T 0129/18 () of 1.8.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T012918.20220801
Datum der Entscheidung: 01 August 2022
Aktenzeichen: T 0129/18
Anmeldenummer: 06022899.6
IPC-Klasse: A62C 2/06
F16L 5/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wand- oder Deckendurchführung
Name des Anmelders: Etex Building Performance GmbH
Name des Einsprechenden: Rolf Kuhn GmbH
J. van Walraven Holding B.V.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 2 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1 und 3 (nein)
Änderung nach Ladung - Hilfsanträge 4 bis 7
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0142/03
T 0989/15
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 1 790 895 (im Folgenden das "Patent" genannt) zu widerrufen.

II. Die folgenden, bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten Druckschriften sind für diese Entscheidung relevant:

D3: |WO 00/68608 A1 |

D16:|Envirograf, "Largest Fire-Rated Range of Pipe & Cable Protection Products", 2004|

III. Eine Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erging am 26. Juli 2021. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020; ABl. EPA 2021, A35) vom 9. Mai 2022 legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar.

IV. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 1. August 2022 statt.

V. Schlussanträge

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hauptantrags (eingereicht mit der Beschwerdebegründung), hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1, 2, 3 oder 4 (eingereicht mit Schreiben vom 11. April 2022) oder eines der Hilfsanträge 5, 6 oder 7 (eingereicht mit Schreiben vom 1. Juni 2022) aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 1) und die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 2) beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Anspruchsfassungen

Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):

"[1.1] Wand- oder Deckendurchführung für ein Kunststoffrohr (1),

[1.2] mit einem auf dem Kunststoffrohr (1) angeordneten Streifen (4) aus Brandschutzmaterial, und

[1.3] mit einer Manschette (5) zur Fixierung des Streifens (4) aus Brandschutzmaterial auf dem Kunststoffrohr (1), dadurch gekennzeichnet,

[1.4] dass der Streifen (4) aus Brandschutzmaterial und die Manschette (5) lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen sind."

Der nebengeordnete Anspruch 9 des Hauptantrags ist auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichtet.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das folgende Merkmal 1.5 hinzugefügt ist:

"[1.5] und dass die Manschette (5) an mindestens einer Wand oder Decke (8, 9, 15) befestigt ist, die an die Wand oder Decke angrenzt, durch die die Durchführung geht."

Der nebengeordnete Anspruch 8 des Hilfsantrags 1 ist auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichtet.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal 1.4 durch das folgende Merkmal 1.4' ersetzt ist:

"[1.4'] dass der Streifen (4) aus Brandschutzmaterial und die Manschette (5) als Manschettenband vorliegen und lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen sind." (der gegenüber Merkmal 1.4 hinzugefügte Wortlaut wurde von der Kammer unterstrichen)

Der nebengeordnete Anspruch 9 des Hilfsantrags 2 ist auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichtet.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 dadurch, dass am Ende des Anspruchs das oben genannte Merkmal 1.5 hinzugefügt ist.

Der nebengeordnete Anspruch 8 des Hilfsantrags 3 ist auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichtet.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass das Wort "und" am Anfang des Merkmals 1.5 gestrichen wurde und dass am Ende des Anspruchs das folgende Merkmal 1.6 hinzugefügt ist:

"[1.6] und dass die Manschette (5) beidseitig des Rohres jeweils an einer Wand (8, 9) oder Decke befestigt ist, die winkelig zueinander angeordnet sind."

Der nebengeordnete Anspruch 6 des Hilfsantrags 4 ist auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichtet.

Die Hilfsanträge 5 und 6 umfassen einen zu Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 3 identischen Anspruch 1, aber keinen auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichteten nebengeordneten Anspruch.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 dadurch, dass das Merkmal 1.6 durch das folgende Merkmal ersetzt ist:

"[1.6'] und dass die Manschette (5) beidseitig des Kunststoffrohres (1) jeweils an einer Wand (8, 9) oder Decke befestigt ist, die winkelig zueinander angeordnet sind."

Hilfsantrag 7 umfasst keinen auf eine Verwendung eines Brandschutzbandes gerichteten nebengeordneten Anspruch.

VII. Der Vortrag der Beteiligten zu den entscheidungsrelevanten Fragen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Anspruchsauslegung

i) Beschwerdeführerin

Das Kunststoffrohr sei Teil der Wand- oder Deckendurchführung. Der Begriff "Wand- oder Deckendurchführung" definiere, dass etwas durch eine Wand oder Decke geführt werde. Der Fachmann wisse, dass dies in der Regel ein Rohr sei. Eine Wand- oder Deckendurchführung ohne Rohr könne nicht als Durchführung betrachtet werden, sondern sei lediglich eine Öffnung in der Wand bzw. Decke. Diese Interpretation stehe auch im Einklang mit Absatz [0020] des Streitpatents. Auch die Merkmale 1.2 bis 1.4 nähmen Bezug auf das Rohr und definierten beispielsweise, dass der Streifen aus Brandschutzmaterial auf dem Rohr angeordnet sei. Der Fachmann verstehe Merkmal 1.1 dahingehend, dass die beanspruchte Konstruktion für ein Kunststoffrohr und nicht für andere Rohre wie beispielsweise für Metallrohre beabsichtigt sei. Das Kunststoffrohr müsse bei der Installation vorhanden sein. Der Fachmann verstehe Anspruch 1 als einen Systemanspruch. Zu dem beanspruchten System gehörten das Kunststoffrohr, der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette.

