T 0108/18 () of 26.11.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T010818.20201126
Datum der Entscheidung: 26 November 2020
Aktenzeichen: T 0108/18
Anmeldenummer: 11002919.6
IPC-Klasse: F16F15/34
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Auswuchtgewicht mit Haltefeder
Name des Anmelders: Seeh, Günter Manfred
Heller, Karl-Heinz
Name des Einsprechenden: Wegmann automotive GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 114(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Verspätetes Vorbringen - Dokument zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 2. November 2017 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

II. Die Einsprechende legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte das Patent zu widerrufen.

III. Die Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragten die Beschwerde zurückzuweisen. Außerdem beantragten sie, die Dokumente E7 - E11 nicht in das Verfahren zuzulassen.

IV. Da keine mündliche Verhandlung beantragt wurde, entscheidet die Kammer im schriftlichen Verfahren.

V. Folgende Dokumente sind relevant für diese Entscheidung:

E1: WO 2008/022781 A1

E2: DE 31 18 222 A1

E3: GB 1,182,093

E4: WO 2004/090495 A2

E5: DE 101 02 321 B4

E7: Auszug von der Homepage http://www.hsg-metalltechnik.de, 5. Dezember 2010 mittels WayBackMachine (web.archive.org)

E8: Auszug von der Homepage http://www.hsg-metalltechnik.de, 12. März 2011 mittels WayBackMachine (web.archive.org)

E9: Homepage der PAW Performance, "Schlaggewichte für Stahlfelge 55g Zink", gefunden mittels Google Bildersuche, Suchkriterium "vor 04 April 2011"

E10: WÜRTH; "ZINK Auswuchtgewichte für PKW Stahlfelgen"

E11: JP 33 00 325 B2

E7 - E11 wurden erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

VI. Anspruch 1 wie erteilt lautet:

"Auswuchtgewicht (1) zur Montage am Felgenhorn (6) eines Fahrzeugrades

(1.1) mit einem Gewichtskörper (2),

(1.2) einer U-förmigen, zwei Federschenkel (4, 5) umfassenden Haltefeder (3), wobei die Haltefeder (3) mit einem ersten Federschenkel (4) am Gewichtskörper (2) befestigt ist,

(1.3) während der zweite, freie Federschenkel (5) zur Befestigung des Auswuchtgewichts (1) am Felgenhorn (6) vorgesehen ist,

(1.4) wobei der bei der Montage des Auswuchtgewichts (1) dem Felgenhorn (6) zugewandte Teilbereich des Gewichtskörpers (2) ein zum ersten Federschenkel (4) hin zurückversetztes Profil (7) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

(1.5) das Profil (7) einen S-förmigen kantenfreien Kurvenverlauf mit

- einem ersten Hochpunkt (8),

(1.6) - einem Wendepunkt (10),

(1.7) - einem Tiefpunkt (11) und

(1.8) - einem zweiten Hochpunkt (9) aufweist,

(1.9) wobei die Kurve im Bereich des ersten Hochpunktes (8) einen dem gegenüberliegenden freien Federschenkel (5) angepassten Kreisbogen (12) aufweist,

(1.10a) wobei der Tiefpunkt (11) gegenüber dem Ende (13) des freien Federschenkels (5) angeordnet ist und

(1.10b) wobei der Kurvenverlauf im Bereich zwischen dem ersten Hochpunkt (8) und dem zweiten Hochpunkt (9) so ausgewählt ist, dass zwischen dem freien Federschenkel (5) und dem Gewichtskörper (2) ein im Wesentlichen gleichmäßiger Abstand (d) besteht."

