T 0222/18 () of 4.8.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T022218.20210804
Datum der Entscheidung: 04 August 2021
Aktenzeichen: T 0222/18
Anmeldenummer: 09768326.2
IPC-Klasse: H01R 4/02
H01R 13/05
H05B 3/84
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lötanschluss
Name des Anmelders: FEW Fahrzeugelektrikwerk GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Antaya Technologies Corporation
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 112
European Patent Convention R 100(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 025(3)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 und 2 (nein)
Änderungen - Hilfsantrag 3
Änderungen - zulässig (nein)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2125/18

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der festgestellt wurde, dass das europäische Patent Nr. 2 361 450 in geänderter Fassung gemäß dem während der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 27. November 2017 eingereichten Hilfsantrag (Hilfsantrag 1) die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

II. Für die vorliegende Entscheidung relevant sind die folgenden im Zuge der offenkundigen Vorbenutzung "P5", betreffend ein "Audio Board Connector" des "Mac Mini", Model A1176, Apple Computer Inc., vorgelegten Beweismittel:

- Beweismittel "A10" ("Exhibit A10") - Auszüge aus dem Internet("www.everymac.com" sowie "Wikipedia");

- Beweismittel "A15" ("Exhibit A15"), eingereicht mit Schreiben vom 05. Oktober 2016 - Auszug aus einem Katalog aus den Jahren 2006 bis 2007 der Apple Computer Inc., siehe insbesondere Seiten 28 bis 29, Figuren 2, 3 sowie Seite 53, Figur 4;

- Beweismittel F&G5 - Bilder der Vorbenutzung P5.

III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 8. Februar 2021 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 nicht neu sei gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung P5. Ferner äußerte die Kammer Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 vorgenommenen Änderung. Die Kammer bemerkte zudem, dass nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 für Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung außergewöhnliche Umstände vorliegen müssten.

IV. Mit Schreiben vom 4. Juli 2021 hat die Patentinhaberin vier neue Hilfsanträge 4 bis 7 eingereicht.

V. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 4. August 2021 in Anwesenheit der Parteien statt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Fax vom 23. Juli 2015, hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden (Hilfsantrag 1), weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 2 und 3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 4 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 4. Juli 2021. Ferner stellte die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einen Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut:

"Lötanschluss (5) zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben zwecks Festlegen sowie zum elektrischen Anschluss, wobei der Lötanschluss (5) mit einem flexiblen elektrischen Leiter (6) versehen ist, wobei dessen eines Ende zum Anlöten und dessen anderes freies Ende als Steckverbindung (9) zur Aufnahme einer Flachsteckhülse ausgebildet ist und wobei zumindest der elektrische Leiter (6) mit einem diesen abdeckenden Isolator (11) versehen ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Lötanschluss (5) eine flexible, mit dem elektrischen Leiter (6) versehene, vom Isolator (11) abgedeckte und in Draufsicht rechteckförmige Leiterfolie (7) aufweist, dass der elektrische Leiter (6) als auf die Leiterfolie (7) aufgebrachte Leiterbahn(en) ausgebildet ist, dass das eine Ende der Leiterfolie (7) zum Anlöten einen Lötfuß (8) aufweist und dass das andere freie Ende der Leiterfolie (7) als die Steckverbindung (9) ausgebildet ist."

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (Patent in der für gewährbar erachteten Fassung) unterscheidet sich von dem Anspruch 1 des Hauptantrags durch die nachfolgend gekennzeichnete Änderung:

"... dass der elektrische Leiter (6) als auf die Leiterfolie (7) aufgebrachte Leiterbahn[deleted: (en)] ausgebildet ist,..."

VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von dem Anspruch 1 des Hauptantrags durch die nachfolgend gekennzeichnete Änderung:

"... dass der elektrische Leiter (6) als eine auf die Leiterfolie (7) aufgebrachte Leiterbahn[deleted: (en)] ausgebildet ist,..."

IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von dem Anspruch 1 des Hauptantrags durch die nachfolgend gekennzeichnete Änderung:

"... dass der elektrische Leiter (6) als eine einzige auf die Leiterfolie (7) aufgebrachte Leiterbahn[deleted: (en)] ausgebildet ist,..."

X. Im Lichte der zu den Hilfsanträgen 4 bis 7 getroffenen Entscheidung der Kammer erübrigt sich an dieser Stelle eine Widergabe dieser Hilfsanträge.

XI. Die Patentinhaberin beantragte die Vorlage der folgenden Fragen an die Große Beschwerdekammer:

"Ist das Wort "oder" in Artikel 25 (3) Satz 1 VOBK 2020

[a] als exklusives "oder", also im Sinne von "entweder die Ladung zur mündlichen Verhandlung oder eine Mitteilung der Kammer nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ" oder

[b] als inklusives "oder", also im kumulativ-summarischen Sinne zu verstehen."

Für den Fall, dass die Große Beschwerdekammer den obigen Fall [a] bejaht, beantragte die Patentinhaberin die Vorlage der folgenden weiteren Frage an die Große Beschwerdekammer:

"Ist die an die Patentinhaberin (bzw. an die Einsprechende) gerichtete Aufforderung der Beschwerdekammer, auf die Beschwerdebegründung (Artikel 108 Satz 3 EPÜ) der Einsprechenden (bzw. (Artikel 108 Satz 3 EPÜ) der Patentinhaberin) innerhalb einer von der Beschwerdekammer gesetzten Frist zu erwidern, eine Mitteilung der Beschwerdekammer im Sinne von Artikel 25 (3) Satz 1 Alternative 2 VOBK 2020, also eine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ?"

