European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T242117.20200629 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 Juni 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2421/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06450099.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47K3/022 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Schaffung einer Einstiegsöffnung in bestehende Badewannen | ||||||||
Name des Anmelders: | Marvan, Christoph | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Miracle Management Consulting GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der geänderten Fassung gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass der Gegenstand der Ansprüche in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und dass der Gegenstand der Ansprüche in dieser Fassung erfinderisch sei.
II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2007 vom 4. Oktober 2019 hat die Kammer in Vorbereitung auf eine mündlichen Verhandlung die vorläufige Auffassung geäußert, dass
- der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, und
- der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Hierzu hat die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin nicht mehr Stellung genommen und am 8. Juni 2020 telefonisch angekündigt, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
III. Am 29. Juni 2020 fand dann eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin-Einsprechenden statt.
IV. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Schaffung einer Einstiegsöffnung in bestehende Badewannen (1), wobei in die Badewanne (1) eine Einstiegsöffnung geschnitten wird und in den Hohlraum zwischen Außenverkleidung (3, 4) der Badewanne (1) und Badewannenkörper (2) ein Zwischenmittel (7) eingebracht wird, dadurch gekennzeichnet, daß in den durch das Aufschneiden entstandenen Hohlraum zwischen Badewannenkörper (2) und der Außenverkleidung (3, 4) ein schnellhärtender Schaum als Zwischenmittel (6) eingebracht wird und das Zwischenmittel mit einem Schneidewerkzeug abgeschnitten und somit der rechteckigen Form des Ausschnittes angepaßt wird."
VI. Nachfolgend wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1: US 4 561 160 A
D2: EP 0 261 521 A1
D3: AU 11909 76 A
D4: DE 44 33 670 A
D5: DE 27 46 608 A1
D6: "BAUEN & RENOVIEREN"-FORUM ÜBERSICHT
D7: "DIN-gerechter Einbau von Bade- und Duschwannen", Ausgabe 15/2001 der "IKZ-HAUSTECHNIK", Seite 27ff., https://www.ikz.de/ikz-archiv/2001/15/0115027.php.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin-Einsprechenden lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Anspruch 1 geht über den Inhalt der Anmeldung hinaus, weil er statt des ursprünglich offenbarten ausgehärteten Schaums nunmehr auch nicht ausgehärteten Schaum in Gestalt eines "Zwischenmittels" umfasst.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ausgehend von D1 in Kombination mit Fachwissen oder einem der Dokumente D2 bis D7 nahegelegt, wenn die Aufgabe gelöst werden soll, ein alternatives Verfahren bereitzustellen. Insbesondere D5 regt die Verwendung von PU-Schaum gemäß der erfindungsgemäßen Lösung an.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Da der Fachmann unter dem beanspruchten abzuschneidenden Zwischenmittel keinen unausgehärteten Schaum versteht, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Verwendung des Begriffs "Zwischenmittel" nicht unzulässig erweitert worden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit, weil der Fachmann D1 nicht in technisch sinnvoller oder naheliegender Weise mit einem der Dokumente D2 - D7 kombinieren würde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Schaffen einer Einstiegsöffnung in der (Seiten)Wand einer fest installierten Badewanne.
Ein entsprechender rechteckiger Ausschnitt eines Wandteils wird vorgenommen, und der freigelegte U-förmige Hohlraum zwischen eigentlicher Badewanne (innen) und Stützmauer (außen) wird erfindungsgemäß "rundherum" mit PU-Schaum verfüllt. Der gehärtete Schaum wird sodann entsprechend der rechteckigen Form des Ausschnitts zugeschnitten.
3. Unzulässige Erweiterung
3.1 Im Prüfungsverfahren wurde der Wortlaut des in Anspruch 1 aufgenommenen Absatzes [0017] der Offenlegungsschrift dahingehend geändert, dass der Begriff des "ausgehärteten Schaums" durch den des "Zwischenmittels", also schnellhärtenden Schaums, ersetzt wurde.
3.2 Sowohl die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin, als auch die Einspruchsabteilung in Punkt 13.2.2 der Entscheidung weisen zurecht darauf hin, dass weicher ("unausgehärteter") Schaum nicht wie beansprucht mit einem Schneidewerkzeug abgeschnitten werden kann. Entgegen der diesbezüglichen Argumentation der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin ist dem Fachmann aber bewusst, dass Schaum nicht nur in den beiden Zustandsformen "ausgehärtet" und "unausgehärtet" vorliegen kann, sondern auch in Zwischenformen wie "teilweise ausgehärtet" oder "fast ausgehärtet", in denen der Schaum durchaus schon schneidbar sein kann. Z.B. wird bei für Montageschaum angegebenen Verarbeitungszeiten regelmäßig zwischen "schneidbar" und "vollständig belastbar" oder "ausgehärtet" unterschieden.
Unter dem "Zwischenmittel" in Anspruch 1 ist demnach bei technisch sinnvoller Interpretation schnellhärtender Schaum zu verstehen, der so weit ausgehärtet ist, dass er mit einem Schneidewerkzeug schneidbar ist.
3.3 Hingegen versteht der Fachmann unter dem in Absatz [0017] der Offenlegungsschrift uneingeschränkt als "ausgehärtet" bezeichneten Schaum vollständig ausgehärteten Schaum.
