T 0122/18 (Beschichtungsmasse/STO) of 27.11.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T012218.20201127
Datum der Entscheidung: 27 November 2020
Aktenzeichen: T 0122/18
Anmeldenummer: 10152699.4
IPC-Klasse: C04B28/02
C04B26/02
C09D1/04
E04F13/00
C09D5/02
C04B28/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VISKOSE, KORNHALTIGE AUSHÄRTENDE BESCHICHTUNGSMASSE
Name des Anmelders: STO SE & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: DAW SE
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 87 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 025 (2020)
Schlagwörter: Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Ausreichende Offenbarung - Verhältnis von Art. 83 zu Art. 84 EPÜ
Änderungen - zulässig (ja)
Priorität - Grundlage im Prioritätsdokument (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/21
T 2341/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent EP 2 216 306 B den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Unter anderem die folgenden Dokumente waren Gegenstand des Einspruchsverfahrens:

D0 |DE 10 2009 007 911 A1 (Prioritätsdokument) |

D2 |G Herdan, "Small Particle Statistics", Elsevier Publishing Company, 1953, 256-271 |

D3 |T Allen, "Particle Size Measurement", Chapman and Hall, 1975, 74-76, 84-93 und 112-119|

D5 |US 4,735,027 A |

D6 |DE 43 24 315 A1 |

D7 |DE 10 2008 004 844 A1 |

D8 |DE 43 24 314 A1 |

D10|WO 2004/087821 A1 |

D11|EP 1 643 046 A2 |

III. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung zum Schluss gekommen, dass der damalige dritte Hilfsantrag (jetziger Hauptantrag) den Erfordernissen des EPÜ genügt.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin zusätzlich die folgenden Dokumente ein:

D14 |WO 2010/018016 A1 |

D15 |WO 2010/018017 A2 |

D16 |DIN EN ISO 787, Teil 7, Februar 2010 |

D17 |DIN EN ISO 787, Teil 18, Oktober 1995 |

D18 |R Scherließ et al., "Bestimmung des Siebrückstandes von Füllstoffen mithilfe unterschiedlicher Siebverfahren", Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 6. März 2018|

D18a|Datenblatt "Wollastonit 90", März 2012 |

D18b|Datenblatt "Poraver" |

D18c|Datenblatt "Omyacarb 40 GU", 1. Januar 2011 |

D19 |US 4,735,027 A (identisch mit D5) |

D20 |Omya SpA, Datenblätter "Omyacarb 65-AV", 6. April 1998, 4. April 2002 und 9. Januar 2006 |

D21 |J. Rettenmaier & Söhne GmbH + Co, "Typenbeschreibung Arbocel FIC 200" |

D22 |J. Rettenmaier & Söhne GmbH + Co, "Typenübersicht Arbocel" |

V. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vier Hilfsanträge sowie unter anderem die folgenden Beweismittel ein:

D23|EP 2 216 306 A2 (A-Publikation des Streitpatents) |

D24|DE 10 2009 007 912 A1 |

D25|CD mit vier Videos |

D26|Eidesstattliche Erklärung von Frau Holder, datiert vom 13. Juli 2018|

D27|Datenblatt "StoArmat Classic AS", 3. Mai 2013 |

D28|Artikel aus "StoProfi Info", Nr. 2, 2010 |

VI. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 informierte die Kammer die Parteien, dass der Hauptantrag (Patent wie aufrechterhalten) die Erfordernisse des EPÜ zu erfüllen scheine und dass daher die Beschwerde wahrscheinlich zurückzuweisen sei.

VII. Die mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren fand, wie zuvor angekündigt, in Abwesenheit der Patentinhaberin statt.

VIII. Die unabhängigen Ansprüche des Hauptantrages lauten wie folgt:

"1. Viskose, kornhaltige aushärtende Beschichtungsmasse zur Ausbildung einer ein- oder mehrschichtigen Putzschicht und zum maschinellen Auftragen auf einen Untergrund, insbesondere auf eine bauseits angebrachte Wärmedämmplatte zur Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Beschichtungsmasse eine Zusammensetzung aufweist, die Zellulosefasern mit einer Faserdicke von 2 bis 50 mym und einer maximalen Faserlänge <=2000 mym, vorzugsweise <=1000 mym als Verstärkungsfasern und/oder Glasfilamente mit einer Schnittlänge von 1 bis 10 mm, vorzugsweise 4 bis 7 mm als Verstärkungsfasern umfasst,

30-75 Massen% |Füllstoffe, wie beispielsweise Karbonate, Magnesiumhydrosilikate, Schichtsilikate und/oder Bariumsulfate, in einer Kornverteilung mit einer maximalen Korngröße <=250 mym, weiterhin vorzugsweise <=150 mym,|