XII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5

Die Vorbenutzung P5 unterscheide sich von dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags jedenfalls dadurch, dass in P5 der Lötanschluss nicht zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben bestimmt und somit hierfür geeignet sei. Es handele sich bei dem betreffenden Merkmal nicht um eine bloße Zweckangabe, sondern um ein technisch einschränkendes Merkmal, durch welches technisch bestimmt werde, dass der beanspruchte Lötanschluss an den Anschlüssen bei Glasscheiben angelötet wird. Dies ergebe sich insbesondere durch die Verwendung des Begriffs "Lötfuß" in Anspruch 1, der von einem "Lötpunkt", wie in P5 gezeigt, zu unterscheiden sei. Ein Lötfuß impliziere nämlich eine flächige Erstreckung. Im Übrigen werde auch die in Absatz [0003] des angefochtenen Patents beschriebenen Anwendungsfälle des Lötanschlusses verwiesen.

Ferner sei durch P5 das Merkmal des Anspruchs 1 zumindest nicht explizit offenbart, wonach eine Leiterfolie vorgesehen sei, auf welcher Leiterbahn(en) ausgebildet seien, und die Leiterfolie von einem Isolator abgedeckt werde. Vielmehr weise die Vorbenutzung P5 die Leiterbahnen in Form von einzelnen isolierten leitenden Streifen auf, die zusammen auf ein Isolatorsubstrat geklebt seien, so dass in P5 jedenfalls eine Leiterfolie als spezifisches Merkmal nicht zu erkennen sei.

Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 sei von einer möglichen Mehrzahl von Leiterbahn(en) auf eine Leiterfolie mit nur einer einzigen (und keiner weiteren) auf dieser Leiterfolie aufgebrachten Leiterbahn eingeschränkt worden. Dies ergebe sich aus der Streichung des Zusatzes "(en)", sodass nunmehr nur noch der Begriff "Leiterbahn" im Anspruch 1 vorhanden sei, wodurch eindeutig eine einzige (und keine weitere) Leiterbahn bezeichnet sei. P5 offenbare demgegenüber eine Vielzahl von Leiterbahnen, um eine digitale Datenübertragung zu ermöglichen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beziehe sich eindeutig auf die Verwendung nur einer Leiterbahn, da die Erfindung maßgeblich einen Lötanschluss für eine Scheibenheizung betreffe (siehe Absatz [0003] des angefochtenen Patents). Zudem seien in der Beschreibung zwei Ausführungsformen der Erfindung beschrieben, nämlich eine mit nur einer Leiterbahn und eine weitere Ausführungsform mit mehr als einer Leiterbahn. Die erste Ausführungsform mit nur einer Leiterbahn sei in der Figur dargestellt und auf diese Ausführungsform habe sich die Patentinhaberin im Rahmen des Hilfsantrags 1 zurückgezogen.

Hilfsantrag 2 - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5

Zur sprachlichen Klarstellung und Verdeutlichung enthalte Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zusätzlich die Konkretisierung auf "eine Leiterbahn", um die Tatsache hervorzuheben, dass lediglich eine einzige Leiterbahn beansprucht werde. Im Übrigen würden die Argumente zum Hilfsantrag 1 gleichermaßen für den Hilfsantrag 2 gelten.

Hilfsantrag 3 - Änderungen

Zur weiteren sprachlichen Klarstellung enthalte Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 die Beschränkung "eine einzige ... Leiterbahn[deleted: (en)]". Es handele sich um eine sprachliche Reduzierung auf die erste in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen beschriebene Ausführungsform, die lediglich eine einzige Leiterbahn aufweise. Die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer im Hinblick auf die Zulässigkeit von Disclaimern betreffe den chemischen Bereich und sei daher nicht anwendbar auf den vorliegenden Fall. Figur 1 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 3 sowie der ursprüngliche Anspruch 5 offenbare wörtlich "zumindest eine Leiterbahn", wobei in dieser Formulierung die Verwendung einer einzigen Leiterbahn enthalten sei (siehe die internationale Veröffentlichungsschrift WO 2010/057641 A1). Den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sei somit ein Ausführungsbeispiel mit nur einer einzigen Leiterbahn unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer

Die der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügte Mitteilung der Kammer vom 8. Februar 2021 enthalte unter Punkt 11.2 einen Hinweis auf Artikel 13 (2) in Verbindung mit Artikel 25 (1) VOBK 2020, wonach Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung unberücksichtigt bleiben, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen. Im vorliegenden Fall greife jedoch die Übergangsvorschrift gemäß Artikel 25 (3) VOBK 2020, wonach Artikel 13 (2) VOBK 2020 nicht anzuwenden ist, wenn vor Inkrafttreten der revidierten Fassung die Ladung zur mündlichen Verhandlung oder eine Mitteilung der Kammer nach Regel 100 (2) EPÜ zugestellt wurde. Artikel 25 (3), Satz 1, VOBK 2020 enthalte ein exklusives "oder", sodass entweder die eine oder die andere Bedingung das auslösende Ereignis darstellen könne. Im vorliegenden Fall sei am 8. Mai 2018, mithin also vor Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, eine Mitteilung der Kammer mit der Fristsetzung für die Einreichung einer Beschwerdeerwiderung erfolgt. Hierbei handele es sich um eine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ, welche die Anwendung von Artikel 25 (3) VOBK 2020 auslöse, wonach Artikel 13 (2) der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern nicht anzuwenden sei, sondern vielmehr ihre bis Ende des Jahres 2019 gültige Fassung (VOBK 2007). Da die Kammer beabsichtige, Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden, was der Patentinhaberin aufgrund des darin verankerten strengeren Maßstabs zum Nachteil gereichen könne, sei zunächst die Vorlage entsprechender Fragen an die Große Beschwerdekammer zur Klärung der Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift des Artikels 25 (3) VOBK 2020 gerechtfertigt.

