T 2553/17 () of 18.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T255317.20190118
Datum der Entscheidung: 18 Januar 2019
Aktenzeichen: T 2553/17
Anmeldenummer: 12156911.5
IPC-Klasse: B02C 25/00
B02C 18/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Zerkleinern von Teilen beliebiger Art
Name des Anmelders: HERBOLD MECKESHEIM GMBH
Name des Einsprechenden: STF Maschinen- und Anlagenbau GmbH
Neue HERBOLD Maschinen- und Anlagenbau GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Beweisaufnahme - Augenschein
Beweisaufnahme - nicht entscheidundserheblich
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechenden 1 und 2 sowie die Patentinhaberin haben gegen die Entscheidung, mit der das europäische Patent Nr. 2 468 410 in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde, form- und fristgerecht Beschwerden eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ (mangelnder Neuheit sowie mangelnder erfinderischen Tätigkeit) angegriffen worden.

III. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf die folgenden Dokumente:

D1: US 1 711 464 A;

D2: DE 2 260 688 A;

D3: US 5 601 239 A;

D12: US 4 932 595 A;

D14: DE 38 33 980 C2.

IV. Die verfahrensbestimmenden Anträge der Parteien zu Beginn des Beschwerdeverfahrens gemäß Artikel 12 (1) a) und b) VOBK lauteten:

Die Einsprechenden 1 und 2 beantragten gemeinsam:

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

und

den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 468 410

und

die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

In ihrer Beschwerdebegründung formulierte die Einsprechende 2 ein Beweisangebot durch Inaugenscheinnahme einer Zerkleinerungsvorrichtung zur Frage, ob im Gleichlauf zusammenwirkende Schnecken bei asynchroner Drehung vom zu zerkleinernden Gut zwingend blockiert werden.

Die Patentinhaberin beantragte:

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

und

die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag)

und

die Zurückweisung der Beschwerden beider Einsprechenden (entsprechend Hilfsantrag 1),

oder, hilfsweise,

die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Hilfsanträge 2 bis 7, eingereicht mit Schriftsatz vom 16. März 2018.

V. Mit Bescheid nach Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit.

VI. Die Patentinhaberin reichte mit Schriftsatz vom 14. November 2018 neue Hilfsanträge 8 bis 14 ein.

VII. Die Einsprechende 2 formulierte in ihrem Schriftsatz datiert auf den 8. Januar 2019 Beweisangebote durch Inaugenscheinnahme betreffend die Zerkleinerung von PET-Flaschen durch Hammermühlen.

VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer, wegen deren Einzelheiten auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen wird, fand am 18. Januar 2019 statt.

Die Antragslage zum Ende der mündlichen Verhandlung stellte sich wie folgt dar:

für die Patentinhaberin:

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

und

die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag)

und

die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden 1 und 2 (entsprechend Hilfsantrag 1),

oder, hilfsweise,

die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Hilfsanträge 2 bis 14, wobei die Hilfsanträge 2 bis 7 mit Schriftsatz vom 16. März 2018 und die Hilfsanträge 8 bis 14 mit Schriftsatz vom 14. November 2018 eingereicht wurden,

für die Einsprechenden 1 und 2 gemeinsam:

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

und

den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 468 410

und

die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Die Beweisangebote der Einsprechenden 2 wurden aufrechterhalten.

IX. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Vorrichtung zum Zerkleinern von Kunststoffen, vorzugsweise von Kunststoffhohlkörpern wie zum Beispiel Kunststoffflaschen, mit einer Beschickungseinrichtung (1) und einer Zerkleinerungseinrichtung (2), wobei die Beschickungseinrichtung (1) mindestens eine Fördereinheit (3) und die Zerkleinerungseinrichtung (2) einen werkzeugbestückten Rotor (4) umfasst, der innerhalb eines Gehäuses (5) dreht, wobei die Fördereinheit (3) zumindest im Bereich unmittelbar vor dem Rotor (4) unter einem Winkel im Bereich zwischen 45° und 90° zu der Rotorachse (7) fördert und dass die Fördereinheit (3) als Förderschnecke (11) ausgeführt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass die Drehzahl der Förderschnecke (11) geregelt ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt

