T 2712/17 (Verfahren für Aluminiumband/Hydro Aluminium Rolled Products GmbH) of 11.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T271217.20200311
Datum der Entscheidung: 11 März 2020
Aktenzeichen: T 2712/17
Anmeldenummer: 07023245.9
IPC-Klasse: C22F 1/04
C22F 1/047
C22C 21/06
C22C 21/00
B41N 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Aluminiumband für lithografische Druckplattenträger und dessen Herstellung
Name des Anmelders: Hydro Aluminium Rolled Products GmbH
Name des Einsprechenden: Novelis Inc.
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent EP-B1-2 067 871 zurückzuweisen.

Die folgenden in der Entscheidung zitierten Dokumente sind hier von Relevanz:

D6a: EP 1 065 071 A1

D11: WO 2007/115167 A2

D15: EP 0 257 957 A1

D16a: translation of JP S62 181190 A, XP055394052

D19b: translation of JP S62 86143 A, XP055372095

D20: EP 0 853 132 A1

D21: EP 0 887 430 A1

II. Die mündliche Verhandlung fand am 11. März 2020 statt. Darin machte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag V zum einzigen Antrag.

III. Der einzige unabhängige Anspruch dieses Antrags lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Aluminiumbändern für lithografische Druckplattenträger, wobei das Aluminiumband aus einem Walzbarren hergestellt wird, welcher nach einem optionalen Homogenisieren auf eine Dicke von 2 bis 7 mm warmgewalzt und durch Kaltwalzen des Warmbandes das Aluminiumband auf eine Enddicke von 0,15 bis 0,5 mm kaltgewalzt wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Aluminiumband aus einer Aluminiumlegierung mit folgenden Legierungsbestandteilen in Gewichtsprozent besteht:

0,3% <= Fe <= 0,4%,

0,3% <= Mg <= 0,4%,

0,05 % <= Si <= 0,25%,

Mn <= 0,05 %,

Cu <= 0,04 %,

Rest Al sowie unvermeidbare Verunreinigungen, einzeln max. 0,05 %, in Summe max. 0,15 %; das Warmwalzen bei einer Temperatur von 250 °C bis 550 °C erfolgt, wobei die Warmbandendtemperatur 280 °C bis 350 °C beträgt, während des Kaltwalzens eine Zwischenglühung bei einer Dicke von 1,5 mm bis 0,5 mm durchgeführt wird, während der Zwischenglühung die Metalltemperatur 200 °C bis 450 °C beträgt und das Aluminiumband für mindestens ein bis zwei Stunden auf der genannten Metalltemperatur gehalten wird, das Aluminiumband anschließend durch Kaltwalzen auf eine Enddicke von 0,15 mm bis 0,5 mm gewalzt wird und zur Weiterverarbeitung zu einem lithografischen Druckplattenträger in walzhartem Zustand aufgehaspelt wird."

Der abhängige Anspruch 2 betrifft eine bevorzugte Ausführungsform.

IV. Die für den einzigen Antrag sinngemäß relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Bereich des Magnesiumgehalts von 0,3 Gew.-% bis 0,4 Gew.-% sei in der ursprünglichen Anmeldung nicht im Zusammenhang mit dem Verfahren offenbart.

D6a sei neuheitsschädlich, da der in D6a beschriebene Magnesiumgehalt mit dem in Anspruch 1 definierten Bereich überlappe und ein Abwalzgrad > 60% bei einer Enddicke von 0,3 mm einer Zwischenglühdicke von > 0,75 mm entspreche, die in den beanspruchten Bereich des Streitpatents (0,5-1,5 mm) falle.

D16a sei ebenfalls neuheitsschädlich, da die in deren Beispiel 1 angegebene Zwischenglühdicke von 1,8 mm nur beispielhaft sei und andere Zwischenglühdicken von 1,3; 1,0; 0,8; 1,5 und 0,5 mm, die in den beanspruchten Bereich fielen, in Tabelle 2 offenbart seien.

Ausgehend von D6a sei das beanspruchte Verfahren auch nahegelegt, da die Zwischenglühdicke von 0,5 bis 1,5 mm aus D15, D16, D19, D20 und D21 bekannt sei und D11 einen Magnesiumgehalt von 0,3 Gew.-% bis 0,4 Gew.-% lehre.

V. Die Argumente der Beschwerdegegnerin spiegeln sich in den Entscheidungsgründen wider.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem einzigen Antrag, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung als Hilfsantrag V, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 83 EPÜ

Der ursprüngliche Einwand der Beschwerdeführerin gegen die Ausführbarkeit bezog sich nur auf Produktanspruch 6 wie erteilt, betreffend die Bestimmung der Biegewechselbeständigkeit. Der ursprüngliche Produktanspruch liegt nicht mehr vor, sodass der Einwand keine Geltung mehr hat. Es ist auch im Übrigen kein Grund ersichtlich, der die Ausführbarkeit des allein noch vorliegenden Verfahrensanspruchs in Zweifel ziehen würde.