ii) Beschwerdegegnerinnen I und II

Merkmal 1.1 definiere eine Wand- oder Deckendurchführung für ein Kunststoffrohr. Anspruch 1 sei somit auf eine für ein Kunststoffrohr geeignete Wand- oder Deckendurchführung gerichtet. Das Kunststoffrohr sei nicht Teil des beanspruchten Gegenstandes. Die Merkmale 1.2 und 1.4 seien so zu interpretieren, dass der Streifen aus Brandschutzmaterial geeignet sei, auf einem Kunststoffrohr angeordnet zu sein, dass die Manschette zur Fixierung des Streifens aus Brandschutzmaterial auf dem Kunststoffrohr geeignet sei, und dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette dazu geeignet seien, lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen zu sein.

b) Hauptantrag

i) Beschwerdeführerin

Die Druckschrift D3 offenbare nicht, dass das Brandschutzmaterial auf einem Kunststoffrohr fixiert sei, dass eine Manschette zur Fixierung des Brandschutzmaterials auf dem Kunststoffrohr vorhanden sei und dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen seien. In allen in der Druckschrift D3 gezeigten Ausführungsformen gehe der Streifen aus Brandschutzmaterial vollständig um das Rohr herum (siehe beispielsweise Seite 2, Zeile 21, Seite 15, Zeilen 7 ff. oder Figur 12).

ii) Beschwerdegegnerinnen I und II

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber der Druckschrift D3. Es gebe keine strukturellen Unterschiede zwischen dem beanspruchten Gegenstand und der in der Druckschrift D3 offenbarten Wand- oder Deckendurchführung. Beispielsweise falle die dort in Figur 5 gezeigte Ausführungsform in den Anspruchswortlaut.

c) Hilfsantrag 1

i) Beschwerdeführerin

Nicht die Druckschrift D16, sondern die Druckschrift D3 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da die Druckschrift D3 einem ähnlichen Verwendungszweck entspreche und die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erfordere, um zu der beanspruchten Erfindung zu gelangen. Ferner sei bei der Bestimmung des nächstliegenden Stands der Technik zu berücksichtigen, was der Anmelder in seiner Beschreibung und den Patentansprüchen selbst als bekannt angegeben habe. Im vorliegenden Fall enthalte das Patent einen Verweis auf die Druckschrift D3.

Die Druckschrift D16 offenbare nicht die Merkmale 1.2, 1.3, 1.4 und 1.5. Die objektive technische Aufgabe ausgehend von der Druckschrift D16 könne nicht darin gesehen werden, eine große Produktreihe unterschied­licher Größen und die damit einhergehende Lagerhaltung zu vermeiden, da diese Aufgabe nicht aus der Druck­schrift D16 hervorgehe. Die objektive technische Aufgabe sei im Hinblick auf Absatz [0007] des Streitpatents vielmehr darin zu sehen, ein vielseitig einsetzbares Produkt bereitzustellen, welches eine brandschutztechnischen Anforderungen genügende und platzsparende Wand- oder Deckendurchführung für ein Rohr ermögliche.

Die Druckschrift D16 gebe dem Fachmann keine Veranlassung, den starren Beschlag durch ein flexibles Element zu ersetzen. In Anbetracht einer Kombination der Druckschriften D16 und D3 hätte der Fachmann die Manschette auch nicht um das Rohr herumgeschlungen, sondern damit die Vorrichtung der Druckschrift D16 nachgebildet. Die Manschette würde dann aber das Kunststoffrohr nicht umschlingen.

Der Druckschrift D3 hätte der Fachmann die Notwendigkeit entnommen, den Kragen vollständig um das Rohr zu schlingen, so dass dieser nicht die gesamte Konstruktion der Druckschrift D16 mit derjenigen der Druckschrift D3 ersetzt hätte. Es sei auch nicht klar, wie die Manschette der Druckschrift D3 um ein Rohr geschlungen werden könne, das in ungünstigen Winkeln verlaufe, wie dies im Zusammenhang mit "product 18" in der Druckschrift D16 beschrieben sei. Auch die dort beschriebene h-Form könne mit einer derartigen Manschette nicht nachgebildet werden. Zur Lösung der von den Beschwerdegegnerinnen I und II vorgeschlagenen objektiven technischen Aufgabe hätte der Fachmann die als "product 18" in der Druckschrift D16 offenbarte Vorrichtung als in der Größe einstellbar gestaltet.

Die Druckschrift D16 sehe eine seitliche Befestigung an der Wand vor, die in der Druckschrift D3 nicht vorhanden sei. Schon aufgrund der fehlenden Befestigungselemente hätte der Fachmann die Druckschriften D16 und D3 nicht miteinander kombiniert. Selbst wenn der Fachmann vorgesehen hätte, dass die Manschette nicht ganz um das Rohr herumgehe, würde er immer noch die gleiche Befestigung verwenden wie in der Druckschrift D3. Wenn die dort offenbarte Anzahl von Befestigungsklammern nicht ausreichen sollte, um die bei einer Ausdehnung des Brandschutzmaterials im Brandfall auftretenden radialen Kräfte aufzunehmen, würde der Fachmann eine größere Anzahl von Klammern vorsehen. Diese wären dann zwar möglicherweise auch an den Enden des Manschettenbandes vorhanden. Damit hätte der Fachmann aber keine Befestigung an einer Wand oder Decke vorgesehen, die an die Wand oder Decke angrenzt, durch die die Durchführung geht. Bei dem in der Druckschrift D16 offenbarten "product 18" seien die Schrauben an Stellen vorgesehen, an denen kein Brandschutzmaterial vorhanden sei. In der Manschette der Druckschrift D3 sei das Brandschutzmaterial aber überall vorhanden und es sei kein Loch vorgesehen, um die Manschette zu befestigen.