5-30 Massen% |organische und/oder anorganische Bindemittel, wie beispielsweise Polymerdispersion, Dispersionspulver, Zement, Wasserglas und/oder Kalkhydrat, |

5-45 Massen% |Wasser, |

0,3-25 Massen%|verschiedener Additive, wie beispielsweise Filmbildner, Entschäumer, Thixotropier-, Hydrophobierungs-, Netz-, Flammschutz- und/oder Konservierungsmittel sowie|

<=4 Massen% |organische und/oder anorganische Verstärkungsfasern, wie beispielsweise Zellulosefasern und/oder Glasfilamente |

umfasst, so dass eine derart feinkörnige Beschichtungsmasse entsteht, die über ein druckluftlos zerstäubendes Spritzverfahren austragbar ist."

"6. Verwendung einer Beschichtungsmasse nach einem der vorhergehenden Ansprüche zur Beschichtung eines Untergrundes, vorzugsweise einer bauseits angebrachten Trägerplatte, insbesondere einer Wärmedämmplatte, beispielsweise einer Wärmedämmplatte aus Polystyrol, insbesondere aus elastifiziertem Polystyrol, zur Herstellung eines Fassadensystems, wie beispielsweise eines Wärmedämmverbundsystems."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 und 7 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.

IX. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Hauptantrag erfülle nicht die Erfordernisse der Artikel 83 und 123(2) EPÜ.

Die Priorität des Streitpatents sei nicht gültig. Daher gehöre D7 zum Stand der Technik.

Der Hauptantrag erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ gegenüber jedem der Dokumente D6 bis D8.

Der Hauptantrag erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ. D11 sei nächstliegender Stand der Technik. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D11 mit D6, D8 oder D10.

Des weiteren sei der Gegenstand von Anspruch 1 auch nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D10 mit D6 oder D8.

Schließlich sei der Gegenstand von Anspruch 1 auch nicht erfinderisch gegenüber D7.

X. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente D14 bis D22 seien wegen Verspätung nicht zuzulassen, sollte die Beschwerdeführerin das Vorlegen der Beweismittel D23 bis D28 als verspätet rügen.

Die Priorität des Streitpatents sei gültig. D7 gehöre daher nicht zum Stand der Technik.

Der Hauptantrag erfülle die Erfordernisse des EPÜ.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte im schriftlichen Verfahren, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf Basis eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten vier Hilfsanträge.

Entscheidungsgründe

1. Berücksichtigung von Dokumenten

Aus den folgenden Gründen wird das mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument D17 zugelassen, während die Dokumente und Beweismittel D14 bis D18c, D20 bis D22 und D24 bis D28 nicht berücksichtigt werden (Artikel 25(2) VOBK 2020 und 12(4) VOBK 2007) und die Frage der Zulassung des Dokuments D16 offengelassen bleiben kann.

1.1 Die Dokumente D14 bis D18c wurden von der Beschwerdeführerin eingereicht, um die Nichtausführbarkeit in Hinsicht auf den Parameter der maximalen Korngröße der Füllstoffe in Anspruch 1 zu belegen.

- Das Argument, wonach die maximale Korngröße durch Sieben bestimmt werden kann, hat die Beschwerdegegnerin bereits in ihrer Erwiderung auf die Einspruchsschrift vorgebracht (letzter Absatz von Punkt 2.3).

Es ist daher nicht ersichtlich, warum die Dokumente D14 und D15 bzgl. eines alternativen Messverfahrens (Laserdiffraktometrie) erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sind.

Aus den gleichen Gründen ist es nicht ersichtlich, warum das Gutachten D18 bzgl. der Siebrückstände für verschiedene Siebungsverfahren und die dazugehörigen Datenblätter D18a, D18b und D18c erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sind.

Zudem erlauben eventuelle Siebrückstände keine direkten Rückschlüsse darauf, um wieviel die maximale Korngröße der Füllstoffe von 250 mym überschritten wird. Daher werfen diese Dokumente die zusätzliche Frage auf, ob eine solche Überschreitung so signifikant ist, dass sie die Ausführbarkeit infrage stellt.

- Die Normen D16 und D17 belegen das allgemeine Fachwissen.

D16 ist nachveröffentlicht. Die Frage, ob bestimmte Teile von D16 im Vergleich zu einer vorherigen Version der Norm unverändert geblieben sind, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung anführte, kann wegen der fehlenden prima facie Relevanz dieses Dokuments für die vorliegende Entscheidung unbeantwortet bleiben (siehe Punkt 2.2).

