe der Konzentrationen der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone kleiner als 900 mg/l und dabei für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist, jeweils bezogen auf das Volumen der wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure.
XIII. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vor:
Der Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 2 seien "vom Verfahren auszunehmen bzw. nicht zuzulassen und zurückzuweisen". Die Anträge seien im Rahmen der ersten Instanz verspätet vorgebracht worden, und zudem formal unzulässig. So seien Merkmale aufgenommen worden, die ursprünglich lediglich in der Beschreibung offenbart worden seien. Zudem seien mit den Anträgen nicht alle von der Einspruchsabteilung "im Ladungsbescheid" erhobenen Einwände adressiert oder ausgeräumt worden.
Die vorgelegten Anträge erfüllten nicht das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ. Durch die gegenüber der ursprünglich eingereichten Anmeldung vorgenommenen Änderungen seien Merkmale in die jeweiligen Ansprüche 1 aufgenommen worden, ohne dabei zu berücksichtigen, dass diese Merkmale ursprünglich lediglich in Kombination mit weiteren Merkmalen offenbart worden seien. Die sich daraus ergebenden neuen Merkmalskombinationen fänden keine Stütze in der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Die durchgeführten Änderungen führten zudem zu Klarheitsmängeln, und somit zu einem Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Der beanspruchte Gegenstand sei nicht ausreichend offenbart, und damit von der Fachperson nicht ausführbar im Sinne des Artikels 83 EPÜ.
Die Hilfsanträge 1 und 2 erfüllten ferner nicht die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ, da nicht alle durchgeführten Änderungen durch Einspruchsgründe hervorgerufen seien.
Schließlich sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 nicht neu, insbesondere nicht im Hinblick auf die Offenbarung des Dokuments D3c (Artikel 54 EPÜ), und der Gegenstand sämtlicher Anträge beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere ausgehend von der Offenbarung der Dokumente D1 oder D3c (Artikel 56 EPÜ).
XIV. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerde und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vor:
Die Zulässigkeit der vorgelegten Anträge sei nicht zu beanstanden, da sie bereits im Einspruchsverfahren, und zwar sowohl rechtzeitig als auch in Reaktion auf einen vorgebrachten Einwand vorgelegt worden seien.
Eine Basis für alle durchgeführten Änderungen finde sich in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen sowie in der Beschreibung.
Die vorgebrachten Klarheitsmängel seien nicht zu berücksichtigen, da sie sich auf Merkmale bezögen, die bereits in den erteilten Patentansprüchen enthalten seien.
Ebenso seien die vorgebrachten Einwände mangelnder Ausführbarkeit zu verwerfen, da es sich hierbei höchstens um Klarheitsmängel handle.
Die in den Hilfsanträgen durchgeführten Änderungen seien allesamt notwendig, insbesondere als Reaktion auf die Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, ohne dabei zu zusätzlichen Einwänden zu führen.
Neuheit sei für den Anspruchsgegenstand der vorgelegten Anträge ebenso anzuerkennen wie erfinderische Tätigkeit. Insbesondere seien durch die im Streitpatent enthaltenen Beispiele technische Wirkungen gezeigt, die für die Fachperson aus dem betrachteten Stand der Technik nicht ableitbar seien.
XV. Anträge der Parteien
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 5 aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung und Berücksichtigung des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2
Die Kammer folgt dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtzulassung aus folgenden Gründen nicht:
1.1 Der vorliegende Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 2 Anträge wurden im Laufe des Einspruchsverfahrens eingereicht, nämlich in Erwiderung auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung, die den Parteien im Anhang der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden war. Die Einspruchsabteilung hat die Anträge zum Verfahren zugelassen. Sie hat dies damit begründet, dass das Vorgehen der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin eine direkte Reaktion sei auf die erst in der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit aufgeworfenen Punkte. Daher hätten nach Ansicht der Einspruchsabteilung die Anträge nicht früher eingereicht werden können. Zwar seien die Änderungen aus der Beschreibung aufgenommen worden, dies allein sei jedoch kein Grund dafür, einen Antrag nicht zuzulassen. Zudem seien die Änderungen keineswegs besonders umfassend, komplex oder überraschend.
1.2 Im Anhang der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung war erläutert worden, dass das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht anerkannt werden könne. Als Grund wurde angegeben, aufgrund der im Anspruch fehlenden Angaben der Konzentrationen von Calcium und Eisen werde nicht gezeigt, dass die technische Aufgabe über die gesamte Anspruchsbreite gelöst werde (siehe Seite 7, zweiter Absatz). Daraufhin wurden von der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin Anträge eingereicht, die dem Einwand durch Aufnahme der besagten Merkmale Rechnung tragen sollten. Da diese Anträge zudem auch innerhalb der von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist unter Regel 116(1) EPÜ eingereicht worden waren, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Einspruchsabteilung ihr Ermessen die Anträge zuzulassen fehlerhaft ausgeübt haben sollte. Daher sieht die Kammer auch keinen Grund, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtzulassung der genannten Anträge zu entsprechen.