Der Fachmann hätte ausgehend von der Druckschrift D16 eher das "product 13" mit der Druckschrift D3 kombiniert als das "product 18", da ersteres für normale Anwendungsfälle vorgesehen sei.

Aus Seite 12, Zeile 1 der Druckschrift D3 gehe hervor, dass für Rohrdurchmesser über 100 mm die Verwendung von zwei Streifen von Brandschutzmaterial erwünscht sei. Bis auf die ersten im Zusammenhang mit "product 18" in der Druckschrift D16 genannten Produktgrößen lägen die anderen über einem Durchmesser von 100 mm. Bei diesen Abmessungen widersprächen sich die Lehren der Druckschriften D3 und D16. Den Druckschriften D3 und D16 sei nicht zu entnehmen, dass ein lediglich teilweises Umschlingen ausreichend sicher sei. Für den Fachmann im Bereich des Brandschutzes sei jedoch Sicherheit die erste Priorität.

ii) Beschwerdegegnerinnen I und II

Das "product 18" der Druckschrift D16 sei als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, da es dieselbe Aufgabe wie das Streitpatent betreffe, nämlich die Gewährleistung des Brandschutzes bei nahe an einer Wand geführten Rohren. Der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruches 1 und dem "product 18" sei lediglich, dass eine Manschette vorhanden sei und dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen seien. Dies habe den technischen Effekt, dass nicht für jedes Rohrmaß eigene Produkte vorhanden sein müssten. Die objektive technische Aufgabe könne darin gesehen werden, eine große Produktreihe unterschiedlicher Größen und die damit einhergehende Lagerhaltung zu vermeiden. Die Druckschrift D3 befasse sich genau mit dieser Aufgabe (siehe Seite 1, Zeilen 17 bis 19) und schlage ein Brandschutzband vor. Der Fachmann hätte anstelle der großen Vielfalt von Produkten in der Druckschrift D16 das in der Druckschrift D3 vorgeschlagene Brandschutzband (siehe beispielsweise Figur 5) verwendet und wäre damit unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt. Der Fachmann hätte das Manschettenband an seinen Enden an einer angrenzenden Wand oder Decke befestigt, da die in der Druckschrift D3 beschriebene Befestigung mittels Klammern nicht ausreichen würde, um die im Brandfall auftretenden Kräfte aufzunehmen.

d) Hilfsanträge 2 und 3

Beschwerdeführerin, Beschwerdegegnerinnen I und II

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 und Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 enthielten keine weiteren abgrenzenden Merkmale im Hinblick auf die Druckschriften D3 und D16. Die Druckschrift D3 offenbare eine Ausgestaltung als Manschettenband.

e) Hilfsantrag 4

i) Beschwerdeführerin

Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Zulassung des Hilfsantrags 4 in das Beschwerdeverfahren rechtfertigten, da Hilfsantrag 4 lediglich eine Einschränkung eines zuvor zugelassenen Hilfsantrags darstelle, bei der eine Befestigung nicht nur an einer angrenzenden Wand oder Decke, sondern an zwei angrenzenden Wänden bzw. Decken vorgesehen sei. Dies entspreche einer Auswahl aus nur drei möglichen Alternativen, nämlich der Befestigung an einer, zwei oder drei Wänden. Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 komme somit einem "oder"-Anspruch gleich. Die Situation sei daher anders zu sehen als bei einer Auswahl aus einer größeren oder gar unbegrenzten Anzahl von Alternativen. Nach T 142/03, Punkt 17 der Entscheidungsgründe könnten außergewöhnliche Umstände insbesondere dann vorliegen, wenn sich aus der Erörterung bereits eingereichter Anträge in der mündlichen Verhandlung ergebe, dass einige Ansprüche oder Teile von Ansprüchen die Erfordernisse des EPÜ erfüllten, andere Ansprüche jedoch nicht. Dies entspreche der Situation hinsichtlich des Hilfsantrags 4. Hilfsantrag 4 gebe darüber hinaus keinen Anlass zu weiteren Einwänden und sei prima facie gewährbar.

ii) Beschwerdegegnerinnen I und II

Der Hilfsantrag 4 sei nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor. Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von einer Kombination der Druckschriften D16 und D3 sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren diskutiert worden. Der Hilfsantrag 4 hätte spätestens mit der Beschwerdebegründung eingereicht werden sollen.

f) Hilfsanträge 5, 6 und 7

i) Beschwerdeführerin

Die Hilfsanträge 5, 6 und 7 seien eine direkte Reaktion auf die in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegte vorläufige Auffassung der Kammer, wonach der nebengeordnete Verwendungsanspruch des Hauptantrags nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ und der Regel 80 EPÜ erfülle. Diese Einwände seien zuvor nicht erhoben worden. Die Hilfsanträge 5, 6 und 7 umfassten keinen Verwendungsanspruch und räumten somit die gegen den Verwendungsanspruch erhobenen Einwände aus. Es lägen daher außergewöhnliche Umstände vor.

