T 0247/18 () of 25.3.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T024718.20210325
Datum der Entscheidung: 25 März 2021
Aktenzeichen: T 0247/18
Anmeldenummer: 09715350.6
IPC-Klasse: C07D231/12
C07C251/80
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR REGIOSELEKTIVEN SYNTHESE VON 1-ALKYL-3-HALOALKYL-PYRAZOL-4-CARBONSÄUR E-DERIVATEN
Name des Anmelders: Bayer Intellectual Property GmbH
Name des Einsprechenden: Stilkenböhmer, Uwe
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Änderungen
Ausreichende Offenbarung
Neuheit
Erfinderische Tätigkeit
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Entscheidung betrifft die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung) über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 247 577 (Streitpatent).

II. Im Einspruchsverfahren hatte der Einsprechende (Beschwerdegegner) den Widerruf des Streitpatents im gesamten Umfang basierend auf den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.

III. Die folgenden Dokumente aus dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D3 EP 1 854 788 A1

D4 Altenbach, R. J. et al. (2007): Synthesis,

Potency, and In Vivo Profiles of Quinoline Containing Histamine H3 Receptor Inverse Agonists, J. Med. Chem., 50, pages 5439 to 5448

D6 Hojo, M. et al. (1992): Facile Synthetic Methods

for 3- and 5-Trifluoromethyl-4-Trifluoroacetyl-Pyrazoles and Their Conversion into Pyrazole-4-Carboxylic Acids, Heterocycles, 34, pages 791 to 798

D8 WO 2005/042468 A1

D9 Experimentelle Beschreibung (eingereicht vom

Beschwerdegegner mit seinem Schriftsatz vom

23. August 2017)

IV. Die angefochtene Entscheidung basiert auf dem mit Schriftsatz vom 13. März 2017 eingereichten Anspruchssatz des Hauptantrags und den mit Schriftsatz vom 23. August 2017 eingereichten Anspruchssätzen der Hilfsanträge 1 und 2. Die Einspruchsabteilung entschied insbesondere, dass der beanspruchte Gegenstand des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination von D8 mit D4 und/oder D6 beruhe.

V. Im Hinblick auf einen von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Hilfsantrag reichten beide Parteien weitere Dokumente ein. Diese sind für die vorliegende Entscheidung jedoch nicht von Relevanz, da die Ansprüche des Hauptantrags gewährbar sind (siehe unten).

VI. Antragsgemäß wurden beide Parteien zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Zu deren Vorbereitung erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020.

In der Folge nahmen beide Parteien ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und kündigten an, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die Kammer hob daraufhin den für die mündliche Verhandlung anberaumten Termin auf.

VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Anträge lauten wie folgt.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes des Hauptantrags, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. März 2017.

Der Beschwerdegegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Wie in der angefochtenen Entscheidung schon festgestellt, seien die Änderungen in den Ansprüchen des Hauptantrags gewährbar. Ferner sei der beanspruchte Gegenstand des Hauptantrags ausreichend offenbart und neu.

D3 sei der nächstliegende Stand der Technik. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von D3 dadurch, dass das Acrylsäure-Derivat der Formel (II) eine andere Austrittsgruppe A aufweise und dass es nicht mit einem Hydrazin sondern mit dem N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) in Anspruch 1 umgesetzt werde. Die objektive technische Aufgabe müsse im Auffinden von alternativen Zugangswegen zu den gewünschten Verbindungen gesehen werden. Die in D4 und D6 mit Hydrazonen umgesetzten Verbindungen seien strukturell verschieden von denen, die in D3 mit Hydrazinen umgesetzt würden. Der Fachmann hätte somit nicht davon ausgehen können, dass die Hydrazine in der in D3 beschriebenen Umsetzung durch die in D4 oder D6 beschriebenen Hydrazone ausgetauscht werden könnten. Der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente des Beschwerdegegners können wie folgt zusammengefasst werden.

Die Definitionen der Reste R**(8) und R**(9) in den Ansprüchen des Hauptantrags würden im Gegensatz zu den ursprünglich eingereichten Unterlagen Wasserstoff umfassen. Ferner seien die Definitionen der Austrittsgruppe A und des Rests R**(1) eingeschränkt worden. Insgesamt würden daher die Ansprüche des Hauptantrags in einer nicht zulässigen Weise auf einer Auswahl aus mindestens zwei Listen basieren. Zudem sei nun im Gegensatz zu den entsprechenden ursprünglichen Ansprüchen der Rest R**(9) in den Ansprüchen 11 und 12 des Hauptantrags definiert. Auch seien die Reste R**(9), R**(10) und R**(11) in Anspruch 13 des Hauptantrags unbestimmt. Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ seien demnach nicht erfüllt.

Die Gruppe X sei in den Resten Y und Z in den Ansprüchen 1 bis 13 des Hauptantrags nicht definiert. Ferner sei eine in der Prioritätsanmeldung als essentiell beschriebene technische Lehre nicht im Streitpatent enthalten. Die Erfindung der Ansprüche 1 bis 13 sei daher nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Dies werde auch durch die Versuche in D9 bestätigt.

