T 0050/18 () of 11.11.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T005018.20211111
Datum der Entscheidung: 11 November 2021
Aktenzeichen: T 0050/18
Anmeldenummer: 10182110.6
IPC-Klasse: H01L 31/0216
H01L 31/0304
H01L 31/0687
H01L 31/056
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Monolithische Mehrfach-Solarzelle
Name des Anmelders: AZUR SPACE Solar Power GmbH
Name des Einsprechenden: David Brinck
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 113(2)
European Patent Convention R 111(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Angefochtene Entscheidung - ausreichend begründet (ja)
Angefochtene Entscheidung - wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1747/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 2264788 zu widerrufen, welches aus der europäischen Patentanmeldung Nr. 10182110 hervorging. Diese war eine Teilanmeldung der früheren europäischen Anmeldung Nr. 05847317, veröffentlicht als internationale Anmeldung WO 2006/072423 A1.

II. Auf den folgenden Stand der Technik wird Bezug genommen:

D2: F. Dimroth ET AL: "NEXT GENERATION GalnP/GalnAs/Ge MULTIJUNCTION SPACE SOLAR CELLS", 17th European Photovoltaic Solar Energy Conference, 1. Oktober 2001 (2001-10-01), Seiten 2150-2154, XP055273946, Munich, Germany

D3: SHVARTS M Z ET AL: "Radiation resistant AIGaAs/GaAs concentrator solar cells with internal Bragg reflector", SOLAR ENERGY MATERIALS AND SOLAR CELLS, ELSEVIER SCIENCE PUBLISHERS, AMSTERDAM, NL, Bd. 68, Nr. 1, 1. April 2001 (2001-04-01), Seiten 105-122, XP004226971, ISSN: 0927-0248, DOI: 10.1016/S0927-0248(00)00349-4

D4: BUSHNELL D B ET AL: "Short-circuit current enhancement in Bragg stack multi-quantum-well solar cells for multi-junction space cell applications", D4 SOLAR ENERGY MATERIALS AND SOLAR CELLS, ELSEVIER SCIENCE PUBLISHERS, AMSTERDAM, NL, Bd. 75, Nr. 1-2, 1. Januar 2003 (2003-01-01), Seiten 299-305, XP004391443, ISSN: 0927-0248, DOI: 10.1016/S0927-0248(02)00172-1

D9: VERNON S M ET AL: "Growth and characterization of AIGaAs Bragg reflectors by LP-MOCVD", JOURNAL OF ELECTRONIC MATERIALS, SPRINGER US, BOSTON, Bd. 21, Nr. 3, 1. Marz 1992 (1992-03-01), Seiten 335-340, XP035179055, ISSN: 1543-186X, DOI: 10.1007 /BF02660463

D10: DURBIN SM: "A computational approach to the analysis of distributed Bragg reflectors in direct-gap solar cells", 19960513; 19960513 - 19960517, 13. Mai 1996 (1996-05-13), Seiten 69-72, XP010208094

III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufgrund eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers. Darüber hinaus beantragte die Patentinhaberin, die angefochtene Entscheidung zu widerrufen und das Patent gemäß dem mit Schreiben vom 4. Februar 2017 eingereichten Hauptantrag aufrecht zu erhalten. Dieser entspricht dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag. In Bezug auf diesen Antrag war die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung unter anderem zu dem Schluss gekommen, dass Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Dokumente D2 und D3 beruht. In diesem Zusammenhang wurde auch D4 erwähnt. Im Einspruchsverfahren wurden die genannten Dokumente mit O2, O3 und O4 bezeichnet.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte der Beschwerdegegner/Einsprechende, die Beschwerde zurückzuweisen und das Streitpatent entsprechend der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut (Gliederung (a), (b), ... von der Kammer wie in der angefochtenen Entscheidung hinzugefügt):

(a) Monolithische Mehrfach-Solarzelle (10) im Wesentlichen aus Elementen der III. und V. Hauptgruppe des Periodensystems bestehend, wobei die Mehrfach-Solarzelle (10) drei Teilzellen (12, 14, 16) aus GalnP/ GalnAs/ Ge umfasst, wobei GalnP als Oberzelle und GalnAs als Mittelzelle und GE als Unterzelle ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass

(b) zwischen der Mittelzelle und der Unterzelle ein Halbleiterspiegel (22) angeordnet ist,