(Merkmalsgliederung in fett durch die Kammer eingefügt)

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Dokumente E7 - E11

Die Dokumente E7-E9 seien der Beschwerdeführerin erst nach der Entscheidung über den Einspruch zur Kenntnis gelangt, weswegen sie nicht frühzeitiger vorgebracht hätten werden können. Erst dadurch habe sich die Notwendigkeit ergeben, die Gültigkeit der Priorität zu überprüfen, wobei es sich bei der Überprüfung der Priorität um eine Rechtsfrage handle, so dass der Zeitpunkt des diesbezüglichen Vorbringens nicht unter Artikel 114(2) EPÜ oder der Rechtsprechung zu verspätet vorgebrachten Dokumenten zu beurteilen sei. Der Prioritätsanspruch habe sich als nicht gültig herausgestellt. Damit gehörten die Dokumente E7 - E9 zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ. E7 - E9 offenbarten alle Merkmale des Anspruchs 1. Damit seien diese Dokumente prima facie hochrelevant und in das Verfahren zuzulassen.

E10 und E11 seien ebenfalls prima facie hochrelevant und in das Verfahren zuzulassen. E10 da sie als Beleg für das fachmännische Wissen, indiziert durch das entsprechende Vorbringen der Einspruchsabteilung, in Ergänzung zu den bereits bekannten Argumenten eingereicht worden seien. E11 zeige zudem alle Merkmale des Anspruchs 1. Daher seien E10 und E11 in das Verfahren zuzulassen.

b) Neuheit

i) E7, E8 offenbarten ein offenkundig vorbenutztes Auswuchtgewicht zur Montage am Felgenhorn eines Fahrzeugrades, wie in der nachstehenden Figur (vgl. S.10 der Beschwerdebegründung - E7 und E8 stellen beide diese Figur dar) gezeigt:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

- mit einem Gewichtskörper des Typs 133,

- einer U-förmigen, zwei Federschenkel umfassenden Haltefeder, wobei die Haltefeder mit einem ersten Federschenkel (rechter Federteil) am Gewichtskörper befestigt sei,

- während der zweite, freie Federschenkel zur Befestigung des Auswuchtgewichts am Felgenhorn vorgesehen sei,

- wobei der bei der Montage des Auswuchtgewichts dem Felgenhorn zugewandte Teilbereich des Gewichtskörpers ein zum ersten Federschenkel hin zurückversetztes Profil aufweise (von der Beschwerdeführerin eingekreister Bereich in der obigen Figur).

Die Merkmale 1.10a und 1.10b seien für den Fachmann aufgrund des angepassten Kurvenradius der Haltefeder zumindest implizit entnehmbar (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 11, zweiter Absatz). Außerdem handle es sich bei der abgebildeten Figur um einen Auszug von der Homepage der Patentinhaberin mit der genau der beanspruchte Gegenstand beworben werde. Somit seien die Merkmale zumindest durch Inaugenscheinnahme am Vergleichsobjekts ablesbar (Schreiben vom 13. November 2018, Seite 2).

Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu.

ii) E9 zeige das nachstehend gezeigte Auswuchtgewicht des Typs 133 der HSG.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Diese Figur zeige alle Merkmale des Anspruchs 1. Durch die Darstellung in Seitenansicht ließen sich die Merkmale 1.9 und 1.10 sogar besonders gut erkennen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit nicht neu.

iii) E2 offenbare ebenfalls ein Ausgleichgewicht und der Fachmann gelange durch das in Figur 1, der E2 gelehrte Einschieben des Hakens 12 (s. Pfeile) zu einer der nachstehend gezeigten Figur entsprechenden Situation. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Fachmann die Feder nur so weit in die Längsnut des Gewichtskörpers einschieben werde, bis das Gewicht an die Felge passe.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

E2 spezifiziere insbesondere nicht wie weit der Haken eingeschoben werden müsse. Somit sei das Argument der Beschwerdegegner im Einspruchsverfahren nicht überzeugend, wonach der Haken bis zum Anschlag in die Längsnut des Gewichtskörpers eingeschoben werden müsse.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei damit auch nicht neu gegenüber E2.

iv) E11 zeige in Figur 4 ein Auswuchtgewicht mit den Merkmalen des Anspruchs 1.

Das Merkmal 1.10a, wonach der Tiefpunkt des s-förmigen Profils des Gewichtskörpers gegenüber dem Ende des freien Federschenkels angeordnet sei, müsse anhand des Patents ausgelegt werden. Nach Figur 10 des Patents sei es lediglich notwendig, dass das Ende des freien Federschenkels im gegenüberliegenden Bereich des Tiefpunktes liegen müsse. Damit sei dieses Merkmal breit auszulegen und somit in E11 offenbart.