(gegenüber dem Hauptantrag hinzugefügte bzw. gestrichene Merkmale wurden von der Kammer, durch Fettschrift, bzw. Fettschrift und Durchstreichung, hervorgehoben):

"Vorrichtung zum Zerkleinern [deleted: von Kunststoffen, vorzugsweise] von Kunststoffhohlkörpern, nämlich PET-Flaschen[deleted: wie zum Beispiel Kunststoffflaschen,]

mit einer Beschickungseinrichtung (1) und einer Zerkleinerungseinrichtung (2),

wobei die Beschickungseinrichtung (1) mindestens eine Fördereinheit (3) umfasst

und die Zerkleinerungseinrichtung (2) als Schneidmühle ausgebildet ist und einen werkzeugbestückten Rotor (4) umfasst, der innerhalb eines Gehäuses (5) dreht,

wobei die Fördereinheit (3) zumindest im Bereich unmittelbar vor dem Rotor (4) unter einem Winkel im Bereich zwischen 45° und 90° zu der Rotorachse (7) fördert

und dass die Fördereinheit (3) als Förderschnecke (11) ausgeführt ist,

dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Förderschnecken (11) vorgesehen sind, dass ein Antrieb (8) für den Rotor (4) und Antriebe (9) für die Förderschnecken (11) angeordnet sind und dass die Drehzahl der Förderschnecken (11) geregelt ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1. Des Weiteren ist im kennzeichnenden Teil konkretisiert,

"dass die Antriebe (8, 9) unabhängig voneinander sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2. Des Weiteren ist im kennzeichnenden Teil konkretisiert, dass "die Drehzahl der Förderschnecken (11) unter Berücksichtigung der Lastaufnahme des Antriebs geregelt ist".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2. Des Weiteren ist im kennzeichnenden Teil konkretisiert, das "die Förderschnecken (11) über eine Reversiersteuerung rückwärts drehbar sind".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4. Des Weiteren ist im kennzeichnenden Teil konkretisiert, dass "die Drehzahl der Förderschnecken (11) unter Berücksichtigung der Lastaufnahme des Antriebs geregelt ist".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2. Des Weiteren ist im kennzeichnenden Teil konkretisiert, dass "die Antriebe (9) der Förderschnecken (11) synchronisiert sind".

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5. Des Weiteren ist wie beim Hilfsantrag 6 im kennzeichnenden Teil konkretisiert, dass die Antriebe (9) der Förderschnecken (11) synchronisiert sind".

Die Ansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen 8 bis 14 entsprechen jeweils den Anspruch 1 der Hilfsanträgen 1 bis 7, mit einer einzigen Änderung, nämlich anstelle von "Antriebe (9) für die Förderschnecken (11) angeordnet sind"

"jeweils ein Antrieb (9) für jede einzelne Förderschnecke (11) angeordnet ist, dass die Förderschnecken (11) parallel und äquidistant zueinander in einer Ebene verlaufen".

X. Die Einsprechenden argumentieren im Wesentlichen wie folgt, wobei der entscheidungserhebliche Vortrag im Detail in den Gründen dieser Entscheidung diskutiert wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei gegenüber D1 nicht neu.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unterscheide sich von der in D1 offenbarten Vorrichtung dadurch,

- dass ein Antrieb für den Rotor und Antriebe für die

Förderschnecken angeordnet sind und

- dass die Zerkleinerungseinrichtung als Schneidmühle

ausgebildet ist.

Es sei keine Wechselwirkung zwischen diesen Merkmale ersichtlich.

Angesichts der Lehre der D12 und/oder des fachmännischen Handelns und Könnens leiste keines dieser Merkmale einen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit.

Es gebe auch keine Wechselwirkung zwischen diesen und den die dem dem Anspruch 1 der weiteren Hilfsanträgen hinzugefügten Merkmalen.

Keines dieser hinzugefügten Merkmale könne, ausgehend von D1, und unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Standes der Technik, insbesondere von D3 und D12, aber auch unter Berücksichtigung von D2 und D14, sowie des Fachwissens einen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.

