T 0218/18 () of 6.2.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T021818.20190206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2019
Aktenzeichen: T 0218/18
Anmeldenummer: 05026290.6
IPC-Klasse: G07B 15/02
G07F 7/08
G07F 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur automatisierten Erfassung der Benutzung kostenpflichtiger Transportmittel zur Personbeförderung
Name des Anmelders: mcity GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - nach Änderung
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Nummer 05026290 zurückzuweisen.

II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Anmelderin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents in folgender Fassung:

- Ansprüche 1 bis 10 gemäß dem mit Schriftsatz vom 21. Januar 2019 eingereichten Hilfsantrag 9;

- Beschreibung Seiten 1 bis 22 wie in der mündlichen Verhandlung eingereicht;

Figuren 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht.

III. Es wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:

D2: WO 02/056237 A2

D4: DE 199 57 660 A1

IV. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Verfahren zur automatischen Erfassung der Benutzung kostenpflichtiger Transportmittel zur Personenbeförderung mittels eines Nutzerendgerätes eines das Transportmittel nutzenden Nutzers, wobei mindestens ein im Bereich des Transportmittel angeordneter Sender Datentelegramme sendet,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Sender in zeitlich festgelegten Abständen und/oder in Abhängigkeit vom Ort des Transportmittels die Datendiagramme unidirektional aussendet wobei die Datentelegramme von dem Nutzerendgerät empfangen werden, wobei die folgenden Schritte durchlaufen werden

• Empfangen und Speichern eines von einem Sender gesendeten Datentelegramms, welches eine Standortinformation über den Standort des Senders und/oder Fahrpreis- oder Tarifinformationen enthält,

• Empfangen und Speichern mindestens eines weiteren von einem Sender gesendeten Datentelegramms,

• Weiterverarbeitung der empfangenen Daten unter Berücksichtigung von auf dem Nutzerendgerät befindlichen Daten und Algorithmen

dadurch gekennzeichnet, dass

ein im Transportmittel angeordneter Rücklese-Empfänger die korrekte Aussendung der vom Sender unidirektional gesendeten Datentelegramme prüft und bei Erkennung von Kollisionen und/oder Interferenzen einen Frequenz- bzw. Kanalwechsel veranlasst, so dass die Datentelegramme auf einer anderen Frequenz oder auf einem anderen Kanal gesendet werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123(2)

Der Teil des Anspruchs 1 des geltenden Antrags, der Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags entspricht, beruht auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 sowie den Absätzen 15, 22, 25, 32 und 33 der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung (A1-Publikation).

Der letzte Absatz des Anspruchs 1 des geltenden Antrags, der sich auf die Rückleseeinrichtung bezieht, beruht auf Absatz 15 der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 4 bis 11 und 13.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt sind.

3. Stand der Technik

3.1 D2

Das Dokument D2 betrifft die Erfassung von elektronischen Fahrkarten/Billetten 10 durch eine in einem Transportmittel 20 angeordnete Sende-/Empfangseinheit 32. Im Rahmen der Erfassung werden den Billetten von der Sende-/Empfangseinheit Informationseinheiten INF1 übermittelt, wobei diese Übermittlung ohne Adressierung, das heißt unter Verwendung einer Broadcasttechnik, an alle Billette stattfinden kann. Auf Basis der empfangenen Informationseinheiten INF1 kann auf dem Billet von einem fiktiven Konto eine Abbuchung eines Geldbetrages erfolgen. Die mit einem Billet durchgeführten Fahrten werden in einem Bordrechner über eine Billet-ID registriert, welche die Billete in Antwort auf empfangene Informationseinheiten INF1 mit Informationseinheiten INF2 an die Sende-/Empfangseinheit schicken. Mithilfe dieser Registrierungen erfolgt eine endgültige Abrechnung der zu entrichtenden Fahrpreise. Der Guthabenstand auf dem Billet wird beim nächsten Aufladen des Billets synchronisiert. Es gibt in D2 keinen Hinweis darauf, dass auf die Informationseinheiten INF2 oder auf die Synchronisierung verzichtet werden kann.