Hilfsantrag 7 sei prima facie gewährbar. Für eine Eckmontage sehe die Druckschrift D16 eine h-förmige Abdeckung vor. Eine solche h-Form könne mit einem Manschettenband nicht nachgebildet werden. Die Druckschrift D16 sehe außerdem vor, dass auch bei einer Eckmontage das Rohr an drei Seiten umgeben sei. Um einen ausreichenden Schutz im Brandfall zu gewährleisten, wäre der Fachmann hiervon nicht abgewichen. Eine Umfassung auf drei Seiten sei mit einer Manschette jedoch nicht möglich. Erst die Erfinder hätten erkannt, dass auch ein Umfassen des Rohres über einen kleineren Umfangsbereich einen hinreichenden Brandschutz gewährleiste.

Bei der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 vorgesehenen Eckmontage sei das Manschettenband möglichst weit um das Rohr herumzuführen, um einen sicheren Schutz im Brandfall zu gewährleisten. Die Befestigung des Manschettenbandes an den Wänden müsse daher in einem flachen Winkel erfolgen (siehe Figur 3 des Streitpatents). Hierdurch ergäben sich strukturelle Unterschiede der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 definierten Wand- oder Deckendurchführung gegenüber einer Wand- oder Deckendurchführung, bei der die Befestigung an nur einer Wand erfolge. Die Druckschriften D3 und D16 zeigten nicht, mit welchen Befestigungsmitteln ein solch flacher Winkel erreicht werden könne. Außerdem sei bei einer Installation des Manschettenbandes bei derart flachen Winkeln das Rohr im Wege. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 sei im Hinblick auf die Druckschriften D3 und D16 daher prima facie nicht naheliegend.

ii) Beschwerdegegnerinnen I und II

Die Hilfsanträge 5 bis 7 seien nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Es lägen keine außergewöhnliche Umstände vor, zumal Anspruch 1 jeweils in bereits vorher eingereichten Anträgen enthalten sei. Eine Verletzung der Regel 80 EPÜ sei nicht erst in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020, sondern bereits von der Beschwerdegegnerin I in ihrer Beschwerdeerwiderung geltend gemacht worden.

Auch bei der Ausgestaltung des "product 18" als "corner bracket" in der Druckschrift D16 sei eine Befestigung am Ende der Anordnung vorgesehen. Durch die in Merkmal 1.6' definierte Montierbarkeit ergebe sich kein struktureller Unterschied im Hinblick auf das beanspruchte Manschettenband. Man könne darüber hinaus auch das Manschettenband der Druckschrift D3 in eine h-Form bringen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 sei daher prima facie nicht gewährbar.

Entscheidungsgründe

1. Anspruchsauslegung

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass das Kunststoffrohr Teil der in Anspruch 1 definierten Wand- oder Deckendurchführung sei. Sie hat jedoch nicht überzeugend aufgezeigt, dass der Fachmann ein Rohr als zwingenden Bestandteil einer Wand- oder Deckendurchführung betrachten würde. Dies folgt auch nicht aus dem von ihr zitierten Absatz [0020] des Streitpatents.

Der Fachmann versteht Merkmal 1.1 vielmehr dahingehend, dass die Wand- oder Deckendurchführung für ein Kunststoffrohr geeignet ist. Zwar wären die Merkmale 1.2, 1.3 und 1.4 jeweils isoliert betrachtet auch im Einklang mit einer Anspruchsauslegung, bei der das Kunststoffrohr Teil des beanspruchten Gegenstands ist. Eine solche Anspruchsauslegung scheidet jedoch angesichts des Merkmals 1.1 aus. Vielmehr ist der Anspruch 1 (nur) auf eine Wand- oder Deckendurchführung, nicht aber auf eine Kombination einer solchen Wand- oder Deckendurchführung mit einem Kunststoffrohr gerichtet.

Demzufolge sind die Merkmale 1.2 und 1.4 so zu verstehen, dass der Streifen aus Brandschutzmaterial geeignet ist, auf einem (im Übrigen undefinierten) Kunststoffrohr angeordnet zu sein, dass die Manschette zur Fixierung des Streifens aus Brandschutzmaterial auf dem Kunststoffrohr geeignet ist, und dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette dazu geeignet sind, lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen zu sein. Darüber hinaus verlangt Anspruch 1 auch keine konkreten Abmessungen und keine konkrete Querschnittsform des Kunststoffrohrs.

Dieser Anspruchsauslegung steht auch nicht entgegen, dass die beanspruchte Wand- und Deckendurchführung gemeinsam mit dem Kunststoffrohr installiert werden kann. Aus einer gemeinsamen Installation folgt nicht, dass das Kunststoffrohr Bestandteil der beanspruchten Wand- und Deckendurchführung ist. Anspruch 1 schließt auch nicht aus, dass der Streifen aus Brandschutz­material und die Manschette zusammen mit dem Kunststoffrohr Bestandteile eines Systems sind. Ein solches System ist jedoch nicht Gegenstand des Anspruchs 1.