Hauptantrag
2. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
2.1 Die Ansprüche 1, 3 und 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung haben den folgenden Wortlaut:
1. Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Nitrobenzol durch adiabate Nitrierung von Benzol mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure, dadurch gekennzeichnet, dass die Summe der Konzentrationen der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone kleiner als 900 mg/1, bezogen auf das Volumen der wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure, ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das bei der Nitrierung erhaltene Reaktionsgemisch in eine wässrige und eine organische Phase getrennt wird, aus der wässrigen Phase anschließend Wasser verdampft wird, und die dabei erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure zumindest teilweise in die Nitrierung zurückgeführt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die aus der Verdampfung von Wasser erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure in die Nitrierung teilweise zurückgeführt wird, und zusätzlich Schwefelsäure einer Konzentration von größer 65 Gew.-% in die Nitrierung eingeführt wird.
2.2 Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich vom ursprünglich eingereichten Anspruch 1 damit zunächst durch folgende Merkmale:
"... dass das bei der Nitrierung erhaltene Reaktionsgemisch in eine wässrige und eine organische Phase getrennt wird, aus der wässrigen Phase anschließend Wasser verdampft wird,
und die dabei erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure teilweise in einem Maß in die Nitrierung zurückgeführt wird,
und zusätzlich Schwefelsäure einer Konzentration von größer 65 Gew.-% in einem Maß in die Nitrierung eingeführt wird, ..."
Zusätzlich hierzu wurden die Merkmale aufgenommen, dass die Konzentration der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone "für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist".
2.3 Die vorgenommenen Änderungen beziehen sich somit insbesondere auf das teilweise Rückführen aufkonzentrierter Schwefelsäure und das Einführen zusätzlicher Schwefelsäure in die Nitrierung. Diese beiden Maßnahmen müssen gemäß Anspruchswortlaut "in einem Maß" durchgeführt werden, "dass die Summe der Konzentrationen der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone kleiner als 900 mg/l und dabei für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist, jeweils bezogen auf das Volumen der wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure".
2.4 Als Basis für die zugefügten Merkmale verwies die Beschwerdegegnerin auf die abhängigen Ansprüchen 3 und 4, sowie zusätzlich auf die Seite 5, Zeilen 3 bis 15 der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung.
2.5 Die genannten Passagen bieten aus folgenden Gründen keine ausreichende Stütze für die Änderungen:
2.5.1 Aus den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4 geht unter anderem hervor, dass die nach Phasentrennung des bei der Nitrierung erhaltenen Reaktionsgemischs und Verdampfen von Wasser aus der daraus abgetrennten wässrigen Phase "erhaltene aufkonzentrierte Schwefelsäure zumindest teilweise in die Nitrierung zurückgeführt wird" (Anspruch 3), und dass "zusätzlich Schwefelsäure einer Konzentration von größer 65 Gew.-% in die Nitrierung eingeführt wird" (Anspruch 4).
2.5.2 In den genannten Ansprüchen wird jedoch nicht offenbart, in welchem Maß das Rückführen aufkonzentrierter Schwefelsäure und das Einführen zusätzlicher Schwefelsäure in die Nitrierung durchgeführt werden muss. Ebenso werden darin nicht die Grenzwerte für Calcium (unterhalb von 100 mg/l) und Eisen (unterhalb von 300 mg/l) offenbart.
2.5.3 Eine Offenbarung dieser Merkmale an sich findet sich in den von der Beschwerdegegnerin herangezogenen Stellen der Beschreibung (Seite 5, Zeilen 3 bis 15). In den Zeilen 9 bis 12 wird beschrieben, dass die Schwefelsäure "in einem Maß ausgeschleust und erneuert" wird, dass die genannten Konzentrationen an Metallionen bevorzugt unterhalb der im geänderten Anspruch insbesondere für Calcium und Eisen angegebenen Grenzen bleiben.
2.5.4 Allerdings ist diese Offenbarung in Verbindung mit dem vorangestellten Absatz zu lesen (Zeilen 3 bis 8 der Seite 5). Dies ergibt sich daraus, dass der Absatz in Zeile 9 begonnen wird mit "Dabei wird die Schwefelsäure in einem Maß ausgeschleust und erneuert ...". Hierdurch wird ein Bezug hergestellt zwischen dem Maß des Ausschleusens und Erneuerns (ab Zeile 9) und den hierzu verwendeten Schwefelsäuren (Zeilen 3 bis 8).
Bei diesen im Absatz der Zeilen 3 bis 8 beschriebenen Schwefelsäuren handelt es sich jedoch um frische, metallionenarme Schwefelsäure.
Im geänderten Anspruch 1 wird die zusätzlich eingeführte Schwefelsäure jedoch lediglich durch das im ursprünglichen Anspruch 4 enthaltene Merkmal eingeschränkt, nämlich dass sie eine Konzentration von größer als 65 Gew.-% aufweist. Die Bedingung, dass die Schwefelsäure zusätzlich auch metallionenarm sein muss, wurde in den geänderten Asnpruch 1 nicht aufgenommen. Wie vorstehend erläutert, ist dieses Merkmal aber lediglich in Kombination mit dem Merkmal offenbart, welches das Maß des Erneuerns der Schwefelsäure definiert. Der geänderte Anspruch 1 bezieht sich jedoch auch auf ein Verfahren, bei dem die in die Nitrierung zusätzlich eingeführte Schwefelsäure nicht metallionenarm sein muss. Da diese Verfahrensvariante in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht offenbart wird, genügt die durchgeführte Änderung nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.