(c) und die Mittelzelle eine reduzierte Dicke aufweist und die Dicke dm mit 500 <= dm <= 2500 nm beträgt,

(d) dass der Halbleiterspiegel (22) mehrere Schichten voneinander abweichendem Brechungsindex und/oder Materialzusammensetzung und/oder Dicke aufweist, und

(e) wobei die Dicke d der Schichten des Halbleiterspiegels (22) mit 1O nm <= d <= 150 nm ist und

(f) der Halbleiterspiegel (22) aus n-Schichten mit 10 <= n <= 50 besteht und

(g) die Halbwertsbreite HWB des Halbleiterspiegels (22) mit 80 nm <= HWB <= 150 nm ist, und

(h) dass der Halbleiterspiegel in zumindest einem Teil des spektralen Absorptionsbereichs der über dem Halbleiterspiegel angeordneten Teilzelle (16) oder Teilzellen (12, 14, 16) einen hohen Reflexionsgrad und im spektralen Absorptionsbereich der unterhalb des Halbleiterspiegels angeordneten Teilzelle (18) oder Teilzellen einen hohen Transmissionsgrad aufweist, und

(i) die Mehrfach-Solarzelle auf einem Ge-Substrat aufgebaut ist.

VI. Die wesentlichen Argumente der Patentinhaberin lassen wie folgt zusammenfassen.

a) Schwerwiegender Verfahrensmangel

Die angefochtene Entscheidung erschöpfe sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wie im Fall T 1747/06 darin, den Argumenten der Einsprechenden zu folgen, ohne einen Grund dafür anzugeben. Die angefochtene Entscheidung gebe nicht an, warum den Argumenten der Patentinhaberin nicht gefolgt werden könne. Darüber hinaus seien manche Argumente der Patentinhaberin aus der mündlichen Verhandlung, wie zum Beispiel die unter den Punkten 2.16, 2.17 und 2.19 der Niederschrift aufgeführten Argumente, in der Entscheidung gar nicht berücksichtigt worden.

Daher läge ein Begründungsmangel im Sinne der Regel 111(2) verbunden mit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113(2) EPÜ vor.

b) Erfinderische Tätigkeit

D2 beziehe sich auf theoretische Erwägungen, wie schon aus dem Titel hervorginge, in dem auf "Next Generation" Solarzellen Bezug genommen würde. Auch die Erwähnung von Bragg-Reflektoren im Abschnitt "1. Introduction" bezöge sich nur auf ein theoretisches, allgemeines Konzept, während nirgendwo in D2 ein Bragg-Reflektor für ein konkretes Ausführungsbeispiel vorgeschlagen würde, welchen der Fachmann als Mann der Praxis in Betracht ziehen würde.

Ein Halbleiterspiegel beziehungsweise Bragg-Reflektor erfordere ca. 30 Schichten, die im Fall von Solarzellen flächig auf Wafer mit großen Durchmessern von 150 mm aufgewachsen werden müssten. Dieses Vorgehen sei gerade bei der Herstellung von III-V-Halbleiterschichten mittels metallorganischer Gasphasen­epitaxie (MOVPE) schwierig in der Handhabung und sehr fehleranfällig. Die Herstellung so grossflächiger Schichten in guter kristalliner Qualität mittels MOVPE könne nicht als Routineaufgabe angesehen werden. Stattdessen würden die damit verbundenen Schwierigkeiten den Fachmann als Mann der Praxis davon abhalten, Bragg-Reflektoren tatsächlich in Betracht zu ziehen.

Unabhängig davon offenbare D2 zwei Alternativen. In der mit Bezug auf Figur 3 beschriebenen Alternative dominiere zwar die mittlere Teilzelle die Verschlechterung der Leistung der Mehrfachsolarzelle bei Bestrahlung. Direkt unter der Bildunterschrift der Figur 3 offenbare D2 mit der zweiten Alternative ("another approach") aber bereits eine Lösung für dieses Problem, indem eine Erhöhung der Absorption der mittleren Teilzelle durch die Implementierung einer Multi-Quantum-Well (MQW) Struktur erreicht wird. Darüber hinaus weise D2 auf Seite 2153 unter Punkt "3. Conclusion" eindeutig darauf hin, dass Verlustmechanismen verstanden und die Schichtqualität der mittleren Teilzelle erhöht werden müssten. In Tabelle 1 würden zudem weitere mögliche Konzepte genannt, die bereits sehr gute Verhältnisse zwischen den Leistungen am Anfang (BOL) und am Ende (EOL) des Zyklus zeigten.

