T 2799/17 () of 28.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T279917.20201028
Datum der Entscheidung: 28 October 2020
Aktenzeichen: T 2799/17
Anmeldenummer: 10012416.3
IPC-Klasse: E05D15/24
E06B9/17
E06B7/23
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Tor
Name des Anmelders: Hörmann KG Brockhagen
Name des Einsprechenden: Alpha Deuren International BV
Novoferm GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 23. Oktober 2017 zur Post gegebenen Entscheidung wurde der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2295700 zurückgewiesen.

II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Am 28. Oktober 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Verfahrensbeteiligte (Einsprechende 2) hatte mit Schreiben vom 9. April 2020 mitgeteilt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Gemäß Regel 115(2) und Artikel 15(3) VOBK wurde das Verfahren in ihrer Abwesenheit fortgesetzt.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2295700.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Folgende Entgegenhaltungen waren für die vorliegende Entscheidung relevant:

Vorbenutzung HÜVE:

E2a: Anlagenkonvolut Metallbau Kremer über eine offenkundige Vorbenutzung durch die Firma Kaldunski + Löhr GmbH, Hafenstrasse 13, 4650 Gelsenkirchen, über die Firma Metallbau Kremer, bei der Getränke Hüve KG, Nordring 40-46, 4650 Gelsenkirchen-Buer.

E2b: Fotodokumentation (1) Firma Getränke Hüve KG: Fotodokumentation 1 des bei der Firma Getränke Hüve KG installierten Tores, die sich heute unter gleicher Adresse "Getränke Possemeyer" nennt.

E2c: Fotodokumentation (2) Firma Getränke Hüve KG: Fotodokumentation 2 des bei der Firma Getränke Hüve KG installierten Tores, die sich heute unter gleicher Adresse "Getränke Possemeyer" nennt.

E2d: Fotodokumentation (3) Firma Getränke Hüve KG: Fotodokumentation 3 des bei der Firma Getränke Hüve KG installierten Tores, die sich heute unter gleicher Adresse "Getränke Possemeyer" nennt.

E2e: Eidesstattliche Versicherung von Herrn Manfred Löhr über Einzelheiten zur Erörterung des Torumbaus

E2f: Angebotsunterlage über eine Toränderung

E2g: Angebot Änderungen

E2h: Schreiben vom 25. Februar 1993 an Herrn Wierzbitzki, von der beauftragten Firma Kremer, mit der Bitte um einen Besuch

E2i: Bestätigung über die Inbetriebnahme des Tores vom 26. März 1993

E2j: Schreiben von Herrn Ulrich Thiem, Metallbau Kremer

E2k: Übersetzung der Ausdrücke

E2l: Wartungsvertrag

Vorbenutzung WRANGEL

E3a: Anlagenkonvolut Wrangel: Anlagenkonvolut über eine offenkundige Vorbenutzung durch den Auftraggeber Wrangel, Steinbrink Strasse 118, 44319 Dortmund, über ein Sektionaltor, das in der Schwanenstrasse, heute Beginenhof 6, 44135 Dortmund, durch die Firma Kaldunski & Löhr GmbH gefertigt und geliefert wurde.

E3b: Fotodokumentation Firma Kaldunski+Löhr GmbH: eine Fotodokumentation über das entsprechende, durch die Firma Kaldunski + Löhr GmbH gelieferte Sektionaltor

Vorbenutzung SIEBAU:

E35a: Anlagenkonvolut SIEBAU über eine offenkundige Vorbenutzung durch die Bauschlosserei Gerhard Fischer, Wiesenstraße 43, 65779 Kelkheim-Ruppertshain bei dem Kunden Detlef Roth, Birnheck 14, 65779 Kelkheim

E35b: Fotodokumentation eines Tores

E35c: Rechnung der Novoferm Siebau GmbH an die Bauschlosserei Fischer vom 23.01.2004 sowie Rechnung der Bauschlosserei Fischer an den Kunden Detlef Roth vom 29.01.2004.

