European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T231217.20200914 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 14 September 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2312/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 08843316.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08L3/02 C08J5/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | POLYMERES MATERIAL UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | BIOTEC Biologische Naturverpackungen GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Lippert Stachow Patentanwälte Rechtsanwälte | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechende richtet sich gegen die am 24. Juli 2017 zu Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Europäische Patent N° 2 212 378 zurückgewiesen wurde.
II. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung basierte auf den erteilten Ansprüchen. Ansprüche 1 und 30 wie erteilt lauteten wie folgt:
"1. Polymeres Material, erhältlich durch Homogenisieren eines Gemischs enthaltend
- 40 bis 85 Gew.% Stärke und/oder Stärkederivat,
- 15 bis 55 Gew.% Weichmacher und
- 0,01 bis 7 Gew.% eines epoxidgruppenhaltigen Polymers,
unter Zuführen von thermischer und/oder mechanischer
Energie und Einstellen des Wassergehaltes des Gemischs auf kleiner 7 Gew.%".
"30. Verfahren zur Herstellung eines polymeren Materials gemäß einem der vorstehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:
(a) Herstellen eines Gemischs enthaltend
- 40 bis 85 Gew.% Stärke und/oder Stärkederivat,
- 15 bis 55 Gew.% Weichmacher und
- 0,01 bis 7 Gew.% eines epoxidgruppenhaltigen Polymers,
(b) Homogenisieren des Gemischs unter Zuführen von thermischer und/oder mechanischer Energie und
(c) Einstellen des Wassergehaltes des Gemischs
auf kleiner 7 Gew.%".
Folgende Dokumente wurden in der Entscheidung zitiert:
D1: WO2005/017034
D2: US6214907
D4: US6242102
D8: L. Averous, Journal of Macromolecular Science Part C-Polymer Reviews, 2004, C44, No. 3, Seiten 231-274
D13: WO9005161
III. In der angefochtenen Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Gegenstand der Ansprüche 13, 16, 26 und 27 ausreichend offenbart sei. Anspruch 1 sei auch neu gegenüber D2 und D4. D13 und nicht D4 sei der nächstliegende Stand der Technik, weil D13 allein die Herstellung von thermoplastischer Stärke aus Stärke und Weichmacher betreffe und D4 auf die Herstellung von Blends gerichtet sei, die aus thermoplastischer Stärke als Einsatzmaterial und einem Polymer erhältlich seien. Im Streitpatent sei das polymere Material aus nativer Stärke hergestellt. Das polymere Material gemäß Anspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich von den Proben 4a, 4b und 8 der Tabelle II der D13, indem das Gemisch zusätzlich 0.01-7 Gew.-% eines epoxidgruppenhaltigen Polymers enthalte. Es sei in den Beispielen 1-3 des Streitpatents gezeigt, dass die Verwendung von 1 Gew.-% eines epoxidgruppenhaltigen Polymers zur Verbesserung der Zugfestigkeit der hergestellten Stärke führe. Die Aufgabe sei somit die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von thermoplastischer Stärke. Die Lösung dieser Aufgabe sei durch D13, D4 und D1 nicht nahegelegt. Der Gegenstand der Ansprüche des vorliegenden Patents sei somit erfinderisch.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) reichte eine Beschwerdeerwiderung mit den Hilfsanträge 1 bis 7 ein.
VI. Mit Eingaben vom 9. Oktober 2018 und vom 20. Februar 2020 trug die Beschwerdeführerin weitere Argumente vor.
VII. Mit Schreiben vom 18. August 2020 reichte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge A1 bis A6, A1-a, B1 bis B5 und A1-b sowie die Europäische Norm EN 13432 von September 2000 (D19) ein.
VIII. Mit Schreiben vom 1. September 2020 reichte die Beschwerdegegnerin eine Erklärung von Herrn Heß (D20) ein.
IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von Dokumenten
- Gegend die Zulassung von D20 habe die Beschwerdeführerin keinen Einwand.
Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)
Erfinderische Tätigkeit
- D4 sei der nächstliegende Stand der Technik. D4 betreffe die Herstellung von Stärke enthaltenden polymeren Materialien. Darüber hinaus deute die Verwendung eines Phasenvermittlers in D4 darauf hin, dass ein wichtiger Aspekt dieses Dokument die mechanischen Eigenschaften der damit hergestellten Formkörper sei. Somit betreffe D4 die selbe Aufgabe wie das Streitpatent.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht auf die Herstellung von thermoplastischer Stärke begrenzt. Die Anwesenheit eines Polymers wie zum Beispiel ein Polyolefin, nebst Stärke und Weichmacher vor der Homogenisierung der Mischung, wie in der zweiten Ausführungsform des Beispiels 3 der D4 offenbart, sei in Anspruch 1 des Hauptantrags auch nicht ausgeschlossen. Somit sei die Herstellung eines Blends aus thermoplastischer Stärke und Polyolefin auch von Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst und deshalb sei die Offenbarung der D4 relevant.