Hilfsanträge 4 bis 7 - Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren unter Artikel 13 (2) VOBK 2020

Die Einreichung der neuen Hilfsanträge 4 bis 7 nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung stelle eine unmittelbare Reaktion auf das Vorbringen der Einsprechenden in der Beschwerdeerwiderung vom 18. September 2018 dar. Ferner sei das neue Vorbringen veranlasst durch die in der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung dargelegte vorläufige Meinung der Kammer im Hinblick auf die Neuheit und erfinderische Tätigkeit. Die Beschwerdekammer habe erstmals in ihrer vorläufigen Meinung angedeutet, dass der Gegenstand des Hauptantrags nicht neu sei. Hiervon sei die Patentinhaberin überrascht worden. Somit lägen außergewöhnliche Umstände vor, welche eine Berücksichtigung der Hilfsanträge 4 bis 7 im Beschwerdeverfahren rechtfertigen würden.

XIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5

Es sei ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass die Formulierung "Vorrichtung für [einen bestimmten Zweck]" im Sinne einer Vorrichtung zu interpretieren sei, die für diesen Zweck geeignet ist. Die Formulierung "Lötanschluss (5) zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben zwecks Festlegen sowie zum elektrischen Anschluss" habe damit keine, über die Eignung für diesen Zweck hinausgehende, einschränkende Wirkung. Der von P5 umfasste Lötanschluss sei in diesem Sinne geeignet zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben und nehme das entsprechende Merkmal des Anspruchs 1 damit vorweg. Anspruch 1 enthalte keine weiteren Merkmale, welche in besonderer Weise das Anlöten bei Glasscheiben betreffen. Es gebe keinen Grund, einen Anschluss, der normalerweise an Platinen verlötet wird, nicht auch bei Glasscheiben zu verwenden. Ferner sei nicht klar, was der Begriff "Lötfuß" bedeuten solle. Auch in P5 sei keine punktförmige, sondern eine längliche Lötverbindung gezeigt, die dennoch im Fachbereich als "Lötpunkt" bezeichnet werde. Allein aus dem Begriff "Lötfuß" ergebe sich somit keine weitergehende technische Spezifizierung des beanspruchten Lötanschlusses.

Die Vorbenutzung P5 weise ferner eindeutig eine auf eine Leiterfolie aufgebrachte Leiterbahn auf, die von einem Isolator abgedeckt sei. In diesem Zusammenhang sei zu bemerken, dass Anspruch 1 keinerlei Beschränkungen dahingehend enthält, wie die Leiterfolie mit dem Isolator abgedeckt ist und insbesondere auch nicht, wie die Leiterbahnen auf die Leiterfolie aufgebracht sind. Das betreffende Merkmal des Anspruchs 1 sei folglich in seiner breitesten Auslegung durch den von P5 umfassten Lötanschluss vorweggenommen.

Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5

Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommene Änderung "Leiterbahn[deleted: (en)]" schränke den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ein, denn er umfasse nach wie vor einen Lötanschluss mit einer Leiterbahn oder mit mehreren Leiterbahnen. Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 werde somit durch die Vorbenutzung P5 vorweggenommen. Eine Einschränkung des beanspruchten Gegenstands auf die Verwendung einer einzigen Leiterbahn werde allein durch die Verwendung des Begriffs "Leiterbahn" nicht bedingt.

Hilfsantrag 2 - Neuheit gegenüber P5

Die zum Hilfsantrag 1 vorgebrachten Argumente würden im Wesentlichen auch für den Hilfsantrag 2 gelten. So sei die Formulierung "eine Leiterbahn" gleichbedeutend mit "Leiterbahn" und beide Formulierungen würden das Vorhandensein von mehr als einer Leiterbahn nicht ausschließen. Der geänderte Wortlaut sei somit jedenfalls nicht gleichzusetzen mit einer einzigen Leiterbahn, wodurch die Verwendung von mehr als einer Leiterbahn durch den beanspruchten Gegenstand ausgeschlossen werden würde.

Hilfsantrag 3 - Änderungen

Die Änderung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 verstoße im Hinblick auf die nunmehr vorhandene Einschränkung auf "eine einzige ... Leiterbahn" gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Es handele sich um einen Disclaimer, weil die Verwendung von mehr als einer Leiterbahn für den Lötanschluss nun ausgeschlossen sei, für den es in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen jedoch keine Grundlage gebe.

Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer

Artikel 13 (2) VOBK 2020 sei im Hinblick auf die Zulassung der Hilfsanträge 4 bis 7 anwendbar. Artikel 25 (3) VOBK 2020 greife im vorliegenden Fall nicht, denn bei der Mitteilung der Kammer vom 8. Mai 2018 mit Fristsetzung für die Einreichung einer Beschwerdeerwiderung handele es sich nicht um eine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ. Wären entsprechende Mitteilungen von Artikel 25 (3) VOBK 2020 umfasst, wären die Übergangsbestimmungen zu Artikel 13 (2) VOBK 2020 überflüssig, denn de facto wäre Artikel 13 (2) VOBK 2020 dann nur auf Beschwerden anwendbar, die nach dem 1. Januar 2020 eingereicht wurden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich die Regel 100 (2) EPÜ auf die Prüfung der Beschwerde beziehe. Diese beginne jedoch erst nach dem Zugang der schriftsätzlichen Vorträge der Parteien, die gemäß Artikel 12 (3) VOBK 2020 das vollständige Beschwerdevorbringen der Beteiligten enthalte sollen.