Der Gegenstand der Ansprüche 1, 11 und 12 sei nicht neu gegenüber D8.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 13 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D3 oder D8 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit D4 und/oder D6.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Der Anspruchssatz des Hauptantrags in der Beschwerde ist der Anspruchssatz des Hauptantrags, auf dem die angefochtene Entscheidung basiert (vgl. Punkte IV und VII).

2. Die unabhängigen Ansprüche haben den folgenden Wortlaut.

2.1 Anspruch 1

"Verfahren zum Herstellen von l-Alkyl-3-haloalkyl-pyrazol-4-carbonsäure-Derivaten der Formel (I)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in welcher

R**(1) ausgewählt ist aus Methyl, Ethyl, n-Propyl,

iso-Propyl, n-Butyl, sec-Butyl oder tert-Butyl;

R**(2) ausgewählt ist aus C1-C4-Alkylgruppen, die mit

einem, zwei oder drei Halogenatomen, ausgewählt aus F, Cl und Br oder einer CF3-Gruppe substituiert sein können;

Y ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus

(C=O)OR**(3), CN und (C=O)NR**(4)R**(5), wobei R**(3), R**(4) und R**(5)unabhängig voneinander ausgewählt sind aus C1-12-Alkyl-, C3--8-Cycloalkyl- [sic], C2-12-Alkenyl-, C2-12-Alkinyl-, C6-8-Aryl-, C7-19-Arylalkyl- oder C7-19-Alkylaryl-Gruppen, die jeweils mit einer oder mehreren Gruppen, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus -R', -X, -OR', -SR', -NR'2, -SiR'3, -COOR', -(C=O)R', -CN and [sic] -CONR2', wobei R' Wasserstoff oder eine C1-12-Alkyl-Gruppe ist, substituiert sein können und R**(4) und R**(5) zusammen mit dem Stickstoffatom, an das sie gebunden sind, einen 5- bis 6-gliedrigen Ring bilden können, der gegebenenfalls ein oder zwei weitere Hetero-Atome, ausgewählt aus O, S und einer SO2-Gruppe, enthalten kann und der mit einer oder mehreren Gruppen, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus -R', -X, -OR', -SR', -NR'2, -SiR'3, -COOR', -(C=O)R', -CN and [sic] -CONR2', wobei R' Wasserstoff oder eine C1-12-Alkyl-Gruppe ist, substituiert sein kann;

umfassend wenigstens eine der Reaktionssequenzen, die sich aus den folgenden Schritten (A) und (D), (B) und (D) oder (C) und (D) zusammensetzen:

(A) Umsetzung eines 2-acylierten oder

2-iminoalkylierten Acrylsäure-Derivats der

Formel (II),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in welcher

Z **( )ausgewählt ist aus O, S und N**(+)R**(10)R**(11), wobei

R**(10) und R**(11) unabhängig voneinander ausgewählt sind aus C1-12-Alkyl-, C3--8-Cycloalkyl- [sic], C2-12-Alkenyl-, C2-12-Alkinyl-, C6-8-Aryl-, C7-19-Arylalkyl- oder C7-19-Alkylaryl-Gruppen, die jeweils mit einer oder mehreren Gruppen, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus -R', -X, -OR', -SR', -NR'2, -SiR'3, -COOR', -(C=O)R', -CN and [sic] -CONR2', wobei R' Wasserstoff oder eine C1-12-Alkyl-Gruppe ist, substituiert sein können und R**(10) und R**(11) zusammen mit dem Stickstoffatom, an das sie gebunden sind, einen 5- bis 6-gliedrigen Ring bilden können, der gegebenenfalls ein oder zwei weitere Hetero-Atome, ausgewählt aus O, S und einer SO2-Gruppe, enthalten kann und der mit einer oder mehreren Gruppen, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus -R', -X, -OR', -SR', -NR'2, -SiR'3, -COOR', -(C=O)R', -CN and [sic] -CONR2', wobei R' Wasserstoff oder eine C1-12-Alkyl-Gruppe ist, substituiert sein kann;

A **( )eine Austrittsgruppe NR**(12)R**(13) ist, wobei R**(12)

und R**(13) unabhängig voneinander ausgewählt sind aus C1-12-Alkyl-, C3--8-Cycloalkyl- [sic], C2-12-Alkenyl-, C2-12-Alkinyl-, C6-8-Aryl-, C7-19-Arylalkyl- oder C7-19-Alkylaryl-Gruppen, die jeweils mit einer oder mehreren Gruppen, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus -R', -X, -OR', -SR', -NR'2, -SiR'3, -COOR', -(C=O)R', -CN and [sic] -CONR2', wobei R' Wasserstoff oder eine C1-12-Alkyl-Gruppe ist, substituiert sein können und R**(12) und R**(13) zusammen mit dem Stickstoffatom, an das sie gebunden sind, einen 5- bis 6-gliedrigen Ring bilden können, der gegebenenfalls ein oder zwei weitere Hetero-Atome, ausgewählt aus O, S und einer SO2-Gruppe, enthalten kann und der mit einer oder mehreren Gruppen, die ausgewählt sind aus der Gruppe bestehend aus -R', -X, -OR', -SR', -NR'2, -SiR'3, -COOR', -(C=O)R', -CN and [sic] -CONR2', wobei R' Wasserstoff oder eine C1-12-Alkyl-Gruppe ist, substituiert sein kann;

mit einem N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

[sic]

in welcher

R**(8) ausgewählt ist aus H, Methyl, Ethyl,

n-Propyl, iso-Propyl, n-Butyl, sec-Butyl, tert-Butyl, Phenyl, Tolyl, Cyclohexyl;

