T 2657/17 () of 15.11.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T265717.20221115
Datum der Entscheidung: 15 November 2022
Aktenzeichen: T 2657/17
Anmeldenummer: 11730208.3
IPC-Klasse: A61B 17/80
A61B 17/86
A61B 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KNOCHENPLATTE SOWIE FIXATIONSSYSTEM MIT KNOCHENPLATTE
Name des Anmelders: AAP Implantate AG
Name des Einsprechenden: Synthes GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1120/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Europäische Patent Nr. 2 584 983 auf der Basis des ersten Hilfsantrags aufrecht-zuerhalten.

II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 15. November 2022 statt.

III. Die endgültigen Anträge der Parteien lauten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung oder auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 11, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung.

Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Wider-ruf des Patents. Außerdem beantragt sie, die Hilfsan-träge 2 bis 10 nicht in das Verfahren zuzulassen.

IV. Die folgenden Druckschriften sind für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

E1 EP 2 016 918 A1

E2 US 6,669,701 B2

E3 US 2007/0016205 A1

V. Anspruch 1 des Patents wie erteilt (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"Knochenplatte zur Zusammenwirkung mit Knochenschrauben (4), die jeweils einen Kopf (40) und einen Schraub-schaft (43) aufweisen, um Teile eines gebrochenen oder geschädigten Knochens zu fixieren, umfassend:

einen vorzugsweise länglichen Plattenkörper (1) aus insbesondere gewebeverträglichem, vorzugsweise steifem Material, der eine Plattenebene und eine Längsachse bestimmt,

Lochausbildungen (2) quer zur Plattenebene, die aus einem ersten Rundloch (21) und einem zweiten Rundloch (22) bestehen, welche sich unter Bildung von Kanten (23,24) schneiden,

wobei das erste Rundloch (21) größer als das zweite Rundloch (22) ist, und wobei obere Regionen (25,27) des ersten und zweiten Rundlochs (21,22) einen größeren Durchmesser als untere Regionen (26,28) des ersten und zweiten Rundlochs (21,22) aufweisen, und wobei die untere Region (26) des ersten Rundlochs (21) kegel-stumpfförmig ausgebildet ist, gekennzeichnet durch genau eine umlaufende radiale Rippe (33) in beiden Rundlöchern, die von beiden Rundlochwandungen ausgeht, um beide Rundlöcher (21,22) herumführt und sich in einer Ebene zur Rundlochmitte hin erstreckt."

VI. Die Argumente der Einsprechenden zu den für die Ent-scheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

Das Merkmal "genau eine umlaufende radiale Rippe" im Anspruch 1 sei den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Durch die Einschränkung des Anspruchs von "einer" auf "genau eine" Rippe sei ein negatives Merkmal hinzugefügt worden, insofern, dass weitere umlaufende Rippen ausg-eschlossen worden seien. Es könne aber der ursprüng-lichen Offenbarung nicht entnommen werden, dass die Knochenplatte keinesfalls weitere Rippen aufweisen dürfe. Da das negative Merkmal "keine weiteren Rippen" der Anmeldung nicht als wesentlich entnommen werden könne, führe es zu einer unzulässigen Erweiterung, wie in der Entscheidung T 1120/05 erklärt.

Das Merkmal "genau eine Rippe" sei lediglich in den Zeichnungen, nicht aber der Beschreibung offenbart. Ein negatives Merkmal dürfe aber gemäß der Entscheidung

T 1120/05 nicht einer schematischen Zeichnung entnommen werden.

In der Beschreibung sei zwar von "der Rippe" die Rede (Seite 4, 2. Absatz). Dies beziehe sich aber auf das bevorzugte Ausführungsbeispiel mit nur einer Rippe, das in den Zeichnungen dargestellt sei. Weitere Ausführungsbeispiele mit mehr als einer Rippe würden dadurch aber nicht ausgeschlossen.