3. Da der Hauptantrag bereits aus diesem Grund nicht gewährbar ist, ist auf die weiteren Einwände der Beschwerdeführerin nicht mehr einzugehen.
Hilfsantrag 1
4. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die zurückgeführte Schwefelsäure "als Kreislaufsäure" in die Nitrierung zurückgeführt wird, und dass für die zusätzlich in die Nitrierung eingeführte Säure eine Schwefelsäure "mit einer vergleichbaren oder größeren Konzentration als diejenige der Kreislaufsäure, nämlich (...)" verwendet wird.
4.2 Der Anspruch enthält jedoch wie Anspruch 1 des Hauptantrags ebenfalls kein Merkmal, wonach die zugeführte Schwefelsäure "metallionenarm" ist. Daher ändert sich auch die Beurteilung über die Zulässigkeit der durchgeführten Änderungen nicht, und der Antrag erfüllt aus denselben Gründen wie der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
4.3 Da Hilfsantrag 1 somit ebenfalls nicht gewährbar ist, ist auch insoweit nicht mehr auf die weiteren diesen Antrag betreffenden Einwände der Beschwerdeführerin einzugehen.
Hilfsantrag 2
5. Erfordernisse der Regel 80 EPÜ
5.1 Die Beschwerdeführerin brachte hierzu insbesondere vor, die Aufnahme des Merkmals "als Kreislaufsäure" sowie des sich auf die Konzentration der in die Nitrierung eingeführten Schwefelsäure beziehenden, durch "nämlich" abgeschlossenen Merkmals, seien nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst. Sie führten lediglich zu einer Klarstellung der bereits im Anspruch vorhandenen Merkmale. Da aber Beanstandungen unter Artikel 84 EPÜ keinen Einspruchsgrund darstellten, seien diese Änderungen auch nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst und somit unter Regel 80 EPÜ unzulässig.
5.2 Die Beschwerdegegnerin verwies darauf, dass der Einwand verspätet vorgebracht und deshalb unzulässig sei. Zudem seien diese Änderungen vorgenommen worden, um Klarheitseinwände im Zusammenhang mit Merkmalen zu vermeiden, die aufgrund vorher vorgebrachter Beanstandungen in den Anspruch aufgenommen worden seien.
5.3 Dieser Einwand ist ungeachtet der Frage seiner Zulässigkeit nicht überzeugend:
Im Anspruch 1 des geänderten Hauptantrags wurde das beanspruchte Verfahren gegenüber der erteilten Fassung zunächst dahingehend eingeschränkt, "dass zusätzlich Schwefelsäure einer Konzentration von größer 65 Gew.-%" in die Nitrierung eingeführt wird. Die beiden unter Punkt 5.1 der vorliegenden Entscheidung genannten Merkmale wurden in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zusätzlich zu dieser Bedingung aufgenommen.
Dabei wird durch das mit "nämlich" abgeschlossene Merkmal ein Bezug hergestellt zwischen der Konzentration der eingeführten Schwefelsäure und der Kreislaufsäure. Es muss nämlich die eingeführte Schwefelsäure nunmehr nicht nur lediglich eine Konzentration von größer 65 Gew.-% aufweisen, sie muss vielmehr auch eine vergleichbare oder größere Konzentration aufweisen als die Kreislaufsäure. Die Aufnahme dieses Merkmals stellt somit eine zusätzliche Einschränkung dar bezüglich der eingeführten Schwefelsäure.
Durch die Aufnahme des Merkmals "als Kreislaufsäure" sollte nach den Erläuterungen der Beschwerdegegnerin einem möglichen Einwand mangelnder Klarkeit vorgebeugt werden. Dadurch werde der durch das voranstehend erläuterte Merkmal in den Anspruch eingeführte Ausdruck "der Kreislaufsäure" vorab im Anspruch definiert. Dies ist überzeugend.
Insgesamt ist daher im Vorgehen der Beschwerdegegnerin zumindest der Versuch zu sehen, die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit durch die Aufnahme weiterer, beschränkender Merkmale zu entkräften, und dies derart zu gestalten, dass dadurch keine zusätzlichen Mängel entstehen. Somit wurde die Aufnahme der Merkmale durch einen von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einspruchsgrund veranlasst.
5.4 Die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ werden daher erfüllt.
6. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
6.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung zunächst durch alle zusätzlichen Merkmale des Hilfsantrags 1 (siehe unter den Punkten 2.2 und 4.1 dieser Entscheidung). Zudem enthält der Anspruch die Maßgabe, dass die zusätzlich in die Nitrierung eingeführte Schwefelsäure einen "Gehalt an schwerlösliche Metallsalze bildenden Metallionen von 100 mg/l oder weniger" aufweist.
6.2 Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ für diesen Antrag sind aus folgenden Gründen als erfüllt anzusehen:
6.2.1 Im Gegensatz zu Anspruch 1 der vorangehenden Anträge enthält Anspruch 1 dieses Antrags ein Merkmal, das der unter Punkt 2.5.4 dieser Entscheidung erörterten Beanstandung der unzulässigen Änderung Rechnung trägt. Es wurde nämlich das Merkmal aufgenommen, dass die zusätzlich in die Nitrierung eingeführte Schwefelsäure dahingehend metallionenarm ist, dass sie einen "Gehalt an schwerlösliche Metallsalze bildenden Metallionen von 100 mg/l oder weniger" aufweist.