R**(9) ausgewählt ist aus H, Methyl, Ethyl,

n-Propyl, iso-Propyl, n-Butyl, sec-Butyl, tert-Butyl, Phenyl, Tolyl, Cyclohexyl;

wobei R**(8) und R**(9) gemeinsam mit dem C-Atom, an das sie geknüpft sind, einen 5- oder 6-gliedrigen Ring bilden können;

(B) Acylierung eines Acrylsäurehydrazons der Formel

(VI);

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

mit einem Acylhalogenid der Formel (X), wobei X ausgewählt ist aus F, Cl, Br oder I;

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

(C) Iminoalkylierung eines Acrylsäurehydrazons der

obigen Formel (VI) mit einem alpha,alpha-Dihalogenamin

der Formel (XI), wobei X ausgewählt ist aus F,

Cl, Br oder I,

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

(D) Cyclisierung der in Schritt (A), (B) oder (C)

erhaltenen Zwischenprodukte zum 3-Haloalkyl

-pyrazol-4-carbonsäure-Derivat der Formel (I)."

Anspruch 1 betrifft mithin drei Verfahrensalternativen für die Herstellung von Pyrazolen der Formel (I). Diese umfassen:

- die Schritte (A) und (D),

- die Schritte (B) und (D) bzw.

- die Schritte (C) und (D).

Die Pyrazole der Formel (I) zeichnen sich dadurch aus, dass sie an der Ringposition 1 einen Alkyl-Rest (R**(1)), an der Position 3 einen Haloalkyl-Rest (R**(2)) und an der Position 4 einen Rest (Y) tragen, der von einer Carbonsäuregruppe abgeleitet ist (nämlich (C=O)OR**(3), CN oder (C=O)NR**(4)R**(5)).

2.2 Anspruch 11

"2-Acyliertes oder 2-iminoalkyliertes Acrylsäurehydrazon der Formel (VII)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in der die Reste R**(1), R**(2), R**(8,) [sic] R**(9), Y und Z die zuvor beschriebenen Bedeutungen haben."

2.3 Anspruch 12

"2-Acylacrylhydrazon der Formel (VIIa)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in der die Reste R**(1), R**(2), R**(8), R**(9) und Y die zuvor beschriebenen Bedeutungen haben."

2.4 Anspruch 13

"Salze der Formel (VIIb)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in der die Reste R**(1) bis R**(8) und Y die zuvor beschriebenen Bedeutungen haben und das Anion ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Cl**(-), BF4**(-), PF6**(-), SbF6**(-) und AlCl4**(-)."

3. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

3.1 Anspruch 1

Im Vergleich zur Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (nachfolgend "ursprüngliche Anmeldung"), und zwar deren Anspruch 1, wurden in Anspruch 1 des Hauptantrags die Definitionen der Austrittsgruppe A und die der Reste R**(1), R**(8) und R**(9) geändert.

Diese Änderungen betreffen die Schritte (A) bzw. (B) und (C) in unterschiedlicher Weise. Bei Schritt (A) sind beide Edukte betroffen, nämlich das die Austrittsgruppe A enthaltende Acrylsäure-Derivat der Formel (II) und das die Reste R**(1), R**(8) und R**(9) enthaltende N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III). Bei den Schritten (B) und (C) ist hingegen nur eines der jeweils zwei Edukte betroffen, nämlich das die Reste R**(1), R**(8) und R**(9) enthaltende Acrylsäurehydrazon der Formel (VI). Die Schritte (A) bzw. (B) und (C) werden daher in Folge getrennt voneinander betrachtet.

3.1.1 Schritt (A)

Die im ursprünglichen Anspruch 1 für die Austrittsgruppe A enthaltene breitere Definition

"A **( )eine Austrittsgruppe, ausgewählt aus OR**(12),

SR**(12), NR**(12)R**(13) ist, wobei R**(12) und R**(13) unabhängig voneinander ausgewählt sind aus [...]"

wurde in Anspruch 1 des Hauptantrags beschränkt auf

"A **( )eine Austrittsgruppe NR**(12)R**(13) ist, wobei R**(12)

**()und R**(13) unabhängig voneinander ausgewählt sind aus [...]".

Da die Definitionen der in der Austrittsgruppe NR**(12)R**(13) enthaltenen Reste R**(12) und R**(13) jedoch nicht geändert wurden, ist die Austrittsgruppe A in Anspruch 1 des Hauptantrags nach wie vor generisch definiert.

