T 2796/17 (Adsorptionsmittelgranulat/Chemiewerk Bad Köstritz GmbH) of 12.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T279617.20200312
Datum der Entscheidung: 12 März 2020
Aktenzeichen: T 2796/17
Anmeldenummer: 09717626.7
IPC-Klasse: B01J20/18
B01D53/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ADSORPTIONSMITTELGRANULAT UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
Name des Anmelders: Chemiewerk Bad Köstritz GmbH
Name des Einsprechenden: ARKEMA France
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13 (2007)
RPBA2020 Art 013 (2020)
RPBA2020 Art 012(3) (2020)
RPBA2020 Art 025 (2020)
Schlagwörter: Erst mit der Beschwerdeerwiderung eingereichter 1. Hilfsantrag - zugelassen (ja)
Verspätetes Vorbringen (erstmals während der mündlichen Verhandlung geltend gemacht) zugelassen (nein)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - kein zulässiger Einwand erhoben
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1213/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (im Folgenden: Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 249 961 gemäß Artikel 101 (2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung setzte sich die Beschwerdeführerin mit den tragenden Gründen der Entscheidung auseinander, insbesondere mit den Ausführungen zur offenkundigen Vorbenutzung zur Stützung des Antrags auf Widerruf des Patents nach Artikel 100(a) EPÜ. Dafür legte sie, zusätzlich zu den während des Einspruchsverfahrens eingereichten Beweismitteln O9 bis O14, drei weitere Beweismittel O15 bis O17 vor. Darüber hinaus beantragte sie die Erstattung der Beschwerdegebühr wegen eines schwerwiegenden Fehlers in der Entscheidung.

III. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 16. Juli 2018 beantragte die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) als Hauptantrag die Aufrechterhaltung des erteilten Patents und hilfsweise die Aufrechterhaltung in geänderter Fassung auf Grundlage des mit der Erwiderung vorgelegten 1. oder 2. Hilfsantrags.

IV. Die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 9 und 10 gemäß dem 1. Hilfsantrag haben jeweils folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber den entsprechenden erteilten Ansprüchen von der Kammer kenntlich gemacht):

"1. Adsorptionsmittelgranulat auf Basis von Zeolithen mit Faujasitstruktur und einem molaren SiO2/Al2O3-Verhältnis von größer als 2,1 bis maximal 2,5 und einem mittleren Transportporendurchmesser von > 300 nm, wobei die Transportporen Meso- und Makroporen umfassen und der Mesoporenanteil hierbei < 10 %, vorzugsweise < 5 %, bei solchen mechanischen Eigenschaften ist, die ein sicheres Handhaben des Granulats und eine ausreichende Weiterverarbeitbarkeit ermöglichen, wobei die am getrockneten Granulat mit einem Durchmesser im Bereich von 1,6 - 2,5 mm gemessene Druckfestigkeit >= 30 N/Kugel ist und wobei die statische Adsorptionskapazität mindestens 96% des Wertes für ein Zeolithpulver gleicher Struktur und Zusammensetzung beträgt und die röntgenographisch ermittelte Kristallinität des Zeolithanteils im Granulat bei > 85 % liegt."

"[deleted: 3]2. Verfahren zur Herstellung eines Adsorptionsmittelgranulats nach [deleted: einem der vorangegangenen Ansprüche] Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass

ein Zeolith vom Typ X mit einem molaren SiO2/Al2O3-Verhältnis von größer als 2,1 bis maximal 2,5 als trockenes Pulver, Filterkuchen oder Slurry im Gewichtsverhältnis von 1 : 1 bis 5 : 1 mit einem thermisch behandelten Kaolin mit einem mittleren Teilchendurchmesser im Bereich von < 10 mym, welcher <= 5 Ma.-% nichtkaolinitisches Material enthalten darf, gemischt wird, diese Mischung dann mit einer Mischung aus Natronlauge mit einer Natriumsilikatlösung vermengt, diese Mischung wiederum zu Granulat geformt wird, das Granulat einer Trocknung unterworfen und anschließend mit vollentsalztem Wasser gewässert sowie mit einer Natriumaluminat-Lösung bei Temperaturen im Bereich von 70 °C bis 90 °C über einen Zeitraum von bis 24 Stunden behandelt, dann das so behandelte Granulat von der Lösung getrennt, gewaschen, getrocknet und getempert wird."