3.2 D4

Das Dokument D4 betrifft ein Verfahren zur Bestimmung und Abrechnung des Fahrpreises in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei führen Fahrgäste elektronische Fahrberechtigungen mit, auf denen ein Guthaben gespeichert ist. Während der Fahrt sendet eine im Fahrzeug angeordnete Vorrichtung Zählimpulse aus. In Abhängigkeit von den empfangenen Zählimpulsen werden von den Guthaben auf den Fahrberechtigungen Beträge abgebucht.

Dabei können die Fahrberechtigungen eine individuelle Kodierung aufweisen, die von der im Fahrzeug angeordneten Vorrichtung erkannt (und damit registriert) werden kann. Dies ist nach D4 jedoch nicht notwendig, sondern lediglich vorteilhaft, um eine nutzungsgerechte Abrechnung, eine zuverlässige Erhebung von Marktdaten und eine verbesserte Kontrolle zu ermöglichen (Spalte 4, Zeilen 19 bis 28; siehe auch die Ansprüche 1 bis 4, die die Erkennung der Kodierungen nicht enthalten).

4. Artikel 54 EPÜ 1973, Neuheit

4.1 D4

D4 offenbart, im Wortlaut des Anspruchs 1, ein

Verfahren zur automatischen Erfassung der Benutzung kostenpflichtiger Transportmittel zur Personenbeförderung mittels eines Nutzerendgerätes (Fahrberechtigung) eines das Transportmittel nutzenden Nutzers (Fahrgast), wobei mindestens ein im Bereich des Transportmittels angeordneter Sender Datentelegramme (Zählimpulse) sendet (siehe Zusammenfassung und Anspruch 2),

wobei

der Sender in zeitlich festgelegten Abständen und/oder in Abhängigkeit vom Ort des Transportmittels die Datendiagramme unidirektional aussendet (Spalte 4, Zeile 4 bis 9) wobei die Datentelegramme von dem Nutzerendgerät empfangen werden (siehe auch Spalte 4, Zeilen 2 bis 15 und Spalte 3, Zeilen 28 bis 54), wobei die folgenden Schritte durchlaufen werden:

- Empfangen und Speichern eines von einem Sender gesendeten Datentelegramms (Zählimpulse; Spalte 3, Zeilen 46 bis 49), welches eine Standortinformation über den Standort des Senders und/oder Fahrpreis- oder Tarifinformationen enthält (Spalte 5, Zeilen 13 bis 18),

- Empfangen und Speichern mindestens eines weiteren von einem Sender gesendeten Datentelegramms (das gesamte System der D4 beruht auf einer Mehrzahl von Zählimpulsen),

- Weiterverarbeitung der empfangenen Daten unter Berücksichtigung von auf dem Endgerät befindlichen Daten und Algorithmen (Spalte 5, Zeilen 13 bis 18).

4.2 Unterscheidende Merkmale

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von D4 durch den letzten Absatz, das heißt, dadurch, dass

ein im Transportmittel angeordneter Rücklese-Empfänger die korrekte Aussendung der vom Sender unidirektional gesendeten Datentelegramme prüft und bei Erkennung von Kollisionen und/oder Interferenzen einen Frequenz- bzw. Kanalwechsel veranlasst, so dass die Datentelegramme auf einer anderen Frequenz oder auf einem anderen Kanal gesendet werden.

Auch das Dokument D2 offenbart diese im Laufe des Beschwerdeverfahren neu hinzugefügten Merkmale nicht. Der Einwand der Prüfungsabteilung hinsichtlich mangelnder Neuheit (Punkt 4. des Ladungsbescheides vom 07.04.2017, auf den sich die angefochtene Entscheidung bezieht) trifft also auf den vorliegenden Anspruch 1 nicht zu.