In Bezug auf das N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) und die in ihm enthaltenen Reste R**(1), R**(8) und R**(9) offenbart die ursprüngliche Anmeldung zunächst eine allgemeine (Seite 16, Zeilen 11 bis 27) und direkt im Anschluss daran eine bevorzugte Ausführungsform (Seite 16, Zeile 28 bis Seite 17, Zeile 7). Auf die allgemeine Ausführungsform ist auch der ursprüngliche Anspruch 1 gerichtet. In Anspruch 1 des Hauptantrages ist diese durch die bevorzugte Ausführungsform ersetzt worden. Wenngleich die bevorzugte Ausführungsform insofern breiter ist als die Allgemeine, als sie die zusätzliche Möglichkeit umfasst, dass es sich bei R**(8) und/oder R**(9) um Wasserstoffatome handeln kann, stellt doch der in der ursprünglichen Anmeldung hergestellte Zusammenhang zwischen beiden Ausführungsformen eine ausreichende Basis für den Ersatz der im ursprünglichen Anspruch 1 enthaltenen allgemeinen Ausführungsform durch die von ihr nicht vollständig umfasste bevorzugte Ausführungsform dar. Das Argument des Beschwerdegegners, wonach zwar Anspruch 1 des Hauptantrags, nicht aber der ursprüngliche Anspruch 1 die oben genannte Möglichkeit umfasse und dass daraus eine unzulässige Änderung resultiere, ist daher nicht überzeugend.

Zusammengefasst wird also bei Schritt (A) in Anspruch 1 des Hauptantrags die im ursprünglichen Anspruch 1 enthaltene generische Definition für die Austrittsgruppe A lediglich hinsichtlich ihres Umfangs beschränkt, bleibt aber nach wie vor generischer Natur. Des Weiteren ist der Ersatz der Definitionen für die Reste R**(1), R**(8) und R**(9) im ursprünglichen Anspruch 1 durch diejenigen in Anspruch 1 des Hauptantrags direkt und unmittelbar aus der ursprünglichen Anmeldung zu entnehmen. Insbesondere sind die in Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommenen Definitionen für R**(1), R**(8) und R**(9) nach wie vor generischer Natur und führen zusammen mit der bei der Austrittsgruppe A vorgenommenen Änderung nicht zu einem "singling-out" bestimmter (anderweitig nicht offenbarter) Kombinationen. Die vorgenommenen Änderungen bei Schritt (A) in Anspruch 1 des Hauptantrags sind daher im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ gewährbar.

3.1.2 Schritte (B) und (C)

Wie unter dem vorhergehenden Punkt ausgeführt ist für das N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) die in Anspruch 1 des Hauptantrags enthaltene Kombination von Definitionen für R**(1), R**(8) und R**(9) in der ursprünglichen Anmeldung als bevorzugt offenbart. Zwar gibt die ursprüngliche Anmeldung in Bezug auf das Acrylsäurehydrazon der Formel (VI) an sich keine Definitionen für R**(1), R**(8) und R**(9) an, doch verweist sie darauf, dass dieses aus dem N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) erhalten werden kann (Seite 20 f., Schemata 7 und 8). Dem entnimmt der Fachmann, dass die für das N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) als bevorzugt offenbarte Kombination von Definitionen für R**(1), R**(8) und R**(9) auch für das Acrylsäurehydrazon der Formel (VI) bevorzugt ist. Daraus folgt also beispielsweise, dass auch für das Acrylsäurehydrazon der Formel (VI) die Möglichkeit besteht, dass es sich bei R**(8) und/oder R**(9) um Wasserstoffatome handeln kann. Entgegen dem vom Beschwerdegegner in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argument (siehe oben) ist dies im völligen Einklang mit der übrigen Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung, denn diese nennt unter den auf Seite 18, Zeilen 8 ff. und Seite 22, Zeilen 1 ff. als bevorzugt bezeichneten Acrylsäurehydrazonen der Formel (VI) auch solche, die einen 1-Methyl-2-(phenylmethyliden)hydrazinyl-Rest im Molekül enthalten, bei welchen also R**(8)/R**(9) = Ph/H ist. Für die Schritte (B) und (C) sind die vorgenommenen Änderungen also direkt und unmittelbar aus der ursprünglichen Anmeldung zu entnehmen.

3.2 Weitere Ansprüche

Die Ansprüche 2 bis 10 basieren auf den Ansprüchen 2 bis 10 der ursprünglichen Anmeldung. Dabei ist die Liste der Acrylsäure-Derivate der Formel (II) im ursprünglichen Anspruch 8 in Anspruch 8 des Hauptantrags auf die Vertreter beschränkt worden, für die A = NR**(12)R**(13) ist.

Die Ansprüche 11 und 12 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 12. Dass R**(9) in den ursprünglichen Ansprüchen 11 und 12 nicht definiert ist, nun aber zusammen mit unter anderem R**(1) und R**(8) "die zuvor [beschriebene Bedeutung] haben" soll, führt nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, da die Acrylsäurehydrazone der Formeln (VII) (Anspruch 11) bzw. (VIIa) (Anspruch 12) aus den N-Alkyl-Hydrazonen der Formel (III) bzw. den Acrylsäurehydrazonen der Formel (VI) gebildet werden, vgl. Schemata 3, 4, 6 der ursprünglichen Anmeldung sowie Seite 14, Zeilen 1 ff.