XI. Nach Ansicht der Patentinhaberin sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber D1 neu, weil dort die Drehzahl der Förderschnecke zwar regulierbar, aber nicht geregelt sei.

Die von der Einsprechenden korrekt identifizierten Unterscheidungsmerkmale des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 seien zusammen und nicht getrennt hinsichtlich deren Beitrags zur erfinderischen Tätigkeit zu diskutieren.

Es gebe keine Veranlassung, die Lehre der D12 mit der der D1 genau so zu kombinieren, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 reproduziert werde.

Die Merkmale, die dem Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 bis 7 und 9 bis 14 hinzugefügt wurden, seien unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Standes der Technik sowie des Fachwissens als nicht naheliegend anzusehen. Soweit in Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 Änderungen vorgenommen worden seien, sei dies im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ erfolgt und sei für die Frage der erfinderischen Tätigkeit ohne Belang (siehe Erklärung der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung, Seite 4 des Sitzungsprotokolls). Ferner seien die im Vergleich zu den ansonsten gleichlautenden Hilfsanträgen 1 bis 7 in den jeweiligen Ansprüchen 1 der Hilfsanträgen 8 bis 14 vorgenommenen Änderungen allein zu dem Zweck erfolgt, die in der vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage seitens der Kammer aufgezeigten Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ auszuräumen. Im Übrigen handele es sich "um rein klarstellende Merkmale, die keinen Einfluss auf die für das Verfahren wesentliche Diskussion der erfinderischen Tätigkeit" hätten (siehe Punkt VI. im Schriftsatz vom 14. November 2018, Seiten 7 und 8, sowie Bestätigung der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung, Seite 4 des Sitzungsprotokolls).

Der entscheidungserhebliche Vortrag der Patentinhaberin wird im Detail in den Gründen dieser Entscheidung diskutiert.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 Die Patentinhaberin begründet die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber D1 nur mit dem Argument, dass D1 keine Regelung offenbare, sondern lediglich, dass die Drehzahl reguliert, d.h. geändert, werden könne (siehe die Beschwerdebegründung Punkt II.2 sowie den Schriftsatz vom 14. November 2018, Punkt I.1).

Unverzichtbar für die Anwesenheit der beanspruchten Regelung sei aber der geschlossene Wirkungsablauf, bei dem eine Regelgröße im Wirkungsweg eines Regelkreises fortlaufend mit einem Sollwert abgeglichen werde. Eine solche Regelung impliziere somit die Anwesenheit von Steuerungskomponenten, die die Drehzahl der Förderschnecke in dieser spezifischen Art und Weise regeln.

1.2 Die Kammer kann sich diesem Argument nicht anschließen, weil der Begriff "geregelt" in Anspruch 1 nicht nur so interpretiert werden kann und sollte, dass ein Vorgang in einem Regelkreis beansprucht wird, bei dem die Drehzahl durch ständige Kontrolle und Korrektur auf einem konstantem Wert gehalten wird.

Dass die Drehzahl der Förderschnecke geregelt ist, bedeutet in dem üblichen Sprachgebrauch, dass diese nach bestimmten Regeln beeinflusst wird.

Gemäß Absatz [15] der Beschreibung des Streitpatents wird die Drehzahl der Förderschnecke durch die Lastaufnahme oder durch sonstige Faktoren beeinflusst, und somit geändert.

Die Kammer sieht somit im vorliegenden Fall keine Grundlage dafür, "geregelt" in Anspruch 1 nur so zu verstehen, dass die beanspruchte Vorrichtung notwendigerweise und zwingend Komponenten enthält, die die Drehzahl durch ständige Kontrolle und Korrektur auf einem Sollwert halten.

D1 offenbart (siehe Seite 3, Zeilen 8 bis 14), dass die Feinheit des zerkleinerten Materials angepasst werden kann.

Diese Justierung wird nicht nur durch Verwendung eines unterschiedlichen Siebes, wie die Patentinhaberin geltend gemacht hat, sondern auch, und nicht zwingend gleichzeitig, durch Änderung der Geschwindigkeit der Beschickungseinrichtung (und/oder der Zerkleinerungseinrichtung) ermöglicht.