1.2 Die Dokumente D20 bis D22 wurden von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereicht, um die Dimensionen des in D6 und D8 verwendeten Füllstoffes Omyacarb 65-AV und der Zellulosefaser Arbocel FIC 200 zu belegen.

Allerdings sind die Datenblätter der D20 in keiner der offiziellen Amtssprachen verfasst, ohne dass eine Übersetzung eingereicht wurde.

Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Dokumente D20-D22 nicht bereits im Einspruchsverfahren eingereicht wurden.

1.3 Die Dokumente D24 bis D28 wurden von der Beschwerdegegnerin mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht.

- D24 ist nachveröffentlicht.

- Die Videos D25 wurden erstmalig während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereicht, von der Einspruchsabteilung jedoch wegen des späten Zeitpunkts der Eingabe und der fehlenden prima facie Relevanz nicht zugelassen (s. Punkt 1.3 der angefochtenen Entscheidung).

Die Beschwerdeführerin hat nicht geltend gemacht, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien und in angemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat(siehe G 7/93, OJ EPA 1994, 775, Entscheidungsgründe 2.6). Auch die Kammer kann keinen Ermessensfehler erkennen.

- Auch für die eidesstattliche Erklärung D26 und die Dokumente D27 bis D28 kann kein Grund gesehen werden, warum sie nicht bereits im Einspruchsverfahren eingereicht worden sind. Außerdem kann keine prima facie Relevanz für die Entscheidung gesehen werden.

1.4 Das von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument D19 ist identisch mit dem bereits im Verfahren befindlichen D5. Eine Entscheidung über die Berücksichtigung dieses Dokuments ist daher unnötig.

1.5 Der Vollständigkeit halber merkt die Kammer an, dass es sich bei dem von der Beschwerdegegnerin mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Dokument D23 um die A-Publikation des Streitpatents handelt.

Hauptantrag

2. Ausführbarkeit

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ:

2.1 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist, insbesondere wegen der Begriffe "viskos" und "aushärtend" im Merkmal "[v]iskose, kornhaltige aushärtende Beschichtungsmasse" und wegen des Merkmals "so dass eine derart feinkörnige Beschichtungsmasse entsteht, die über ein druckluftlos zerstäubendes Spritzverfahren austragbar ist" in Anspruch 1.

Die Beschwerdeführerin hat jedoch keinen Nachweis dafür beigebracht, dass sich die viskose und aushärtende Natur der Beschichtungsmasse nicht zwangsläufig aus den anderen Anspruchsmerkmalen ergibt, beispielsweise aus der Zusammensetzung und der Tatsache, dass die Füllstoffe eine maximale Korngröße von höchstens 250 mym haben. Welche Dauer für ein Aushärten nötig ist, ist zudem für den beanspruchten Gegenstand unerheblich.

Die Beschwerdeführerin hat ebenfalls keinen Nachweis dafür geliefert, dass sich die Austragbarkeit der Beschichtungsmasse über ein druckluftlos zerstäubendes Spritzverfahren nicht zwangsläufig aus der beanspruchten Zusammensetzung und der maximalen Korngröße der Füllstoffe ergibt.

2.2 Zudem sei die Erfindung nach Auffassung der Beschwerdeführerin wegen des Parameters "maximale Korngröße" in Anspruch 1 ohne Angabe eines Messverfahrens nicht ohne unzumutbaren Aufwand ausführbar. Verschiedene Siebverfahren oder aber die Laserdiffraktometrie würden unterschiedliche Ergebnisse liefern. Unter anderem D2, D3 und D16 würden dies belegen.

Die Beschwerdeführerin ist jedoch den Nachweis schuldig geblieben (beispielsweise in Form von Vergleichsversuchen), dass eventuelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Methoden zur Bestimmung der maximalen Korngröße im vorliegenden Fall so signifikant sind, dass sie nicht nur die Klarheit der Ansprüche betreffen, sondern die Ausführbarkeit der Erfindung.

Unter den gegebenen Umständen können selbst Abweichungen von mehr als 5%, wie sie D2 (die Seiten 269 und 270 überbrückender Absatz) erwähnt, die Ausführbarkeit nicht infrage stellen.

Auch D3 (Seite 74, letzter Absatz) und, ungeachtet der Frage der Zulässigkeit, D16 (Seite 5, Absatz 3) offenbaren lediglich, dass das Messergebnis vom Messverfahren abhängt, sagen jedoch nichts über den Grad der Unterschiede aus.

Daher können auch diese Dokumente eine mangelnde Offenbarung nicht belegen.