Anspruch 13 basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 13. Die nun zusätzliche Angabe des "Anion**(-)" und dessen Definition ist auf Seite 14, Zeilen 3 bis 8 der ursprünglichen Anmeldung offenbart. Dass in Anspruch 13 die Reste R**(9), R**(10) und R**(11) unbestimmt sind, führt nicht über den Gegenstand der ursprünglichen Anmeldung hinaus, da dies schon im ursprünglichen Anspruch 13 der Fall war. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass ein Einwand diesbezüglich unter Artikel 84 EPÜ unzulässig wäre, da Anspruch 13 identisch zum erteilten Anspruch 14 ist (vgl. G 3/14, ABl. EPA 2015, A102, Entscheidungsformel).

3.3 Zusammengefasst erfüllen also die Ansprüche des Hauptantrags die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.

4. Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)

4.1 Der Beschwerdegegner argumentierte, "dass ,,X" in den Variablengruppen Y und Z in den Ansprüchen 1-13 des Hauptantrags nicht definiert wird, weswegen der Gegenstand der Ansprüche 1-13 des Hauptantrags nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist" (Beschwerdeerwiderung, Seite 6, Absatz 3).

In Anspruch 1 erfolgt eine Definition der Gruppe X lediglich in den Schritten (B) und (C). Das Fehlen einer solchen in Schritt (A) kann die Ausführbarkeit desselben jedoch nicht in Frage stellen, da das Streitpatent in Absatz [0020] diese Gruppe als "Halogen" definiert, d. h. als Fluor, Chlor, Brom oder Iod. Es ist dies im Übrigen die gleiche Definition wie bei den Schritten (B) und (C) in Anspruch 1.

4.2 Der Beschwerdegegner verwies auch auf D9. Die darin beschriebenen Versuche würden belegen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1, sofern es Schritt (A) betreffe, nicht über die gesamte Breite ausführbar sei.

In D9 wird die Umsetzung von 2-(Difluormethyl)-3-(pyrrolidine-1-yl)acrylsäureethylester mit dem aus Methylhydrazin und Aceton gebildeten Hydrazon untersucht. Diese Edukte sind gemäß den Formeln (II) und (III) in Anspruch 1 (Y = (C=O)OEt; A = Pyrrolidin-1-yl; Z = O; R**(2) = CHF2; R**(1) = Me; R**(8) = R**(9) = Me). Die Bildung eines 1-Alkyl-3-haloalkyl-pyrazol-4-carbonsäure-Derivats der Formel (I) wird in nur geringer Menge und mit nur geringer Regioselektivität beobachtet. Ferner wird die Bildung eines Zwischenproduktes gemäß Formel (VII) nicht beobachtet.

Nun fordert Anspruch 1 weder, dass ein Produkt gemäß Formel (I) in einer bestimmten Menge/Ausbeute erhalten, noch dass es mit einer bestimmten Regioselektivität gebildet werden müsste. Auch fordert Anspruch 1 nicht, dass ein Zwischenprodukt gemäß Formel (VII) gebildet werden müsste. Absatz [0047] des Streitpatents weist vielmehr darauf hin, dass es sich dabei um mögliche Zwischenprodukte handeln kann. Mit der Bildung eines Produktes gemäß Formel (I) belegt somit D9 vielmehr, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 ausreichend offenbart ist.

Zwar stellt Anspruch 2 des Hauptantrags auf die Bildung eines Zwischenproduktes der Formel (VII) ab (für die Struktur, vgl. Anspruch 11 oben unter Punkt 2.2), doch kann die Nichtbeobachtung eines solchen in D9 ebenfalls nicht die Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 2 in Frage stellen. In Beispiel 1 des Streitpatents wird die Umsetzung von 2-(Difluoracetyl)-3-(dimethylamino)-acrylsäureethyl-ester mit 2-Methyl-1-phenylhydrazon beschrieben, d. h. zweier Verbindungen, welche ebenfalls gemäß der Formeln (II) und (III) in Anspruch 1 sind (Y = (C=O)OEt; A = NMe2; Z = O; R**(2) = CHF2; R**(1) = Me; R**(8)/R**(9) = H/Ph). Erhalten wird aus dieser Reaktion das in Absatz [0103] des Streitpatents abgebildete Produkt, ein Zwischenprodukt gemäß Formel (VII) im Streitpatent (Schema 3). Vor diesem Hintergrund ist also die Lehre des Streitpatents für den Fachmann ausreichend, um ohne unzumutbaren Aufwand ein Zwischenprodukt gemäß Formel (VII) erhalten zu können. Wenn nun, wie in D9 beschrieben, andere Edukte anscheinend nicht unter Bildung eines entsprechenden Zwischenproduktes miteinander reagieren, so kann daraus nicht ohne Weiteres auf eine mangelnde Ausführbarkeit geschlossen werden. Dazu hätte es des Nachweises eines unzumutbaren Aufwands für den Fachmann bedurft und damit insbesondere auch des Nachweises, dass die Umsetzung der Edukte der D9 unter den im Streitpatent beschriebenen Reaktionsbedingungen nicht zu einem Zwischenprodukt gemäß Formel (VII) geführt hätte - denn die im Streitpatent genannten Reaktionsbedingungen sind grundlegend von denjenigen der D9 verschieden (vgl. beispielsweise Lösungsmittel: Toluol im Streitpatent vs. Aceton in D9; Katalysator: Kaliumhydrogensulfat im Streitpatent vs. keiner in D9; Reaktionstemperatur: 35-40 °C im Streitpatent vs. Raumtemperatur in D9). Es besteht daher keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass mit diesen grundlegend andersartigen im Streitpatent offenbarten Reaktionsbedingungen der "Misserfolg" der D9 hätte vermieden werden können.