Dieses Merkmal wird in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 8, Zeilen 22 bis 30, sowie im ursprünglichen Anspruch 6 offenbart.
Eine Basis der verbleibenden, diesen Antrag betreffenden Änderungen findet sich in der ursprünglichen Beschreibung, nämlich in Zeile 3 der Seite 8 (teilweise Rückführung der aufkonzentrierten Schwefelsäure "als Kreislaufsäure"), in den Zeilen 22 bis 30 der Seite 8 (Einführung zusätzlicher Schwefelsäure "mit einer vergleichbaren oder größeren Konzentration als diejenige der Kreislaufsäure, nämlich"), sowie in den Zeilen 9 bis 15 der Seite 5 ("und dabei für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist").
6.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, durch die Kombination von ausgewählten Merkmalen sei eine neue technische Lehre entstanden, für die es in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen keine Basis gebe.
6.2.3 Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
Zunächst geht aus den Zeilen 22 bis 30 der Seite 8 hervor, dass die frisch zugeführte Schwefelsäure sowohl eine vergleichbare oder höhere Konzentration an H2SO4, als auch deutlich weniger Metallionen aufweisen soll als die Kreislaufsäure. Hierfür werden jeweils bevor-zugte Werte angegeben, nämlich größer als 65 Gew.-% sowie 100 mg/l oder weniger. Dies sind die in den Anspruch aufgenommenen Merkmale. Deren Kombination wird daher offenbart. Die genannte Passage auf Seite 8 bezieht sich auf die in den Zeilen 7 bis 8 der Seite 5 der ursprünglichen Beschreibung offenbarte Schwefelsäure (siehe unter Punkt 2.5.4 dieser Entscheidung). Dadurch werden die Merkmale, die sich auf den Gehalt an Metallionen in der zugeführten Schwefelsäure (100 mg/l oder weniger) und die Konzentration dieser Schwefelsäure (vergleichbare oder höhere Konzentration als diejenige der Kreislaufsäure) beziehen, mit denjenigen der Konzentrationen für Calcium und Eisen (unterhalb 100 mg/l bzw. unterhalb 300 mg/l) der Seite 5 in Kombination und im Zusammenhang mit dem beanspruchten Verfahren offenbart. Dass die aufkonzentrierte Schwefelsäure dabei "als Kreislaufsäure" in die Nitrierung zurückgeführt wird, ergibt sich der Fachperson zweifelsfrei in Kombination mit den weiteren Merkmalen des beanspruchten Verfahrens.
7. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
7.1 Die Beschwerdeführerin führte insbesondere die folgenden Punkte an, die ihrer Ansicht nach zu einem Verstoß gegen die Anforderungen des Artikels 84 EPÜ führten:
i) das Merkmal der für die Angabe der Konzentration verwendeten Einheit mg/l sei temperatur- und druckabhängig,
ii) die Konzentrationsangaben betreffend Calcium und Eisen seien jeweils bezogen auf das Volumen der wässrigen Phase enthaltend Schwefelsäure, jedoch sei in der Reaktionszone keine wässrige Phase vorhanden,
iii) durch die Angabe der Konzentrationsangaben für Calcium und Eisen bleibe offen, welche anderen Metallionen die sich durch die Änderung ergebende Differenz von 500 mg/l ausbildeten,
iv) die Löslichkeit von Salzen in Schwefelsäure sei von deren Wassergehalt abhängig; ohne Angabe des Wassergehalts der Schwefelsäure, dem Phasenverhältnis zwischen Nitriersäure und Organphase sowie der Temperatur im Nitriergemisch sei es der Fachperson nicht möglich, zu unterscheiden, ob der Effekt der Vermeidung des Ausfalls schwerlöslicher Metallsulfate über die gesamte beanspruchte Breite erreicht werden könne,
v) die Löslichkeitsgrenzen der von Calcium und Eisen verschiedenen schwerlöslichen Sulfate seien nicht angegeben, daher fehlten im Anspruch erfindungswesentliche Merkmale,
vi) ohne Angabe von Bestimmungsmethoden sei die Konzentrationsangabe der in die Nitrierung eingeführten Schwefelsäure für die Fachperson weder nachvollziehbar noch reproduzierbar; auch sei nicht klar, was unter dem Begriff einer "vergleichbaren" Konzentration zu derjenigen der Kreislaufsäure zu verstehen sei,
vii) der Fachperson sei der Begriff "Kreislaufsäure" unklar.
7.2 Diese Einwände können nicht überzeugen.
7.2.1 Zunächst beziehen sich die vorgebrachten Beanstandungen zwar auf Merkmale, die Anspruch 1 während des Einspruchsverfahrens zugefügt wurden (Konzentrationen in mg/l der Metallionen Calcium und Eisen sowie der Metallionen der zugeführten Schwefelsäure). Jedoch war die Konzentrationsangabe für die Metallionen bereits in den erteilten Ansprüchen 1 in derselben Einheit angegeben. Daher ist die Behandlung der vorstehend unter den Punkten i) und ii) vorgebrachten Beanstandungen, wie bereits von der Einspruchsabteilung festgestellt, im Hinblick auf die Entscheidung G 3/14 bei der Prüfung auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht möglich.