"[deleted: 10]9. Adsorptionsmittel, bestehend oder enthaltend ein Adsorptionsmittelgranulat, hergestellt nach einem der Ansprüche [deleted: 3]2 bis [deleted: 9]8."

"[deleted: 11]10. Verwendung des Adsorptionsmittels nach Anspruch [deleted: 10]9 in Prozessen zur Sauerstoffanreicherung, Wasserstoffreinigung, Erdgasaufbereitung, Energiespeicherung."

V. In einer Stellungnahme in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung unter anderem wie folgt mit:

- es sei nicht ersichtlich, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen zur nicht Zulassung vom O9 bis O14 willkürlich oder nach Maßgabe falscher Ermessungskriterien ausgeübt habe; daher seien die in Zusammenhang mit O9 bis O14 stehenden, neu vorgelegten Beweismittel O16 bis O17 nicht zulässig;

- die ursprünglich eingereichten Einspruchsgründe unter Artikel 100 c) und b) EPÜ stehen der Aufrechterhaltung des Streitpatents nicht entgegen;

- das Granulat laut erteiltem Anspruch 1 sei gegenüber O2 (EP 1 356 862 A1) zwar neu, habe aber nahegelegen, so dass der Hauptantrag nicht gewährbar sei;

- das Patent könne gegebenenfalls auf Basis von Hilfsantrag 1 aufrechterhalten werden. Die Beschwerdeführerin habe sich hierzu nicht geäußert;

- der Hilfsantrag 2 stehe hingegen nicht im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 123(3) EPÜ; und

- da die Beschwerde nicht stattgegeben werde, bleibe der Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr erfolglos.

VI. Mit Schreiben vom 3. März 2020 legte die Beschwerdegegnerin einen neuen 2. Hilfsantrag vor.

VII. Mit Schreiben vom 5. März 2020 wendete die Beschwerdeführerin unter Anderem ein, dass die Hilfsanträge verspätet eingereicht worden seien, und aufgrund mangelnder Substantiierung nicht zuzulassen seien.

VIII. Während der mündlichen Verhandlung, die am 12. März stattfand, erklärte die Beschwerdegegnerin, dass sie den bisherigen Hauptantrag zurücknehme, so dass der bisherige 1. Hilfsantrag der neue Hauptantrag werde.

Die Beschwerdeführerin nahm ihren Antrag auf Erstattung der Beschwerdegebühr zurück.

Zudem teilte sie mit,

- dass der Einwand der unzulässigen Erweiterung nicht weiterverfolgt werde; sowie

- dass sie von der Stellungnahme der Kammer über die Nicht-Zulässigkeit von den in Zusammenhang mit der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung stehenden Beweismitteln O9 bis O14, O16 und O17 zur Kenntnis genommen und keine weitere Einwände habe;

und darüber hinaus erklärte,

- dass sie gegen den 1. Hilfsantrag lediglich Einwände unter Artikel 83 und 56 EPÜ geltend mache.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei weder ausreichend offenbart, zumal, wie aus O15 ersichtlich, das Ausgangsmaterial NaMSX-Pulver nicht bekannt gewesen sei, noch ausgehend von O2 erfinderisch, da er ausgehend von Beispiel 5 in O2 in Verbindung mit O3 (Absätze [0012], [0015] und [0021]) nahegelegt werde.

Dieser Einwand der erfinderischen Tätigkeit sei nicht neu oder verspätet, da bereits mit der Beschwerdebegründung die gesamte Entscheidung pauschal angegriffen worden und damit auch das Vorbringen der ersten Instanz Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei.

Die Beschwerdegegnerin rügte, dass der Angriff der Beschwerdegegnerin gegen die Zulassung der Hilfsanträge verspätet sei. Außerdem sei der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit neu und somit verspätet. Sie erklärte außerdem, dass das Ausgangsmaterial NaMSX-Pulver laut Beispiel 1 des Streitpatents zum Zeitpunkt der Anmeldung zugänglich gewesen sei.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung lauteten die endgültigen Anträge der Parteien wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte

die Aufrecherhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf der Basis der Patentansprüche gemäß dem vormaligen 1. Hilfsantrag (neuer Hauptantrag), eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 16. Juli 2018, oder gemäß dem vormaligen 2. Hilfsantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 3. März 2020.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung des neuen Hauptantrags (vormalig: 1. Hilfsantrag) in das Beschwerdeverfahren

1.1 Die Beschwerdegegnerin hat den 1. Hilfsantrag (neuer Hauptantrag) erstmals mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht. Seine Zulassung richtet sich somit gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007.