- Darüber hinaus sei die im Beispiel 1 der D4 hergestellte thermoplastische Stärke (TPS) als Mischung einer amorphen Stärke mit einem Weichmacher zu sehen. Während der Homogenisierung der Stärke mit dem Weichmacher erfolge keine chemische Modifizierung der Stärke, sowie dies aus dem Streitpatent und aus D4 und D13 bekannt sei. Eine amorphe Stärke sei somit als "Stärke oder Stärkederivat" im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags zu sehen, auch weil die Kristallinität in diesem Anspruch nicht eingegrenzt sei. Da Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf native Stärke beschränkt sei, sei die thermoplastische Stärke in der zweiten Ausführungsform des Beispiels 3 der D4 gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags.
- Es könne zusätzlich davon ausgegangen werden, dass bei der Herstellung der TPS chemisch unmodifizierte Stärke in der TPS Mischung übrig bleibe. Die übrig gebliebene Stärke sei somit gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Aus diesem Grund sei auch in der zweiten Ausführung des Beispiels 3 der D4 eine Mischung an Stärke und Weichmacher anwesend. D4 sei demnach hochrelevant.
- Der Phasenvermittler, der in der zweiten Ausführungsform des Beispiels 3 in D4 offenbart sei, sei als Vernetzungsmittel zu sehen und entspreche der Funktion des epoxidgruppenhaltigen Polymers gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags.
- Es sei außerdem in den Ansprüchen 1 und 30 des Hauptantrags nicht festgelegt, wie die Mischung an Stärke, Weichmacher und epoxidgruppenhaltiges Polymer hergestellt sei. Eine Reihenfolge bei der Zugabe der Komponenten sei jedenfalls nicht angegeben und es sei auch nicht gezeigt worden, dass die Herstellungsschritte der Mischung kritisch für das polymere Material seien. Somit sei nicht gezeigt worden, dass die im Anspruch 1 definierten Verfahrensmerkmale sich in strukturellen Merkmalen des Produkts niederschlagen. D4 sei somit als nächstliegender Stand der Technik geeignet.
- D13 sei auch als nächstliegender Stand der Technik geeignet. D13 betreffe die Herstellung von thermoplastisch verarbeitbarer Stärke, wobei nativer Stärke ein Weichmacher beigemischt werde und das Gemisch durch Zuführen von Wärme und mechanischer Energie in Schmelze gebracht sei. Vorgeschlagen sei auch die Zuführung eines Vernetzungsmittels, um die Hydrophilie und damit die Wasserunbeständigkeit der thermoplastisch verarbeitbaren Stärke während und nach deren Verarbeitung zu reduzieren. D13 beschäftige sich deshalb auch mit der Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Stärke enthaltenden polymeren Materialen.
- Die Proben 4a, 4b und 8 der Tabelle II der D13 seien besonders relevant. Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von diesen Proben dadurch, dass das polymere Material durch Zugabe von 0.01-7 Gew.-% eines epoxidgruppenhaltigen Polymers erhalten worden sei.
- Die Vernetzung der Stärke führe zu einer Verminderung der Hydrophilie und der Wasserunbeständigkeit der thermoplastisch verarbeitbaren Stärke. Darüber hinaus führe die Vernetzung zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der hergestellten Polymeren.
- Ausgehend von den Proben 4a, 4b und 8 der Tabelle II der D13 sei als Aufgabe die Herstellung von polymeren Materialien mit verminderter Hydrophilie und verbesserten Wasserbeständigkeit und mechanischen Eigenschaften anzusehen.
- Ein wesentlicher Aspekt der D13 sei die Zugabe von Vernetzungsmitteln zur Stärke, um den hergestellten polymeren Materialien eine Wasserbeständigkeit zu verleihen. Aus der Wasserbeständigkeit ergebe sich eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, wie aus D2 ersichtlich sei. Auf jeden Fall sei die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der hergestellten polymerer Materialien als Bonuseffekt zu sehen.
- Im Hinblick auf die Menge an epoxidgruppenhaltigem Polymer zeige das Streitpatent auch nicht, dass ein Effekt auch für Mengen bis 0,01 Gew.-% zu beobachten sei.