Der Antrag auf Vorlage einer diesbezüglichen Frage an die Große Beschwerdekammer sei im Übrigen verspätet. Bereits mit Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer hätte der Patentinhaberin bekannt sein müssen, dass die Kammer beabsichtigt, Artikel 13 (2) VOBK 2020 im Hinblick auf die Einreichung neuer Anträge anzuwenden. Für eine Äußerung zu diesem Punkt hätte somit bereits zu einem früheren Zeitpunkt vor der mündlichen Verhandlung Veranlassung bestanden. Der Antrag auf Vorlage and die Große Beschwerdekammer sei jedenfalls zurückzuweisen, denn es sei der Einsprechenden nicht bekannt, dass in dieser Frage eine einheitliche Rechtsanwendung zu sichern sei. Des Weiteren handele es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Sie betreffe vielmehr den Fall, dass eine Partei verspätet Anträge einreicht. Bereits im Rahmen der alten Verfahrensordnung sei ein verspäteter Zugang von Anträgen jedoch mit Nichtzulassung dieser Anträge geahndet worden. So habe bereits Artikel 13 VOBK 2007 Hürden für die Zulassung von verspätet eingereichten Anträgen vorgesehen, die es zu überwinden galt. Die Frage, die sich vorliegend stelle, sei lediglich die, welche Erwägungen in Betracht zu ziehen sind, um diese höheren Hürden des Artikels 13 (2) VOBK 2020 zu überwinden.

Hilfsanträge 4 bis 7 - Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren unter Artikel 13 (2) VOBK 2020

Die der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer beigefügte Mitteilung enthielt keine neuen Einwände. Vielmehr waren alle Einwände bereits im erstinstanzlichen Verfahren erörtert worden und zudem in der Beschwerdebegründung sowie in der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden dargelegt worden. Zu den Argumenten der jeweils anderen Partei müsse zu einem frühest möglichen Zeitpunkt Stellung genommen werden, was die Patentinhaberin jedoch unterlassen habe. Es lägen daher keine außergewöhnlichen Umstände vor, welche die späte Einreichung der Hilfsanträge 4 bis 7 erstmals nach Zustellung der Ladung im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 rechtfertigen würden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig

2. Stand der Technik - Vorbenutzung P5

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die im Verfahren als "P5" bezeichnete offenkundige Vorbenutzung Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ bildet.

3. Hauptantrag - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5 (Artikel 54 EPÜ)

3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist nicht neu gegenüber der Vorbenutzung P5.

3.2 Die Patentinhaberin hat wesentliche Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der offenkundigen Vorbenutzung P5 darin gesehen, dass

- P5 keinen Lötanschluss offenbare, der zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben geeignet ist,

- der in P5 offenbarte Lötanschluss keinen "Lötfuß" im Sinne des Anspruchs 1 aufweise, und dass

- die Merkmale Leiterfolie, auf die Leiterfolie aufgebrachte Leiterbahn(en) und die Leiterfolie abdeckender Isolator zumindest nicht explizit in P5 offenbart seien.

3.3 Zunächst bemerkt die Kammer, dass es der üblichen Praxis im Europäischen Patentamt entspricht, dass Zweckangaben in der Art "Lötanschluss (5) zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben" so auszulegen sind, dass der beanspruchte Gegenstand, vorliegend der Lötanschluss, für diesen Zweck geeignet sein muss (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, I.C.8.1.5).

3.4 Nichts anderes gilt im konkreten Fall. Etwaige Gründe, die vorliegend für eine Abweichung von der üblichen Praxis sprechen, sind für die Kammer weder ersichtlich noch hat die Patentinhaberin diesbezüglich überzeugende Argumente dargelegt. Insbesondere handelt es sich entgegen dem Argument der Patentinhaberin bei der Zweckangabe "zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben" nicht um ein Unterscheidungsmerkmal, durch das technisch bestimmt wird, dass der erfindungsgemäße Lötanschluss an den Anschlüssen bei Glasscheiben bestimmungsgemäß angelötet wird. Anspruch 1 enthält keinerlei technische Merkmale, welche eine bestimmte Qualität der Verbindung zwischen dem beanspruchten Lötanschluss und den Anschlüssen bei Glasscheiben in der Weise kennzeichnen, dass hierdurch ein bestimmungsgemäßer Gebrauch ausschließlich zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben zum Ausdruck gebracht wird. Der Vollständigkeit halber bemerkt die Kammer, dass es auf Merkmale, die nicht beansprucht werden, auch wenn diese von der beanspruchten Vorrichtung nicht explizit ausgeschlossen werden, nicht ankommt (vgl. T 0116/14, Punkt 4.2.6 der Gründe). Die Verweise der Patentinhaberin auf die Beschreibung und insbesondere den dort beschriebenen Anwendungsfall einer Scheibenheizung mit entsprechend ausgeprägten Anschlüssen, sind daher irrelevant. Entsprechend unbeachtlich ist die Tatsache, dass die Vorbenutzung P5 für eine digitale Datenübertragung vorgesehen ist.

3.5 Die Kammer ist im Übrigen überzeugt, dass der in P5 offenbarte Lötanschluss auch geeignet ist zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben im Sinne des Anspruchs 1. In diesem Zusammenhang hat die Einsprechende zutreffend vorgetragen, dass nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen ein Lötanschluss für eine Audioplatine ("Audio Board") nicht zum Anlöten an den Anschlüssen bei Glasscheiben geeignet sein soll. Die Patentinhaberin konnte diese Feststellung nicht entkräften.