Dem Fachmann würden also in D2 ausgehend von dem in Figur 3 dargestellten Beispiel selber bereits mehrere klare Entwicklungsrichtungen vorgegeben. Er hätte daher keine Veranlassung, weiteren Stand der Technik zu konsultieren. Stattdessen stelle eine Berücksichtigung weiterer Dokumente eine rückschauende Betrachtung dar.

D3 offenbare eine GaAs-Solarzelle mit anderer Struktur als D2, keine Mehrfachsolarzelle. D4 betreffe noch einmal eine andere Solarzellenstruktur und beziehe sich auf eine Multi-Quantum-Well (MQW) Solarzelle mit einem darunter angeordneten Bragg-Reflektor.

Verschiedene Solarzellenkonzepte beziehungsweise -strukturen seien nicht ohne weiteres miteinander kompatibel. Entsprechend würde der Fachmann diese Dokumente nicht miteinander kombinieren.

Darüber hinaus enthalte D4 lediglich Spekulationen über die Möglichkeit, unter einem Bragg-Reflektor (hier "distributed Bragg reflector" oder "DBR" genannt) noch eine Ge-Teilzelle anzuordnen. D4 offenbare in dieser Beziehung aber kein konkretes Ausführungsbeispiel.

VII. Die wesentlichen Argumente des Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen.

a) Schwerwiegender Verfahrensmangel

In der Entscheidung seien die wesentlichen Argumente der Parteien aufgeführt. Die von der Einspruchsabtei­lung vertretene Meinung gehe dabei klar aus der Entscheidung hervor. Der Fall T 1747/06 sei anders gelagert. Dort habe die entsprechende Kammer geurteilt, dass in der diesem Fall zugrunde liegenden Entscheidung gar keine Gründe angegeben seien.

b) Erfinderische Tätigkeit

D2 sei ein geeigneter nächstliegender Stand der Technik und gehe von dem Problem aus, dass GaInP/GaAs/Ge keine optimale Materialkombination für Mehrfachsolarzellen für den Raumfahrteinsatz unter Proton- und Elektronstrahlung darstellten. Dabei schlage D2 zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verbesserung vor. Die Erste sei die in Figur 3 gezeigte, in der die GaAs-Teilzelle durch eine GaInAs-Teilzelle ersetzt worden sei. Die Zweite werde in dem Absatz unter Figur 3 beschrieben und betreffe MQW-Strukturen, die in die GaAs-Teilzelle eingebracht worden seien. Dies sei ein eigenständiger Ansatz und keine Weiterentwicklung der ersten Möglichkeit.

Für diese zweite Möglichkeit gebe D2 jedoch keine Erhöhung der Strahlungshärte an, im Gegensatz zu der in Figur 3 gezeigten ersten Möglichkeit mit einer GaInAs-Teilzelle.

Der Fachmann würde also von der in Figur 3 der D2 gezeigten Mehrfachsolarzelle ausgehen und versuchen, die Strahlungshärte weiter zu erhöhen, welche bei dieser Variante hauptsächlich durch die mittlere GaInAs-Teilzelle bestimmt werde.

Da der Fachmann bei Solarzellen immer versuchen würde, weitere Verbesserungen zur erreichen, würde er sich dabei auch nicht auf die in D2 selber im Detail vorgeschlagenen Lösungen beschränken, sondern grundsätzlich auch Lösungen in anderen Dokumenten suchen.

Bei dieser Suche erhielte er aus D2 selber den allgemeinen Hinweis, dass Bragg-Reflektoren die Strahlungshärte erhöhen können. Aus der D3 würde er dann den konkreten Hinweis bekommen, dass ein solcher Bragg-Reflektor unterhalb der betroffenen Zelle anzuordnen sei. Aus seinem allgemeinen Fachwissen heraus wisse er, dass dieser Bragg-Reflektor nicht direkt auf dem Substrat unterhalb der Ge-Zelle angeordnet werden könne, da in dieser aufgrund der zwingend erforderlichen Bandlückenreihenfolge in Mehrfachsolarzellen sonst zuviel Licht absorbiert würde.