E35d: Aufstellung der bis zum Prioritätstag der Streitpatents von SIEBAU ausgelieferten Tore "ISO 45" an verschiedene Kunden.

Weitere Dokumente

E6: US 2,017,012 A1;

E12: JP2000/197713;

E12a: Übersetzung

ZA: Protokoll der Zeugenaussagen, Annex der Entscheidung im Einspruchsverfahren zu EP-B-2 103 771

VI. Anspruch 1 des erteilten Patents hat folgenden Wortlaut:

"Tor mit einem zwischen einer Schließstellung und einer Öffnungsstellung bewegbaren und eine Mehrzahl von bzgl. parallel zueinander verlaufenden Kippachsen (20) gegeneinander verkippbaren Torblattelementen (12, 14) aufweisenden Torblatt (10), einer in dem Torblatt integrierten Tür mit einem um eine etwa senkrecht zu den Kippachsen verlaufende Schwenkachse bzgl. in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen (12, 14) verschwenkbaren, in seiner Schließstellung in einer Ausnehmung des Torblattes (10) aufgenommenen und in der Schließstellung vorzugsweise etwa in der Torblattebene angeordneten Türblatt (100) und einer einer Verformung des Torblattes entgegenwirkenden Stabilisierungsanordnung (50),

(M5) wobei die Stabilisierungsanordnung ein in der Schließstellung des Torblattes (10) vorzugsweise auf dem Boden der mit dem Torblatt verschlossenen Öffnung aufliegendes, den unteren Rand der Ausnehmung bildendes und vorzugsweise an den der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelementen (12, 14) befestigtes Schwellenelement (50) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

(M6) dessen Höhe in Richtung der Schwenkachse zumindest im Bereich seiner vorzugsweise etwa parallel zu den Kippachsen (20) verlaufenden Ränder weniger als 20 mm, vorzugsweise weniger als 10 mm, besonders bevorzugt weniger als 8 mm, insbesondere 5 mm oder weniger beträgt,

(M7.1) wobei das Schwellenelement (50) an in der Schließstellung unteren Rändern der der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen (20) benachbarten Torblattelemente (12, 14) befestigt ist

(M7.2) durch ein einerseits am unteren Rand eines der Torblattelemente und andererseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelementes befestigtes Befestigungselement (40),

(M8) wobei die Breite des Schwellenelementes in einer senkrecht zur Torblattebene verlaufenden Richtung größer ist als die Torblattdicke

(M9) und das Befestigungselement (40) einen ausgehend von der Torblattaußenseite in der Schließstellung schräg nach unten in Richtung auf einen außenseitigen Rand des Schwellenelementes abfallenden oberen Begrenzungsflächenabschnitt (46) und/oder einen von der Torblattinnenseite in der Schließstellung schräg nach unten in Richtung auf einen innenseitigen Rand des Schwellenelementes abfallenden oberen Begrenzungsflächenabschnitt (48) aufweist,

(M10) wobei mindestens einer der oberen Begrenzungsflächenabschnitte (46, 48) in der Schließstellung einen Winkel von 10° oder mehr, vorzugsweise 15° oder mehr, besonders bevorzugt 20° oder mehr mit der Horizontalebene einschließt."

Die Merkmalsbezeichnungen wurden von der Kammer eingefügt. Sie entsprechen der von den Parteien verwendeten Merkmalsgliederung, siehe auch Anlage BG1 der Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 8. Mai 2018.

VII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Interpretation der Merkmale M7.1 und M7.2