2.3 Während der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren vertrat die Beschwerdeführerin zudem die Auffassung, dass

die Erfindung wegen des Begriffes "kornhaltig" im Merkmal "[v]iskose, kornhaltige aushärtende Beschichtungsmasse" in Anspruch 1 nicht ausreichend offenbart sei. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf Absatz [0012] des Streitpatents.

Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieses Einwandes, welcher erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht worden ist, kann dieser aus den folgenden Gründen ebenfalls nicht durchgreifen.

In Abschnitt [0012] des Streitpatents wird zwar in der Tat ausgesagt, dass ein Auftragen der kornhaltigen Beschichtungsmasse aus D5/D19 mit druckluftlosen Spritzverfahren nicht möglich sei. Allerdings offenbart D5/D19 in Spalte 3, Zeilen 47 bis 53, Sand als Füllstoff mit einer maximalen Korngröße von bis zu 600 mym, was deutlich über der zulässigen Obergrenze in Anspruch 1 des Streitpatents von 250 mym liegt.

Es gibt daher keinen Beleg, dass Beschichtungsmassen mit einer anspruchsgemäßen maximalen Korngröße nicht druckluftlos austragbar sind.

2.4 Wenn überhaupt, betreffen die unter Punkt 2. genannten Einwände die Klarheit der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ), und nicht die Ausführbarkeit der Erfindung. Da die entsprechenden Merkmale jedoch bereits in den Ansprüchen wie erteilt präsent waren, ist dies in Einklang mit G 3/14 (Schlagwort) unerheblich.

2.5 Schließlich offenbart das Streitpatent in den Abschnitten [0024] und [0025] eine beispielhafte Zusammensetzung, die sich erfolgreich mit einem druckluftlos zerstäubenden Spritzverfahren auftragen lässt.

3. Änderungen

Aus den folgenden Gründen sind die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ erfüllt.

3.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist das Merkmal einer "ein- oder mehrschichtigen Beschichtung" in Anspruch 1 in der ursprünglichen Offenbarung nur offenbart gewesen:

- in Verbindung mit einer bestimmten Gesamtschichtstärke und

- in Bezug auf eine allgemeine Beschichtung, nicht aber in Bezug auf eine Putzbeschichtung.

Zudem sei die in Anspruch 1 geforderte viskose, kornhaltige Beschichtungsmasse zur Ausbildung einer ein- oder mehrschichtigen Putzschicht nicht in Kombination mit einem maschinellen Auftragen offenbart gewesen.

Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf Seite 4, Zeilen 11-22 der ursprünglichen Offenbarung, wo alle diese Merkmale in Kombination genannt werden.

Das Argument, dass es sich bei diesem Abschnitt lediglich um allgemeine Wunschvorstellungen handelt, ist nicht überzeugend. Da es sich bei diesem Abschnitt um die "Aufgabe der Erfindung" handelt, stellt er eine zulässige Basis der Änderungen dar.

3.2 Die Merkmale bzgl. der Zellulosefasern bzw. Glasfilamente haben eine Basis in den ursprünglichen Ansprüche 7 und 8, aber auch auf Seite 9, Zeilen 1 bis 9, wo die Worte "Die in der erfindungsgemäßen Zusammensetzung enthaltenen Verstärkungsfasern ..." (Hervorhebung durch die Kammer) klarzustellen, dass Verstärkungsfasern zwingend vorhanden sind, und nicht nur optional sind.

4. Priorität und Status von D7

Laut Beschwerdeführerin geht das Merkmal "so dass eine derart feinkörnige Beschichtungsmasse entsteht, die über ein druckluftlos zerstäubendes Spritzverfahren austragbar ist" in Anspruch 1 über die Offenbarung von D0 hinaus, ganz zu schweigen von einer Kombination dieses Merkmals mit einer viskosen, kornhaltigen aushärtenden Beschichtungsmasse zur Ausbildung einer ein- oder mehrschichtigen Putzschicht.

Diese Merkmale sind jedoch in D0 in Kombination in den die allgemeine Lehre widerspiegelnden Absätzen [0009] und [0014] offenbart.

Die Priorität des Streitpatents ist daher gültig.

Demzufolge gehört D7 nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) oder (3) EPÜ.

4.1 Neuheit

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ:

Die Neuheitseinwände angesichts der Dokumente D6 bis D8 gegen den durch die Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Hilfsantrag 3, welcher dem jetzigen Hauptantrag entspricht, wurden von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren explizit zurückgezogen (siehe Punkt 5.3 der angefochtenen Entscheidung).

Es wurde nicht dargelegt, aus welchen Gründen diese Einwände jetzt im Beschwerdeverfahren wieder eingeführt werden.