Dabei waren Bragg-Reflektoren zum Prioritätstag des Streitpatents bereits allgemein bekannte Strukturen. Auch ihr Einsatz in Solarzellen war bereits allgemein bekannt, wie beispielhaft aus D9 und D10 hervorginge. Eine Anpassung der Reflektions- und Transmissions­eigenschaften eines Bragg-Reflektors an eine bestimmte Anwendung beziehungsweise Solarzelle sowie die Realisierung der entsprechenden Schichten seien daher lediglich Routineaufgaben für den Fachmann. Auch das Streitpatent nenne keine besonderen Schwierigkeiten, die bei einer solchen Anpassung oder dem entsprechenden Schichtwachstum auftreten könnten.

Darüber hinaus hätte den Fachmann dabei nichts davon abgehalten, einen Bragg-Reflektor zwischen zwei Teilzellen einer Mehrfachsolarzelle anzuordnen. Im Gegenteil, D4 schlage genau dies mit dem Ziel vor, die Effizienz einer Mehrfachsolarzelle zu erhöhen. Dabei beschränke sich D4 nicht auf reine Ideen oder Spekulationen, sondern präsentiere in Abschnitt 3. durchaus experimentelle Ergebnisse.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Streitpatent

Das Streitpatent betrifft eine Mehrfachsolarzelle. Solche Mehrfachsolarzellen bestehen aus mehreren Teilsolarzellen, die übereinander angeordnet sind, so dass einfallendes Licht der Reihe nach alle Teilzellen durchquert. Dabei müssen die Bandlücken und damit die Materialien der Teilzellen so gewählt werden, dass das einfallende Licht der Reihe nach Teilzellen mit immer geringerer Bandlücke durchquert.

Mehrfachsolarzellen besitzen gegenüber Einfachsolar­zellen den Vorteil einer höheren Effizienz sowie den Nachteil einer (deutlich) aufwändigeren Herstellung. Sie finden daher hauptsächlich im Weltraum (z.B. zur Strom­versorgung von Satelliten) oder in Verbindung mit Sonnenlichtkonzentratoren Anwendung.

3. Schwerwiegender Verfahrensmangel

In der von der Patentinhaberin genannten Entscheidung T 1747/06 bemängelt die zuständige Kammer unter Punkt 2.3, dass der Teil "Grounds for the decision" der zugrunde liegenden Entscheidung zwar

- eine Zusammenfassung des beanspruchten Gegenstands,

- eine Feststellung, dass der beanspruchte Gegenstand durch den verfügbaren Stand der Technik weder offenbart sei noch nahegelegt werde,

- die Schlussfolgerung, dass die Anforderungen des EPÜ erfüllt seien und das Patent in geänderter Fassung aufrecht erhalten werden kann, sowie - verfahrensrechtliche Informationen,

aber keinerlei Begründung für die Entscheidung enthalte, wie vom Einsprechenden vorgebracht.

Unter Punkt 2.4 bemängelt die zuständige Kammer weiter, dass diesem Teil der zugrunde liegenden Entscheidung nicht zu entnehmen sei, ob die genannte Zusammenfassung, die Feststellung und die Schlussfolgerung die Meinung der Einspruchsabteilung wiedergeben, sowie ob und falls ja, wie, die von der Einsprechenden zitierten Dokumente berücksichtigt wurden.

Im vorliegenden Fall enthält Punkt 4.5 der angefochtenen Entscheidung jedoch sowohl Argumente der Patentinhaberin als auch des Einsprechenden die zueinander in Bezug stehen. Beispielsweise enthält der letzte Absatz der Seite 13 der angefochtenen Entscheidung Argumente der Patentinhaberin, warum der Fachmann ausgehend von O2 das Dokument O3 nicht berücksichtigen würde, und der dritte Absatz derselben Seite enthält das Vorbringen des Einsprechenden, warum und wie der Fachmann genau dies tun würde. Da sich darüber hinaus die Einspruchsabteilung in den letzten zwei Absätzen auf Seite 14 die Argumente des Einsprechenden ausdrücklich zu eigen macht, ist im Gegensatz zum Vorbringen der Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren der angefochtenen Entscheidung durchaus zu entnehmen, warum die Einspruchsabteilung diesem Argument der Patentinhaberin im erstinstanz­lichen Verfahren nicht gefolgt ist.

Entsprechendes gilt für die in den oberen Absätzen der Seite 14 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten anderen Argumente der Patentinhaberin und des Einsprechenden.

