T 0185/18 () of 22.4.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T018518.20210422
Datum der Entscheidung: 22 April 2021
Aktenzeichen: T 0185/18
Anmeldenummer: 07818208.6
IPC-Klasse: A61Q17/02
A61Q17/04
A61Q19/00
A61K8/37
A61K8/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ALKYLBENZOAT GEMISCHE
Name des Anmelders: Cognis IP Management GmbH
Name des Einsprechenden: INNOSPEC LIMITED
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention R 116(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Schlagwörter: Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (nein)
Spät eingereichter Antrag - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 2 066 407 gemäß Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.

II. Im Einspruchsverfahren war das Patent unter Artikel 100(a) in Verbindung mit Artikeln 54 und 56 EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Ebenso wurden Einspruchsgründe gemäß Artikel 100(b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit und 100(c) EPÜ wegen unerlaubter Änderungen vorgebracht.

III. Im Einspruchsverfahren verteidigte die Patentinhaberin das Patent in geänderten Fassungen. Der letztliche Hauptantrag wurde während der mündlichen Verhandlung eingereicht. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, die Ansprüche dieses Hauptantrags seien durch die gemachten Änderungen unklar geworden (Artikel 84 EPÜ). Unter Verweis auf die Entscheidung G 3/14 wurde daher der Antrag, das Patent auf dieser Basis aufrechtzuerhalten, nicht gewährt. Ein zusätzlich in der mündlichen Verhandlung eingereichter Hilfsantrag wurde nicht mehr ins Verfahren zugelassen. Das Patent wurde widerrufen.

IV. In ihrer Beschwerdebegründung führte die Beschwerdeführerin aus, der Einwand der Einspruchsabteilung unter Artikel 84 EPÜ gegen die Ansprüche des Hauptantrags sei unberechtigt. Des weiteren reichte sie einen neuen Hilfsantrag ein, in dem das Merkmal, das die beanstandete Unklarheit verursachte, gestrichen wurde. Sie beantragte, das Verfahren basierend auf den Ansprüchen des Hauptantrags, hilfsweise des Hilfsantrags an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

V. In ihrer Beschwerdeerwiderung brachte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) vor, weder der Hauptantrag noch der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin seien ins Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die Ansprüche des Hauptantrags seien unklar, wie von der Einspruchsentscheidung festgestellt. Des Weiteren erfüllten die beiden Anträge auch weitere Erfordernisse des EPÜ nicht, insbesondere seien die Ansprüche unerlaubt geändert worden (Artikel 123(2) EPÜ), die Erfindung sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ) und die beanspruchten Zusammensetzungen beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

VI. In einer Mitteilung gemäß Regel 100(2) EPÜ vom 12. August 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung der Sach- und Rechtslage mit. Sie führte unter anderem aus, ihrer Ansicht nach sei der Hauptantrag der Beschwerdeführerin ins Verfahren zuzulassen, der Hilfsantrag jedoch nicht. Der in der Einspruchsentscheidung gegen den Hauptantrag erhobene Klarheitseinwand scheine gerechtfertigt. Die weiteren in dieser Mitteilung behandelten Punkte sind nicht entscheidungsrelevant.

VII. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 bekräftigte die Beschwerdegegnerin ihre Einwände unter den Artikeln 123(2), 123(3) und 56 EPÜ.

VIII. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 zog die Beschwerdeführerin ihren in der Beschwerdebegründung gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und trug keine weiteren Argumente mehr vor.

IX. Die Schlussanträge der Parteien sind die folgenden:

Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Sie beantragt weiterhin, die Sache auf Basis der Ansprüche des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags (erneut eingereicht mit der Beschwerdebegründung), hilfsweise auf Basis des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags, zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Insbesondere beantragt sie, weder den Hauptantrag noch den Hilfsantrag der Beschwerdeführerin ins Beschwerdeverfahren zuzulassen. Hilfsweise beantragt sie mündliche Verhandlung.