Darüber hinaus sei auch Merkmal 1.10b breit auszulegen, weil der Abstand nur "im Wesentlichen" gleichmäßig sein müsse.

E11 offenbare damit alle Merkmale des Anspruchs 1 und sei prima facie neuheitsschädlich.

v) Im Bezug auf E1 und E4 werde auf die im Einspruchsverfahren eingereichten Dokumente verwiesen, da die Einspruchsabteilung ihre Feststellung nicht begründet habe.

b) Erfinderische Tätigkeit

E3 sei der nächstliegende Stand der Technik und offenbare die Merkmale 1.1 - 1.8 des Anspruchs 1.

Sollte das Merkmal 1.10a als Unterscheidungsmerkmal angesehen werden, so sei dieses durch die Druckschriften E5, E10 oder E11 nahegelegt. Das Patent nenne keinen technischen Effekt im Bezug auf dieses Merkmal. Die objektive technische Aufgabe liege darin, den Abstand zwischen dem Ende des freien Federschenkels und dem Gewichtskörper zu maximieren.

Der Fachmann wurde zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe im Stand der Technik suchen und dort eine Lösung gemäß der Lehre der Dokumente E5, E10 oder E11 finden. Diese Dokumente seien aus dem gleichen technischen Gebiet und der Fachmann werde sie daher heranziehen.

Dort werde gelehrt, die Haltefeder parallel zum Gewichtskörper anzuordnen, wodurch der Abstand zwischen Haltefeder und Gewichtskörper maximiert werde.

Sollte jedoch das gesamte Merkmal 1.10 als Unterschied angesehen werden, so bestehe die durch Merkmal M1.10 gelöste objektive technische Aufgabe darin, eine verbesserte Montierbarkeit des in der E3 offenbarten Gewichtes zu erreichen, ohne hierzu Vorsprünge verwenden zu müssen, um eine unnötige Beschädigung der Felgenbeschichtung zu vermeiden.

Auch diesbezüglich würde der Fachmann den Dokumenten E5, E10 oder E11 entnehmen, dass der Verlauf des freien Federschenkels so angepasst werden müsse, dass dieser in einem im wesentlichen gleichen Abstand verlaufe.

Der Fachmann werde daher, um die jeweils gestellte Aufgabe zu lösen, die Haltefeder der E3 um 30° Grad drehen. Dies führe zu einer parallelen Ausrichtung der Feder und maximiere den Abstand bzw. führe zu einem Verlauf des Federschenkels mit im Wesentlichen gleichem Abstand. Der Fachmann gelange auf diese Weise ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegner lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Dokumente E7 - E11

Diese Dokumente seien erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Die dem Verfahren zu Grunde liegenden Ansprüche des Patents wie erteilt seien jedoch nicht geändert worden. Weder gebe es eine Änderung im Verfahren, die die Einreichung neuer Dokumente rechtfertigen würden, noch sei ein Hinderungsgrund zu erkennen, der einem Auffinden der Dokumente E7 bis E11 zu einem früheren Zeitpunkt entgegengestanden hätte. Daher hätten die genannten Dokumente innerhalb der Einspruchsfrist eingereicht werden können und müssen.

Zudem gingen die auf die neuen Dokumente gestützten Angriffe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit weit über den erstinstanzlichen Streitstoff hinaus, insbesondere auch hinsichtlich der dadurch erstmals zu diskutierenden komplexen Frage der Gültigkeit der Priorität.

E7 - E11 seien weiterhin nicht prima facie relevant.

Aufgrund der gewählten Perspektive erlaubten die einzig als Beleg dienenden Fotos der E7, E8 bzw. E9 praktisch keine Rückschlüsse auf die Positionierung des freien Federschenkels relativ zum s-förmigen Kurvenverlauf des Profils des Gewichtskörpers. Insofern durch E7, E8 eine angebliche offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht werden solle, fehle es an einer hinreichend konkreten Darlegung der Umstände.