Die Kammer legt den Anspruch 1 somit dahingehend aus, dass die beanspruchte Wand- und Deckendurchführung für ein Kunststoffrohr geeignet ist.

2. Hauptantrag: Neuheit gegenüber der Druckschrift D3

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen I und II nicht neu gegenüber der Druckschrift D3. Die Beschwerdeführerin vertritt hingegen die Auffassung, die Druckschrift D3 offenbare nicht, dass das Brandschutzmaterial auf einem Kunststoffrohr fixiert sei, dass eine Manschette zur Fixierung des Brandschutzmaterials auf dem Kunststoffrohr vorhanden sei und dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette lediglich teilweise um das Kunststoffrohr geschlungen seien.

Angesichts der oben in Punkt 1. dargelegten Anspruchsauslegung kommt es bei der Neuheitsprüfung jedoch nicht darauf an, ob die Druckschrift D3 ein von dem Streifen aus Brandschutzmaterial und der Manschette umschlungenes Kunststoffrohr oder überhaupt ein Kunststoffrohr zeigt. Vor diesem Hintergrund bestehen keine strukturellen Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der Wanddurchführung, wie sie in der Druckschrift D3 (siehe beispielsweise Figuren 3 bis 5) offenbart ist. In der Druckschrift D3 stellen das Gehäuse (casing) 20 und das intumeszente Material (intumescent material) 28 eine Manschette bzw. einen Streifen aus Brandschutzmaterial im Sinne des Anspruchs 1 dar. Diese sind auch dazu geeignet, lediglich teilweise um ein entsprechend gestaltetes und bemessenes Kunststoffrohr geschlungen zu sein. Das Material 28 ist dazu geeignet, auf dem Kunststoffrohr angeordnet zu sein, wobei das Gehäuse 20 zur Fixierung des Materials 28 auf dem Kunststoffrohr geeignet ist. Die Druckschrift D3 offenbart somit alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu (Artikel 54 EPÜ).

3. Hilfsantrag 1

Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen I und II beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 in Anbetracht einer Kombination der Druckschriften D16 und D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdeführerin widerspricht dieser Ansicht und trägt zunächst vor, nicht die Druckschrift D16, sondern die Druckschrift D3 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Wenn dem Fachmann mehrere gangbare Wege zur Erfindung offenstehen, das heißt, von mehreren unterschiedlichen Dokumenten ausgehende Wege, die zu der Erfindung führen könnten, erfordert es die Ratio des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes, die Erfindung in Bezug auf alle diese Wege zu prüfen, bevor ihr die erfinderische Tätigkeit zugesprochen wird (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", Neunte Auflage, Juli 2019 - im Folgenden "Rechtsprechung" genannt, I.D.3.1). Ist die Erfindung für den Fachmann im Hinblick auf mindestens einen dieser Wege naheliegend, so ist sie nicht erfinderisch. Wenn die erfinderische Tätigkeit verneint wird, muss die Wahl des Ausgangspunkts zudem nicht konkret begründet werden.

Da, wie im Folgenden dargelegt, dem Fachmann der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ausgehend von dem "product 18" der Druckschrift D16 in Kombination mit der Druckschrift D3 nahegelegen hat, bedarf weder die Wahl der Druckschrift D16 noch die der darin als "product 18" offenbarten Ausgestaltung als nächstliegender Stand der Technik einer Rechtfertigung. Die Frage, ob das in der Druckschrift D16 ebenfalls offenbarte "product 13" als nächstliegender Stand der Technik in Betracht kommt, kann daher dahingestellt bleiben. Auch aus der Tatsache, dass in dem Patent unter anderem die Druckschrift D3 zitiert ist (siehe Absatz [0005]), folgt nicht, dass nur die Druckschrift D3 als möglicher nächstliegender Stand der Technik in Betracht kommt.

Die Beteiligten stimmen darin überein, dass im Hinblick auf das "product 18" der Druckschrift D16 zumindest keine Manschette (siehe Merkmale 1.3, 1.4 und 1.5 des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1) offenbart ist.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II sehen die objektive technische Aufgabe darin, eine große Produktreihe unterschiedlicher Größen und die damit einhergehende Lagerhaltung zu vermeiden. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.

Die Beschwerdeführerin wendet hiergegen ein, diese Formulierung der objektiven technischen Aufgabe gehe nicht aus der Druckschrift D16 hervor.

Allerdings sind bei der Ermittlung der objektiven technischen Aufgabe objektive Kriterien maßgebend, das heißt, es ist die Aufgabe zu ermitteln, die vor dem Hintergrund der technischen Wirkung der Unterscheidungsmerkmale zum nächstliegenden Stand der Technik, der sich von dem dem Erfinder zugänglichen Stand der Technik unterscheiden kann, als tatsächlich gelöst gelten kann (siehe auch "Rechtsprechung", I.D.4.1). Es ist somit nicht erforderlich, dass die objektive technische Aufgabe aus der Beschreibung des "product 18" oder anderer in der Druckschrift D16 erläuterten Ausgestaltungen hervorgeht.