7.2.2 Bezüglich der unter den Punkten iii) bis vii) angeführten Merkmale ist aus folgenden Gründen kein Klarheitsmangel zu erkennen:
Für eine Definition des anspruchsgemäßen Verfahrens ist die Natur der zusätzlich vorhandenen Ionen ebenso unwesentlich, wie die Angabe der Löslichkeitsgrenzen von Calcium und Eisen im Anspruch.
Die Frage, ob der genannte Effekt auftritt oder nicht, ist im vorliegenden Fall nicht mit der Frage der Klarheit des anspruchsgemäß definierten Gegenstands verbunden. Insbesondere wird der Effekt nicht im Anspruch genannt.
Die Fachperson kann für eine gegebene Schwefelsäure bestimmen, ob sie in einer Konzentration von größer als 65 Gew.-% vorliegt. Zudem muss die Konzentration der zusätzlich eingeführten Schwefelsäure anspruchsgemäß zwingend "größer als 65 Gew.-%" sein. Somit ist auch kein Klarheitsmangel im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer "vergleichbaren" Konzentration gegeben.
Schließlich ist der Fachperson bereits ohne zusätzliche Information klar, was unter dem im Anspruch verwendeten Begriff "Kreislaufsäure" zu verstehen ist. Zudem wird der Begriff einerseits im Streitpatent selbst (Absatz [0031]), als auch an den von der Beschwerdegegnerin herangezogenen Passagen des Stands der Technik erläutert (beispielsweise D1: Seite 5, Zeile 12).
7.2.3 Der Antrag erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
8. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
8.1 Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung den Einwand der mangelnden Ausführbarkeit in Bezug auf den Hauptantrag verworfen.
Im Beschwerdeverfahren hielt die Beschwerdeführerin ihren Einwand auch in Bezug auf Hilfsantrag 2 aufrecht. Sie stützte ihre Argumentation im Wesentlichen auf die folgenden Punkte:
i) Anspruch 1 enthalte nicht alle essentiellen Maßnahmen, die erforderlich seien, um das gewünschte Ergebnis der Maximalkonzentration für die Summe der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen von 900 mg/l zu erreichen; somit handle es sich bei dem Merkmal lediglich um die Angabe eines zu erzielenden Ergebnisses,
ii) die Merkmale der Maximalkonzentration von 900 mg/l sowie der Konzentrationen von Calcium und Eisen seien nicht reproduzierbar, da diese auf eine Reaktionszone bezogen seien, eine solche Reaktionszone aber nicht Teil des beanspruchten Verfahrens sei,
iii) in der Reaktionszone existiere keine wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure, daher sei der Fachperson nicht ersichtlich, wie sie Konzentrationsangaben auf das Volumen dieser nicht existenten wässrigen Phase enthaltend Schwefelsäure beziehen solle,
iv) bei den auf die Maximalkonzentration sowie die Konzentrationen der Sulfate von Calcium und Eisen bezogenen Merkmale handle es sich um die Angabe von Parametern, die nicht fachüblich seien, und es fehle dem Streitpatent an der Angabe einer Mess- bzw. Bestimmungsmethode zu deren klarer, eindeutiger und reproduzierbarer Bestimmung, insbesondere unter Berücksichtigung der Temperatur- und Druckabhängigkeit dieser Parameter sowie der mangelnden Angabe über den genauen Ort und die genaue Reaktionszeit von deren Bestimmung; die Verwendung von Parametern sei zur Definition des Anspruchsgegenstands zudem lediglich dann zulässig, wenn eine anderweitige Definition nicht möglich sei,
v) der Begriff "schwerlösliche Metallsulfate" sei relativ, daher sei für die Fachperson nicht erkennbar, welche konkreten Metallsulfate davon umfasst seien,
vi) die Fachperson könne die patentgemäße Lehre nicht vom Stand der Technik unterscheiden,
vii) die kontinuierliche Abtrennung kleiner Mengen an Schwefelsäure aus einem Schwefelsäurekreislauf einer adiabatischen Nitrierung von Benzol sei im Rohrreaktor technisch aufwendig bis nahezu unmöglich.
8.2 Die Kammer schließt sich aus folgenden Gründen der Beurteilung durch die Einspruchsabteilung an:
8.2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist gerichtet auf ein Verfahren zur kontinuierlichen Herstellung von Nitrobenzol durch adiabate Nitrierung von Benzol mit einem Gemisch von Schwefelsäure und Salpetersäure. Um das beanspruchte Verfahren durchführen zu können, muss die Fachperson in die Lage versetzt werden, mit den im Patent angegebenen Informationen unter Zuhilfenahme ihres allgemeinen Fachwissens ein Verfahren durchzuführen, bei dem Nitrobenzol durch die im Anspruch angegebenen Verfahrensschritte hergestellt werden kann. Das der Fachperson hierzu notwendige Wissen muss außerdem ausreichend sein, um das Verfahren über die gesamte Breite des Anspruchs ohne unzumutbaren Aufwand nachzuarbeiten. Um einen Mangel an Ausführbarkeit festzustellen, müssen ernsthafte Zweifel bestehen, die durch nachprüfbare Tatsachen erhärtet werden.