Die Definition von Schwellenelement und Befestigungselement in den Merkmalen M7.1 und M7.2 schließe eine einstückige Ausführung nicht aus. Wie aus Paragraph [0021] der Patentschrift zu entnehmen, komme zur Verbindung der beiden Elemente eine stoffschlüssige Befestigung, wie etwa eine Verklebung, ebenso wie eine formschlüssige Befestigung, wie etwa eine Verschraubung, oder eine Kombination aus beiden Befestigungsarten, ggf. unter zusätzlicher Stabilisierung durch eine kraftschlüssige Befestigung zum Einsatz. Die beiden Elemente bildeten somit eine unlösbare Einheit, welche technisch und funktionell identisch zu einer einstückigen Ausbildung sei. Die Patentschrift verweise zudem hinsichtlich der Herstellung explizit auf eine Großserienproduktion, für die eine Fertigung aus einem Stück gerade besonders zweckmäßig sei, so dass der Fachmann in der Offenbarung eine einstückige Ausführung der beiden Elemente mitlese. Dabei entnehme der Fachmann dem Merkmal M5 auch, dass ein Schwellenelement im Sinne des Anspruchs nur so breit sei, wie die lichte Weite der integrierten Tür. Demgemäß müsse die in Merkmal M7.2 gewählte Formulierung "an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelementes befestigt" im Sinn von "befestigt im Bereich von" verstanden werden, so dass darunter auch eine seitliche Befestigung des Schwellenelements am Befestigungselement, oder eben eine einstückige Ausführung zu verstehen sei. Das Befestigungselement erfülle dann die Aufgabe eines Interfaces zum unteren Torblattelement, so wie z.B. bei der Vorbenutzung Siebau offenbart.

Die Merkmale M7.1 und M7.2 schlössen daher eine einstückige, materialeinheitliche Ausführung von Befestigungs- und Schwellenelement nicht aus.

Vorbenutzung Siebau - Zulassung in das Verfahren

Da nach Ansicht der Kammer eine einstückige Ausführung von Befestigungs- und Schwellenelement vom Anspruchswortlaut nicht umfasst sei, wolle die Beschwerdeführerin zur Frage der Zulassung der Vorbenutzung Siebau und der Korrektheit der Entscheidung der Einspruchsabteilung diese Vorbenutzung nicht in das Einspruchsverfahren zuzulassen, keine Ausführungen machen.

Neuheit - Vorbenutzung Hüve

Die Zeichnung des geplanten Umbaus (s. E2a, Seite 3) zeige einen Änderungsvorschlag, mit dem in einem Sektionaltor gemäß Oberbegriff das Schwellenelement im Bereich der Schlupftür möglichst niedrig ausgebildet werden solle.

Zu erkennen sei (von oben nach unten) ein Torblattelement ("Thermofeld"), mit einem, an seinem unteren Rand befestigten Befestigungselement ("Untenholm") und einem Schwellenelement ("VA-Flach"). Das Schwellenelement weise im Bereich seiner etwa parallel zu den Kippachse verlaufenden Ränder eine Höhe von weniger als 20mm (M6) auf, wobei die Breite in einer senkrecht zur Torblattdicke verlaufenden Richtung größer sei als die Torblattdicke (M8). Das Befestigungselement ("Untenholm") sei einerseits am unteren Rand eines der Torblattelemente und andererseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelementes befestigt, so dass auch die Merkmale M7.1 und M 7.2 realisiert seien. Zudem bildeten die angeschrägt gezeichneten oberen Abschlussflächen der oberen Stirnseite des Befestigungselements ("Untenholm") jeweils eine mit mehr als 10° gegen die Horizontalebene geneigte obere Begrenzungsfläche, welche schräg nach unten in Richtung auf einen innenseitigen bzw. außenseitigen Rand des Begrenzungselementes abfalle (Merkmale M9 und M10). Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Anspruch keine Mindestbreite für die schräg abfallenden oberen Begrenzungsflächenabschnitte angebe, das Merkmal somit die in der Beschreibung in Paragraph [0022], Zeilen 39-47 genannte Funktion, ein "mit-nach-oben-Ziehen" einer Person zu verhindern, gar nicht über die gesamte Anspruchsbreite aufweise. Im Übrigen könne bei bestimmten Schuhen - z.B. Kletterschuhen - eine Person auch auf einer kleinen Fläche Halt finden, was durch die schräge Fläche an der oberen Stirnseite des Befestigungselements "Untenholm" wirksam verhindert werde.

Der geplante Umbau "Hüve" offenbare somit alle Merkmale von Oberbegriff und Kennzeichen.