Auch dass in Absatz [0007] des Streitpatents ausgehend von einem anderen Stand der Technik eine andere (subjektive) technische Aufgabe genannt ist, schließt nicht aus, dass im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes ausgehend von der Druckschrift D16 aufgrund anderer Unterscheidungsmerkmale die objektive technische Aufgabe neu formuliert wird (siehe auch "Rechtsprechung", I.D.4.4.1).

Die Beschwerdegegnerinnen I und II tragen vor, die Druckschrift D3 befasse sich mit der oben genannten objektiven technischen Aufgabe (siehe Seite 1, Zeilen 17 bis 19) und schlage ein Brandschutzband vor. Der Fachmann hätte ihrer Ansicht nach anstelle der großen Vielfalt von Produkten bei der Druckschrift D16 das in der Druckschrift D3 (siehe insbesondere Figur 5) vorgeschlagene Brandschutzband verwendet und wäre damit unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt.

Der Beschwerdeführerin ist zwar insoweit zuzustimmen, dass die Druckschrift D16 für sich genommen dem Fachmann in Bezug auf das dort beschriebene "product 18" keine Veranlassung gab, den starren Beschlag durch ein flexibles Element zu ersetzen. Eine solche Veranlassung war jedoch der Druckschrift D3 im Hinblick auf die oben genannte objektive technische Aufgabe zu entnehmen.

Die Beschwerdeführerin wendet ferner ein, in Anbetracht einer Kombination der Druckschriften D16 und D3 hätte der Fachmann die Manschette nicht um das Rohr herumgeschlungen, sondern damit die Vorrichtung der Druckschrift D16 nachgebildet.

Selbst wenn dies zutreffen sollte, stünde diese Ansicht nicht den oben dargelegten Überlegungen der Beschwerdegegnerinnen I und II entgegen. Auch wenn der Fachmann das aus der Druckschrift D3 (siehe Figur 5) bekannte flexible Manschettenband dazu verwendet hätte, die in der Druckschrift D16 im Hinblick auf "product 18" gezeigte Form (siehe beispielsweise die nachfolgende Abbildung der "U-bracket") nachzubilden, wäre das Manschettenband auch dazu geeignet, lediglich teilweise um ein entsprechend ausgestaltetes Kunststoffrohr geschlungen zu sein.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Der Druckschrift D16 ist Hinblick auf das "product 18" auch nicht zu entnehmen, dass das Brandschutzmaterial vollständig um das Rohr geschlungen sein müsste. Auch wenn in den Ausführungsformen der Druckschrift D3 das Manschettenband das Rohr vollständig umschlingt, erscheint eine solche Ausgestaltung im Hinblick auf das "product 18" nicht notwendig. Auch für die Lösung der oben genannten objektiven technischen Aufgabe ist es nicht erforderlich, dass das Manschettenband das Rohr vollständig umschlingt.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei nicht klar, wie das Manschettenband der Druckschrift D3 um ein in ungünstigen Winkeln verlaufendes Rohr geschlungen werden könne, wie es im Zusammenhang mit "product 18" in der Druckschrift D16 beschrieben sei. Auch die dort beschriebene h-Form könne mit einer derartigen Manschette nicht nachgebildet werden.

Unabhängig von der unter den Beteiligten strittigen Frage, ob mit dem flexiblen Manschettenband der Druckschrift D3 eine h-Form nachgebildet werden kann, offenbart die Druckschrift D16 im Hinblick auf das "product 18" auch eine U-Form. Diese ist mit einem Manschettenband nachbildbar. Ob der Fachmann ein Rohr, das in ungünstigen Winkeln verläuft, mit einem Manschettenband umschlungen hätte, ist darüber hinaus weniger beachtlich. Das "product 18" ist in der Druckschrift D16 nicht nur im Hinblick auf in ungünstigen Winkeln verlaufende Rohre oder Kabel, sondern auch im Hinblick auf Rohre und Kabel, die in großer Nähe zu einer Decke oder Wand verlaufen, beschrieben.

Auf die Frage, ob dem Fachmann auch andere

Lösungen der oben genannten objektiven technischen Aufgabe nahegelegen haben, kommt es hier ebenfalls nicht an. Auch wenn es andere naheliegende Lösung geben sollte, schließt dies nicht aus, dass die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 angegebene Lösung dem Fachmann nahegelegen hat.

Die Druckschrift D16 sieht im Hinblick auf die U-Form des "product 18" eine Befestigung an den Enden vor. Hiervon wäre der Fachmann auch bei Verwendung des Manschettenbandes der Druckschrift D3 nicht abgewichen. Bei einer Ausdehnung des Brandschutzmaterials im Brandfall treten, wie von den Beteiligten übereinstimmend ausgeführt, große radiale Kräfte auf. Diese werden mittels der in der Druckschrift D16 gezeigten Befestigung an den Enden an die Wände abgeführt. Im Gegensatz hierzu dient in der Druckschrift D3 die Befestigung mittels der Klammern 36, 46 bzw. 56 (siehe beispielsweise Figuren 2, 6 bzw. 8) nicht dazu, diese im Brandfall auftretenden radialen Kräfte abzuführen. Diese werden vielmehr durch die geschlossene Anordnung innerhalb des Manschettenbandes geführt. Die Klammern dienen lediglich der Befestigung an der Wand oder Decke. Der Fachmann hätte somit auch bei einer Kombination des "product 18" der Druckschrift D16 mit der Druckschrift D3 die in der Druckschrift D16 gezeigte Befestigung der Enden der Brandschutzanordnung an den seitlichen Wänden beibehalten, da bei dieser Ausgestaltung die Brandschutzanordnung das Rohr nicht vollständig umfasst.

