European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T236817.20180611 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Juni 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2368/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11700956.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 8/49 A61Q 5/08 A61K 8/31 A61Q 5/10 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | AUFHELLMITTEL MIT LIPOPHILEM ACYLPYRIDINIUM-KOMPLEX | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Name des Einsprechenden: | L'Oréal | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein) Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 3. August 2017, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 552 393 zurückgewiesen wurde.
II. Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatentes lautet:
"1. Mittel zum Aufhellen von keratinischen Fasern, dadurch gekennzeichnet, dass es in einem kosmetischen Träger
(i) mindestens ein kationisches Acylpyridiniumderivat der Formel (I),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
R1 für eine C1-C6-Alkylgruppe, eine C2-C6-Alkylengruppe, eine C2-C6-Hydroxy-alkylgruppe, eine C1-C6-Alkoxy-C2-C6-alkylgruppe, eine Carboxy-C2-C6-alkylgruppe, eine Aryl-C1-C6-alkylgruppe, eine Heteroaryl-C1-C6-alkylgruppe, eine Arylgruppe oder eine Heteroarylgruppe steht,
R2, R3 und R4 jeweils unabhängig voneinander für Wasserstoff, eine C1-C6-Alkylgruppe, ein Halogenatom oder eine C1-C6-Acylgruppe steht, mit der Massgabe, dass zumindest einer der Reste R2, R3 und R4 für eine C1-C6-Acylgruppe steht,
X**(-) für ein physiologisch verträgliches Anion steht,
(ii) mindestens 5 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Mittels, Paraffinöl
und
(iii) als Oxidationsmittel mindestens Wasserstoffperoxid enthält."
III. Im Einspruchsverfahren war das Patent in seinem gesamten Umfang wegen unzulässiger Änderungen während des Prüfungsverfahrens (Artikel 100 c) EPÜ), sowie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) angegriffen worden.
IV. In der angefochtenen Entscheidung bezog sich die Einspruchsabteilung u.a. auf die Druckschriften
(1) US 5 989 530,
(2) DE 10 2007 047 684 A1 und
(7) WO 2005/055966 A1.
In ihrer Begründung hatte die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand der erteilte Ansprüche keine Änderungen enthalte, die über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus reichten. Damit könne der von der Einsprechenden angeführte Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ nicht durchgreifen. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitpatentes neu und beruhe ausgehend von der Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann die Lehre der Druckschriften (1) oder (7) nicht zur Lösung der technischen Aufgabe herangezogen hätte.
V. Mit ihrer Beschwerdebegründung wiederholte die Beschwerdeführerin ihre während des Einspruchsverfahrens vorgebrachten Einwände in Bezug auf die Unzulässigkeit der Änderungen und die fehlende erfinderische Tätigkeit.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatentes.
VII. Der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wurde die Beschwerdebegründung mit Fristsetzung zugestellt. Sie nahm jedoch keine Stellung zu der Beschwerdebegründung und reichte auch keinen Antrag ein.
VIII. Die Entscheidung der Kammer wurde im schriftlichen Verfahren erlassen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Beschwerdeführerin hatte als einzige hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Da die Kammer jedoch ihrem Hauptantrag, stattgibt (siehe infra), kann im vorliegenden Fall eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.
3. Artikel 100 c) EPÜ
Die Beschwerdeführerin hatte gerügt, dass die erteilten Ansprüche Änderungen enthielten, die über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus gingen, weshalb der Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ durchgreife. Da die Kammer der Auffassung ist, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (siehe Punkt 4, infra), kann eine ausführliche Begründung zur Zulässigkeit der Änderungen dahinstehen.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Anspruch 1 des Streitpatentes betrifft ein Mittel zum Aufhellen von keratinischen Fasern, welches Acylpyridiniumderivate enthält. Ähnliche Mittel werden bereits in Druckschrift (2) offenbart. Sowohl die Beschwerdeführerin, als auch die angefochtene Entscheidung gingen in ihrer Begründung von dieser Druckschrift als nächstliegendem Stand der Technik aus. Daher sieht auch die Kammer keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
4.2 Druckschrift (2) offenbart Mittel zum Aufhellen von keratinischen Fasern mit verbesserter Aufhellleistung, welche gleichzeitig eine verringerte Haarschädigung aufweisen (siehe Paragraph [0009]). Die Mittel enthalten als zwingende Komponenten (i) mindestens ein kationisches Acylpyridiniumderivat, (ii) mindestens eine Imidazolverbindung und (iii) Wasserstoffperoxid (siehe Anspruch 1; Paragraph [13]). In der Beschreibung wird in der Liste weiterer Bestandteile auch Paraffin genannt (Paragraph [0071]; Seite 17, Zeile 53). Als bevorzugte Vertreter der Acylpyridiniumderivate nennt die Druckschrift (2) u.a. 4-Acetyl-1-methylpyridiniumsalze, 4-Acetyl-1-allylpyridiniumsalze, 2-Acetyl-1-methylpyridiniumsalze und 2-Acetyl-1-allylpyridiniumsalze, welche unter die Definition der streitpatentgemäßen Formel I fallen (siehe Anspruch 5; Paragraph [0038]).