2. Artikel 123(2) EPÜ

Die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ sind aus folgenden Gründen erfüllt:

Anspruch 1 geht unmittelbar und eindeutig aus den Ansprüchen 1, 4 und 5 sowie Seite 8 (erster vollständiger Absatz) der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervor. Dort ist der Bereich von 0,3 Gew.-% bis 0,4 Gew.-% im Zusammenhang mit dem beanspruchten Aluminiumband genannt, das die sogenannte "zweite Lehre" der Anmeldung betrifft (Seite 6, letzter Absatz). Jedoch ist diese Lehre nicht unabhängig von der "ersten Lehre" (Verfahren, Seite 3 zweiter vollständiger Absatz) zu sehen. Das Aluminiumband wird vielmehr bereits im ursprünglichen Product-by-Process-Anspruch 6 mit Rückbezug auf den Verfahrensanspruch 1 definiert. Die allgemeine Definition der Legierungszusammensetzung des Verfahrens ist dieselbe wie jene des Aluminiumbands (Seite 3 unten und Seite 6 unten, sowie ursprüngliche Ansprüche 1 und 6). Dieselben Beispiele dienen sowohl zur Illustration des Verfahrens als auch des Aluminiumbands. Daraus ergibt sich, dass die Angabe des Magnesiumgehalts auf Seite 8 (erster vollständiger Absatz) sich auf Aluminiumbänder bezieht, die mittels eines Verfahrens gemäß der "ersten Lehre" herstellbar sind, und diese Angabe somit auch für das Verfahren gilt, zumal in genanntem Absatz auf Seite 8 auch auf Verfahrensschritte Bezug genommen wird.

Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 2.

3. Artikel 54 EPÜ

Die Bedingungen des Artikels 54 EPÜ sind aus folgenden Gründen ebenfalls erfüllt:

3.1 D6a (siehe die Ansprüche) lehrt gleichermaßen ein Verfahren zur Herstellung eines Aluminiumbands mit hoher thermischer Stabilität und Biegewechselbeständigkeit (Biegezahl). Die Legierungszusammensetzung gemäß D6a enthält Mengen an Fe, Si, Mn und Cu innerhalb der in Anspruch 1 des Streitpatents definierten Bereiche, der Magnesiumgehalt beträgt 0,10-0,30 Gew.-%. Die Herstellung erfolgt durch Bereitstellen eines Walzbarrens, Homogenisieren, Warmwalzen auf 2-7 mm, Kaltwalzen ohne oder mit Zwischenglühungen, wobei nach der Zwischenglühung der Abwalzgrad > 60% beträgt, und weitere Verarbeitung bei < 100 °C (d.h. ohne Endglühen). In den Beispielen sind die Enddicken jeweils 0,3 mm (Absatz [0043]), und auch die Biegezahl bezieht sich auf 0,3 mm Banddicke (Absatz [0038]). D6a offenbart jedoch nicht die Zwischenglühdicke, da aus dem Abwalzgrad, der einen nach oben offenen Bereich darstellt, Zwischenglühdicken nicht eindeutig bestimmt werden können.

3.2 Das aus D16a zitierte Beispiel 3 enthält mehr als 0,4 Gew.-% Mg. Zudem beträgt die Zwischenglühdicke 1,8 mm (Seite 16, Zeile 19). Die Zwischenglühdicken von 0,8 mm; 1,0 mm und 1,3 mm, die in Tabelle 2 genannt werden, beziehen sich auf die Zusammensetzung 2 der Tabelle, die 0,8 Gew.-% Mg enthält.

4. Artikel 56 EPÜ

4.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Aluminiumbändern für lithografische Druckplattenträger (Absatz [0001]).

4.2 D6a ist nächstliegender Stand der Technik; diese Entgegenhaltung bezieht sich auf Lithobänder aus Aluminiumlegierungen mit guter Aufraubarkeit und guter Biegewechselbeständigkeit. Das Verfahren gemäß Beispiel 2 ist ein geeigneter Ausgangspunkt, da es einen Zwischenglühungsschritt enthält und die Legierung sehr ähnlich ist wie die im beanspruchten Verfahren benutzte.