1.2 Nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Beschwerdekammer, einen Antrag vom Beschwerdeverfahren auszuschließen, wenn dieser schon während des Einspruchsverfahrens hätte eingereicht werden sollen.

Da die Prüfung des Ausschlusses eines solchen Antrags von Amts wegen zu erfolgen hat, ist es unerheblich, ob die entsprechende Verspätungsrüge der Beschwerdeführerin "verspätet" erfolgte, wie die Beschwerdegegnerin meint.

1.3 Die Kammer hat ihr Ermessen unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend ausgeübt, den 1. Hilfsantrag nicht vom Verfahren auszuschließen. Für die Patentinhaberin bestand keine Veranlassung, den 1. Hilfsantrag bereits im Einspruchsverfahren einzureichen, nachdem die Einspruchsabteilung keine Bedenken gegen die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung hatte. Die Einspruchsabteilung hat insbesondere in ihrem Ladungszusatz keine konkreten Bedenken geäußert und hat dementsprechend auch in der angefochtenen Entscheidung das Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten.

1.4 Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin nicht näher begründet hat, inwieweit der 1. Hilfsantrag, die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände überwinden sollte und warum er erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurde, rechtfertigt den Ausschluss des Antrags ebenfalls nicht. Artikel 12 (4) VOBK 2007 normiert nämlich im Gegensatz zu dem hier nicht anwendbaren Artikel 12 (4) VOBK 2020 keine entsprechende spezielle Begründungspflicht, so dass eine Begründungspflicht lediglich aus der allgemeinen Substantiierungspflicht (Artikel 12 (3) VOBK 2020, vgl. ebenso Artikel 12 (2) VOBK 2007) abgeleitet werden könnte. Dieser allgemeinen Substantiierungspflicht ist die Beschwerdegegnerin nachgekommen, denn sie hat auf Seite 22 ihrer Beschwerdeerwiderung vom 16. Juli 2018 begründet, dass durch die zusätzlichen Merkmale der Kristallinität und der statischen Adsorptionskapazität die Einwände der Beschwerdeführerin zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf das erteilte Patent überwunden werden sollen.

2. 1. Hilfsantrag (neuer Hauptantrag) - Änderungen - Artikel 123 (2), (3) EPÜ

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin die formale Gewährbarkeit der neuen Ansprüche unter Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht mehr bestritten. Die Kammer hat aus den in ihrer vorläufigen Meinung ausführlich dargelegten Gründen keinen Grund davon abzuweichen. Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags entspricht einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2. Der neue Anspruch 1 des neuen Hauptantrags ergibt sich zudem aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 3, deren Kombination auch durch die Beschreibung gestützt wird.

3. Neuer Hauptantrag - Ausführbarkeit

3.1 Zur Feststellung einer unzureichenden Offenbarung obliegt der Beschwerdeführerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Fachmann anhand seines allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage wäre, die Erfindung auszuführen (Rechtsprechung der Beschwerde- Kammern des EPA, 9. Auflage, 2019, II.C.8).

3.2 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin zum Einen geltend gemacht, dass die Patentschrift keine ausreichende Information enthalte, die es dem Fachmann ermöglichen würde, einen Zeolith vom Typ X mit einem molaren SiO2/Al2O3-Verhältnis von 2,1 bis 2,5 (also NaMSX-Pulver wie im Patent veranschaulicht) zu beschaffen oder zumindest dieses zu synthetisieren. Zum Anderen hat sie vorgetragen, dass das im Patent veranschaulichte Ausgangsmaterial Zeolith MSX weder kommerziell zugänglich gewesen noch ausreichend offenbart sei, so dass der Fachmann, auch wenn er auf allgemeine Kenntnisse zugreife, dieses weder besorgen noch synthetisieren könne. Als Beleg dafür hat die Beschwerdeführerin das Dokument O15 vorgelegt. Dieses spiegele das allgemeine Fachwissen wider und offenbare alle im Patent erwähnten Zeolithen mit Ausnahme des erfindungsgemäßen Typs MSX.