Überdies sei die Erfindung infolge der Aufnahme des Merkmals "wobei obere Regionen des ersten und zweiten Rundlochs einen größeren Durchmesser als untere Regionen des ersten und zweiten Rundlochs aufweisen" unvollständig definiert, da die folgenden Merkmale nicht in den Anspruch aufgenommen worden seien:

- "Die oberen Regionen 25 und 27 sind schüsselförmig ausladend gestaltet, während die unteren Regionen 26 und 28 Mantelflächen mit geraden Mantellinien bilden" (Seite 10, Zeilen 17 bis 19);

- "Das größere Rundloch 21 weist oberhalb des Vor-sprungs 33 einen oberen, rundkehlförmigen Abschnitt 31 mit, oder auch ohne Grat 61 auf, und unterhalb der Rippe 33 sind ein mittlerer, rundkehlförmiger Abschnitt 36 und ein unterer, kegelstumpfförmiger oder konischer Abschnitt 26 vorgesehen" (Seite 4, Zeilen 23 bis 30; Seite 11, Zeilen 17 bis 22);

- "Die untere Region 26 bildet einen kegelstumpfför-migen Abschnitt, der sich zur Unterseite des Platten-körpers 1 hin verjüngt (Seite 4, Zeilen 27 bis 28; Seite 10, Zeilen 22 und 23)".

Das obige Merkmal sei lediglich aus Seite 10, Zeilen 19 bis 21, offenbart, allerdings nur im Zusammenhang mit den fehlenden Merkmalen, die mit diesem in einem funktionellen Zusammenhang stünden und wesentlich für die Erfindung seien.

Ohne diese Merkmale umfasse der Anspruchsgegenstand Ausführungsbeispiele, die nicht ausreichend offenbart seien und mit denen der gewünschte technische Effekt nicht erzielt werden könne.

Somit erfülle Anspruch 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Zulassung der Einwände betreffend die Merkmale "verjüngt" und "ein größerer Durchmesser"

Die Aufnahme des Merkmals "wobei obere Regionen des ersten und zweiten Rundlochs einen größeren Durchmesser als untere Regionen des ersten und zweiten Rundlochs aufweisen" stelle eine unzulässige Erweiterung dar, weil in der Beschreibung (Seite 10, Zeilen 19 bis 21) nur von mehreren größeren Durchmessern, nicht aber von nur einem einzigen die Rede sei.

Zudem sei das Merkmal "kegelstumpfförmig" nur zusammen mit dem Merkmal "sich zur Unterseite hin verjüngend" in der Beschreibung offenbart (Seite 4, Zeilen 28 und 29; Seite 10, Zeilen 22 und 23).

Dies seien keine neuen Einwände, sondern sie stellten lediglich eine Ergänzung zu den früheren Einwänden dar. Außerdem seien sie rechtzeitig, nämlich einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, vorgebracht worden. Sie sollten daher zugelassen werden.

Hauptantrag - Neuheit

E1 offenbare in den Figuren 1 und 3 eine Knochenplatte mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Diese Knochenplatte habe genau eine umlaufende Rippe in beiden Rundlöchern, die sich in einer Ebene zur Rund-lochmitte hin erstrecke. Wie aus den Figuren 1 und 5a erkennbar sei, handele es sich dabei um die unterste Rippe, da alle anderen Rippen unterbrochen seien.

Der in E1 verwendete englische Begriff "thread" sei überdies nicht als "Gewinde" zu verstehen, sondern könne, wie in E2 (Spalte 2, Zeilen 28 bis 37) und in E3 (Absatz [0024]) beschrieben, auch Rippe bedeuten. E1 offenbare daher mit dem Begriff "thread" auch parallele, rippenförmige Strukturen. Auch die Figuren 5a bis 5c zeigten eindeutig horizontal angeordnete umlaufende Rippen, die sich in einer Ebene erstreckten. Schließlich sei dem Fachmann bekannt, dass die mit einem Gewinde versehene Knochenschraube der E1 statt mit einem Gewinde in der Rundlochöffnung auch mit einer oder mehreren Rippen zusammenwirken und denselben technischen Effekt erzielen könne.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber E1.