8.2.2 Das beanspruchte Verfahren verlangt insbesondere eine Verfahrensführung, bei der Rückführen aufkonzentrierter Schwefelsäure und Einführen frischer Schwefelsäure bestimmter Qualität in die Nitrierung derart erfolgen, "dass die Summe der Konzentrationen der schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone kleiner als 900 mg/l und dabei für Calcium unterhalb von 100 mg/l und für Eisen unterhalb von 300 mg/l ist, jeweils bezogen auf das Volumen der wässrige Phase enthaltend Schwefelsäure". Ob weitere Effekte erreicht werden ist für die Frage der Ausführbarkeit nicht erheblich, da solche etwaigen Effekte nicht Teil der anspruchsgemäßen Definition des Verfahrens sind. Anspruchsgemäß muss jedoch sichergestellt werden, dass die genannten Konzentrationen nicht überschritten werden.
8.2.3 Die Beschwerdeführerin zweifelte insbesondere an, dass die Fachperson in der Lage sei, eine Messung der Konzentrationen der schwerlöslichen Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone durchzuführen. Sie ging daher davon aus, dass die Durchführung einer derartigen Messung für die Durchführung des beanspruchten Verfahrens erforderlich ist.
8.2.4 Die Kammer hält zunächst fest, dass in der Beschreibung des Streitpatents zumindest ein Beispiel offenbart wird, das zeigt, dass ein Verfahren zur Herstellung von Nitrobenzol durchgeführt wurde, bei dem eine Konzentration von schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen angegeben wird, und zwar in der wässrigen Phase enthaltend Schwefelsäure in der Reaktionszone (siehe Beispiel 3, insbesondere letzter Satz im Absatz [0048]). Die angegebene Konzentration liegt mit 400 mg/l unterhalb des anspruchsgemäßen Maximalwerts von 900 mg/l. Sie wurde augenscheinlich nach einer kontinuierlichen Reaktionsführung über einen Zeitraum von 6 Wochen gemessen. Inwiefern in diesem Beispiel auch die anspruchsgemäßen Grenzwerte für die Konzentrationen an Calcium und Eisen eingehalten werden, geht aus dem Beispiel nicht explizit hervor. Allerdings hat die Beschwerdeführerin kein Tatsachenvorbringen erstattet, warum dies nicht der Fall sein sollte. Somit ist davon auszugehen, dass der Fachperson im Patent selbst wenigstens ein Weg zur Ausführung des beanspruchten Verfahrens aufgezeigt wird.
8.2.5 Gemäß den Angaben in der Beschreibung des Streitpatents (siehe insbesondere die Absätze [0041], [0043] und [0046]) wird die Messung der Metallionenkonzentrationen mittels Atomabsorptionsspektrometrie durchgeführt. Nach den weiteren Ausführungen der Beschwerdegegnerin in ihrer Erwiderung zur Beschwerde hätte die Fachperson keine Probleme damit, eine Probe aus der in der Beschreibung erläuterten Reaktionszone (siehe die Absätze [0004] und [0024])zu entnehmen, und nach Abkühlen auf Raumtemperatur und damit einhergehender Phasentrennung die Ionenkonzentrationen unter Verwendung eines allgemein gebräuchlichen Atomabsorptionsspektrometers zu untersuchen.
Diese Argumentation ist überzeugend. Auch wenn die eigentliche Messung außerhalb der Reaktionszone stattfindet, sollten sich die erhaltenen Werte auf die Bedingungen innerhalb der Reaktionszone beziehen. Auch die Angabe einer Konzentrationen in der Einheit mg/l ist der Fachperson geläufig. In der Beschreibung werden zudem neben Calcium und Eisen weitere Metallionen angeführt, die zusammen mit Sulfat in Schwefelsäure schwerlösliche Metallsulfate bilden (siehe Absatz [0009]).
8.2.6 Die Beschwerdegegnerin erläuterte zudem, dass das Erreichen oder Überschreiten der anspruchsgemäßen Maximalwerte vermieden werden kann durch entsprechende Anpassung der zugeführten Menge an bereits verwendeter Schwefelsäure und der zugeführten Menge an frischer Schwefelsäure (siehe unter Punkt b) der Seite 10 der Beschwerdeerwiderung). Dies geht auch aus der Beschreibung des Streitpatents hervor (siehe insbesondere die Absätze [0017] und [0018] sowie Beispiel 3, Absatz [0048]).
8.2.7 Die Fachperson entnimmt der Beschreibung des Streitpatents auch, welche zusätzlichen Maßnahmen getroffen werden können, um den anspruchsgemäßen Maximalwert nicht zu überschreiten (siehe insbesondere die Absätze [0029], [0031] und [0034]).
8.2.8 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Fachperson keinen Unterschied zum Stand der Technik zu erkennen vermag, ist nicht überzeugend, da dies für die Frage der Ausführbarkeit des gegenwärtig beanspruchten Verfahrens unerheblich ist.