Da der geänderte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag darüber hinaus auch schneidbaren Schaum als eine Vorstufe von vollständig ausgehärtetem Schaum umfasst, geht sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprüngliche Fassung hinaus, Artikel 123(2) EPÜ, wie die Kammer bereits in Abschnitt 1 ihrer Mitteilung vorläufig angenommen hat. Ohne weitere Stellungnahme der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin sieht sich die Kammer nicht veranlasst, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen und bestätigt diese somit.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Unstreitig offenbart D1 als nächsten Stand der Technik ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 (Spalte 1, Zeilen 29 - 52).
Der untere und die seitlichen Abschnitte 38 des freigelegten U-förmigen Hohlraums zwischen einer inneren und einer äußeren Badewannenwand 14, 16 werden nach D1 auf jeweils unterschiedliche, relative aufwendige Weise verschlossen: durch den oberen Teil des Wandausschnitts 28, der gekürzt 28a über dem unteren Hohlraum-Abschnitt wieder eingesetzt wird, und durch für die seitlichen Hohlraum-Abschnitte passend zugeschnittene "studs" 40, die vom oberen Badewannenrand verschraubt werden (Spalte 2, Zeile 61 - Spalte 3, Zeile14, Fig. 3 - 8).
4.2 Als zu lösende Aufgabe kann demnach angesehen werden, ein vereinfachtes und damit kostengünstigeres Verfahren bereitzustellen (Beschwerdeerwiderung, Seite 7 oben), das auch für nicht freitragende, von einer Außenverkleidung oder Stützelementen umgebene Badewannenkörper (siehe Absatz [0009] der Patentschrift) geeignet ist.
4.3 D5 beschreibt bereits Ende der 70er Jahre, dass sich PU Schaum zum Ausfüllen von Zwischenräumen zwischen einem Aufnahmekörper 10 und einem (Badewannen-)Einsatz 14 "vorzüglich eignet" (Brückenabsatz Seiten 10/11). Insbesondere als wenig später PU-Schäume als kostengünstige und einfach zu verarbeitende Montageschäume in Druckgasdosen erhältlich waren, wurden sie vielfach für das Füllen von Hohlräumen zwischen Badewannen-Einsatz und Wannenträger vorgeschlagen (D2: Spalte 3, Zeile 50 - Spalte 4, Zeile 17, Spalte 5, Zeilen 49-56, Fig. 6; D4: Spalte 1, Zeilen 1-36).
4.4 Zur Lösung der oben definierten Aufgabe ist es deshalb naheliegend für einen Sanitärfachmann, die seitlichen Hohlraum-Abschnitte der Badewanne nach D1 mit PU-Schaum statt mit studs zu verfüllen.
Er wird davon auch nicht durch die vermeintliche Gefahr abgehalten, zuviel Schaummasse einzubringen, die sich über das vorhandene Hohlraumvolumen hinaus ausdehnen und strukturelle Schäden verursachen könnte (D6, "Antwort"). Im Gegensatz zu einer Füllung des gesamten Hohlraums zum Zwecke einer Isolierung würden nämlich im vorliegenden Fall nur randseitige Hohlraum-Abschnitte verfüllt, so dass ausreichendes Expansionsvolumen sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Badewanne zur Verfügung stehen sollte.
4.5 Bei konventionellen Badewannen mit einer Stütz- oder Tragkonstruktion für den eigentlichen Badewannenkörper (D2, D4, D5, D7, Seite 6 unten - Seite 7, oben) kann der obere Rand des gekürzten Ausschnitts nicht ohne weiteres wie bei D1 zum Verschließen des unteren Hohlraums genutzt werden. Zum einen ist der Ausschnitt mehrteilig aufgebaut aus Badewannenwand, Trägermaterial (Ziegel, Styropor) und Fliesen und kann deshalb beim Ausschneiden leicht seine strukturelle Integrität einbüßen. Zum anderen ist der obere Teil des Ausschnitts bei einer "schrägen", nach innen geneigten Badewannenwand (wie in D2 - D5) zu schmal, um den unteren Hohlraum zu überdecken und abzuschließen.
Für diese nicht freitragenden, von einer Außenverkleidung oder Stützelementen umgebenen Badewannenkörper und somit zur Lösung der oben definierten Aufgabe besteht für den Fachmann eine naheliegende Alternative darin, statt des ungeeigneten Badewannenausschnitts den bereits für die seitlichen Hohlraum-Abschnitte verwendeten PU-Schaum in analoger Weise auch zum Verfüllen des unteren Hohlraum-Abschnitts einzusetzen.
4.6 Es ist unstrittig, dass nach Einbringen und Aushärten eines PU-Schaums dieser für gewöhnlich abgeschnitten werden muss, um überschüssiges Material zu entfernen und eine plane Abschlussfläche zu erreichen.
Dies ist eine bei Verarbeitung von PU-Schaum generell fachübliche Maßnahme und kann deshalb auch dann keine erfinderische Tätigkeit begründen, wenn die Verarbeitung im Füllen von Hohlräumen an einem Badewannen-Ausschnitt besteht. Zumindest hat weder die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin Gründe für eine abweichende Beurteilung speziell im vorliegenden Fall vorgetragen, noch vermag die Kammer solche zu erkennen.
4.7 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Die Kammer bestätigt somit mangels weiterer Stellungnahme der Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin ihre diesbezüglich in Abschnitt 2 ihrer Mitteilung geäußerte vorläufige Meinung.
5. Die Beschwerde ist begründet, da das geändert aufrechterhaltene Patent nicht den Erfordernissen der Artikel 123(2) und 56 EPÜ hinsichtlich zulässiger Änderungen und erfinderischer Tätigkeit genügt. Gemäß Artikel 101(3)b), 111(1) EPÜ ist es daher zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.