Gleiches gelte für die Offenbarung des tatsächlichen Umbaus. In den Skizzen auf Seiten 85d-85f der Zeugenaussagen (ZA) sei die Abschrägung am oberen Rand zwar nicht deutlich eingezeichnet, diese müsse aber der Lehre der oben diskutierten Zeichnung (E2a, Seite 3) folgend ebenfalls vorhanden sein, so dass auch der tatsächlich ausgeführte Umbau "Hüve" als neuheitsschädlich angesehen werden müsse.

Erfinderische Tätigkeit

Der Anspruchsgegenstand sei sowohl ausgehend von der Vorbenutzung Wrangel, als auch ausgehend von E6 (vgl. das schriftliche Vorbringen) nicht erfinderisch.

Dabei könne zum einen den Merkmalen M9 und M10 keine Funktion über die gesamte Breite des Anspruchs zugebilligt werden. Da im Anspruch weder die Funktion, noch eine Mindestgröße für die jeweiligen schräg abfallenden oberen Begrenzungsflächenabschnitte genannt werde, sei dieses Merkmal über weite Teile des Anspruchs ohne technischen Effekt und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Im Übrigen ergäben sich die Merkmale M9 und M10 auch in naheliegender Weise aus der Offenbarung E12. Das Dokument offenbare ein Shuttertor, bei dem ebenfalls die Stabilität im Bereich der Schwelle der dort vorgesehenen Fluchttüre eine Rolle spiele. Der Fachmann würde die in E12 offenbarte Schwellenkonstruktion in das Tor gemäß Vorbenutzung Wrangel oder gemäß E6 integrieren, um so ein Tor mit einer im Sinne einer Fluchttüre niedrigen, jedoch trotzdem stabilen Schwelle bei gleichzeitig einfacher Konstruktion zu schaffen. Gemäß E12 sei, vgl. Figur 5a, ein Schwellenelement vorgesehen, nämlich das an die mit 8 bezeichnete Struktur unten angeschraubte, durchgehende Element. Das obere Teil der Struktur sei als Befestigungselement im Sinne des Anspruchs zu verstehen, welches mit seinen nach oben ragenden Teilen das Torblattelement 4 einfasse, und somit einerseits am unteren Rand eines der Torblattelemente und andererseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelementes befestigt sei. Dieses Befestigungselement weise im Bereich der Verschraubung nach schräg unten abfallende Begrenzungsflächenabschnitte gemäß der Merkmale M9 und M10 auf.

Der Fachmann gelangte somit unter Berücksichtigung der Lehre der E12 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1, der daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VIII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Interpretation der Merkmale M7.1 und M7.2

Die Interpretation der Beschwerdeführerin, wonach Befestigungselement und Schwellenelement gemäß der Merkmale M7.1 und M7.2 auch einstückig ausgeführt sein könnten, widerspreche dem Wortlaut und Wortsinn von Merkmal 7. Gemäß Merkmal 5 bilde das Schwellenelement den unteren Rand der der Tür entsprechenden Ausnehmung des Torblatts. Es sei jedoch in seiner Ausdehnung keineswegs auf die lichte Weite der Tür beschränkt, sondern rage seitlich zumindest teilweise über diese hinaus. An diesen Stellen sei anspruchsgemäß an der oberen Begrenzungsfläche das Befestigungselement befestigt. Eine derartige obere Begrenzungsfläche gebe es bei einer einstückigen Ausführung von Befestigungs- und Schwellenelement gar nicht. Das Befestigungselement sei zudem am unteren Rand eines der Torblattelemente befestigt, Merkmal 7.2, so dass letztlich das Schwellenelement an in der Schließstellung unteren Rändern der der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelemente befestigt sei, Merkmal 7.1. Das Befestigungselement befinde sich zwischen Schwellenelement und Torblattelement, und es handle sich bei Befestigungselement und Schwellenelement zwingend um zwei getrennte, voneinander unterscheidbare Elemente. Eine einstückige Ausführung werde daher vom Anspruchswortlaut nicht umfasst.