3.6 Die Einsprechende hat ferner überzeugend dargelegt, dass sich ein Unterschied auch nicht aus dem Begriff "Lötfuß" ergibt, denn es handelt sich nicht um einen Fachbegriff, sondern um einen unbestimmten Begriff, der weder explizit noch implizit die Art der Verbindung, insbesondere nicht die geometrische Ausprägung, des Lötanschlusses im Hinblick auf die Verwendung bei Glasscheiben kennzeichnet. Das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument der Patentinhaberin, die Vorbenutzung P5 offenbare keinen "Lötfuß" im Sinne des Anspruchs 1, ist unzutreffend. Die Vorbenutzung P5 offenbart jedenfalls einen Lötpunkt mit länglicher Ausprägung, sodass selbst dann, wenn man die von der Patentinhaberin vorgetragene implizite Längserstreckung eines Lötfußes zugrunde legt, dieser in P5 ebenfalls offenbart wird (siehe beispielsweise das Dokument F&G5, Figur 5.9, Seite 5).

3.7 Im Hinblick auf die konkrete Ausprägung der Leiterfolie oder der Leiterbahn entbehrt Anspruch 1 jeglicher weitergehender Definition, insbesondere dahingehend, wie die Leiterbahnen von dem Isolator abgedeckt sind und wie die Leiterbahnen auf die Leiterfolie aufgebracht werden. Die Vorbenutzung P5 offenbart jedenfalls im Sinne des Anspruchs 1 eine flexible, mit dem elektrischen Leiter versehene, vom Isolator abgedeckte und in Draufsicht rechteckförmige Leiterfolie, wobei der elektrische Leiter als auf die Leiterfolie aufgebrachte Leiterbahnen ausgebildet ist. Darunter fällt auch die von der Patentinhaberin zugestandene Ausbildung der Vorbenutzung P5, nämlich Leiterbahnen in Form von einzelnen isolierten leitenden Streifen, die zusammen auf ein Isolatorsubstrat geklebt sind. In diesem Zusammenhang von der Patentinhaberin vorgetragene Unterschiede zwischen dem beanspruchten Lötanschluss und der Vorbenutzung P5 bestehen somit ebenfalls nicht.

3.8 Die offenkundige Vorbenutzung gemäß P5 offenbart folglich sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 und der Gegenstand des Anspruchs 1 ist damit nicht neu gegenüber der Vorbenutzung P5 im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

4. Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5 (Artikel 54 EPÜ)

4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist nicht neu gegenüber der Vorbenutzung P5.

4.2 Über die zum Hauptantrag geltend gemachten Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der offenkundigen Vorbenutzung P5 hinaus, hat die Patentinhaberin im Hinblick auf den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 einen weiteren Unterschied darin gesehen, dass nunmehr der Begriff Leiterbahn(en) ersetzt wurde durch den singulären Begriff Leiterbahn.

4.3 Das Argument der Patentinhaberin, Anspruch 1 sei durch die vorgenommene Änderung auf Lötanschlüsse beschränkt, die lediglich eine Leiterbahn aufweisen, ist unzutreffend. Vielmehr ist der Einsprechenden darin zuzustimmen, dass Anspruch 1 nach wie vor auch Ausführungsformen von Lötanschlüssen umfasst, die mehr als eine Leiterbahn aufweisen, da in mehreren Leiterbahnen notwendigerweise eine Leiterbahn enthalten ist und Anspruch 1 die Verwendung von mehreren Leiterbahnen nicht ausschließt. Die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommene Änderung ist somit nicht zur Abgrenzung gegenüber der Vorbenutzung P5 geeignet, denn P5 sieht unstreitig mehrere Leiterbahnen und somit jedenfalls eine Leiterbahn vor.

4.4 Insoweit die Patentinhaberin die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgenommene Änderung als Einschränkung des beanspruchten Gegenstands im Sinne von "eine einzige Leiterbahn" verstanden haben möchte, geht dieses Argument ebenfalls ins Leere. Insbesondere hat die Patentinhaberin nicht dargelegt, was den Fachmann bei verständiger Lesart des Anspruchs 1 veranlassen könnte zu glauben, der beanspruchte Lötanschluss sei auf die Verwendung von nur einer einzigen Leiterbahn beschränkt. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente der Patentinhaberin konzentrieren sich auf Erläuterungen zur ursprünglichen Offenbarung sowie der Beschreibung von angeblich zwei Ausführungsformen, von denen eine auf die Verwendung einer Leiterbahn und eine andere auf die Verwendung von mehreren Leiterbahnen gerichtet sei. Maßgeblich für die Beurteilung der Neuheit ist jedoch, was der Fachmann dem vorliegend klaren Wortlaut des Anspruchs 1 ("Leiterbahn") entnimmt und nicht, wie die Patentinhaberin das in Rede stehende Merkmal im Lichte der ursprünglichen Offenbarung und der Beschreibung verstanden haben möchte. Die betreffenden Argumente der Patentinhaberin überzeugen die Kammer daher nicht.

4.5 Zur Offenbarung der weiteren von der Patentinhaberin vorgebrachten angeblichen Unterscheidungsmerkmale in P5 verweist die Kammer auf ihre Ausführungen zum Hauptantrag unter Punkt 3 dieser Entscheidung.