In Anbetracht des verfügbaren Standes der Technik ist der Gegenstand des Anspruchs 1 daher neu nach Artikel 54 EPÜ 1973.

5. Artikel 56 EPÜ 1973, erfinderische Tätigkeit

5.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die grundsätzliche Aufgabe der Anmeldung ist, ein offenes Be In/Be Out-System zur Abrechnung von Fahrpreisen zu schaffen, bei dem vermieden wird, dass die elektronischen Fahrkarten/Nutzerendgeräte (womöglich gleichzeitig) Daten senden müssen. Zu diesem Zweck ist die Kommunikation zwischen den im Transportmittel angeordneten Sendern und den Nutzerendgeräten unidirektional ausgestaltet (siehe Seite 4, Absätze 2 und 3), auch wenn optional zusätzlich Daten von den Nutzerendgeräten ausgelesen werden können (siehe Seite 18, Absätze 2 bis 4). Damit wird die Komplexität bidirektionaler Verfahren vermieden (siehe auch Seite 3, Absatz 2).

Nach D2 erfolgt die Kommunikation zwischen den Fahrkarten und den im Fahrzeug angeordneten Sende-/Empfangsmitteln ausdrücklich bidirektional (siehe zum Beispiel Anspruch 1 Erfassung eines Billettes, und Anspruch 2, bidirektional kommuniziert).

Bei dem in D4 offenbarten System ist das Senden von Daten von den Fahrberechtigungen an die im Transportmittel angeordnete Einrichtung dagegen lediglich optional und auch nicht direkt mit der Abbuchung von Guthaben auf der Fahrberechtigung verbunden.

Das in D4 vorgestellte System entspricht daher am ehesten der in der Anmeldung genannten Aufgabe. Als nächstliegender Stand der Technik im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes muss daher D4 angesehen werden.

5.2 Technischer Effekt/objektives technisches Problem

Der technische Effekt der oben genannten unterscheidenden Merkmale ist, dass die fehlerhafte Aussendung von Datentelegrammen erkannt und gegebenenfalls beseitigt werden kann.

Das ausgehend von D4 zu lösende objektive technische Problem kann dann so formuliert werden, dass das in D4 beschriebene System in Bezug auf die Datenübermittlung an die Fahrberechtigungen/Nutzerendgeräte zuverlässiger zu gestalten ist.

5.3 Erfinderische Tätigkeit

Das Dokument D4 selber beschäftigt sich nicht mit dem genannten objektiven technischen Problem und gibt dem Fachmann auch keinerlei Hinweise, einen Rücklese-Empfänger vorzusehen. Der Fachmann würde daher, ausgehend von D4 unter alleiniger Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Auch D2 offenbart die Verwendung eines Rücklese-Empfängers nicht.

Der Fachmann würde daher, ausgehend von D4 und unter Berücksichtigung der Lehre des Dokuments D2 ebenfalls nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Der Vollständigkeit halber weist die Kammer darauf hin, dass eine fehlerhafte Aussendung von Datentelegrammen in einem bidirektionalen System auch ohne Rücklese-Empfänger sofort auffallen würde, da dann die eigentlich erwarteten Antworten der Nutzerendgeräte auf die ausgesendeten Datentelegramme ausblieben.

In bidirektionalen Systemen wie dem in D2 offenbarten wäre ein Rücklese-Empfänger daher unnötig; der Fachmann würde daher auch ausgehend von D2 nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

5.4 Schlussfolgerung

Aus dem oben Gesagten folgt, dass der Fachmann, unter Berücksichtigung des verfügbaren Standes der Technik sowie seines allgemeinen Wissens nicht ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde. Dieser beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Vorinstanz mit der Maßgabe zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche:

Nr. 1 bis 10 gemäß dem mit Schriftsatz vom 21.Januar 2019 eingereichten Hilfsantrag 9

Beschreibung:

Seiten 1 bis 22 wie in der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2019 eingereicht

Figuren:

Nr. 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht

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