Aus der besagten Textstelle der D1 ergibt sich somit die Lehre, dass die Drehzahl der Förderschnecke geregelt ist, weil diese nach bestimmten Regeln beeinflusst wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist somit nicht neu gegenüber D1.

2. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Startpunkt

D1 dient als geeigneter Startpunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit. Dies war zwischen den Parteien im schriftlichen Verfahren unstreitig. Soweit die Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung zunächst die Eignung von D1 als Ausgangspunkt für die die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit in Frage gestellte hatte, hat sie sich nach einem entsprechenden Hinweis seitens des Vorsitzenden auf ihr schriftsätzliches Vorbringen widerspruchslos auf die Wahl von D1 als nächstliegenden Stand der Technik eingelassen und auf dieser Basis die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß den Hilfsantrag 1 umfassend diskutiert.

Die Kammer erachtet bei objektiver Betrachtung D1 jedenfalls als einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Technik.

2.2 Unterscheidungsmerkmale

Bei D1 (siehe die Figuren 1 und 3) bewegt ein gemeinsamer Antrieb ("common driving means", siehe auch Seite 2, Zeilen 104-110) sowohl die Zerkleinerungseinrichtung (11) als auch die Beschickungseinrichtung (12).

D1 offenbart somit nicht, nach Auffassung aller Parteien, dass ein Antrieb für den Rotor und Antriebe für die Förderschnecken angeordnet sind.

Es ist auch unstreitig, dass D1 nicht offenbart, dass die Zerkleinerungseinrichtung als Schneidmühle ausgebildet ist.

2.3 Wirkungen - Aufgabe(n)

2.3.1 Die Patentinhaberin argumentiert, dass die Unterscheidungsmerkmale nicht getrennt, d.h. anhand von Teilaufgaben, hinsichtlich deren Beitrags zur erfinderischen Tätigkeit diskutiert werden könnten.

Grund dafür sei, dass eine Schneidmühle besser für PET Flaschen als eine Hammermühle geeignet sei und dass durch den separaten Antrieb des Rotors sowie der einzelnen Förderschnecken u.a. eine Abstimmung der Drehzahl der Förderschnecken gegenüber der Drehzahl des Rotors ermöglicht werde. Durch diese Wirkungen lösten beide Merkmale somit eine gemeinsame Aufgabe, nämlich die aus D1 bekannte Vorrichtung so zu ändern, dass damit PET Flaschen störungsfrei zerkleinert werden können.

2.3.2 Die Kammer schließt sich dieser Aufgabenformulierung durch die Patentinhaberin nicht an. Grund dafür ist, dass die Patentinhaberin die Anwesenheit einer Wechselwirkung zwischen den Unterscheidungsmerkmalen behauptet hat, und damit begründet, dass jeder Unterschied, und zwar jeder für sich allein, aufgrund seiner Wirkung eine verbesserte Zerkleinerung von PET Flaschen ermöglichte.

Die Kammer vermag eine solche behauptete Wechselwirkung aus den folgenden Gründen nicht zu erkennen.

Gerade weil eine Schneidmühle zum Zerkleinern von PET Flaschen unstreitig gut geeignet ist, lässt sich die Aufgabe, die durch dieses Merkmal allein gelöst wird, dahin definieren, die bekannte Zerkleinerungsvorrichtung mit für das Zerkleinern von Kunststoffhohlkörpern besonders geeigneten Werkzeugen auszustatten (erste Teilaufgabe).

Wenn ein Antrieb für den Rotor und mehrere Antriebe für die mehreren Förderschnecken angeordneten sind, was auch jeweils einen Antrieb für jede einzelne Förderschnecke einschließt, ist es möglich, die Drehzahl dieser Antrieben unhabhängig voneinander zu ändern.

Weil diese Wirkung nichts mit der Frage zu tun hat, ob ein bestimmtes Werkzeug für PET Flaschen geeignet ist oder nicht, können die Unterscheidungsmerkmale keine Wechselwirkung entfalten und sind somit getrennt, d.h. anhand von Teilaufgaben, hinsichtlich deren Beitrags zur erfinderischen Tätigkeit zu diskutieren.