Hauptantrag - Zulassung des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit

Der in der Beschwerdebegründung (Punkt V.) bereits angekündigte Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit habe erst nach Erhalt der Mitteilung vom 19. September 2022 substantiiert werden können, da erst dann klar gewesen sei, welches Merkmal des Anspruchs 1 die Kammer als neu gegenüber dem Stand der Technik ansehe. Daher solle der Einwand ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden, obwohl er erst nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde.

VII. Die Argumente der Patentinhaberin zu den für die Entscheidung relevanten Punkten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

Im Streitpatent sei stets nur von "der" Rippe die Rede, und es sei in den Zeichnungen lediglich eine einzige Rippe dargestellt. Es handele sich dabei nicht um ein Negativmerkmal. Somit sei die von der Einsprechenden zitierte Entscheidung T 1120/05 nicht relevant.

Der Anspruchsgegenstand mit dem Merkmal "genau eine Rippe" sei somit unmittelbar und eindeutig in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart.

Das Merkmal, dass das erste Rundloch größer als das zweite Rundloch sei, sei mit den Merkmalen "die oberen Regionen sind schüsselförmig ausladend gestaltet", "die Rippe ist inmitten des oberen Abschnitts angeordnet" und "der kegelstumpfförmige Abschnitt verjüngt sich zur Unterseite hin" nicht untrennbar verknüpft. Der Ein-wand, dass durch das Weglassen dieser wesentlichen Merkmale die erwünschte Wirkung nicht erzielt werde, beziehe sich nicht auf die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Der Anspruch 1 erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

Zulassung der Einwände betreffend die Merkmale "verjüngt" und "ein größerer Durchmesser"

Die Einwände bezüglich des Singulars des Merkmals "einen größeren Durchmesser" und bezüglich des Merkmals "verjüngt" seien von der Einsprechenden erstmalig mit dem Schreiben vom 12. Oktober 2022 (Punkte 1.2 und 1.3) und damit nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vorgebracht worden. Da die Einsprechende keine stich-haltigen Gründe für außergewöhnliche Umstände vorge-bracht habe, seien sie gemäß Artikel 13(2) VOBK nicht zuzulassen.

Hauptantrag - Neuheit

E1 zeige eine Knochenplatte mit einem Gewinde in den beiden Rundlochwandungen, jedoch keine einzelne um-laufende Rippe. Die in den schematischen Zeichnungen der E1 dargestellten Strukturen würde der Fachmann entsprechend der Beschreibung als Gewinde interpre-tieren, das eine Steigung aufweise.

Da die Knochenplatte der E1 nicht genau eine radiale Rippe aufweise, die sich in einer Ebene zur Rundloch-mitte hin erstrecke, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber dieser Druckschrift.

Hauptantrag - Zulassung des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit

Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sei erstmalig in dem Schreiben der Einsprechenden vom 12. Oktober 2022, und damit nach der Ladung zur münd-lichen Verhandlung, vorgebracht worden. Die vage Ankün-digung in der Beschwerdebegründung könne nicht als Substantiierung betrachtet werden.

Der Einwand stelle daher eine Änderung des Beschwerde-vorbringens der Einsprechenden dar und sei gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zuzulassen, da keine stichhaltigen Gründe für das Vorliegen außergewöhn-licher Umstände vorgebracht worden seien.

Entscheidungsgründe

1. Gegenstand der Erfindung

Die Erfindung bezieht sich auf eine Knochenplatte, die einen vorzugweise länglichen Plattenkörper aus gewebe-verträglichem, steifen Material aufweist, der eine Oberseite und Unterseite und eine Längsachse bestimmt. Quer zur Plattenebene sind Lochausbildungen vorgesehen, die aus einem ersten, größeren Rundloch (21) und einem zweiten, kleineren Rundloch (22) bestehen, wobei sich die Rundlöcher unter Bildung von Kanten (23, 24) schneiden, zwischen denen ein Durchlass für den Schrau-benschaft einer Knochenschraube gebildet wird. Die oberen Regionen (25, 27) der Rundlöcher haben einen größeren Durchmesser als die unteren Regionen (26, 28). Die untere Region (26) des ersten Rundlochs ist kegel-stumpfförmig ausgebildet. Um beide Rundlöcher herum ist genau eine radiale Rippe (33) vorgesehen, die von der Lochwandung ausgeht und sich in einer Ebene zur Rund-lochmitte hin erstreckt.

2. Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung

2.1 Das Merkmal "genau eine Rippe" ist in den ursprüng-lichen Anmeldungsunterlagen unmittelbar und eindeutig offenbart. In allen Zeichnungen ist lediglich eine einzige Rippe dargestellt, die in der Beschreibung stets als "diese Rippe" oder "die Rippe" bezeichnet wird (siehe z.B. Seite 3, Zeile 27, und Seite 11, Zeilen 2 und 4). Die schematische Natur der Zeichnungen ändert in diesem Fall an ihrer eindeutigen Offenbarung nichts. In der der Entscheidung T 1120/05 zugrunde-liegenden Sachlage war dagegen das hinzugefügte Merkmal nicht eindeutig offenbart. Die zitierte Entscheidung ist daher nicht relevant.

Dass es sich bei den genannten Offenbarungsstellen um die Beschreibung von bevorzugten Ausführungsformen handelt, ist unerheblich. Eine Beschränkung des Anspruchsgegenstandes auf ein bevorzugtes Ausführungs-beispiel verstößt nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ.

2.2 Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung kann die Kammer keine eindeutige funktionale Verbindung zwischen dem hinzugefügten Merkmal und den weiteren von der Einsprechenden genannten Merkmalen erkennen. Insbe-sondere ist das Merkmal "obere Regionen der Rundlöcher haben einen größeren Durchmesser als untere Regionen" nicht mit den übrigen Merkmalen untrennbar verknüpft. Die oberen Regionen der Rundlöcher haben einen größeren Durchmesser, um das Einsetzen von Knochenschrauben, deren Kopf im oberen Bereich einen größeren Durchmesser hat, zu ermöglichen. Die schüsselförmige Wandung ermög-licht, dass sich ein Schraubenkopf mit teilsphärischer Unterseite an der abgerundeten Fläche abstützen kann (Seite 12, erster Satz). Das Merkmal, dass die untere Region 28 zylindrisch oder kegelstumpfförmig ausgebil-det ist, kann das Einsetzen der Schraube erleichtern.

Entgegen der Ansicht der Einsprechenden würde der Fachmann den Anmeldungsunterlagen auch nicht entnehmen, mit einer Knochenplatte ohne die Merkmale

- "die oberen Regionen sind schüsselförmig ausladend gestaltet, während die unteren Regionen Mantelflächen mit geraden Mantellinien bilden" und

- "das Rundloch hat einen oberen rundkehlförmigen Abschnitt oberhalb der umlaufenden Rippe, einen mittleren, rundkehlförmigen Abschnitt unterhalb der umlaufenden Rippe sowie einen unteren, kegelstumpf-förmigen Abschnitt, der sich zur Unterseite des Plattenkörpers hin verjüngt"

sei das gewünschte Ergebnis der gegenseitigen Klemmung (Seite 4, Zeilen 4 bis 7) nicht zu erzielen. Schließlich ist im Anspruch 1 wie ursprünglich einge-reicht, auf dem Anspruch 1 des Hauptantrags basiert, die Schüsselform der oberen Regionen und die Position der Rippe nicht erwähnt.

2.3 Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt daher die Erfor-dernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

3. Zulassung der Einwände betreffend die Merkmale "verjüngt" und "ein größerer Durchmesser"

Diese Einwände wurden von der Einsprechenden erstmalig mit dem Schreiben vom 12. Oktober 2022, und damit nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vorge-bracht.

Entgegen der Meinung der Einsprechenden stellen sie keine Ergänzungen zu den früheren Einwänden dar, da die beanstandeten Merkmale im bisherigen Verfahren nicht behandelt worden waren. Die Einwände werden daher als Änderung des Vorbringens der Einsprechenden aufgefasst, das gemäß Artikel 13(2) VOBK nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt wäre. Solche Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Einwände werden daher nicht ins Verfahren zugelassen.