Vorbenutzung Siebau - Zulassung in das Verfahren

Die Vorbenutzung Siebau zeige allenfalls eine einstückige Ausführung von Befestigungs- und Schwellenelement, die vom Anspruchswortlaut nicht umfasst sei. Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen daher korrekt ausgeübt, und die Vorbenutzung Siebau solle nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden.

Neuheit - Vorbenutzung Hüve

Die in der Skizze E2, Seite 3 gezeigte angeschrägte Kante der oberen Stirnseite des "Untenholms" könne nicht als oberer Begrenzungsflächenabschnitt im Sinne des Patentes angesehen werden. Gemäß Paragraph [0022], Zeilen 39-47 werde erfindungsgemäß durch den schrägen Begrenzungsflächenabschnitt erreicht, dass ein auf diesen Abschnitt auftretender Fuß von diesem abrutsche und so keinen sicheren Stand darauf finde, so dass eine auf dem Befestigungselement oder dem Schwellenelement stehende Person bei einer Torblatt-Öffnungsbewegung nicht mit nach oben gezogen werde. Diese Funktion könne die in der Skizze gezeigte Fase am Blech des Untenholms nicht erfüllen. Im Übrigen müsse der Begrenzungsflächenabschnitt anspruchsgemäß schräg nach unten in Richtung auf einen außen- bzw. innenseitigen Rand des Schwellenelements abfallen. Ein derartiger Bezug der abfallenden Fläche zu den Rändern des Schwellenelements sei in der Skizze überhaupt nicht zu erkennen.

Bezüglich des tatsächlichen Umbaus gestehe sogar die Beschwerdeführerin zu, dass eine derartige Abschrägung in den Zeichnungen der Zeugenaussagen (ZA) nicht offenbart sei. Ein Rückgriff auf die Skizze des geplanten Umbaus scheitere schon daran, dass auch dort - wie bereits ausgeführt - keine obere Begrenzungsfläche im Sinne der Merkmale M9 und M10 offenbart sei.

Der Anspruch 1 sei daher neu gegenüber der Vorbenutzung Hüve.

Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich sowohl von der Vorbenutzung Wrangel, als auch von der E6 zumindest in den Merkmalen M9 und M10.

Diese hätten wie in der Beschreibung, Paragraph [0022], Zeilen 39-47 offenbart, einen eindeutigen technischen Effekt, und seien daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen. Dies treffe auch für eine relativ kleine solche obere Begrenzungsfläche zu.

Das Fachwissen allein könne dem Fachmann ausgehend von der Vorbenutzung Wrangel keinen Hinweis darauf geben, die oberen Begrenzungsflächen in der in den Merkmalen M9 und M10 definierten Art und Weise auszubilden.

Auch die Entgegenhaltung E12 offenbare nicht die beanspruchte Kombination aus Schwellen- und Befestigungselement. Gemäß Merkmal M5 bilde das Schwellenelement den unteren Rand der Ausnehmung für die im Tor vorgesehene Türe. Aus Abbildung 5b der E12 - ein Schnitt im Bereich der Tür - gehe hervor, dass der Unterrand der Ausnehmung für die Türe dort durch das obere Teil der mit No. 8 bezeichneten Struktur gebildet werde. Nur dieses obere Teil, oder die Kombination der beiden zusammengeschraubten Teile der Struktur No. 8 könne somit als Schwellenelement angesehen werden. Der unten angeschraubte Teil der Struktur 8 allein bilde nicht den Unterrand der Ausnehmung und sei daher für sich allein kein Schwellenelement im Sinnes des Anspruchs. Es fehle somit an einem Befestigungselement im Sinne des Anspruchs. Die nach oben ragenden, die Unterseite des Torelements No. 4 einfassenden Strukturen No. 7 dienten zwar der Befestigung am Tor, sie seien aber zum einen einstückig mit dem Schwellenelement, und zum anderen ohne eine schräge obere Begrenzungsfläche ausgebildet. Schräge obere Begrenzungsflächen gebe es zwar, jedoch an der als Schwellenelement anzusehenden Struktur No. 8, wobei diese Begrenzungsflächen zudem nicht von der Torblattinnenseite/ Torblattaußenseite aus abfallend ausgebildet seien, sondern lediglich ausgehend von der Torblattinnenseite / Torblattaußenseite angrenzenden horizontalen Abschnitten.