4.6 Die offenkundige Vorbenutzung gemäß P5 offenbart somit sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist damit nicht neu gegenüber P5 im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

5. Hilfsantrag 2 - Neuheit gegenüber der Vorbenutzung P5 (Artikel 54 EPÜ)

5.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist nicht neu gegenüber der Vorbenutzung P5.

Der einzige Unterschied zwischen dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 und dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 besteht darin, dass der Wortlaut "Leiterbahn" geändert wurde in "eine ... Leiterbahn". Die Patentinhaberin hat hierin eine Klarstellung im Sinne der von ihr vertretenen Auffassung gesehen, wonach der nunmehr beanspruchte Lötanschluss nur eine einzige Leiterbahn umfasst.

5.2 Die Kammer ist jedoch zu dem Schluss gelangt, dass trotz der vorhandenen Abweichung im Wortlaut, faktisch Identität zwischen den beanspruchten Gegenständen des Hilfsantrags 1 und des Hilfsantrags 2 besteht, denn der singuläre Begriff "Leiterbahn" ist im Kontext des vorliegenden Anspruchs 1 gleichbedeutend mit "eine Leiterbahn".

5.3 Die Feststellungen der Kammer zur Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 gelten somit gleichermaßen für den Hilfsantrag 2 (siehe Punkt 4 dieser Entscheidung).

5.4 Die offenkundige Vorbenutzung P5 offenbart folglich sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, dessen Gegenstand damit nicht neu gegenüber P5 im Sinne des Artikels 54 EPÜ ist.

6. Hilfsantrag 3 - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

6.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 weist gegenüber dem erteilten Patent unter anderem den folgenden geänderten Wortlaut auf:

"... dass der elektrische Leiter (6) als eine einzige auf die Leiterfolie (7) aufgebrachte Leiterbahn[deleted: (][deleted: en)] ausgebildet ist,..."

6.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist somit unstreitig auf einen Lötanschluss beschränkt, bei welchem der elektrische Leiter nur als eine einzige Leiterbahn ausgebildet ist und folglich das Vorhandensein von weiteren Leiterbahnen explizit von dem beanspruchten Gegenstand ausgeschlossen ist.

6.4 Entgegen dem Argument der Patentinhaberin offenbaren die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zwei Ausführungsformen, von denen eine auf einen Lötanschluss mit einer einzigen Leiterbahn und eine weitere Ausführungsform auf einen Lötanschluss mit mehreren Leiterbahnen gerichtet ist.

6.5 Die von der Patentinhaberin in diesem Zusammenhang zitierten Offenbarungsstellen der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, insbesondere der ursprüngliche Anspruch 5 ("...dass der elektrische Leiter als auf die Leiterfolie aufgebrachte Leiterbahn(en) ausgebildet sind.") sowie die ursprüngliche Beschreibung auf Seite 3, erster Absatz ("...der als auf die Leiterfolie mittels Siebdruck auf deren Oberfläche aufgebrachte zumindest eine Leiterbahn ausgebildet sein kann.") sowie die Figur 1, bieten für ein entsprechendes Verständnis dessen, was für die Patentinhaberin als von der ursprünglich offenbarten Erfindung umfasst anzusehen ist, keine Grundlage.

Den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu entnehmen ist lediglich eine einzige Ausführungsform der Erfindung, die in den Figuren 1 bis 3 dargestellt und in der zugehörigen Beschreibung knapp erläutert ist. In der schematischen Darstellung des Lötanschlusses gemäß Figur 1 ist der elektrische Leiter mit dem Bezugszeichen "6" bezeichnet, der gemäß der Beschreibung auf Seite 3, erster Absatz, als "zumindest eine Leiterbahn" ausgebildet sein kann. Weder aus Figur 1 noch aus den Figuren 2 und 3 ist jedoch klar ersichtlich, ob dieser elektrische Leiter 6 als eine oder als mehrere Leiterbahnen ausgebildet ist.

Die in Figur 1 dargestellte und in der zugehörigen Beschreibung erläuterte Ausführungsform der Erfindung enthält somit keine eindeutige Offenbarung einer bestimmten Anzahl an Leiterbahnen, sondern sie kann jegliche Anzahl an Leiterbahnen umfassen. Entsprechendes gilt für die übrigen ursprünglichen Anmeldungsunterlagen. Dies gilt auch im Hinblick auf die auf Seite 1, zweiter Absatz der ursprünglichen Beschreibung genannten Anwendungsfälle.

6.6 Wie die Einsprechende zutreffend dargelegt hat, handelt es sich bei der Einschränkung des beanspruchten Lötanschluss auf "eine einzige Leiterbahn" folglich um einen nicht offenbarten Disclaimer, dessen Zulässigkeit einer Prüfung nach den in der Entscheidung G 1/03 der Großen Beschwerdekammer festgelegten Maßstäben unterliegt. Die Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden, wonach die von der Großen Beschwerdekammer in G 1/03 festgelegten Kriterien im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Die Patentinhaberin hat dem lediglich entgegengesetzt, dass die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer zur Frage der Zulässigkeit von nicht offenbarten Disclaimern für den chemischen Bereich, jedoch nicht auf andere technische Gebiete, anwendbar sei. Die Kammer versteht die Entscheidung G 1/03 nicht in diesem auf den chemischen Bereich eingeschränkten Sinne und sieht auch keine Anhaltspunkte, die für eine solche Interpretation sprechen würden. Mangels eines substantiierten Vortrags der Patentinhaberin, war die Frage, ob die Kriterien der G 1/03 für die Zulässigkeit eines Disclaimers im konkreten Fall überhaupt anwendbar sind bzw. erfüllt sein könnten, daher im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht näher zu erörtern.