X. Anspruch 1 des dieser Entscheidung zugrundeliegenden Antrags lautet:

"Alkylbenzoat-Gemisch umfassend Ester von Benzoesäure mit der allgemeinen Formel (I),

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

worin R ein aliphatischer linearer Alkylrest mit C4- bis C22-C-Atomen bedeutet, wobei die Summe der C12- und C14-Alkylbenzoate größer gleich 85 Gew.-% bezogen auf die Gesamtsumme der Alkylbenzoate beträgt und die Alkylbenzoate folgende C-Kettenverteilung aufweisen:

(a) C-12 Alkylbenzoate größer gleich 60 Gew.-%, bevorzugt größer gleich 65 Gew.-%, insbesondere größer gleich 70 Gew.-% und

(b) C-14 Alkylbenzoate zwischen 20 Gew.-% und 40 Gew.-%, insbesondere zwischen 20 Gew.-% und 35 Gew.-%, bevorzugt zwischen 25 Gew.-% und 30 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtsumme der Alkylbenzoate."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags lautet:

"Alkylbenzoat-Gemisch, wobei die Summe der C12- und C14-Alkylbenzoate größer gleich 85 Gew.-% bezogen auf die Gesamtsumme der Alkylbenzoate beträgt und die Alkylbenzoate folgende C-Kettenverteilung aufweisen:

(a) C-12 Alkylbenzoate größer gleich 60 Gew.-%, bevorzugt größer gleich 65 Gew.-%, insbesondere größer gleich 70 Gew.-% und

(b) C-14 Alkylbenzoate zwischen 20 Gew.-% und 40 Gew.-%, insbesondere zwischen 20 Gew.-% und 35 Gew.-%, bevorzugt zwischen 25 Gew.-% und 30 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtsumme der Alkylbenzoate."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Zulässigkeit der Beschwerde wurde nicht bestritten.

2. Antrag auf mündliche Verhandlung liegt nur von der Beschwerdegegnerin vor, und nur für den Fall , dass die Beschwerde nicht zurückgewiesen wird. Da dies jedoch, wie weiter unten ausgeführt, der Fall ist, ist eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren statthaft.

Hauptantrag

3. Zulässigkeit

Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, der Hauptantrag der Beschwerdeführerin sei erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden und hätte von dieser nicht mehr ins Verfahren zugelassen werden dürfen. Er solle daher auch nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.

Die Kammer kann dem nicht folgen. Der Hauptantrag wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht und von dieser in Ausübung ihres Ermessens ins Verfahren zugelassen. Er ist die Basis der angefochtenen Entscheidung.

Die Einspruchsabteilung hat unter Regel 116 EPÜ ein Ermessen, geänderte Unterlagen des Patentinhabers auch nach dem in dieser Regel vorgesehenen Zeitpunkt ins Verfahren zuzulassen. Im vorliegenden Fall hat sie ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, den Antrag zuzulassen. Es wurde nicht vorgebracht, und ist auch nicht unmittelbar ersichtlich, dass die Einspruchsabteilung bei dieser Ermessensausübung grundlegende Verfahrensregeln verletzt hätte, etwa das rechtliche Gehör der Einsprechenden unter Artikel 113 EPÜ.

Der Hauptantrag befindet sich daher im Beschwerdeverfahren.

4. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

4.1 Gemäß G 3/14 (ABl. EPA 2015, A102) sind im Einspruchsverfahren die Ansprüche der nach der Erteilung geänderten Fassung des Patents einer Klarheitsprüfung nur insoweit zugänglich, als die Änderung selbst einen Klarheitsmangel verursacht. Die Ansprüche in der erteilten Form sind einer Klarheitsprüfung entzogen, da mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund ist, Artikel 100 EPÜ.

Im vorliegenden Fall wurden die Ansprüche im Vergleich zur erteilten Fassung dahingehend geändert dass sie nun auf Alkylbenzoate gerichtet sind, "umfassend Ester von Benzoesäure mit der allgemeinen Formel (I), worin R ein aliphatischer linearer Alkylrest mit C4- bis C22-C-Atomen bedeutet".

Die Klarheitsprüfung beschränkt sich daher auf Aspekte, die durch das Einfügen dieses Merkmals neu entstanden sind.

4.2 Der erteilte Anspruch 1 bezog sich auf Alkylbenzoat-Gemische, in denen die Summe der C12- und C14-Alkylbenzoate mindestens 85% Gew-% aller Alkylbenzoate ausmachen. Der erteilte Anspruch 4 definierte dazu noch eine Verteilung innerhalb dieser C12-und C14-Alkylbenzoate.

In der geänderten Fassung des Hauptantrags wurden die Alkylbenzoate auf solche der Formel (I) beschränkt, die lineare Reste R enthalten. Allerdings ist nun durch die Formulierung des Anspruchs, dass die Alkylbenzoate solche Verbindungen "umfassen", nicht klar, ob sich die weiterhin im Anspruch vorhandenen Beschränkungen der Anteile an C12- und C14-Alkylbenzoaten auf alle Alkylbenzoate oder nur auf solche der Formel (I) beziehen.