4. Hauptantrag - Neuheit

E1 offenbart eine Knochenplatte umfassend einen läng-lichen Plattenkörper mit zwei sich schneidenden Rund-löchern. Es wurde von den Parteien nicht bestritten, dass die oberen Regionen der Rundlöcher einen größeren Durchmesser haben als die unteren. Allerdings weist die Knochenplatte der E1 nicht genau eine Rippe auf, die sich in einer Ebene zur Rundlochmitte hin erstreckt. Die Knochenplatte der E1 zeigt vielmehr ein Gewinde an der Innenwand der Rundlöcher. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Begriff "thread" auch "Rippe" bedeuten kann, wie von der Einsprechenden unter Verweis auf E2 (Spalte 2, Zeilen 28 bis 37) und E3 (Absatz [0024]) behauptet. In der E1 kann jedenfalls nur ein Gewinde, also ein fortlaufend wendelartiger Vorsprung, gemeint sein, da stets davon die Rede ist, dass es mit dem Außengewinde eines Schraubenkopfs zusammenwirken kann (Figur 5c, z.B. Spalte 8, Zeile 56, bis Spalte 9, Zeile 2). Ob es möglich wäre, dass der Schraubenkopf auch mit einer oder mehreren Rippen anstelle eines Gewindes zusammenwirkt, ist dabei unerheblich, da der Fachmann eine dahingehende Offenbarung der E1 nicht unmittelbar und eindeutig entnimmt.

Außerdem kann man den schematischen Zeichnungen der E1 nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass nur genau eine "Rippe" um beide Rundlöcher herumführt, während die anderen unterbrochen sind, und dass alle "Rippen" horizontal angeordnet sind, wie von der Ein-sprechenden mit Verweis auf die Figuren 1 und 5a bis 5c behauptet. Der Fachmann würde vielmehr die in den Figuren 5a bis 5c gezeigten Strukturen als schematische Darstellung der Windungen des in der Beschreibung ge-nannten Gewindes ansehen und folgern, dass sich keine dieser Windungen in einer Ebene zur Rundlochmitte hin erstreckt.

Die Druckschrift E1 offenbart also weder das Merkmal "genau eine Rippe", noch das Merkmal, dass diese Rippe sich in einer Ebene erstreckt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist somit neu gegenüber E1.

5. Hauptantrag - Zulassung des Einwands zur erfinderischen Tätigkeit

Ein Einwand zur erfinderischen Tätigkeit von Anspruch 1 des Hauptantrags wurde von der Einsprechenden erstmalig mit dem Schreiben vom 12. Oktober 2022, und damit nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vorge-bracht.

Das Argument der Einsprechenden, erst nach Kenntnis der vorläufigen Einschätzung der Kammer über die gegenüber E1 als neu anzusehenden Merkmale habe der Einwand sub-stantiiert werden können, kann die Kammer nicht akzep-tieren. Die in der Mitteilung vom 19. September 2022 von der Kammer geäußerte vorläufige Meinung basiert ausschließlich auf dem früheren Vorbringen der Betei-ligten und bestätigt die Einschätzung der Einspruchs-abteilung. Die Kammer sieht daher keine außergewöhn-lichen Umstände, die eine Zulassung des Einwands nach Artikel 13(2) VOBK 2020 rechtfertigen würden.

Dass die Einsprechende einen derartigen Einwand in ihrer Beschwerdebegründung bereits angekündigt hat, ist dabei unerheblich, da die bloße Ankündigung eines Einwands noch keinen Vortrag darstellt, der später zulässigerweise konkretisiert werden könnte. Der Einwand stellt daher eine Änderung des Beschwerdevor-bringens dar, über deren Zulassung entschieden werden muss.

Der Einwand zur erfinderischen Tätigkeit wird daher nicht zugelassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrecht erhalten.

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