8.2.9 Die Beschwerdeführerin hat keine Beweisergebnisse für die bloße Behauptung ins Treffen geführt, dass die Durchführung des beanspruchten Verfahrens technisch aufwendig oder nahezu unmöglich wäre. Auch wenn man zwar gewisse Anforderungen an dessen Realisierung stellen mag, wird doch schon in der Beschreibung des Streitpatents gezeigt, dass dies durchaus möglich ist (vgl. unter Punkt 8.2.4 dieser Entscheidung).
8.3 Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente sind daher nicht geeignet, um einen Mangel an Ausführbarkeit im Sinne des Artikels 83 EPÜ aufzuzeigen.
9. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Nächstliegender Stand der Technik
9.1 Von den Parteien wurde erfinderische Tätigkeit ausgehend von den Dokumenten D1 und D3c argumentiert. Prinzipiell eignen sich beide dieser Dokumente als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Beide Dokumente beschäftigen sich, wie das Streitpatent, mit Nitrierverfahren zur Herstellung von Nitrobenzol aus Benzol mittels einer Mischung aus Schwefel- und Salpetersäure.
Unterscheidungsmerkmale
9.2 Weder in D1, noch in D3c werden Werte für die Konzentrationen an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen, insbesondere Calcium und Eisen, in der Reaktionszone angegeben. Zudem wird in den genannten Dokumenten auch kein Gehalt an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der eingeführten Schwefelsäure offenbart. Dies war zwischen den Parteien unstrittig.
9.3 Von der Beschwerdeführerin wurde unter Verweis auf Berechnungen zum in D3c offenbarten Verfahren jedoch vorgebracht, dass sich die anspruchsgemäß angegebenen Werte der Metallionen in der Reaktionszone in D3c automatisch einstellten, da auch die Volumenströme dieselben seien wie im anspruchsgemäßen Verfahren. Somit sei in den Metallionenkonzentrationen kein Unterscheidungsmerkmal zu sehen.
9.4 Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Selbst unter der Annahme, dass die Volumenströme identisch sind, lässt sich daraus nicht eindeutig auf die anspruchsgemäß geforderten Konzentrationen schließen. Insbesondere wird dabei weder die Qualität der verwendeten Säuren berücksichtigt, noch die Bildung von Metallsulfaten, die gemäß Dokument D1 durch Korrosion in die Schwefelsäure gelangen (D1: Seite 6, Zeilen 12 bis 13).
9.5 Von der Beschwerdeführerin wurde diesbezüglich weiter argumentiert, die Fachperson würde zweifelsohne nur Säuren bester Qualität verwenden. Daher seien diese nicht mit Metallionen verunreinigt.
9.6 Auch dieses Vorbringen ist nicht überzeugend. Zwar wird die Fachperson nach Möglichkeit für jeden Prozess nur Ausgangsmaterialien verwenden, die eine ausreichende Qualität aufweisen. Hier wird sie jedoch nicht zwangsläufig auf die bestmögliche Qualität zurückgreifen können, da sie insbesondere auch wirtschaftliche Aspekte des durchzuführenden Verfahrens zu berücksichtigen hat.
9.7 Daher kann, selbst bei vergleichbaren Mengen an zugeführter bzw. ausgeführter Schwefelsäure, nicht davon ausgegangen werden, dass die anspruchsgemäßen Konzentrationen zwingend in den in D1 oder D3c beschriebenen Verfahren eingehalten werden. Deshalb kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die genannten Merkmale zumindest implizit in den genannten Verfahren realisiert werden.
9.8 Somit unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren von den sowohl aus D1, als auch aus D3c bekannten Verfahren zunächst durch die Konzentrationen an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen, insbesondere Calcium und Eisen, in der Reaktionszone, sowie durch den Gehalt an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der eingeführten Schwefelsäure. Zudem erfolgt die Rückführung aufkonzentrierter Schwefelsäure und die Einführung zusätzlicher Schwefelsäure in die Nitrierung in einem Maß, dass die genannten Ionenkonzentrationen in der Reaktionszone unterhalb der im Anspruch angegebenen Werte liegt.
Technische Aufgabe und vorgeschlagene Lösung
9.9 Die Parteien vertraten unterschiedliche Auffassungen über die durch die Unterscheidungsmerkmale hervorgerufene technische Wirkung. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin könne die gelöste technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer Alternative gesehen werden, da die im Streitpatent enthaltenen Beispiele keinen Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik zuließen.
9.10 Die Kammer folgt dieser Ansicht nicht. Im Streitpatent werden Beispiele angeführt, aus denen insbesondere hervorgeht, dass nur durch Einhaltung der anspruchsgemäßen Konzentrationen an Calcium (unterhalb von 100 mg/l) und Eisen (unterhalb von 300 mg/l), sowie durch teilweise Rückführung der aufkonzentrierten Schwefelsäure und zusätzliches Einführen frischer Schwefelsäure, die zudem auch das anspruchsgemäße Merkmal eines Gehalts an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen von 100 mg/l oder weniger erfüllt, über einen Zeitraum von 12 Wochen Ablagerungen am Wärmetauscher der Nitrieranlage vermieden werden (Beispiele 2 und 3).