6.7 Somit ist die im Hilfsantrag 3 vorgenommene Einschränkung des beanspruchten Lötanschlusses, nach der die Erfindung nunmehr explizit auf eine einzige, aber keine weitere Leiterbahn gerichtet ist, den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen weder explizit noch implizit unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.

6.8 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.

7. Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer (Artikel 112 EPÜ)

7.1 Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wurde von der Patentinhaberin gestellt, um die Anwendbarkeit des Artikels 13 (2) VOBK 2020 auf die Frage der Berücksichtigung der Hilfsanträge 4 bis 7 im Verfahren zu klären. Die Kammer hatte demnach in der mündlichen Verhandlung zunächst über den Vorlageantrag zu entscheiden, bevor über die Frage der Berücksichtigung der Hilfsanträge 4 bis 7 im Verfahren entschieden werden konnte (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 4).

7.2 Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, befasst die Beschwerdekammer von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält (Artikel 112 (1) a) EPÜ).

7.3 Das Bestehen einer Rechtsprechungsdivergenz wurde weder von der Patentinhaberin aufgewiesen noch sind der Kammer divergierende Entscheidungen bezüglich der aufgeworfenen Vorlagefragen bekannt. Die Kammer stimmt der Patentinhaberin jedoch zu, dass es sich hierbei um Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung handelt, die sich in einer Vielzahl anhängiger Verfahren stellen können. Wie im Folgenden näher ausgeführt, erachtet die Kammer eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer jedoch nicht für erforderlich, sodass der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer zurückzuweisen war.

7.4 Nach Artikel 24 (1) Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) trat die revidierte Verfahrensordnung am 1. Januar 2020 in Kraft. Nach der Übergangsbestimmung des Artikels 25 (3) VOBK 2020 ist der Artikel 13 (2) VOBK 2020 jedoch nicht anzuwenden, wenn vor Inkrafttreten der revidierten Fassung die Ladung zur mündlichen Verhandlung oder eine Mitteilung der Kammer nach Regel 100 (2) EPÜ zugestellt wurde.

7.5 In ihrer ersten Vorlagefrage warf die Patentinhaberin die Frage auf, ob das Wort "oder" im ersten Satz des Artikels 25 (3) VOBK in einem "exklusiven" oder "kumulativen" Sinne zu verstehen sei. Diese Frage stelle sich insofern, als die Ladung zur mündlichen Verhandlung unstrittig nach dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt wurde, jedoch eine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ nach Auffassung der Patentinhaberin bereits vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt worden sei. Die Patentinhaberin verwies in diesem Zusammenhang auf die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 8. Mai 2018, womit die Beteiligten aufgefordert wurden, ihre Beschwerdeerwiderungen binnen vier Monaten einzureichen.

7.6 Nach Auffassung der Kammer wäre die Beantwortung dieser ersten Frage nur dann entscheidungserheblich, wenn man der Auffassung der Patentinhaberin folgen würde, wonach die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 8. Mai 2018 als Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ anzusehen sei. Denn nur in einem solchen Fall würde sich die Frage stellen, ob allein die Zustellung einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ vor dem Inkrafttreten der revidierten Verfahrensordnung zu einem Anwendungsausschluss des Artikels 13 (2) VOBK 2020 führen könnte, d.h. nur dann wäre im vorliegenden Fall zu prüfen, ob das Wort "oder" im ersten Satz des Artikels 25 (3) VOBK 2020 in einem "exklusiven" oder "kumulativen" Sinne zu verstehen sei.

7.7 Da die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 8. Mai 2018 nach Auffassung der Kammer jedoch keine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ darstellt (siehe hierzu unten Punkt 7.8) und somit keine der in Artikel 25 (3) VOBK 2020 genannten Handlungen/Mitteilungen vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020 ergangen ist, kommt eine Vorlage dieser ersten Frage bereits mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht.

7.8 Die zweite Vorlagefrage betrifft genau die vorgenannte Thematik, ob nämlich die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 8. Mai 2018 eine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ darstellt. Mit dieser Mitteilung wurden die Verfahrensbeteiligten aufgefordert, zu der Beschwerdebegründung der jeweiligen Gegenpartei innerhalb einer Frist von vier Monaten Stellung zu nehmen, d.h. ihre Beschwerdeerwiderungen einzureichen. Es handelt sich hierbei um eine standardisierte Mitteilung der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer, die in inter partes Verfahren ergeht, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, weitere schriftsätzliche Stellungnahmen einzureichen, die zu den im Artikel 12 (1) VOBK 2020 genannten "Grundlagen" des zweiseitigen Beschwerdeverfahrens gehören. Dies gilt nicht nur unter der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer, sondern galt in gleicher Weise bereits unter der VOBK 2007. Nach Artikel 12 (1) VOBK 2007 liegen dem Beschwerdeverfahren unter anderem die Beschwerde, die Beschwerdebegründung und im zweiseitigen Verfahren die Beschwerdeerwiderung(en), die innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Beschwerdebegründung einzureichen sind, zugrunde. Die vorgenannten Schriftsätze sind auch im Artikel 12 (1) VOBK 2020 genannt. Zudem sieht Artikel 12 (2) VOBK 2007 vor, dass die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag ( bzw. nach dem Wortlaut des Artikels 12 (2) VOBK 2020 "das vollständige Beschwerdevorbringen") eines Beteiligten enthalten müssen. Diesen Bestimmungen liegt somit das Konzept zugrunde, dass eine inhaltliche Prüfung im zweiseitigen Beschwerdeverfahren grundsätzlich erst nach dem Ablauf der Frist zur Einreichung der Beschwerdeerwiderung(en) erfolgt, da erst zu diesem Zeitpunkt das vollständige Beschwerdevorbringen der Beteiligten vorliegt. Die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 8. Mai 2018 diente lediglich dem Zweck, den Beteiligten die Möglichkeit einzuräumen, ihr Vorbringen im Sinne des Artikels 12 (2) VOBK 2007 zu vervollständigen. Eine solche Mitteilung fällt somit nicht in den Bereich der Prüfung der Beschwerde, sondern dient rein prozessualen Zwecken, nämlich weiteres schriftsätzliches Vorbringen der Beteiligten allererst einzuholen, auf dessen Grundlage die inhaltliche Prüfung dann erfolgen kann. Da die Regel 100 (2) EPÜ jedoch lediglich Mitteilungen umfasst, die im Rahmen der Prüfung der Beschwerde ergehen ("Bei der Prüfung der Beschwerde fordert die Beschwerdekammer die Beteiligten so oft wie erforderlich auf ..." (Hervorhebung durch die Kammer), fällt die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 8. Mai, die lediglich eine prozessuale Funktion erfüllt jedoch keinen Prüfungscharakter aufweist, somit nicht unter die Regel 100 (2) EPÜ. Da im vorliegenden Fall somit weder eine Ladung zur mündlichen Verhandlung noch eine Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ vor dem Inkrafttreten der revidierten Verfahrensordnung zugestellt wurde, ist der Artikel 13 (2) VOBK 2020 anzuwenden (vgl. Artikel 25 (3) VOBK 2020).