3.3 Im Hinblick auf den ersten Einwand verweist die Kammer auf die Offenbarung in der Patentschrift betreffend die Unterteilung der beschriebenen Zeolithen (gegenüber unter anderem 13X-Zeolithe und LSX (low silicon X)-Zeolithe), wonach MSX (medium silicon X)-Zeolithe Produkte mit einem molaren SiO2/Al2O3-Verhältnis von > 2,2 bis ca 2,45 bezeichneten, sowie auf Absatz [0004] des Patents, welcher auf Veröffentlichungen wie US 4,289,740 (im vorliegenden Verfahren als O5 bezeichnet) verweist. Die Beschwerdeführerin hat weder gezeigt, dass durch diese Verweise im Patent der Fachmann nicht in der Lage versetzt werden kann, die Erfindung auszuführen, noch hat sie ihre Einwände auf überprüfbare Tatsachen gestützt, um zu zeigen, dass Anspruch 1 nicht funktionsfähige/ausführbare Ausführungsformen umfasst.

3.3.1 Die Frage, ob O15 gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007, Artikel 25 (2) VOBK 2020 vom Verfahren ausgeschlossen werden sollte, kann offen bleiben, da das Dokument jedenfalls keine entscheidungsrelevanten Informationen beinhaltet. O15 wurde im Jahr 2001 veröffentlicht, also sieben Jahre vor dem geltend gemachten Prioritätsdatum des Streitpatents. Es enthält daher keine Angaben zum Stand der Technik zum Prioritätszeitpunkt. Somit kann O15 auch nicht belegen, dass für MSX in der Zwischenzeit (2001-2008) keine Syntheseverfahren bekannt geworden sind.

3.3.2 Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin auch nicht substantiiert dargelegt oder bewiesen, dass das Ausgangsmaterial Zeolith MSX zum Prioritätszeitpunkt nicht verfügbar gewesen ist. Die Beschwerdegegnerin hat insoweit erklärt, dass das im Beispiel 1 des Streitpatents verwendete Ausgangsmaterial (Zeolith MSX) kommerziell zugänglich gewesen sei. Aus dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beschwerdeführerin ergeben sich keine Tatsachen, die geeignet wären, dies zu widerlegen bzw. eine Beweislastumkehr zu bewirken. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin es unterlassen, die Ergebnisse einer entsprechenden historischen Recherche vorzulegen.

3.3.3 Somit wird die Ausführbarkeit aufgrund dieser Einwände der Beschwerdeführerin nicht widerlegt.

3.4 Im Hinblick auf den im schriftlichen Verfahren vorgebrachten allgemeinen Verweis der Beschwerdeführerin auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren bemerkte die Kammer schon in ihrer Mitteilung, dass es insoweit an substantiiertem Vorbringen fehlt (vgl. Artikel 12 (3) VOBK 2020, ebenso: Artikel 12 (2) VOBK 2007).

Im Übrigen ist nicht gezeigt worden, dass die in der angefochtenen Entscheidung (Gründe, 12) angegebenen Verweise auf die Offenbarung in den Absätzen [0009], [0032], [0038], [0039] und [0048], sowie auf Seite 5, des Streitpatents unzutreffend sind.

3.5 Die weiteren Einwände der Beschwerdeführerin (Beschwerdebegründung, II.3.3) gegen die Merkmale des Anspruchs 1 "ein sicheres Handhaben des Granulats" bzw. "eine ausreichende Weiterverarbeitbarkeit ermöglichen" betreffen die Klarheit und nicht die Ausführbarkeit.

3.6 Die Kammer ist daher der Ansicht, dass die Einwände unter dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ auch der Aufrechterhaltung des Streitpatents im vorliegenden geänderten Umfang nicht entgegen stehen (Artikel 83 EPÜ).

4. Neuer Hauptantrag - Neuheit

Die Neuheit des vorliegenden beanspruchten Gegenstands wurde nicht in Frage gestellt.

5. Zulassung des neuen Vorbringens gegen die erfinderische Tätigkeit des mit Anspruch 1 des neuen Hauptantrags beanspruchten Gegenstands gestützt auf O2 und O3

5.1 Die Beschwerdeführerin hat im Beschwerdeverfahren erstmals in der mündlichen Verhandlung einen Einwand gegen die erfinderische Tätigkeit des Granulats laut Anspruch 1, gestützt auf O2 Beispiel 5 als nächstliegenden Stand der Technik in Verbindung mit O3, erhoben.