Die Offenbarung der E10 werde von der Beschwerdeführerin argumentativ gleich der E5 verwendet und könne daher die angestrebte Änderung der angefochtenen Entscheidung nicht begründen. Im Übrigen weise der Gewichtskörper gemäß E10 gar kein zum Federschenkel hin zurückversetztes Profil auf.

Hinsichtlich der E11 weise die Kurve im Bereich des ersten Hochpunkts des s-förmigen Profils des Gewichtskörpers offensichtlich keinen dem gegenüberliegenden freien Federschenkel angepassten Kreisbogen auf, sei der Abstand zwischen dem freien Federschenkel und dem Profil am Tiefpunkt offensichtlich anders als am ersten und zweiten Hochpunkt, und sei der Tiefpunkt offensichtlich nicht gegenüber dem Ende des freien Federschenkels angeordnet.

Damit seien die Dokumente E7 - E11 nicht ins Verfahren zuzulassen.

b) Neuheit

i) Das Bild eines Auswuchtgewichts in E7 und E8 sei ähnlich zu der Figur 3 des Patents. Es sei nicht konsistent, auf einer Seite den Prioritätsanspruch zu verneinen und auf der anderen Seite E7 und E8 aufgrund einer breiten Auslegung als neuheitsschädlich zu betrachten. Wie bereits erwähnt erlaube das Foto keine Rückschlüsse auf die relative Positionierung des freien Federschenkels zum Profil des Gewichtskörpers, und eine angebliche Vorbenutzung sei nicht ausreichend substantiiert.

ii) E9 offenbare ein Foto eines Auswuchtgewichtes. Auch dieses Foto erlaube wegen der Perspektive keine Rückschlüsse auf die Positionierung des freien Federschenkels relativ zum s-förmigen Kurvenverlauf des Profils des Gewichtskörpers. Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber E9.

iii) Im Bezug auf E2 sei der Neuheitsangriff auf eine Figur gestützt, die nicht aus E2 selbst stamme, sondern auf einer von der Beschwerdeführerin erzeugten Kollage beruhe, die nicht eindeutig und unmittelbar aus der E2 hervorgehe. Figur 4 sei die einzige Figur in E2, die Haltefeder und Gewicht in zusammengesetztem Zustand zeige, und offenbare zumindest nicht das Merkmal 1.10. Verfolge man den in den Abbildungen 1, 3 und 4 der E2 illustrierten Herstellungsprozess des Ausgleichsgewichts, so erkenne man, dass die Haltefeder tatsächlich viel tiefer in den Spalt eingeschoben werde, als von der Beschwerdeführerin in ihrer modifizierten Figur 1 angenommen. Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber E2.

iv) Im Bezug auf E1 und E4 habe die Beschwerdeführerin nicht erklärt, wieso die angefochtene Entscheidung falsch sei.

Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

c) Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem in E3 offenbarten Auswuchtgewicht durch die Merkmale 1.10a und 1.10b.

Keines der zitierten Dokumente zeige ein Auswuchtgewicht mit einer Haltefeder, bei der das Ende gegenüber dem Tiefpunkt liege.

Daher gelange der Fachmann selbst unter Berücksichtigung der Lehre der E5, E10 oder E11 nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Rechtliches Gehör

Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12(8) VOBK 2020.

Weder die Beschwerdeführerin noch die Patentinhaber haben eine mündliche Verhandlung beantragt. Die Frist nach Artikel 12(1)c) VOBK ist abgelaufen und beide Parteien haben umfangreich zur Sache vorgetragen.

Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien entscheidungsreif. Die Kammer legt das Vorbringen der Parteien ihrer schriftlichen Entscheidung zugrunde.

Die Rechte der Verfahrensbeteiligten nach Artikel 113 und 116 EPÜ sind somit gewahrt.

2. Dokumente E7 - E11

Diese Dokumente wurden erstmals mit der Beschwerdebegründung, d.h. nach Ablauf der Einspruchsfrist, eingereicht. Sie hätten im Einspruchsverfahren vorgebracht werden können, weil die dem Verfahren zu Grunde liegenden Ansprüche des Patents wie erteilt nicht geändert worden sind. Nach Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK 2007 steht die Zulassung dieser verspätet eingereichten Dokumente in das Beschwerdeverfahren im Ermessen der Kammer.