Im vorliegenden Fall enthält die angefochtene Entscheidung also, anders als in dem der Entscheidung T 1747/06 zugrunde liegenden Fall, eine Begründung, warum die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung getroffen hat, wie vom Einsprechenden vorgebracht.

Die in den von der Patentinhaberin genannten Punkten 2.16, 2.17 und 2.19 der Niederschrift der erstinstanz­lichen mündlichen Verhandlung aufgeführten Argumente betreffen die Eignung von Bragg-Reflektoren für den Einsatz in Solarzellen und damit verbunden ihre entsprechende Einbauposition. Diese Aspekte werden in der angefochtenen Entscheidung jedoch zum Beispiel auf Seite 14 in den Absätzen 2, 3 und 5 diskutiert. Selbst wenn in der angefochtenen Entscheidung manche der in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente der Parteien nicht ausdrücklich diskutiert werden mögen, so werden die entsprechenden Grundaspekte daher dennoch behandelt.

Einen Begründungsmangel im Sinne der Regel 111(2) EPÜ oder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des Artikels 113(2) EPÜ kann die Kammer nicht erkennen. Entsprechend kann die Kammer auch keinen Grund für eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchs­abteilung oder eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr erkennen.

4. Erfinderische Tätigkeit

D2 betrifft wie das Streitpatent (siehe Absatz [11]) die Verbesserung der Strahlungshärte von Solarzellen für den Weltraumeinsatz (siehe Zusammenfassung der D2). Dabei offenbart D2 im Wortlaut des Anspruchs 1 eine monolithische Mehrfachsolarzelle, die im Wesentlichen aus Elementen der III. und V. Hauptgruppe des Periodensystems besteht, wobei die Mehrfachsolarzelle drei Teilzellen aus GaInP/GaInAs/Ge umfasst, wobei GaInP als Oberzelle, GaInAs als Mittelzelle und Ge als Unterzelle ausgebildet ist und die Mehrfachsolarzelle auf einem Ge-Substrat aufgebaut ist (Seite 2151, rechte Spalte, zweiter und dritter Absatz sowie Figur 3).

Beide Parteien waren sich einig, dass das in Figur 3 der D2 gezeigte Ausführungsbeispiel daher die Merkmale (a) und (i) des Anspruchs 1 offenbart und einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer sieht keinen Grund, dem zu widersprechen.

Dabei sind die in Verbindung mit Figur 3 der D2 offen­barten Mehrfachsolarzellen in Bezug auf Strahlungshärte den Mehrfachsolarzellen mit einer GaAs-Mittelzelle zwar überlegen. Jedoch offenbart D2, dass auch bei dieser Art von Mehrfachsolarzellen die mittlere Teil­zelle, d.h., die GaInAs-Teilzelle, die Verschlech­terung der Quantenausbeute bei Bestrahlung dominiert, wie vom Einsprechenden vorgebracht.

Daher würde der Fachmann, ausgehend von dem in Verbin­dung mit Figur 3 der D2 offenbarten Ausführungsbei­spiel, versuchen, die objektive technische Aufgabe zu lösen, die Strahlungshärte von Mehrfachsolarzellen mit einer GaInAs-Mittelzelle weiter zu verbessern, wie ebenfalls vom Einsprechenden vorgebracht.

Bei diesem Versuch würde der Fachmann zwar, wie von der Patentinhaberin vorgebracht, die in D2 selber bereits enthaltenen Weiterentwicklungsvorschläge berück­sich­tigen. Er würde dabei insbesondere in Anbetracht der in D2 enthaltenen Hinweise in Bezug auf die Verlust­mechanismen und die Schichtqualität der Mittelzelle in Erwägung ziehen, die kristalline Qualität der GaInAs-Mittelzelle durch Optimierung der MOVPE-Prozess­para­meter zu verbessern, wie ebenfalls von der Patentin­haberin vorgebracht. Er würde ausgehend von D2 aller­dings auch durchaus die Verwendung von Bragg-Reflek­toren in Erwägung ziehen, da D2 den allgemeinen Hinweis enthält, dass diese die Strahlungshärte erhöhen können, wie vom Einsprechenden vorgebracht, auch wenn D2 kein konkretes Ausführungsbeispiel mit einem solchen Bragg-Reflektor enthält, wie von der Patentinhaberin vorgebracht.