Der Fachmann gelangte somit, selbst wenn er auf den Gedanken käme, die Lehre der E12 bezüglich der Ausbildung der Türschwelle in den Toren der Vorbenutzung Wrangel oder der Entgegenhaltung E6 zu implementieren, nicht zum beanspruchten Gegenstand.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Interpretation der Merkmale M7.1 und M7.2

Die Merkmale M7.1 und M7.2 lauten wie folgt (Hervorhebung durch die Kammer):

"...

(M7.1) wobei das Schwellenelement (50) an in der Schließstellung unteren Rändern der der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen (20) benachbarten Torblattelemente (12, 14) befestigt ist

(M7.2) durch ein einerseits am unteren Rand eines der Torblattelemente und andererseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelementes befestigtes Befestigungselement (40),

..."

Es gibt also anspruchsgemäß drei Elemente, die aneinander befestigt sind, nämlich das jeweilige benachbarte Torblattelement, das jeweilige Befestigungselement und das Schwellenelement. Diese drei Elemente, und insbesondere das Befestigungselement und das Schwellenelement, können nicht einstückig sein, da sie dann nicht aneinander befestigt, sondern eben einstückig ausgebildet wären. Diese Auslegung steht in Einklang mit der Beschreibung, Paragraph [0021], in der von einer Befestigung wie etwa durch Verkleben (stoffschlüssig) oder Verschrauben (formschlüssig) oder beidem die Rede ist. In jedem Fall ist am Objekt eindeutig erkennbar, ob es eine solche Befestigung zwischen den beiden Bauteilen gibt (i.e. eine Klebestelle oder eine Schraube) oder ob das Objekt einstückig ausgebildet ist. Auf eine mögliche Einstückigkeit gibt dagegen weder die Beschreibung noch der Anspruchswortlaut irgendeinen Hinweis. Daran ändert auch das Argument nichts, wonach aneinander befestigte Elemente, so wie auch ein einstückiges Bauteil, funktionell in manchen Aspekten als Einheit wirken mögen.

Die Definition der Merkmale M7.1 und M7.2 umfasst daher keine materialeinheitliche, einstückige Ausführung von Schwellenelement und Befestigungselement.

2. Vorbenutzung Siebau - Zulassung in das Verfahren

Die Einspruchsabteilung hatte die Vorbenutzung Siebau u.a. wegen fehlender prima facie Relevanz nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen (Entscheidung, Punkt 18.3). Diese Vorbenutzung zeige insbesondere nicht die Merkmale M7.1 und M7.2.

Unstreitig weist die Vorbenutzung Siebau nur ein einteiliges Element auf, das einerseits im Sinne des beanspruchten Befestigungselements am unteren Torblattelement befestigt ist und andererseits im Sinnes des beanspruchten Schwellenelements den unteren Rand der Ausnehmung für die integrierte Tür bildet. Gemäß der oben diskutierten Anspruchsauslegung (s. obigen Punkt 1) sind somit die Merkmale M7.1 und M7.2, wie von der Einspruchsabteilung bereits festgestellt, nicht verwirklicht. Die Vorbenutzung wurde somit unter korrekter Anwendung üblicher Kriterien (prima facie Relevanz) nicht in das Verfahren zugelassen.

In einer solchen Situation ist es gemäß G7/93 (Punkt 2.6 der Entscheidungsgründe) nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die Sachlage nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Ein erstinstanzliches Organ, das nach dem EPÜ unter bestimmten Umständen Ermessensentscheidungen zu treffen hat, muss vielmehr bei der Ausübung dieses Ermessens einen gewissen Freiraum haben, in den die Beschwerdekammern nicht eingreifen. Ihre Überprüfung beschränkt sich daher darauf, ob die erste Instanz ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat.

Da dies hier nicht der Fall ist, wird die Vorbenutzung Siebau nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.