Die Aufgabe, die durch dieses Merkmal allein gelöst wird, lautet somit, die bekannte Zerkleinerungsvorrichtung so zu ändern, dass eine Abstimmung der Drehzahl der Förderschnecken gegenüber der Drehzahl des Rotors möglich wird (zweite Teilaufgabe).

2.4 Diskussion der erfinderischen Tätigkeit

2.4.1 Die Patentinhaberin argumentiert, dass der Fachmann zur Lösung der ersten Teilaufgabe keine Veranlassung habe, die Lehre der D12 in Betracht zu ziehen.

Die Kammer teilt dabei die Auffassung der Einsprechenden, dass der Fachmann auf der Suche nach für das Zerkleinern von Kunststoffhohlkörpern besonders geeigneten Werkzeugen sich der Lehre der D12 bediente, weil diese Schrift eine Zerkleinerungseinrichtung offenbart, die zur Zerkleinerung von Kunststoffhohlkörpern besonders entwickelt wurde.

Diese Zerkleinerungseinrichtung ist mit Messern (33, siehe Spalte 3, Zeilen 10-42) bestückt.

Der Fachmann erkennte die Vorteile der Lehre der D12 und wendete sie ohne praktische Schwierigkeiten auf die Vorrichtung gemäß D1.

Der Fachmann gelangte also dadurch, ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit, zu einer Zerkleinerungseinrichtung die als Schneidmühle ausgebildet ist.

2.4.2 Die Patentinhaberin argumentiert ebenfalls, dass der Fachmann zur Lösung der zweiten Teilaufgabe keine Veranlassung habe, die Lehre der D12 in Betracht zu ziehen.

Die Kammer folgt dieser Argumentationslinie der Patentinhaberin nicht.

D1 lehrt (siehe Seite 3, Zeilen 8-28), dass eine Änderung des Verhältnisses zwischen die Drehzahl des Rotors und die Drehzahlen der Förderschnecken eine Justierung der Mahlgröße ermöglichen.

Diese in D1 erwähnten Vorteile gelten als Veranlassung, nach Möglichkeiten zu suchen, wie und womit das o.g. Verhältnis geändert werden könnte.

Dazu kann sich der Fachmann der Lehre der D12 weiter bedienen, weil bei dieser Vorrichtung ein Antrieb für den Rotor und ein Antrieb für die Beschickungseinrichtung, die aus einer einzelnen Förderschnecke besteht, vorhanden sind.

Dabei erkennte der Fachmann sofort, dass getrennte Antriebe eine Abstimmung der Drehzahl der Förderschnecke gegenüber der Drehzahl des Rotors ermöglichen.

Dazu wendete er diese Antriebskonfiguration ohne praktische Schwierigkeiten auf die Vorrichtung gemäß D1 an, indem er die mehreren Förderschnecken der D1 mit denen nach D12 austauschte, die je einen eigenen Antrieb aufweisen.

Dadurch gelangte er zu einer Vorrichtung, bei der ein Antrieb für den Rotor und jeweils ein Antrieb für jede einzelne Förderschnecke angeordnet ist.

2.4.3 Der Argumentationslinie der Patentinhaberin, dass, wenn der Fachmann sich zur Lösung dieser Aufgabe der Lehre der D12 bediente, er eher zu einer Konfiguration neigte, bei der alle Förderschnecken der D1 mit einem gemeinsamen Antrieb, durch die bereits vorhandene Welle 38, vorgesehen sind, kann sich die Kammer nicht anschließen.

Grund dafür ist, dass in einer solchen Konfiguration der Antrieb der Beschickungseinrichtung der D12, die nur eine einzige Förderschnecke zeigt, nicht anwendbar wäre, weil dieser nicht unbedingt für eine Mehrzahl von Förderschnecken ausgelegt ist.

2.4.4 Der Fachmann gelangte somit, durch die Kombination der Lehren der Schriften D1 und D12 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 (Artikel 56 EPÜ).