2.1 Die Dokumente E7 - E9 wurden eingereicht, um einen neuen Neuheitseinwand zu belegen. Eine vollständig neue Angriffslinie kann nicht als eine Reaktion auf die angefochtene Entscheidung angesehen werden. Auch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Erklärung, wonach man die Dokumente nicht früher vorgelegt habe, da sie der Beschwerdeführerin erst nach der Entscheidung zur Kenntnis gelangt seien, ist keine Rechtfertigung, die ein derartig verspätetes Vorbringen begründen kann. Eine Veranlassung der verspäteten Einreichung dieser Dokumente durch Vorgänge im bisherigen Verfahren ist weder erkennbar, noch wurde dies vorgetragen. Die Beschwerdeführerin hätte daher bereits innerhalb der Einspruchsfrist den Stand der Technik vollständig recherchieren können und müssen.

Zudem können die Dokument E7-E9 nicht als prima facie relevant angesehen werden, weil die darin enthaltenen Darstellungen nicht den Abstand zwischen dem freien Federschenkel und dem Gewichtskörper beurteilen lassen. Insbesondere handelt es sich nicht um eine strikt seitliche Darstellung. Die Konturen des Ausgleichsgewichts und der Federschenkel, sowie ihre Position zueinander sind nicht ausreichend zu beurteilen. Somit kann auch nicht beurteilt werden, ob auf der Homepage genau der beanspruchte Gegenstand beworben wird. Insbesondere kann E7, E8 auch nicht entnommen werden, ob, wie und wann der dort gezeigte Gegenstand durch Verkauf offenkundig geworden ist, und falls ja, wie bei dem angeblich offenkundig gewordenen Ausgleichsgewicht der freie Federschenkel relativ zum s-förmigen Kurvenverlauf des Profils des Gewichtskörpers positioniert gewesen wäre. Bezüglich der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung fehlt es daher schon an einer ausreichenden Substantiierung des Vorbringens.

2.2 E11 ist ebenfalls nicht prima facie relevant, da das freie Ende der Federschenkel selbst bei breiter Auslegung nicht gegenüber dem Tiefpunkt angeordnet ist. Außerdem ist der Kurvenverlauf im Bereich zwischen dem ersten Hochpunkt und dem zweiten Hochpunkt offensichtlich nicht so ausgewählt, dass zwischen dem freien Federschenkel und dem Gewichtskörper ein im Wesentlichen gleichmäßiger Abstand besteht. Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Abstand gemäß Merkmal 1.10b nur "im Wesentlichen gleichmäßig" sein müsse, so dass auch die in E11, Figur 4 gezeigte Ausbildung des Auswuchtgewichts darunter falle, überzeugt dabei nicht. Eine derart breite Merkmalsauslegung, bei dem dem Merkmalen "gegenüber angeordnet" und "im Wesentlichen gleichmäßiger Abstand" praktisch jedwede Aussagekraft genommen wird, entspricht nicht dem fachmännischen Verständnis.

2.3 E10 wurde laut der Beschwerdeführerin als Beleg dafür eingereicht, dass ein Verlauf des Federschenkels parallel zum Gewichtskörper allgemeines Fachwissen sei. Dieses Merkmal ist jedoch unstreitig aus E5 bekannt. Damit geht die Offenbarung von E10 nicht über die Offenbarung von E5 hinaus. Außerdem weist der dem Felgenhorn zugewandte Teilbereich des Gewichtskörpers der E10 kein zum ersten Federschenkel hin zurückversetztes Profil auf. E10 ist somit ebenfalls nicht als prima facie relevant anzusehen.

2.4 Die Kammer lässt aus diesen Gründen die Dokumente E7 - E11 nicht in das Verfahren zu.

2.5 Da die Dokumente E7-E9 nicht in das Verfahren zugelassen werden, erübrigt sich eine Prüfung der Gültigkeit der Priorität.