3. Neuheit - Vorbenutzung Hüve

3.1 Die Einspruchsabteilung hatte die Vorbenutzung Hüve als nicht ausreichend bewiesen angesehen und die zusätzlich eingereichten Hilfsanträge, die angebotenen Zeugen zu laden und die mündliche Verhandlung zu verschieben, nicht zugelassen.

3.2 Wie in den Mitteilungen der Kammer vom 11. Dezember 2019, Punkt 4.3 und vom 3. Februar 2020, Punkt 2 angekündigt, wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zunächst unter der Annahme einer Bewiesenheit der Vorbenutzung geprüft, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 als neu gegenüber der hypothetisch als erwiesen angenommenen Vorbenutzung anzusehen wäre. Da dies nicht der Fall ist (s.u.) kann dahingestellt bleiben, ob die Vorbenutzung Hüve bewiesen ist oder nicht.

3.3 Die Vorbenutzung Hüve teilt sich in zwei von der Beschwerdeführerin als eigenständig angesehen Vorbenutzungen auf. Eine erste Vorbenutzung wird anhand der unten wiedergegebenen Zeichnung des geplanten Umbaus eines Sektionaltores gesehen.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Zeichnung E2a, Seite 3: eine der schrägen oberen Stirnseiten des Untenholms wurde von der Kammer mit einem Kreis markiert; außerdem wurde die ungefähre Orientierung der schrägen oberen Stirnseiten durch gestrichelte Linien veranschaulicht

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin stellt der "Untenholm" ein Befestigungselement dar, das einerseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelements ("VA-Flach") befestigt, und andererseits an in der Schließstellung unteren Rändern der der Ausnehmung in Richtung der Kippachsen benachbarten Torblattelemente befestigt ist. Zudem seien die angeschrägten oberen Stirnflächen des Untenholms (eine ist in der Zeichnung von der Kammer mit einem Kreis markiert worden) als schräg nach unten in Richtung auf einen innenseitigen bzw. außenseitigen Rand des Schwellenelements abfallende Begrenzungsflächenabschnitte anzusehen, so dass auch die Merkmale M9 und M10 verwirklicht seien.

Dieser Ansicht kann sich die Kammer jedoch nicht anschließen. Zwar könnte man die an den oberen Stirnseiten des Untenholms angebrachten Fasen als schräg nach unten abfallende Begrenzungsflächenabschnitte ansehen. Sie fallen jedoch nicht "in Richtung auf einen innenseitigen / außenseitigen Rand des Schwellenelements" ab. Eine Ausrichtung auf die Ränder des Schwellenelements (Merkmal 9) ist weder auf der Innen- noch auf der Außenseite erkennbar. Die Zeichnung des geplanten Umbaus Hüve offenbart somit nicht alle Merkmale des Anspruchs.

Gleiches gilt für den tatsächlich durchgeführten Umbau (E2a, Seite 6 und ZA, Seiten 85d-85f). Wie von der Beschwerdeführerin selbst argumentiert, sind die schräg nach unten abfallenden Begrenzungsflächen dort nicht explizit offenbart, ergäben sich aber in Zusammenschau mit der den geplanten Umbau wiedergebenden Zeichnung auf Seite 3 (s.o.). Nachdem jedoch diese Zeichnung die Merkmale 9 und 10 nicht offenbart, kann sie auch im Rückgriff nicht derartige schräge Begrenzungsflächenabschnitte am tatsächlich durchgeführten Umbau "Hüve" offenbaren. Auch Hüve - "tatsächlicher Umbau" - zeigt somit nicht alle Merkmale des Anspruchs 1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Vorbenutzung Wrangel + allgemeines Fachwissen