3. Hilfsantrag 2

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthält als zusätzliches Unterscheidungsmerkmal, dass "die Antriebe unabhängig voneinander sind".

Wie oben in Bezug auf Hilfsantrag 1 diskutiert, gelangte der Fachmann bei der Kombination der Lehren der D1 und der D12 zu einer Vorrichtung, bei der ein Antrieb für den Rotor und jeweils ein Antrieb für jede einzelne Förderschnecke angeordnet ist.

Die Antriebe wären dabei unbedingt voneinander unabhängig, weil es gerade das Ziel dieser Kombination war, die Drehzahl dieser Antrieben unhabhängig voneinander ändern zu können.

Die Kammer schließt sich somit der während der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung der Patentinhaberin an, dass, ausgehend vom Hilfsantrag 1, die im Hilfsantrag 2 vorgenommenen Änderungen keinen Einfluss auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit haben.

4. Hilfsantrag 3

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 ist auch als nicht erfinderisch anzusehen, und zwar aus den gleichen Gründen, die in Bezug auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 diskutiert wurden. Grund dafür ist, dass keine zusätzlichen Unterscheidungsmerkmale vorhanden sind, weil die Lastaufnahme einer Förderschnecke bekannterweise abhängig von dem zu fördernden Material ist, und D1 offenbart (Seite 3, Zeilen 14-20), dass die Drehzahl der Förderschnecken (und der Zerkleinerungseinrichtung) unter Berücksichtigung des Materials, mithin der Lastaufnahme, zu regeln ist.

Hinsichtlich der obigen Feststellung stellt die Kammer fest, dass eine Diskussion des Vorbringens der Einsprechenden zur Frage der Offenbarung dieses Merkmals durch D2 nicht entscheidungserheblich ist.

5. Hilfsantrag 4

5.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 sieht, im Vergleich mit Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2, zusätzlich vor, dass die Förderschnecken über eine Reversiersteuerung rückwärts drehbar sind.

Es handelt sich dabei unstreitig um ein drittes Unterscheidungsmerkmal. Eine Wechselwirkung mit den weiteren Unterscheidungsmerkmalen wurde von der Patentinhaberin nicht geltend gemacht.

Eine Reversiersteuerung ermöglicht das Rückwärtsdrehen der Förderschnecke und löst Materialstaus (siehe Absatz [17] des Streitpatents).

Weil diese Wirkung weder mit der Zahl der Antriebe der Beschickungseinrichtung, noch mit der Werkzeugform der Zerkleinerungseinrichtung Berührungspunkte hat, löst die Reversiersteuerung die (weitere) getrennte Teilaufgabe, nämlich Materialstaus zu lösen.

Die Kammer teilt insoweit die Auffassung der Einsprechenden, dass zur Lösung dieser Teilaufgabe der Fachmann sich der Lehre der D3 bediente, weil dort explizit gelehrt wird, dass ein Rückwärtsdrehen einer Förderschnecke einen Materialstau löst (siehe dazu D3, Spalte 5, Zeilen 35 bis 38 und Spalte 6, Zeilen 56 bis 63).

Der Fachmann erkennte die Vorteile dieser Lehre und wendete sie ohne praktische Schwierigkeiten auf die Vorrichtung gemäß D1 an.

Der Fachmann gelangte also dadurch, ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit, zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4.

5.2 Die Patentinhaberin macht geltend, dass die Lehre der D3 prinzipiell nicht anwendbar sei, weil dieses Dokument sich auf einem anderen technischen Gebiet befinde.

Die Kammer kann sich daran nicht anschließen, weil die Art und Weise, in der eine Förderschnecke funktioniert, grundsätzlich unhabhängig ist von der Art der Vorrichtung, die durch diese Förderschnecke beschickt ist. Materialstaus treten z.B. nicht nur bei Förderschnecken auf, die als Beschickungseinrichtung einer Zerkleinerungseinrichtung arbeiten.

Der Fachmann hätte somit keinen Grund, sich, um eine Lösung der gestellten Aufgabe zu finden, auf das Gebiet der Zerkleinerungsvorrichtungen einzuschränken.