Die unterschiedliche Art der Befestigung in den Druckschriften D16 und D3 hätte den Fachmann auch nicht von einer Kombination der beiden Druckschriften abgehalten. Vielmehr hätte er erkannt, dass die Befestigungsart an die bei der Verwendung auftretenden Kräfte angepasst ist, und hätte die aus der Druckschrift D16 bekannte endseitige Befestigung an einer angrenzenden Wand beibehalten.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass in "product 18" der Druckschrift D16 die Schrauben an Stellen vorgesehen seien, an denen sich kein Brandschutzmaterial befinde. Bei der Manschette der Druckschrift D3 sei das Brandschutzmaterial aber überall vorhanden und es sei kein Loch vorgesehen, um die Manschette zu befestigen.

Allerdings definiert auch Anspruch 1 nicht, mit welchen Mitteln die Manschette befestigt werden soll. Insbesondere definiert Anspruch 1 weder Schrauben noch Löcher in der Manschette. Es ist auch nicht erkennbar, warum der Fachmann in Anbetracht des in der Druckschrift D3 offenbarten Manschettenbandes daran gehindert sein sollte, das Brandschutzmaterial an den Befestigungsstellen lokal aus dem Manschettenband zu entfernen, falls es ihm angesichts der Druckschrift D16 oder seines allgemeinen Fachwissens notwendig erscheinen sollte, dass an den Befestigungsstellen kein Brandschutzmaterial vorhanden ist.

Auch dass die Druckschrift D3 in dem die Seiten 11 und 12 verbindenden Absatz mit Bezug auf Figur 8 eine weitere Ausgestaltung zeigt, bei der zwei Streifen 52, 54 vorgesehen sind und das Rohr einen Durchmesser von 100 mm aufweisen kann, hätte den Fachmann nicht davon abgehalten, die Druckschriften D16 und D3 auf die oben dargelegte Weise zu kombinieren. Zum einen offenbart die Druckschrift D16 im Hinblick auf das "product 18" unstrittig auch Ausgestaltungen mit kleineren Rohrdurchmessern als 100 mm. Zum anderen ist auch in Anbetracht der angegebenen Stelle der Druckschrift D3 nicht ausgeschlossen, dass Ausgestaltungen mit nur einem Streifen aus Brandschutzmaterial bei Rohrdurchmessern von mehr als 100 mm verwendet werden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

4. Hilfsanträge 2 und 3

Es ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 und Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 keine über Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinausgehenden abgrenzenden Merkmale im Hinblick auf die Druckschriften D3 und D16 enthalten.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 und Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheiden sich von Anspruch 1 des Hauptantrags bzw. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lediglich dadurch, dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette als Manschettenband vorliegen. Dieses Merkmal ist unstrittig in der Druckschrift D3 (siehe beispielsweise Figur 5) offenbart. Der oben in Bezug auf Anspruch 1 des Hauptantrags dargelegte Neuheitseinwand und der in Bezug auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 erörterte Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit werden daher durch die in Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 enthaltenen Änderungen nicht ausgeräumt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist nicht neu (Artikel 54 EPÜ) und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5. Hilfsantrag 4

Der Hilfsantrag 4 ist erst nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden. Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020, der gemäß Artikel 24 und 25 VOBK 2020 vorliegend anzuwenden ist, bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Anders als offenbar die Beschwerdeführerin ist die Kammer nicht der Auffassung, dass außergewöhnliche Umstände bereits deshalb vorliegen, weil der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 gegenüber dem Anspruch 1 eines der höherrangigen Hilfsanträge weiter eingeschränkt ist. Dies gilt auch angesichts des Vortrags der Beschwerdeführerin, dass diese Einschränkung einer Auswahl aus nur drei theoretisch möglichen Alternativen entspreche.

Diese Ansicht steht auch nicht im Widerspruch zu der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung T 142/03. Laut Punkt 17 der Entscheidungsgründe der Entscheidung T 142/03, der im Übrigen eine frühere Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern betrifft, können außergewöhnliche Umstände insbesondere dann vorliegen, wenn sich aus der Erörterung bereits eingereichter Anträge in der mündlichen Verhandlung ergibt, dass einige Ansprüche oder Teile von Ansprüchen die Erfordernisse des EPÜ erfüllen, andere Ansprüche jedoch nicht. Eine solche Situation liegt hier nicht vor. In der mündlichen Verhandlung hat sich nicht ergeben, dass einige Ansprüche oder Teile von Ansprüchen die Erfordernisse des EPÜ erfüllen.

Es liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor. Die Kammer übte ihr Ermessen dahingehend aus, dass sie den Hilfsantrag 4 nicht in das Beschwerdeverfahren zuließ (Artikel 13 (2) VOBK 2020).

6. Hilfsanträge 5, 6 und 7

Die Hilfsanträge 5, 6 und 7 sind erst nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden. Ihre Zulassung in das Beschwerdeverfahren unterliegt daher Artikel 13 (2) VOBK 2020. Bei der Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 können die Kriterien von Artikel 13 (1) VOBK 2020 herangezogen werden (siehe beispielsweise T 989/15, Punkt 16.2 der Entscheidungsgründe). Eines dieser Kriterien bezieht sich im Falle von Änderungen eines Patents auf die Prüfung, ob die Änderungen prima facie die von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren oder von der Kammer aufgeworfenen Fragen ausräumen.