4.3 Zu guter Letzt verwies der Beschwerdegegner auch darauf, dass eine in der Prioritätsanmeldung als essentiell beschriebene technische Lehre nicht im Streitpatent enthalten sei, und dass das Verfahren gemäß Anspruch 1, sofern es Schritt (A) betreffe, nicht über die gesamte Breite ausführbar sei.

Auch dem kann sich die Kammer nicht anschließen. Aus der vermeintlichen Tatsache, dass eine in einer Prioritätsanmeldung als essentiell beschriebene technische Lehre nicht in der Nachanmeldung bzw. dem darauf basierenden Streitpatent enthalten ist, kann nicht notwendigerweise auf einen Offenbarungsmangel geschlossen werden. So könnte sich beispielsweise besagte technische Lehre zum Zeitpunkt der Einreichung der Nachanmeldung bzw. der Erteilung des Streitpatents als falsch oder unnötig herausgestellt haben. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die vom Beschwerdegegner angesprochene technische Lehre der Prioritätsanmeldung (Absatz [0042])

"Eine vollständige Transaminierung von 2-Acyl-3-amino-acrylsäure-Derivaten mit Hydrazonen erfolgt nur in Anwesenheit von Katalysatoren [...] Es ist darauf zu achten, dass die Reaktion möglichst unter Ausschluß von Wasser erfolgt um die Deacylierung zu verhindern."

nicht den Schluss zulässt, dass die Durchführung der betreffenden Reaktion ohne Katalysatoren oder in Gegenwart von Wasser zu überhaupt keinem Produkt führen würde.

4.4 Zusammengefasst greifen die unter Artikel 83 EPÜ vom Beschwerdegegner erhobenen Einwände nicht durch und die Kammer sieht daher die beanspruchte Erfindung des Hauptantrags als ausreichend offenbart an.

5. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Der einzige Neuheitseinwand des Beschwerdegegners basierte auf D8.

5.1 D8 offenbart (Seite 5, Zeile 24 bis Seite 6, Zeile 12):

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Gemäß D8 handelt es sich bei den Hydrazin-Derivaten der obigen Formel (IV) bevorzugt um Methylhydrazin (R**(4) = Me; Seite 6, Zeilen 23 bis 26). D8 offenbart ebenfalls eine Liste möglicher aprotischer Lösungsmittel, die in obiger Reaktion eingesetzt werden können. Unter diesen Lösungsmitteln ist Aceton genannt (Seite 7, Zeilen 15 bis 22). Beispielhaft wird in D8 die Umsetzung von 2-(Dichloracetyl)-3-(dimethylamino)acrylsäureethylester mit Methylhydrazin erwähnt (Seite 6, Zeile 28 bis Seite 7, Zeile 1):

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

5.2 Die als Formel (I) in der obigen Textstelle der D8 offenbarte Verbindung entspricht dem unter Schritt (A) von Anspruch 1 geforderten 2-acylierten Acrylsäurederivat (II).

Das beispielsweise durch die Umsetzung von 2-(Dichloracetyl)-3-(dimethylamino)acrylsäureethylester mit Methylhydrazin in D8 erhaltene Produkt entspricht dem in Anspruch 1 geforderten Pyrazol der Formel (I).

Dennoch unterscheidet sich das Verfahren des Anspruchs 1 dahingehend von D8, dass anspruchsgemäß in Schritt (A) ein N-Alkyl-Hydrazon (R**(9)R**(8))C=N-NH-R**(1) der Formel (III) eingesetzt wird, während in D8 das Hydrazinderivat R**(4)-NH-NH2 (IV) verwendet wird.

5.3 Der Beschwerdegegner argumentierte in diesem Zusammenhang, dass bei Durchführung der obigen Reaktion bei einer Temperatur von -50 bis 0 °C und unter Einsatz des bevorzugten Methylhydrazins unweigerlich ein Hydrazon gemäß Formel (III) in Anspruch 1 gebildet werde, wenn Aceton als Lösungsmittel gewählt werde. Insbesondere bilde sich aus dem Hydrazin CH3-NH-NH2 und Aceton (CH3)2(C=O) das Hydrazon CH3-NH-N=C(CH3)2. Mithin müsse also bei Wahl von Aceton als Lösungsmittel unter Einsatz des bevorzugten Methylhydrazins eine Reaktion ablaufen wie sie in Anspruch 1 beschrieben ist. Neben dem Verfahren gemäß Anspruch 1 seien dadurch auch die Verbindungen der Ansprüche 11 und 12 neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Kammer kann sich dem nicht anschließen. Die Argumentation des Beschwerdegegners geht von der Auswahl von Aceton als Lösungsmittel aus und basiert im Wesentlichen auf der Behauptung, dass sich bei jeder Reaktionstemperatur, die ja darüber hinaus aus dem in D8 offenbarten Temperaturbereich von -50 bis 0 °C zu wählen ist,

a) aus Methylhydrazin und Aceton das entsprechende Hydrazon bildet

b) das in a) gebildete Hydrazon mit den Verbindungen der Formel (I) in D8 reagiert und

c) das aus b) erhaltene Zwischenprodukt weiter unter Bildung von Verbindungen der Formel (V) in D8 zyklisiert.