4.3 Die zu lösende Aufgabe besteht darin, ein Verfahren zur Herstellung eines Aluminiumbandes für lithografische Druckplattenträger bereitzustellen, das es erlaubt, ein Aluminiumband herzustellen, das eine gute Aufraubarkeit hat, dessen Coilset in walzhartem Zustand leicht korrigierbar ist und aus welchem auch übergroße Druckplattenträger herstellbar sind, die leicht handhabbar sind und nur eine geringe Neigung zu Plattenreißern zeigen (Absätze [0004] und [0010]).

4.4 Die Aufgabe wird durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöst, dadurch gekennzeichnet, dass das Aluminiumband aus einer Aluminiumlegierung besteht, die in Gewichtsprozent 0,3% <= Mg <= 0,4% enthält, und während des Kaltwalzens eine Zwischenglühung bei einer Dicke von 1,5 mm bis 0,5 mm durchgeführt wird, dass weiters während der Zwischenglühung die Metalltemperatur 200 °C bis 450 °C beträgt und das Aluminiumband für mindestens ein bis zwei Stunden auf der genannten Metalltemperatur gehalten wird.

4.5 Die Aufgabe kann als erfolgreich gelöst angesehen werden, da aus dem Beispiel mit der Legierung V582 hervorgeht, dass mit einer solchen Legierung das erfindungsgemäße Verfahren zu den besten Eigenschaften - im Vergleich zur Verwendung von Legierungen mit einem geringeren Magnesiumgehalt und unter Verwendung unterschiedlicher Warmwalz- und Zwischenglüh­bedingungen - bezüglich Zugfestigkeit und Biegewechselbeständigkeit führt (Tabellen 3a und 3b), wobei insbesondere auch ein gutes Aufrauverhalten vorliegt (Absatz [0023]).

4.6 Die Lösung ist aus folgenden Gründen nicht nahegelegt:

Das in D6a erhaltene Band hat gute Eigenschaften bezüglich Zugfestigkeit und Biegewechselbeständigkeit, enthält jedoch nur 0,24 Gew% Mg. Obwohl aus Tabelle 2 hervorgeht, dass ein erhöhter Magnesiumgehalt sich positiv auf die Biegewechselbeständigkeit auswirkt, lehrt D6a auch, dass oberhalb eines Gehalts von 0,3 Gew.% Mg Probleme mit dem Aufrauverhalten entstehen (Seite 3, Zeilen 47 und 48). Auch wenn im Anspruch 1 aus D6a ein Magnesiumbereich von 0,1 bis 0,3 Gew.% angegeben ist, so hat die Fachperson, die die gestellte Aufgabe lösen will, die auch eine gute Aufraubarkeit als Ziel hat, keinen Grund, das Verfahren gemäß Beispiel 2 so zu verändern, dass der Magnesiumgehalt bei 0,3 Gew.% oder darüber liegt und somit die gute Aufraubarkeit, die durch das Verfahren gemäß Beispiel 2 erhalten wurde, in Frage gestellt würde.

Die Kombination der Magnesiumkonzentration von

0,3% <= Mg <= 0,4% mit den Zwischenglühbedingungen ist in D6a nicht explizit offenbart. Das Lithoband gemäß Beispiel 2 wurde mit einer Zwischenglühung gefertigt, doch betrug die Glühdauer bei 450°C nur eine Minute (Absatz [0042]). Allgemein sieht D6a unterschiedliche Bedingungen für die Zwischenglühung vor (Ansprüche 6 und 7). Es gibt jedenfalls keine Lehre, die zu den beanspruchten Bedingungen für eine Legierung mit 0,3 Gew.% Mg führen würde.

D11 lehrt zwar einen Magnesiumgehalt von 0,31 Gew.% bis 0,4 Gew.% (Absatz [0046], jedoch ist diese Lehre nicht im Einklang mit der Lehre von D6a betreffend die Aufraubarkeit.

Die von der Beschwerdeführerin im Übrigen angeführten Dokumente bzgl. der Zwischenglühdicke betreffen nicht die gleiche Zusammensetzung wie D6a, sodass Schlussfolgerungen bezüglich des Verfahrens nicht auf D6a übertragbar sind. So ist der Siliziumgehalt in D15 über 0,3 Gew.%, vorzugsweise 0,5 bis weniger als 1 Gew.% (Anspruch 2); Beispiel 20 aus D16a enthält 0,8% Mg; die in Tabelle 1 der D19b aufgeführten Legierungen haben einen deutlich höheren Mangangehalt; die Legierungen aus Tabelle 1 der D20 haben einen geringeren Magnesiumgehalt und D21 führt Mg nicht als wesentliches Element auf.

4.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gilt auch für den abhängigen Anspruch 2.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des (einzigen) Antrages, eingereicht als Hilfsantrag V mit der Beschwerdeerwiderung, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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