6.1 Hilfsanträge 5 und 6

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 ist identisch zu Anspruch 1 des Hauptantrags. Dessen Gegenstand ist, wie oben in Punkt 2. ausgeführt, nicht neu. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 ist ferner identisch zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 3, dessen Gegenstand, wie oben in Punkt 4. dargelegt, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Hilfsanträge 5 und 6 sind daher prima facie nicht gewährbar. Bei dieser Sachlage kann das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände dahingestellt bleiben.

Der Kammer übte ihr Ermessen somit dahingehend aus, dass sie die Hilfsanträge 5 und 6 nicht in das Beschwerdeverfahren zuließ (Artikel 13 (2) i.V.m. Artikel 13 (1) VOBK 2020).

6.2 Hilfsantrag 7

Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 zum einen dadurch, dass der Streifen aus Brandschutzmaterial und die Manschette als Manschettenband vorliegen (siehe Merkmal 1.4'). Dieses Merkmal ist unstrittig in der Druckschrift D3 offenbart. Zum anderen unterscheidet sich Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch das Merkmal 1.6'. In Anbetracht der oben dargelegten Anspruchsauslegung (siehe Punkt 1.) versteht der Fachmann das Merkmal 1.6' dahingehend, dass die Manschette beidseitig des Kunststoffrohres jeweils an einer Wand oder Decke, die winkelig zueinander angeordnet sind, befestigbar ist.

Wie oben in Punkt 3. dargelegt, hat es dem Fachmann angesichts einer Kombination der Druckschriften D16 und D3 nahegelegen, die in der Druckschrift D16 als "U-bracket" bezeichnete Ausgestaltung des "product 18" mittels eines Manschettenbandes zu realisieren, wie es in der Druckschrift D3 (siehe beispielsweise Figur 5) offenbart ist. Das Manschettenband ist dabei flexibel (siehe beispielsweise die von der Beschwerdeführerin zitierte Stelle auf Seite 15, dritter Absatz der Druckschrift D3) und ist daher prima facie, wie in Merkmal 1.6' definiert, beidseitig des Kunststoffrohres jeweils an einer Wand oder Decke, die winkelig zueinander angeordnet sind, befestigbar.

Die Beschwerdeführerin wendet hiergegen ein, für den Fachmann sei erkennbar, dass das Rohr aus Brandschutzgründen auf mindestens drei Seiten umfasst sein müsse. Dies sei mit dem in der Druckschrift D3 offenbarten Manschettenband nicht möglich.

Dass das Rohr aus Brandschutzgründen zwingend auf mindestens drei Seiten umfasst sein müsse, geht allerdings nicht aus der Druckschrift D16 hervor. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht überzeugend dargelegt, dass ein diesbezügliches technisches Vorurteil bestehen würde. Darüber hinaus ist Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 nicht auf eine Verwendung, sondern auf eine Wand- oder Deckendurchführung gerichtet. Merkmal 1.6' definiert keine zwingenden strukturellen technischen Merkmale der Manschette, die prima facie nicht auch das in der Druckschrift D3 offenbarte flexible Manschettenband aufweist. Ob der Fachmann die sich aus der Kombination der Druckschriften D16 und D3 in naheliegender Weise ergebende Wand- oder Deckendurchführung derart verwendet hätte, dass das Rohr auf drei Seiten umfasst ist, ob er dafür das Manschettenband in h-Form gebracht hätte und ob er bei einer ecknahen Montage von dem Rohr behindert worden wäre, ist daher für die vorliegende prima facie Prüfung unerheblich.

Die Beschwerdeführerin hat auch nicht überzeugend aufgezeigt, dass der Fachmann das Manschettenband zwangsläufig in einem flachen Winkel an den Wänden befestigt hätte. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, mag dies möglicherweise durch die Verwendung entsprechender Befestigungsmittel erreichbar sein, wie beispielsweise mittels der in Figur 3 des Streitpatents angedeuteten Befestigungselemente 13, 14. Diese sind jedoch nicht Bestandteil des beanspruchten Gegenstandes. Das in der Druckschrift D3 offenbarte Manschettenband ist (jedenfalls mit Hilfe geeigneter und in Anspruch 1 nicht genannter Befestigungsmittel) prima facie strukturell dazu geeignet, in ähnlicher Weise wie in Figur 3 des Streitpatents gezeigt, um ein Rohr herumgeschlungen und an angrenzenden Wänden befestigt zu werden.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Der Hilfsantrag 7 räumt folglich prima facie nicht den oben in Punkt 3. im Hinblick auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 diskutierten Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit angesichts einer Kombination der Druckschriften D16 und D3 aus.

Die Kammer übte ihr Ermessen daher dahingehend aus, dass sie den Hilfsantrag 7 nicht in das Beschwerdeverfahren zuließ (Artikel 13 (2) i.V.m. Artikel 13 (1) VOBK 2020).

7. Ergebnis

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sind nicht neu. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Kammer ließ ferner die Hilfsanträge 4 bis 7 nicht in das Beschwerdeverfahren zu. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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