Die Kammer erkennt an, dass Methylhydrazin und Aceton unter Bildung eines entsprechenden Hydrazons miteinander reagieren können. Dass sie dies aber bereitwillig bei so niedrigen Temperaturen wie beispielsweise -50 °C tun, kann durch einen bloßen Verweis auf das allgemeine Fachwissen nicht belegt werden. Schon bzgl. a) ergeben sich mithin berechtigte Zweifel. Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdegegners davon ausgeht, dass die Bildung des Hydrazons selbst bei -50 °C bereitwillig vonstattenginge, bestünden immer noch erhebliche Zweifel bezüglich der Folgereaktionen b) und c).

Zu b): Wie wäre es etwa zu erklären, dass bei -50 °C das reaktive Methylhydrazin nicht mit Verbindungen der Formel (I) reagiert, wohl aber das aus Methylhydrazin und Aceton gebildete Hydrazon, welches weniger reaktiv ist als Methylhydrazin?

Zu c): Selbst wenn man nun weiter annimmt, dass Verbindungen der Formel (I) mit dem aus Methylhydrazin und Aceton gebildeten Hydrazon bei -50 °C reagieren, wie wäre dann der abschließende Ringschluss zum Pyrazol denkbar? Für diesen Ringschluss ist es erforderlich, dass die als Hydrazon ins Molekül eingeführte Hydrazin-NH2-Gruppe wieder frei gesetzt wird. Wenn sich aber unter den Bedingungen der D8 vermeintlich ein Hydrazon spontan bildet (vgl. a) oben), wieso sollte dann spontan dessen Hydrolyse erfolgen?

Aus den oben genannten Gründen offenbart D8 unmittelbar und eindeutig weder ein Verfahren gemäß Anspruch 1 noch Verbindungen gemäß der Ansprüche 11 und 12. Der Gegenstand der Ansprüche 1, 11 und 12 ist daher gegenüber D8 neu.

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

6.1 Der Beschwerdegegner sah D3 oder D8 als den nächstliegenden Stand der Technik an und trug vor, dass der beanspruchte Gegenstand des Hauptantrags gegenüber einer Kombination jedes dieser Dokumente mit D4 und/oder D6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

6.2 D8 als nächstliegender Stand der Technik

6.2.1 Ansprüche 1 bis 10

Wie oben schon festgestellt, unterscheidet sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 von dem in D8 offenbarten Verfahren (vgl. beispielsweise die oben erwähne Umsetzung von 2-(Dichloracetyl)-3-(dimethylamino)acrylsäureethylester mit Methylhydrazin) nur dadurch, dass in Schritt (A) das Acrylsäure-Derivat der Formel (II) mit einem N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) in Anspruch 1 umgesetzt wird und nicht mit einem Hydrazin gemäß Formel (IV) in D8.

Die angefochtene Entscheidung, auf die sich der Beschwerdegegner berief, führt aus, dass obiges Unterscheidungsmerkmal mit keinem technischen Effekt verbunden sei. Zugunsten des Beschwerdegegners wird in der Folge davon ausgegangen, dass dies korrekt ist. Die objektive technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, ein alternatives Syntheseverfahren für die Pyrazol-Derivate gemäß Formel (I) in Anspruch 1 bereitzustellen.

Hinsichtlich des Naheliegens verwies der Beschwerdegegner wiederum auf die angefochtene Entscheidung. Laut dieser habe der Fachmann D4 und/oder D6 entnehmen können, dass Hydrazone sich ähnlich Hydrazinen für Reaktionen mit Acrylsäurederivaten eigneten, um zu Pyrazolverbindungen zu gelangen. Die Kammer kann sich dem aus den folgenden Gründen nicht anschließen.

D4 offenbart die Umsetzung des aus Methylhydrazin und Aceton gebildeten Hydrazons (Verbindung 16) mit 3-Ethoxymethylenpentan-2,4-dion unter Bildung von Verbindung 17 (Schritt ii). Aus letzterer wird durch Umsetzung mit HCl in Ethanol das Pyrazol 9e erhalten (Schritt iii):