7.9 Der Vollständigkeit halber ist zu bemerken, dass der Artikel 13 (2) VOBK 2020 die sogenannte dritte Stufe des Konvergenzansatzes betrifft (vgl. Zusatzpublikation 1 zum ABl. 2020, Seite 104). In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass sowohl die erste (vgl. Artikel 12 (4) VOBK 2020) als auch die zweite Stufe des Konvergenzansatzes (vgl. Artikel 13 (1) VOBK 2020) bereits davon ausgehen, dass in zweiseitigen Verfahren bereits die Beschwerdeerwiderung(en) vorliegen bzw. die Beteiligten jedenfalls zur Einreichung derselben aufgefordert wurden. Es erscheint daher nicht plausibel, und die Patentinhaberin hat hierzu, obgleich explizit von der Kammer darauf angesprochen, in der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen, dass die Anwendung des Artikels 13 (2) VOBK 2020 vom Zeitpunkt der Zustellung der Aufforderung zur Einreichung der Beschwerdeerwiderung(en) abhängig gemacht werden sollte.

7.10 Da die erste Vorlagefrage nicht entscheidungserheblich war und die zweite Frage ohne Weiteres auf der Grundlage der Rechtsvorschriften beantworten werden konnte, war der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer zurückzuweisen.

8. Hilfsanträge 4 bis 7 - Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren (Artikel 13 (2) VOBK 2020)

8.1 Die erstmals von der Patentinhaberin mit Schreiben vom 4. Juli 2021, und somit nach der am 16. Februar 2021 erfolgten Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer, eingereichten Hilfsanträge 4 bis 7 bleiben im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.

8.2 Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

8.3 Die Patentinhaberin hat keine stichhaltigen Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche eine durch die neuen Hilfsanträge 4 bis 7 bedingte Änderung des Beschwerdevorbringens rechtfertigen könnten.

Die Kammer bemerkt, dass die Einführung eines neuen Einwandes durch die Kammer in ihrer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten vorläufigen Meinung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 darstellen könnte, der eine Änderung des Beschwerdevorbringens rechtfertigen würde. Dies kann auch für neue Einwände einer anderen Partei gelten, die von der Kammer im Beschwerdeverfahren aufgegriffen wurden.

Im vorliegenden Fall waren jedoch sämtliche von der Kammer im Hinblick auf den Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 bis 3 erörterten Einwände, insbesondere die Einwände im Hinblick auf die Neuheit und erfinderische Tätigkeit, bereits Gegenstand des Verfahrens, sodass die Ladung keinerlei neue Einwände enthielt.

8.4 Der bloße Umstand, dass die Kammer im Hinblick auf den Hilfsantrag 1 eine von der angefochtenen Entscheidung abweichende vorläufige Meinung vertrat, kann ebenfalls nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 gewertet werden, denn das Beschwerdeverfahren dient vorrangig der gerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung (Artikel 12 (2) VOBK 2020) und die Patentinhaberin musste vernünftigerweise damit rechnen, dass die Kammer im Zuge dieser Überprüfung eine von der Einspruchsabteilung abweichende Meinung vertreten könnte. Folglich hätte für sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren, insbesondere in Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden vom 18. September 2018, Veranlassung bestanden, vorsorglich weitere Hilfsanträge einzureichen. Dies hat sie jedoch unterlassen.

8.5 Im Lichte der obigen Erwägungen hat die Kammer daher ihr Ermessen unter Artikel 13 (2) VOBK 2020 dahingehend ausgeübt, die Hilfsanträge 4 bis 7 nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.

9. Ergebnis

Angesichts der Schlussfolgerungen der Kammer, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 nicht neu ist im Hinblick auf die offenkundige Vorbenutzung P5, der Hilfsantrag 3 gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt, die Hilfsanträge 4 bis 7 unter Artikel 13 (2) VOBK 2020 im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen waren, und zudem der Antrag der Patentinhaberin auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer zurückzuweisen war, war der Beschwerde der Einsprechenden stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

3. Das Patent wird widerrufen.

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