Es ist unstreitig, dass die Vorbenutzung Wrangel (E3a, Seite 3) die Merkmale M9 und M10 nicht offenbart. Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, dass der Anspruch keinerlei Einschränkung auf eine bestimmte Größe der schrägen oberen Begrenzungsflächenabschnitte oder auf die in Paragraph [0022], Zeilen 39-47 genannte Funktion der Fläche enthalte, ein mit-nach-oben-ziehen einer auf dem Befestigungselement oder dem Schwellenelement stehenden Person zu verhindern. Die Fläche könne somit beliebig klein sein und habe über einen Großteil der Breite des Anspruchs gar keinen Effekt. Die Merkmale M9 und M10 seien somit bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Allerdings hat die Beschwerdeführerin bei der Diskussion zur Neuheit über die Entgegenhaltung Hüve selbst argumentiert, dass auch ein kleiner schräger oberer Begrenzungsabschnitt, nämlich die an der oberen Stirnseite des Untenholms angebrachte Fase, bei entsprechenden Konstellationen (genannt wurde hier ein Kletterschuh) das Mit-nach-oben-Ziehen einer Person verhindern könne.

Tatsächlich kann eine kleine Fläche wie eine Fase - auch gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin - den in Paragraph [0022] genannten Effekt haben. Im Übrigen entspricht eine verschwindend kleine Ausgestaltung der beanspruchten schrägen Begrenzungsflächenabschnitte nicht dem fachmännischen Verständnis des Anspruchs.

Die Merkmale M9 und M10 können somit bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht vernachlässigt werden.

Die Argumentation der Beschwerdeführerin ausgehend von Wrangel in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen führt daher schon aus diesem Grund nicht zu einem unter den Anspruch fallenden Gegenstand.

4.2 Vorbenutzung Wrangel + E12

In einer weiteren Angriffslinie hat die Beschwerdeführerin argumentiert, dass sich die Merkmale M9 und M10 in naheliegender Weise bei Berücksichtigung der Entgegenhaltung E12 ergäben.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Figur 5a und b der E12 mit Hervorhebung des unteren (punktiert) bzw. oberen Teils (strichliert) der Struktur 8 durch die Kammer.

So sei der obere Teil der Struktur 8 als Befestigungselement anzusehen, der untere - mit Schrauben daran befestigte Teil - als Schwellenelement. Wie im Anspruch definiert sei dieses Befestigungselement einerseits am unteren Rand eines Torblattelements und andererseits an einer oberen Begrenzungsfläche des Schwellenelements befestigt (vgl. Figur 5a, oben links wiedergegeben).

Allerdings muss das Schwellenelement gemäß Anspruchsmerkmal M5 den unteren Rand der Ausnehmung für die Tür bilden. Dies ist für das untere, mit dem oberen Teil der Struktur 8 durch Schrauben verbundene Teil, nicht der Fall, wie man in Figur 5b (rechts wiedergegeben) erkennt. Im Bereich der Tür (die hier ein untenseitiges Abschlussblech 90 aufweist) sind beide Teile der Struktur 8 vorhanden. Etwas, das gemäß Anspruch als Schwellenelement angesehen werden kann, muss also den oberen Teil der Struktur 8 beinhalten, da nur dieser den unteren Rand der Ausnehmung bildet. Man kann somit als Schwellenelement die Struktur 8 insgesamt (mit ihren oberen und unteren durch Schrauben verbundenen Teilen) ansehen, oder den oberen Teil der Struktur allein. Das obere Teil der Struktur 8 kann dann jedoch nicht zugleich auch als Befestigungselement angesehen werden. Somit sind die schräg nach unten abfallenden Begrenzungsflächen am Teil 8 gemäß E12 obere Begrenzungsflächen des Schwellenelements und nicht, wie beansprucht, des Befestigungselements.

Daher führt selbst eine Übertragung der Lehre der E12 in das aus der Vorbenutzung Wrangel bekannte Tor nicht zu einem unter den Anspruchswortlaut fallenden Gegenstand.

4.3 E6 + E12

Da E12 kein Befestigungselement mit schräg nach unten abfallenden oberen Begrenzungsflächen offenbart, kann die Übertragung der Lehre der E12 auch bei dem aus E6 bekannten Tor nicht zum Anspruchsgegenstand führen.

4.4 Somit kann keine der vorgetragenen Angriffslinien die erfinderische Tätigkeit des erteilten Anspruchs 1 in Frage stellen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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