6. Hilfsantrag 5

Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 enthält im Vergleich mit Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 4, deren Merkmale er kombiniert, keine zusätzlichen Unterscheidungsmerkmale.

Grund dafür ist, dass D1 eine Regelung unter Berücksichtigung der Lastaufnahme des Antriebs der Förderschnecke implizit offenbart (siehe die Diskussion des Hilfsantrags 3).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 ist somit als nicht erfinderisch anzusehen, und zwar aus den gleichen Gründen, die bereits in Bezug auf den Hilfsantrag 4 diskutiert wurden.

7. Hilfsantrag 6

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 enthält sämtliche Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2. Des weiteren ist das Merkmal hinzugekommen, wonach die Antriebe der Förderschnecken synchronisiert sind.

Wie aber durch die Einsprechenden unbestritten dargelegt wurde, sind die Antriebe der Förderschnecken der D1 ebenfalls, und zwar zwingend, synchronisiert, da bei dieser ein Spindelantrieb (worm 38) die Getrieberäder (gear 39) der Förderschnecken zwangsweise synchron antreibe (D1, Seite 2, Zeilen 104 bis 110).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 6 ist somit als nicht erfinderisch anzusehen, und zwar aus den gleichen Gründen, die bereits in Bezug auf den Hilfsantrag 2 diskutiert wurden, weil er keine weiteren Unterscheidungsmerkmale aufweist.

Hinsichtlich der obigen Feststellung stellt die Kammer fest, dass eine Diskussion des Vorbringens der Einsprechenden zur Frage der Synchronisierung der Antriebe in D2 und D14 nicht entscheidungserheblich ist.

8. Hilfsantrag 7

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 enthält die Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 und sieht zusätzlich vor, dass die Antriebe der Förderschnecken synchronisiert sind.

Wie aber oben, im Bezug auf den Hilfsantrag 6 diskutiert wurde, ist dieses Merkmal bereits durch D1 offenbart.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 7 ist somit als nicht erfinderisch anzusehen, und zwar aus den gleichen Gründen, die bereits in Bezug auf den Hilfsantrag 5 diskutiert wurden.

9. Hilfsanträge 8 bis 14

Die Patentinhaberin reichte die Hilfsanträge 8 bis 14 mit der Begründung ein, dass die, ausgehend von den Hilfsanträgen 1 bis 7, dort vorgenommene Änderung von

"Antriebe (9) für die Förderschnecke (11)

angeordnet sind" in

"jeweils ein Antrieb (9) für jede einzelne

Förderschnecke (11) angeordnet ist, dass die

Förderschnecken (11) parallel und äquidistant

zueinander in einer Ebene verlaufen"

im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ erfolgt wären und keinen Einfluss auf die Diskussion der Frage der erfinderischen Tätigkeit hätte.

Die Kammer schließt sich dieser Bewertung vollständig an. Grund dafür ist, dass, wenn der Fachmann die Antriebskonfiguration der D12 auf die Vorrichtung gemäß D1 anwendete, indem er die Förderschnecken der D1 mit denen der D12 austauschte, die einen eigenen Antrieb aufweisen, er automatisch zu einer Vorrichtung mit "jeweils einem Antrieb für jede einzelne Förderschnecke" gelangte, bei der die Förderschnecken parallel und äquidistant zueinander in einer Ebene verlaufen (siehe auch Punkt 2.4.2 oben).

10. Angebotene Beweisaufnahmen

Die oben geführte Diskussion zeigt, dass zur Diskussion der Neuheit die Klärung der Frage der Eignung einer Hammermühle zur Zerkleinerung von PET-Flaschen nicht erforderlich war.

Zur Diskussion der erfinderischen Tätigkeit war ebenfalls keine Auseinandersetzung mit der Frage notwendig, ob im Gleichlauf zusammenwirkende Schnecken bei asynchroner Drehung vom zu zerkleinernden Gut zwingend blockiert werden oder nicht.

Die von der Einsprechenden 2 angebotenen Beweisaufnahmen durch Augenscheineinnahme sind somit nicht entscheidungserheblich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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