5.2 Dieser Einwand ist neu, er beinhaltet neue Tatsachen und neue diesbezügliche Beweismittel. Die Beschwerdeführerin hat zuvor weder die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 dieses Antrags, der eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 ist, noch die des erteilten Anspruchs 2 angegriffen. Die mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die in Anspruch 1 dieses Antrags, hinzugefügten Merkmale der Kristallinität und der statischen Adsorptionskapazität waren zuvor nämlich im Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht erwähnt worden. In ihrem Schriftsatz vom 5. März 2020 hat sie vielmehr Einwände gegen die Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2 geltend gemacht, obwohl die Beschwerdegegnerin auf Seite 22 ihrer Beschwerdeerwiderung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerdeführerin die Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands zugestanden habe. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin war ihr Einwand auch nicht Bestandteil ihres Beschwerdevorbringens, weil sie die gesamte Entscheidung der Einspruchsabteilung angegriffen hat. Der auf O2 gestützte Einwand in der Beschwerdebegründung hat sich vielmehr gegen Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung gerichtet. Der Beschwerdeführer muss zudem gemäß Artikel 12 (3) VOBK 2020 (vgl. ebenso Artikel 12 (2) VOBK 2007) deutlich angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die Entscheidung aufzuheben und er muss hierzu ausdrücklich alle geltend gemachten Tatsachen, Einwände und Beweismittel im Einzelnen anführen. Ein lediglich pauschaler Angriff der angefochtenen Entscheidung oder ein pauschaler Hinweis auf das Vorbringen im Einspruchsverfahren wird dem nicht gerecht. Folglich handelt es sich bei dem auf O2 gestützten Einwand unter Artikel 56 EPÜ gegen den neuen Hauptantrag um neues Vorbringen, das erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgte.

5.3 Die Zulassung des neuen Vorbringens der Beschwerdeführerin ist daher nach Maßgabe von Artikel 13 (1), 25 (1) VOBK 2020 bzw. Artikel 13 VOBK 2007, Artikel 25 (3) VOBK 2020 zu prüfen. Artikel 13 (2) VOBK 2020 findet gemäß Artikel 25 (3) VOBK 2020 keine Anwendung auf den vorliegenden Fall, da die Parteien bereits vor dem Inkrafttreten der revidierten Verfahrensordnung zur mündlichen Verhandlung geladen wurden.

5.4 Die Kammer hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, das neue Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht in das Verfahren zuzulassen. Eine Zulassung des neuen Vorbringens kommt für die Kammer weder nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 noch nach Artikel 13 (1) VOBK 2007 in Betracht.

5.5 Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin ihr neues Vorbringen erstmals in der mündlichen Verhandlung und damit zum letztmöglichen Zeitpunkt vorgebracht hat, was der Verfahrensökonomie zuwiderläuft. Dieser späte Zeitpunkt ist weder nachvollziehbar noch von der Beschwerdeführerin gerechtfertigt worden (Artikel 13 (1) 3. Abs. VOBK 2020). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdegegnerin den 1. Hilfsantrag bereits mit ihrer Beschwerdeerwiderung vorgelegt hatte, so dass die Beschwerdeführerin ausreichend Zeit hatte, hierauf zu reagieren. Zudem hat die Kammer in ihrem Ladungszusatz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin sich zu dem Hilfsantrag 1 in keiner Weise geäußert hat, ohne dass die Beschwerdeführerin hierauf mit Einwänden gegen die Patentfähigkeit reagiert hätte. Schließlich beinhaltet das neue Vorbringen einen komplexen neuen Sachverhalt. Die Beschwerdeführerin hat ihren Vortrag nämlich mit diversen Passagen aus O2, O3 und dem Streitpatent begründet, die die Diskussion zahlreicher neuer Aspekte mit sich bringen würden, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens waren. Darüber hinaus erscheint das neue Vorbringen auch nicht prima facie relevant. Die Beschwerdeführerin hat insbesondere weder substantiiert dargelegt, warum der Fachmann ausgehend von O2 Beispiel 5 das Dokument O3 (ohne Rückschau) zur Rate ziehen würde (dessen Zeolith ein Modul von 1,9 bis 2,1 aufweist), noch dass O3 dann die Verbindung zwischen Kristallinität und Adsorptionskapazität überhaupt offenbaren oder zumindest hervorheben würde.

5.6 Infolge der Nichtzulassung des neuen Einwands hat die Kammer keine Einwände unter Artikel 56 EPÜ zu überprüfen.

6. Der neue Hauptantrag steht somit im Einklang mit dem EPÜ und ist daher gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des vormaligen Hilfsantrags 1 (neuer Hauptantrag), eingereicht mit Schriftsatz vom 16. Juli 2018 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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