4.3 Ausgehend von diesem nächstliegenden Stand der Technik hatte sich die Streitanmeldung als Aufgabe gestellt, Mittel zum Aufhellen bzw. Blondieren von Haaren bereitzustellen, die in ihrer Aufhellleistung den üblichen auf dem Markt befindlichen Mitteln vergleichbar oder überlegen sind, gleichzeitig jedoch eine verringerte Haarschädigung aufweisen (Patentschrift [0005]).
4.4 Als Lösung dieser Aufgabe bietet das Streitpatent das Mittel zum Aufhellen von keratinischen Fasern gemäß Anspruch 1 an, welches mindestens 5 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht des Mittels, Paraffinöl enthält.
4.5 Zum Beleg dafür, dass diese Aufgabe gelöst wurde, verwies die angefochtene Entscheidung auf die Beispiele und Vergleichsbeispiele in der Patentschrift.
4.5.1 In den Beispielen des Streitpatentes werden Mischungen gemäß Anspruch 1 (E4) verglichen mit ansonsten gleichen Mischungen, die jedoch entweder nur Paraffinöl (E2), oder nur ein Acylpyridiniumderivat (E3) enthalten.
4.5.2 Die Beschwerdeführerin hat bemängelt, dass keines der Vergleichsbeispiele eine Imidazolverbindung enthalte, welche im Stand der Technik jedoch zwingend vorhanden sein muss. Folglich seien die Vergleichbeispiele des Streitpatentes nicht dazu geeignet, eine Verbesserung gegenüber der Druckschrift (2) zu belegen.
4.5.3 Vergleichbeispiele, die den nächstliegenden Stand der Technik abbilden sollen, müssen dergestalt sein, dass sie die Lehre des betreffenden Dokumentes widerspiegeln. Da die Anwesenheit mindestens einer Imidazolverbindung ein wesentliches Merkmal der Lehre der Druckschrift (2) darstellt, müssen entsprechende Vergleichsbeispiele auch diese wesentliche Komponente enthalten. Da keine der Aufhellmischungen des Streitpatentes jedoch eine Imidazolverbindung enthält, entspricht keine der im Streitpatent eingesetzten Mischungen dem nächstliegenden Stand der Technik.
4.5.4 Daher ist die Kammer der Auffassung, dass die Beispiele und Vergleichsbeispiele des Streitpatentes keinen fairen Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik darstellen und nicht geeignet sind, eine Verbesserung gegenüber der Druckschrift (2) zu belegen. Folglich gilt die in Paragraph 4.3 supra gestellte technische Aufgabe als nicht gelöst.
4.6 Somit ist die objektive Aufgabe dahingehend umzuformulieren, dass sie lediglich in der Bereitstellung eines alternativen Mittels zum Aufhellen von keratinischen Fasern bestand.
4.7 Es bleibt daher zu untersuchen, ob die in Paragraph 4.4 supra angebotene Lösung im Stand der Technik nahegelegen hat.
4.8 In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin auf die Druckschriften (1) und (7).
4.8.1 Druckschrift (1) offenbart Mittel zum Aufhellen von menschlichem Haar, welche neben einer Peroxidverbindung auch 2.5 bis 25 Gew.-% eines Öls oder eines flüssigen Wachses, beispielsweise eines Paraffinöls enthalten (Ansprüche 1 und 3; Beispiel 1).
4.8.2 Druckschrift (7) offenbart ein oxidatives Haarfärbemittel, welches 0.5 bis 70 Gew.-% eines Öls enthält. Die Liste der einsetzbaren Öle enthält auch Paraffin (Ansprüche 1 und 2; Beispiele 1 bis 3).
4.9 Der Fachmann hätte folglich zur Lösung der in Paragraph 4.6 supra genannten objektiven Aufgabe aus den Druckschriften (1) oder (7) die Anregung erhalten, zur Bereitstellung von alternativen Aufhellungsmitteln auch Paraffinöle in den Mengen gemäß Streitpatent einzusetzen. Er wäre damit zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatentes gelangt, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen.
4.9.1 In der angefochtenen Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung argumentiert, dass der Fachmann die Druckschriften (1) und (7) nicht zur Lösung der technischen Aufgabe herangezogen hätte, da diese Druckschriften zum Ziel hätten, die Staubentwicklung während des Hantierens mit den Bleichmitteln zu senken. Die Zugabe von Paraffinöl zur Verbesserung der Aufhellleistung sei daher von diesen Druckschriften nicht nahegelegt gewesen.
4.9.2 Indessen ist festzustellen, dass die im Streitpatent angegebene technische Aufgabe als nicht gelöst angesehen wurde (siehe Paragraph 4.3 supra). Zur Lösung der im Beschwerdeverfahren festgestellten objektiven Aufgabe (siehe Paragraph 4.6 supra), nämlich der Bereitstellung eines alternativen Mittels zum Bleichen von Haaren, ist der Zweck der Paraffinölzugabe im Stand der Technik nicht von Bedeutung. Ausschlaggebend ist lediglich, ob die Verwendung von Paraffinöl zur Behandlung von keratinischen Fasern im Stand der Technik bekannt war.
4.10 Aus diesen Gründen kommt die Kammer daher zu der Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatentes nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
5. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
6. Das europäische Patent Nr. 2 552 393 wird widerrufen.