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

In ähnlicher Weise offenbart D6 die Umsetzung des aus Methylhydrazin (R = Me) und Benzaldehyd gebildeten Hydrazons mit beta,beta-Bis(trifluoroacetyl)vinyl-i-butylether (Verbindung 1) unter Bildung der Verbindung 8. Aus dieser wird durch Umsetzung in wässriger Trifluoressigsäure das entsprechende Pyrazol 4a erhalten:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die oben beschriebenen Pyrazol-Synthesen der D4 und D6 sind die einzigen, welche von Hydrazonen ausgehen, die N-Alkyl-Hydrazone gemäß der Formel (III) in Anspruch 1 sind (D4: das aus Methylhydrazin und Aceton gebildete Hydrazon; D6: das aus Methylhydrazin und Benzaldehyd gebildete Hydrazon). Dabei fällt auf, dass sich deren jeweilige Reaktionspartner, nämlich 3-Ethoxymethylenpentan-2,4-dion (D4) bzw. beta,beta-Bis(trifluoroacetyl)vinyl-i-butylether (D6, Verbindung 1), grundlegend von den Verbindungen unterscheiden, welche in D8 mit Hydrazinen umgesetzt werden. So besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass es sich bei den Verbindungen der D4 und D6 um Diketone handelt, bei denen der D8 hingegen um beta-Ketocarbonsäureester. Des Weiteren weisen die Verbindungen der D4 und D6 mit Alkoxygruppen (D4: Ethoxy; D6: i-Butoxy) gänzlich andere Austrittsgruppen auf als die Verbindungen der D8, bei welchen es Aminogruppen sind. Vor diesem Hintergrund hätte der Fachmann nicht davon ausgehen können, dass sich die in D8 beschriebene Umsetzung mit Hydrazinen in gleicher Weise auch mit den in D4 und D6 beschriebenen Hydrazonen bewerkstelligen lassen würde. Der Gegenstand von Anspruch 1 und der von ihm abhängigen Ansprüche 2 bis 10 beruht demnach ausgehend von D8 auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.

6.2.2 Ansprüche 11 bis 13

Der Gegenstand der Ansprüche 11 bis 13 ist auf die Acrylsäurehydrazone der Formeln (VII), (VIIa) bzw. (VIIb) gerichtet. Da diese Acrylsäurehydrazone Zwischenprodukte darstellen, die gemäß Schritt (A) in Anspruch 1 zugänglich sind, gilt die obige Argumentation entsprechend auch für den Gegenstand dieser Ansprüche. Ausgehend von D8 beruht mithin auch der Gegenstand der Ansprüche 11 bis 13 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6.3 D3 als nächstliegender Stand der Technik

D3 (Anspruch 1) betrifft im Wesentlichen ein Verfahren zur Herstellung von 1-substituierten 3-Fluoroalkylpyrazol-4-carboxylaten der folgenden Formel (3)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

durch Umsetzung von 2-Alkoxy-methylenfluoroacylacetaten der Formel (1)

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

mit Hydrazinen der Formel R**(5)NHNH2 (die genaue Bedeutung der Reste R**(1) bis R**(5) ist dabei vorliegend nicht von Relevanz).

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich somit von D3 mindestens dadurch, dass in Schritt (A)

i) das Acrylsäure-Derivat der Formel (II) eine andere Austrittsgruppe aufweist (nämlich NR**(12)R**(13) anstelle von OR**(4), vgl. Verbindung der Formel (1) in D3)

ii) dass die Umsetzung in Schritt (A) mit einem N-Alkyl-Hydrazon der Formel (III) durchgeführt wird und nicht mit einem Hydrazin.

Zugunsten des Beschwerdegegners wird davon ausgegangen, dass mit obigen Unterscheidungsmerkmalen kein technischer Effekt verbunden ist und dass folglich die objektive technische Aufgabe lediglich darin zu sehen ist, ein alternatives Syntheseverfahren für die Pyrazol-Derivate gemäß Formel (I) in Anspruch 1 bereitzustellen.

Um ausgehend von D3 zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, hätte der Fachmann zunächst die in den Verbindungen der Formel (1) in D3 enthaltene Austrittsgruppe OR**(4) gegen eine solche austauschen müssen, welche gemäß der entsprechenden Definition in Anspruch 1 ist (d. h. NR**(12)R**(13)). Selbst wenn man nun, wiederum zugunsten des Beschwerdegegners, genau dies annimmt, so wäre der Fachmann dennoch mit der gleichen Situation konfrontiert gewesen wie ausgehend von D8, d. h. der Beurteilung einer möglichen Umsetzung von

- beta-Ketocarbonsäureestern (vgl. die Struktur der Verbindungen der Formel (1) in D3) enthaltend eine Aminogruppe als Austrittsgruppe (vgl. den gedanklich vorgenommen Austausch der Austrittsgruppe OR**(4) gegen eine Austrittsgruppe gemäß Anspruch 1)

mit

- den Hyrazonen der D4 und/oder D6, welche in diesen Dokumenten jedoch mit gänzlich anderen Verbindungen umgesetzt werden (vgl. oben).

Aus den oben schon angegebenen Gründen hätte der Fachmann nicht davon ausgehen können, dass sich eine solche Umsetzung bewerkstelligen lassen würde. Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit. Für die übrigen Ansprüche 2 bis 13 gilt obige Argumentation ausgehend von D8 mutatis mutandis.

6.4 Zusammengefasst beruht also der beanspruchte Gegenstand des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ. Der Hauptantrag ist gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten: Ansprüche 1 bis 13 des Hauptantrags, eingereicht mit Schriftsatz vom 13. März 2017.

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