So betragen im Beispiel 3 die Konzentration an Calcium und Eisen in der Kreislaufsäure 90 bzw. 100 mg/l, bei einem Gesamtgehalt der Metallionen in der Reaktionszone von 200 mg/l, und der Gehalt an Metallionen in der zugeführten Schwefelsäure 50 mg/l. Zudem wird der Gesamtionengehalt mit 400 mg/l angegeben, wobei sich dieser Wert innerhalb der ersten 6 Wochen einstellt, ausgehend von 200 mg/l.
Demgegenüber führt gemäß Beispiel 2 die Verwendung einer Kreislaufsäure mit einer Metallionenkonzentrationen außerhalb des beanspruchten Bereichs (660 mg/l Eisen, Gesamtionengehalt in der Reaktionszone 905 mg/l) selbst bei einem Gehalt an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen in der Reaktionszone unterhalb des anspruchsgemäßen Maximalwerts (675 mg/l) zu Ablagerungen am Plattenwärmetauscher, die dessen Ausbau und Reinigung erfordern. Im Gegensatz zu Beispiel 3 wurde gemäß Beispiel 2 keine frische Schwefelsäure, insbesondere nicht mit den anspruchsgemäßen Qualitäten zugeführt.
9.11 Der Beschwerdeführerin ist dahingehend zuzustimmen, dass die streitpatentgemäßen Beispiele keinen direkten Vergleich zu den Verfahren gemäß D1 oder D3c zulassen. Trotzdem lassen sie die Schlussfolgerung zu, dass eine Verringerung von Ablagerungen am Wärmetauscher über einen längeren Zeitraum erreicht werden kann, wenn die anspruchsgemäßen Konzentrationen an Metallionen eingehalten werden.
9.12 Die Argumentation der Beschwerdegegnerin ist dahingehend nachvollziehbar, dass Versuche, die einen direkten Vergleich zu den in D1 oder D3c beschriebenen Verfahren ermöglichen, schlecht durchführbar wären, da in diesen Dokumenten ja gerade keine Konzentrationen für die relevanten Metallionen offenbart werden.
9.13 Somit kann die gelöste technische Aufgabe wie in Absatz [0016] des Streitpatents angegeben in der Bereitstellung eines verbesserten Nitrierverfahrens gesehen werden, wobei die Verbesserung darin besteht, dass weniger durch schwerlösliche Metallsulfate hervorgerufene Ablagerungen in der Nitrieranlage auftreten.
9.14 Zur Lösung dieser Aufgabe wird anspruchsgemäß vorgeschlagen, die in der Kreislaufsäure enthaltene Schwefelsäure teilweise durch frische Schwefelsäure zu ersetzen, die eine definierte Konzentration und einen Maximalgehalt an schwerlösliche Metallsulfate bildenden Metallionen aufweist, und zwar derart, dass die anspruchsgemäß angegebenen Konzentrationen an Metallionen in der Reaktionszone nicht überschritten werden.
Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
9.15 Der von der Einsprechenden herangezogene Stand der Technik, die Dokumente D6, D7a und D10, bieten der Fachperson keine Hinweise auf die anspruchsgemäße Lösung der gestellten technischen Aufgabe. Zu berücksichtigen ist hierbei nicht nur, ob die Unterscheidungsmerkmale als solche aus dem Stand der Technik bekannt sind, sondern ob die Fachperson eine Änderung der in den Dokumenten D1 oder D3c offenbarten Verfahren derart durchgeführt hätte, dass dadurch die gestellte technische Aufgabe gelöst wird, also eine durch schwerlösliche Metallsulfate hervorgerufene Ablagerung in der Nitrieranlage vermieden wird.
In den Dokumenten D6 und D7 wird zwar auf den teilweisen Ersatz von ausgeschleuster Schwefelsäure hingewiesen. Dies dient jedoch nach der Lehre dieser Dokumente entweder dazu, um die Anreicherung von Nebenprodukten zu vermeiden (D6: Absatz [0022]), oder um das Niveau von Verunreinigungen auf einem niedrigen Niveau zu lassen (D7: Seite 3, Zeilen 43 bis 44). Die Fachperson wird unter Nebenprodukten und Verunreinigungen bei Nitrierungsreaktionen jedoch keine Metallsulfate verstehen, sondern organische Produkte (siehe D7, Seite 3, Zeile 45 und 57 bis 58). Zudem wird in keinem dieser Dokumente auf eine Ablagerung von Metallsulfaten in der Nitrieranlage verwiesen.
Im Dokument D10 wird zwar auf das Löslichkeitsverhalten von Metallsalzen eingegangen, jedoch bezieht sich das Dokument auf die Problematik der Aufarbeitung von Abfallschwefelsäuren (Seite 1, Spalte 1, erster Absatz) und gibt daher keinen Hinweis auf die streitpatentgemäße Lösung der gestellten Aufgabe.
9.16 Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
10. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keiner der von der Beschwerdeführerin gegen die Zulassung und Gewährbarkeit des Hilfsantrags 2 vorgebrachten Gründe durchgreifen kann.
Weitere Anträge
11. Da keiner der vorgebrachten Gründe gegen die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags 2 spricht, können die Hilfsanträge 3 bis 5 unberücksichtig bleiben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 des Hilfsantrags 2, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, und einer allenfalls anzupassenden Beschreibung.