Dass in D2 selber bereits Verbesserungsmöglichkeiten beziehungsweise Entwicklungsrichtungen genannt werden, würde den Fachmann jedoch nicht davon abhalten, auch nach anderen möglichen Lösungen der objektiven technischen Aufgabe zu suchen, wie vom Einsprechenden vorgebracht. Dabei würde der Fachmann entgegen dem Vorbringen der Patentinhaberin ohne rückschauende Betrachtungsweise auch in anderen Dokumenten nach möglichen Lösungen suchen, um die Strahlungshärte der GaInAs-Mittelzelle zu verbessern.

D3 nennt ausdrücklich das Problem, dass die Diffusionslänge und damit die Stromgeneration in einer Solarzelle durch Strahlung reduziert werden (sie­he "1. Introduction", zweiter Absatz). Der Fachmann würde bei dem Versuch, die oben genannte objektive technische Aufgabe ausgehend von D2 zu lösen, dieses Dokument daher konsultieren.

Dabei schlägt D3 die Verwendung eines monolithisch integrierten Bragg-Reflektors und damit, im Wortlaut des Anspruchs 1, eines Halbleiterspiegels unter der betroffenen Solarzelle vor, um die optische Weglänge zu erhöhen (Figur 2 und der die Seiten 112 und 113 überbrückende Absatz). Die Wirkung des Bragg-Reflektors, die optische Weglänge des Lichts in der darüber angeordneten Solarzelle zu erhöhen, beruht lediglich auf seinen Reflektions­eigen­schaften und ist daher sowohl von der Stöchiometrie der betroffenen Solarzelle als auch davon unabhängig, ob es sich um eine Einfach- oder Mehrfachsolarzelle handelt. Aus diesem Grund würde der Fachmann die Lehre der D3 nicht ausschließlich auf GaAs-Einfachsolarzellen beziehen.

Auch wenn die in Figur 3 der D2 gezeigte Mehrfachsolarzelle nach einem anderen Konzept (Mehrfachsolarzelle) aufgebaut ist und daher eine andere Struktur besitzt, würde der Fachmann entgegen dem Vorbringen der Patentinhaberin also der D3 die Anregung ent­nehmen, in dieser Mehrfach­solarzelle einen Bragg-Reflektor/Halbleiterspie­gel unterhalb der GaInAs-Teilzelle anzuordnen.

Einen solchen Bragg-Reflektor könnte er entweder direkt über dem Substrat unter der untersten Ge-Teilzelle oder direkt unter der GaInAs-Teilzelle positionieren. Allerdings würde eine Positionierung des Bragg-Reflektors unterhalb der Ge-Teilzelle den Effekt der geringen Diffusionslänge der GaInAs-Zelle nicht nennenswert reduzieren, da das vom Bragg-Reflektor zu reflektierende Licht in diesem Fall, aufgrund der in Mehrfachsolarzellen erforderlichen Bandlücken­reihenfolge von der Ge-Teilzelle absorbiert würde, bevor es die GaInAs-Teilzelle erneut ereichen könnte, wie vom Einsprechen­den vorgebracht.

Unter Berücksichtigung der D4, die sich nicht nur auf die von der Patentinhaberin genannten MQW-Zellen be­zieht, sondern auch ausdrücklich vorschlägt, einen integrierten Bragg-Reflektor ("DBR") unter einer üblichen Tandemzelle und über einer Ge-Teilzelle anzuordnen, um die Stromaus­beute beziehungsweise die Effizienz zu erhöhen (Abschnitt "4. Discussion and conclusions"), würde der Fachmann daher in der in Figur 3 der D2 offenbarten Mehrfachsolarzelle die Position unter der GaInAs-Teilzelle und über der Ge-Teilzelle wählen. Auf diese Weise würde er die Merkmale (b), (d) und (h) in die in Figur 3 der D2 gezeigten Mehrfachsolarzelle integrieren.

Die Einbauposition zwischen der GaInAs- und der Ge-Teilzelle der in Figur 3 der D2 gezeigten Mehrfachsolarzelle entspricht dabei der in Anspruch 1 definierten Einbauposition. Daher würde der Fachmann dann durch die Anpassung der Reflektions- und Transmissions­eigenschaften des Bragg-Reflektors an diese Einbauposition automa­tisch zu den Merkmalen (c), (e), (f) und (g) gelangen. Die Kammer stellt fest, dass die Patentinhaberin auch nicht vorgebracht hat, dass die in den Merkmalen (c), (e), (f) und (g) des Anspruchs 1 genannten Wer­tebereiche eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.