In Anspruch 1 findet sich kein Rückbezug der Mengenangaben auf Formel (I); die Mengenangaben könnten sich daher allgemein auf alle vorhandenen Alkylbenzoate beziehen. Andererseits stehen die Mengenangaben der C12- und C14-Alkylbenzoate direkt nach der Definition der linearen C4-C22-Alkylreste und zudem definiert nach Absätzen [0010] und [0012] der Beschreibung der Begriff "C12-Alkylbenzoate" Verbindungen der Formel (I), auch wenn dort keine Beschränkung auf lineare Reste besteht. Es ist daher durchaus unklar, auf welche Art von Alkylbenzoaten sich die Mengenbegrenzungen im Anspruch beziehen.

Die Einspruchsabteilung hat dies in Punkt 15 ihrer Entscheidung so ausgeführt und auf eine durch die eingeführte Änderung verursachte mangelnde Klarheit erkannt. Die Kammer folgt aus den oben ausgeführten Gründen dieser Einschätzung.

4.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, der Anspruch sei klar, da die Mengenangaben keinen Rückbezug auf Formel (I) enthielten.

Dem kann die Kammer nicht zustimmen. Der Anspruch kann auf zwei Arten gelesen werden. Die definierte "Summe der C12- und C14-Alkylbenzoate" könnte sich allgemein auf alle möglichen Alkylbenzoate beziehen, oder aber auf die direkt vorher definierten Verbindungen (I) mit linearem Alkylrest mit C4 bis C22-C-Atomen. Für die erste Lesart spräche die Abwesenheit eines direkten Rückbezugs. Für die zweite Lesart spräche die Tatsache, dass die Mengenangabe direkt auf die Definition der linearen Alkylreste folgt und die Angabe in der Beschreibung in Absätzen [0010] und [0012], bei Alkylbenzoaten handle es sich um solche der Formel (I), wenn auch dort keine Beschränkung auf lineare Reste gemacht wurde.

4.4 Weiterhin hat die Beschwerdeführerin argumentiert, selbst wenn zwei Lesarten des Anspruchs möglich seien, sei dies kein Klarheitsproblem, denn es handle sich nur um eine breitere und eine davon umfasste engere Form der Anspruchsauslegung.

Dem kann die Kammer ebenso wenig zustimmen.

Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Ansprüche in deutlicher Form den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Wenn ein Fachmann wegen verschiedener möglicher Auslegungen des Anspruchs nicht erkennen kann, auf welche Weise ein Merkmal (in diesem Fall die Mengenangaben der C12- und C14-Alkylbenzoate) einen Anspruch einschränkt, so ist ein solcher Anspruch unter Artikel 84 EPÜ nicht gewährbar.

4.5 Das Patent kann daher nicht auf Basis des Hauptantrags aufrechterhalten werden.

Hilfsantrag

5. Zulässigkeit

5.1 Die Zulässigkeit des Hilfsantrags richtet sich gemäß den Übergangsbestimmungen in Artikel 25 VOBK 2020 nach Artikel 12(4) VOBK 2007. Der Hilfsantrag wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 liegt es im Ermessen der Kammer, Anträge nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen, die bereits im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden können.

5.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags ist eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4. Er enthält keine Beschränkung bezüglich der Anwesenheit von Verbindungen (I) mit linearen aliphatischen Alkylresten.

Die Einschränkung auf Verbindungen (I) mit linearen aliphatischen Alkylresten war durchgehender Bestandteil des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren. Sowohl der Hauptantrag in der Einspruchserwiderung vom 19. Januar 2017 als auch die später am 28. Juli 2017 sowie in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssätze enthielten diese Beschränkung. Dieses Merkmal war durchgehend Gegenstand der Diskussion im Einspruchsverfahren, da die Beschwerdeführerin dort Neuheit und erfinderische Tätigkeit auf Basis diesen Merkmals verteidigte.

Die Kammer ist der Meinung, dass ein Antrag, der ein zu Beginn des Einspruchsverfahrens eingeführtes und durchgehend beibehaltenes einschränkendes Merkmal aus dem Hauptanspruch wieder herausnimmt und daher das Vorbringen der Parteien im Einspruchsverfahren und die Einspruchsentscheidung im wesentlichen obsolet macht, nicht zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren eingereicht werden kann. Ein derartiger Antrag hätte bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden müssen.

5.3 Die Nichtzulassung des Hilfsantrags wurde in der Mitteilung der Kammer gemäß Regel 100(2) EPÜ angekündigt. Die Beschwerdeführerin hat zu diesem Punkt weder in der Beschwerdebegründung noch danach Argumente vorgebracht.

5.4 Der Hilfsantrag wird daher nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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