3. Neuheit

3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber E2, E4 E7 - E9, und E11 sei.

Bezüglich E1, E3 und E4 wird in Punkt 3.4 des Schriftsatz vom 13. November 2018 unter dem Punkt 3, Neuheit, zudem auf das Vorbringen in den vorangegangenen Schriftsätzen verwiesen.

3.2 Wie oben diskutiert werden E7 - E11 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

3.2.1 Bezüglich E3 wird in der Beschwerdebegründung zwar beanstandet, dass die Feststellung in der Einspruchsentscheidung, wonach das Merkmal 1.10 nicht offenbart sei, weder begründet noch korrekt sei. Eine Begründung dafür wird allerdings nicht vorgebracht. Vielmehr argumentiert die Beschwerdeführerin in Punkt 2 der Beschwerdebegründung (Seite 17 ff) mit E3 als nächstliegendem Stand der Technik lediglich zur Frage der erfinderischen Tätigkeit. Die Kammer behandelt dieses Dokument daher ebenfalls nur unter Artikel 56 EPÜ.

3.3 Im Bezug auf E2

E2 offenbart unstreitig alle Merkmale (1.1 - 1.9) des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

Das Merkmal 1.10a, wonach "der Tiefpunkt (11) gegenüber dem Ende (13) des freien Federschenkels (5) angeordnet ist", geht jedoch nicht eindeutig und unmittelbar aus D2 hervor. Die einzige mögliche direkte Offenbarungsstelle ist Figur 4, bei der das Ende des freien Federschenkels im fertigen Zustand des Produkts erkennbar ist, jedoch eher gegenüber dem zweiten Hochpunkt liegt.

Die Beschwerdeführerin führt aus, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 wegen der Verwendung der Worte "im Wesentlichen" breit ausgelegt werden solle. Jedoch beziehen sich diese Worte auf den Abstand zwischen freiem Federschenkel und Gewichtskörper und nicht auf die Position des Endes des freien Federschenkels gegenüber dem Tiefpunkt.

Das Merkmal 1.10b ist ebenfalls nicht aus E2 entnehmbar. Zum einen besteht in Figur 4 offensichtlich kein im Wesentlichen gleichmäßiger Abstand zwischen dem freien Federschenkel und dem Gewichtskörper. Zum anderen ist auch der Figur 1 nicht direkt und eindeutig zu entnehmen, wie dieser Abstand im zusammengesetzten Zustand ausgebildet ist.

Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass E2 nicht offenbare, dass der Haken bis zum Anschlag eingeschoben werden müsse. Der Fachmann werde die Feder daher nur so weit in die Längsnut des Gewichtskörpers einschieben, bis das Gewicht an die Felge passe. Dies führe zu der oben in Punkt VII, b), iii) wiedergegebenen Ausführung (modifizierte Figur 1 der E2).

Allerdings enthält E2 keinerlei Hinweis darauf, die Feder nur partiell in die Längsnut des Gewichtskörpers einzuschieben. Wie von der Beschwerdegegnerin aufgezeigt, lassen die Abbildungen 3 und 4 vielmehr erkennen, dass die Feder viel weiter in den Spalt einzuschieben ist, als von der Beschwerdeführerin in ihrer modifizierten Figur 1 angenommen. Keinesfalls kann die von der Beschwerdeführerin vorgelegte modifizierte Abbildung 1 der E2 als direkt und eindeutig offenbart angesehen werden.

E2 offenbart daher nicht direkt und eindeutig Merkmal 1.10 und der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber E2.

3.4 Im Hinblick auf E1 und E4 hat die Beschwerdeführerin nicht erklärt, wieso die angefochtene Entscheidung falsch sei (Beschwerdebegründung, Seite 6, erste Hälfte). Die Einspruchsabteilung hat festgestellt (Punkte 2.3.3 und 2.3.4 der Entscheidung), dass die Merkmale 1.4 - 1.10 nicht aus E4 und die Merkmale 1.5-1.8 und 1.10 nicht aus E1 hervorgingen. Während der mündlichen Verhandlung haben die Parteien diesbezüglich auf ihre schriftlichen Ausführungen verwiesen, siehe Protokoll der Verhandlung, Punkte 4.25, 4.26 und 4.30.