Dabei ist die Kammer der Ansicht, dass die Integration eines Bragg-Reflektors mit gegebenenfalls etwa 30 Schichten mit den gewünschten Reflektions- und Transmissioneigenschaften in eine Mehrfachsolarzelle aus III-V-Halbleitern wie im Streitpatent oder der in Figur 3 der D2 gezeigten Mehrfachsolarzelle mittels MOVPE durchaus einige Vorarbeiten erfordern würde, um trotz der erforderlichen großen Durchmesser Schichten in guter kristalliner Qualität herzustellen, insbeson­dere da die Herstellung von III-V-Halbleiterschichten mittels MOVPE einer der aufwändigsten und am Schwierigsten handzuhabenden Prozesse zur Herstellung dünner Schichten ist, in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Patentinhaberin.

Solche Vorarbeiten würden zum Beispiel einschließen, im Detail geeignete Dicken und Materialkombinationen für die zusätzlichen Schichten des BR herauszufinden, so dass die gewünschten Reflektions- Transmissions- und Absorptionseigenschaften erreicht werden, und die Parameter der MOVPE so einzustellen, dass die erforderliche kristalline Qualität der großflächigen Schichten erreicht wird.

Bragg-Reflektoren, auch solche aus III-V-Halbleiter­schichten wie in D3 (siehe den die Seiten 108 und 109 verbindenden Absatz), waren jedoch auch in Verbindung mit Solarzellen bereits seit langem grundsätzlich bekannt, wie vom Einsprechenden unter Verweis auf D9 und D10 vorgebracht. Das Streitpatent enthält darüber hinaus keine Informationen, die darauf hindeuten würden, dass zum Aufwachsen der für die beanspruchten Halbleiter­spiegel notwendigen Schichten irgendwelche besonderen Schwierigkeiten überwunden werden müssten, wie ebenfalls vom Einsprechenden vorgebracht. Beispielsweise geht das Streitpatent nicht darauf ein, was zu tun sei, um trotz der bei Solarzellen üblichen großen Durchmesser die III-V-Halbleiterschichten in guter kristalliner Qualität aufwachsen zu lassen.

Im Lichte der Offenbarung des Streitpatents kann die Kammer daher entgegen der Ansicht der Patentinhaberin nicht erkennen, dass mögliche Schwierigkeiten bei der Herstellung der für einen Bragg-Reflektor notwendigen Schichten den Fachmann von der Integration eines Bragg-Reflektors in eine Mehrfachsolarzelle abhalten oder gar die Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit erfordern würden, in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Einsprechenden.

Statt eine Anleitung zu geben, wie eventuelle Schwierigkeiten bei einer solchen Integration überwunden werden könnten, beschränkt sich das Streitpatent im Wesentlichen auf die Idee, einen Halbleiterspiegel unter der GaInAs-Schicht anzuordnen, um einerseits die optische Weglänge in der GaInAs-Schicht zu verlängern und andererseits ausreichend Licht durchzulassen, um eine unter dem Halbleiter­spiegel befindliche Ge-Teilzelle sinnvoll betreiben zu können.

Die Idee, zur Erzielung dieser Vorteile einen Halb­leiterspiegel zwischen zwei Teilzellen einer Mehrfach-Solarzelle entsprechend anzuordnen war aber aus der D4 sogar ausdrücklich in Verbindung mit einer Ge-Teilzelle bereits bekannt (Abschnitt "4. Discussion and conclusions", zweiter Absatz), wie vom Einsprechenden vorgebracht, auch wenn dieses Dokument kein entsprechendes, konkretes Ausführungs­beispiel offenbart, wie von der Patentinhaberin vorgebracht.

Aus diesen Gründen würde der Fachmann, ausgehend von der in Figur 3 der D2 gezeigten Mehrfachsolarzelle unter Berücksichtigung der D3 und der D4 ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Dieser ist daher im Sinne des Artikels 56 EPÜ nicht erfinderisch.

5. Schlußfolgerung

Die Kammer kann keinen schwerwiegenden Verfahrensfehler erkennen, der eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung oder eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfordern würde.

Der einzige vorliegende unabhängige Anspruch erfüllt die Anforderungen des Artikels 56 EPÜ nicht.

Die Beschwerde kann daher keinen Erfolg haben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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