Daher übt die Kammer ihr Ermessen nach Artikel 25(2) VOBK 2020 und Artikel 12(4) VOBK 2007 derart aus, dass diese Einwände nicht berücksichtigt werden.

4.2 Erfinderische Tätigkeit

Aus den folgenden Gründen erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ:

4.3 Die Erfindung betrifft eine viskose, kornhaltige aushärtende Beschichtungsmasse zum maschinellen Auftragen auf einen Untergrund.

4.4 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist, wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt, D11 nächstliegender Stand der Technik.

D11 betrifft eine Beschichtungsmasse zum maschinellen Auftragen auf einen Untergrund zum Herstellen eines Wärmedämmverbundsystems (Abschnitte [0001], [0017], [0018] und [0019]).

In Abschnitt [0018] wird, in Zusammenhang mit Abschnitt [0017], eine Beschichtungsmasse offenbart, welche Füllstoffe (Calciumcarbonat), Bindemittel, Wasser, verschiedene Additive, sowie Glasfilamente (Glasfasern) offenbart.

Der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach in Abschnitt [0010] die Abmessungen der Glasfasern offenbart sei, stimmt die Kammer nicht zu, da sich Abschnitt [0010] lediglich auf die Kohlenstofffasern bezieht.

Andererseits bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass die maximale Korngröße der Füllstoffe nicht offenbart ist.

Da D11 dasselbe technische Gebiet wie das Streitpatent betrifft und mehrere übereinstimmende Merkmale mit dem Gegenstand von Anspruch 1 aufweist, ist D11 ein geeigneter Startpunkt zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit.

4.5 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen einer einfach, schnell und sauber zu verarbeitenden Bearbeitungsmasse zu sein, welche für ein Auftragen mittels eines druckluftlos zerstäubenden Spritzverfahrens geeignet ist (siehe beispielsweise Abschnitt [0013] des Streitpatents).

4.6 Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe mit der Beschichtungsmasse aus Anspruch 1 zu lösen, die durch die Faserdicke und -länge der Zellulosefasern und/oder die Schnittlänge der Glasfilamente und die maximale Korngröße der Füllstoffe charakterisiert ist.

4.7 Laut Streitpatent wird diese Aufgabe erfolgreich gelöst (Abschnitt [0025]). Wegen der nach oben begrenzten Abmessungen, insbesondere der Füllstoffe und der Verstärkungsfasern, ist es plausibel, dass ein Auftragen mittels eines druckluftlos zerstäubenden Verfahrens vereinfacht wird.

Die Beschwerdeführerin hat dies nicht bestritten.

4.8 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist jedoch nicht naheliegend, da weder D11 selber, noch die Kombinationsdokumente D6 und D8 einen Hinweis darauf geben, dass die beanspruchten Dimensionen der Füllstoffe und Fasern zu einer einfacheren Verarbeitbarkeit der Beschichtungsmasse in druckluftlos zerstäubenden Spritzverfahren führen.

In der Tat haben die weitgehend ähnlichen Dokumente D6 und D8 ein anderes Ziel, nämlich eine Rissbildung der Beschichtungsmasse und negative Auswirkungen nach Schwind- und Ausdehnungsvorgängen zu verhindern (D6: Seite 2, Zeilen 43 bis 47; D8: Seite 2, Zeilen 41 bis 45).

Daher würde der Fachmann diese Dokumente nicht in Betracht ziehen, wenn er ausgehend von D11 die gestellte Aufgabe zu lösen sucht.

Daher greift dieser Einwand nicht durch (Artikel 56 EPÜ).

4.9 Auch die von der Beschwerdeführerin angeführte Kombination von D11 mit D10 führt nicht zum Gegenstand von Anspruch 1.

Ungeachtet der Frage, ob der Fachmann beide Dokumente kombinieren würde, offenbart D10 keine Verstärkungsfasern im Sinne von Anspruch 1, ganz zu schweigen von den beanspruchten Abmessungen dieser Fasern. Daher kann eine Kombination von D11 mit D10 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 führen.

4.10 Der Beschwerdegegnerin wird zugestimmt, dass D10 nicht nächstliegender Stand der Technik ist, denn D10 betrifft, wie bereits gesagt, mit Polymerdispersionsfarben ein anderes technisches Gebiet als das Streitpatent.

4.11 Auch der im schriftlichen Verfahren vorgebrachte Einwand ausgehend von D7 ist nicht erfolgreich, da D7 nicht zum Stand der Technik gehört (siehe Punkt 4.).

4.12 Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1, und damit wegen der direkten oder indirekten Rückbezüge auch der Gegenstand der weiteren Ansprüche, erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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