Die Argumente in der Einspruchsschrift bezüglich E4 (siehe S. 11 und 12) sind lediglich Verweise auf die Figur 1, in der erster Hochpunkt, Wendepunkt, Tiefpunkt und zweiter Hochpunkt des Profils des Gewichtskörpers mit den Buchstaben A-D versehen wurden. Ein Grossteil des freien Federschenkels ist in der Figur 1 jedoch gar nicht zu sehen, da dieser durch die Felge verdeckt ist. Bei einer derartigen Sachlage ist es gerechtfertigt, dass die Einspruchsabteilung lediglich die Merkmale spezifiziert, die ihre Meinung nach nicht aus der Zeichnung hervorgehen.

Da die Figur 1 der E4 das Ende der Feder nicht zeigt, ist zumindest das Merkmal 1.10a der Figur 1 der E4 nicht direkt und eindeutig zu entnehmen.

Bezüglich der E1 ist aus der Entscheidung (siehe Punkt 2.4, Diskussion der erfinderischen Tätigkeit) zu erkennen, dass zumindest das Fehlen eines Wendepunkts und eines Tiefpunkts (Merkmale 1.6 und 1.7) am in Abbildung 12 der E1 gezeigten Profil des Gewichtskörpers als Unterscheidungsmerkmal angesehen wurden. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden, und die Beschwerdeführerin hat auch keinerlei Argumente vorgebracht, warum sie nicht korrekt sein sollte.

Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

Laut Beschwerdeführerin sei E3 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.

Das freie Ende des Federschenkels ist, wie in E3, Figur 2 zu erkennen, nicht gegenüber einem Tiefpunkt des Profils des Gewichtskörpers angeordnet, sondern gegenüber dem Vorsprung 14. Unabhängig davon, ob man den Vorsprung 14 als den ersten oder den zweiten Hochpunkt ansehen möchte, ist - wie ebenfalls in Figur 2 dargestellt - auch der Abstand zwischen der Kontur des Gewichtskörpers und dem freiem Federschenkel nicht gleichmäßig. E3 zeigt somit zumindest nicht Merkmal 1.10.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass ausgehend von den Unterscheidungsmerkmalen 1.10a bzw. 1.10 die objektiv zu lösende Aufgabe darin bestehe, den Abstand zwischen Haltefeder und Gewichtskörper zu maximieren bzw. eine verbesserte Montierbarkeit des Gewichts zu erreichen, ohne hierzu Vorsprünge verwenden zu müssen, um eine unnötige Beschädigung der Felgenbeschichtung zu vermeiden.

Wie in der angefochten Entscheidung (siehe Paragrafen 2.4.2.2 und 2.4.2.3) festgestellt, wird die Haltekraft des Gewichts bei der E3 wesentlich durch die Vorsprünge 14 bedingt. Der Fachmann würde daher nicht versuchen, die Feder so zu drehen, dass genau diese Wirkung der Vorsprünge verloren ginge. Ein solches Vorgehen verstieße gegen die Lehre der E3.

Außerdem zeigt keines der Dokumente E3 oder E5 ein Auswuchtgewicht, bei dem der Tiefpunkt eines s-förmigen Profils des Gewichtskörpers gegenüber dem Ende des freien Federschenkels angeordnet ist (Merkmal 1.10a). Zwar könnte eine Drehung der Feder von E3 um ungefähr 30° eine derartige Anordnung entstehen lassen. Der Fachmann entnimmt jedoch der E5 keine Anregung zu einem derartigen Handeln, da E5 gerade eine konvexe Gewichtsoberfläche aufweist, um einen gleichmäßigen Abstand zwischen Feder und Gewicht zu erzeugen. Dies ist mit einem Tiefpunkt im Profil des Gewichtskörpers unvereinbar. Der Fachmann würde die Lehre der E3 und der E5 daher nicht in der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Art und Weise kombinieren.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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