- D13 deute auf die Verwendung von Epoxiden als Vernetzungsmittel zur Lösung der gestellten Aufgabe hin. In D13 seien keine Epoxidpolymere vorgeschlagen. Allerdings sei die Verwendung solcher Verbindungen auch nicht ausgeschlossen.
- D4 sei auf dem selben Gebiet wie D13. Da D13 auch die Herstellung von Blends offenbare, hätte der Fachmann die Lehre von D4 in D13 berücksichtigt. D4 lehre die Verwendung von epoxidgruppenhaltigen Polymeren als Vernetzungsmittel. Die Abbildung 7 zeige, dass 3 Gew.-% Lotader 3318 zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der hergestellten polymeren Materialien führe. Darüber hinaus würde der Fachmann aus der Verwendung von Lotader 3318 als Phasenvermittler entnehmen, dass die Hydrophilie der hergestellten polymeren Materialien vermindert worden sei. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei somit ausgehend von D13 in Kombination mit D4 nicht erfinderisch.
- Die Verwendung von epoxidgruppenhaltigen Polymeren als Vernetzungsmittel wie Joncryl® ADR 4368 sei auch in D1 offenbart. Darüber hinaus lehre D1 eine Menge von 0.1-15 Gew.-% an Vernetzungsmittel und die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei somit auch ausgehend von D13 in Kombination mit D1 nicht erfinderisch.
X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)
Erfinderische Tätigkeit
- D4 sei als nächstliegender Stand der Technik nicht geeignet. In D4 sei die Verwendung von TPS ein wichtiger Aspekt der zweiten Ausführung des Beispiels 3. Allerdings sei TPS kein bloßes physikalisches Gemisch aus Stärke und Weichmacher, sondern eine Zusammensetzung, die Bindungen bzw. Wechselwirkungen zwischen Stärke- und Weichmachereinheiten enthalte. Insbesondere sei thermoplastisch verarbeitbare Stärke nicht durch einfaches Mischen von Stärke mit Weichmacher erhältlich, sondern erfordere zusätzlich das Zuführen von Wärme und/oder mechanischer Energie. Dadurch sei bei der Herstellung von thermoplastisch verarbeitbarer Stärke die Stärke bzw. das Stärkederivat durch den Weichmacher aufgeschlossen, sowie dies aus D2, D13, D14 und D4 selbst ersichtlich sei. Aus diesem Grund unterschieden sich die Gemische aus Beispiele 3 der D4 und gemäß Anspruch 1 des Streitpatents grundsätzlich.
- Durch die in Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Verfahrensschritte und durch die Zusammensetzung des Gemisches sei ein polymeres Material erzielt, das sich durch seine Struktur und Eigenschaften von den bekannten Materialien unterscheide. Insbesondere, bei der erfindungsgemäßen Verfahrensführung reagiere das epoxidgruppenhaltige Polymer aufgrund der eher geringen Verfügbarkeit der OH-Gruppen im Inneren der noch nicht aufgeschlossenen nativen Stärkekörner zu Beginn der Umsetzung vermehrt mit OH-Gruppen an der Oberfläche der Stärkekörner und mit dem Weichmacher, sowie dies durch D8 belegt sei. Erst im Laufe des Homogenisierungsvorgangs werde die native Stärke nach und nach aufgeschlossen, sodass auch OH-Gruppen im Inneren der Stärke für eine Reaktion mit dem epoxidgruppenhaltigen Polymer zur Verfügung stünden. Das so erhaltene Produkt enthalte aufgrund der hohen Reaktivität des epoxidgruppenhaltigen Polymers daher Bereiche mit hoher Vernetzungsdichte und Bereiche mit niedriger Vernetzungsdichte, d.h. die erfindungsgemäße Verfahrensweise führe zu einem inhomogen vernetzten Produkt. In D2 und D4 stehe die schon aufgeschlossene Stärke als TPS bereits bei der Homogenisierung für eine Reaktion mit dem Vernetzungsmittel zur Verfügung. Die unterschiedlichen Ausgangsmaterialien, TPS in D2 und D4 und Stärke und Weichmacher in Anspruch 1 führten zwangsläufig zu unterschiedlichen Erzeugnissen bei der Reaktion mit dem Vernetzungsmittel. Es sei in D2 auch gezeigt, dass das erhaltene polymer Material ein System mit zweiphasiger Morphologie sei, wobei die diskreten TPS Teilchen von der kontinuierlichen hydrophoben Polymerphase völlig umgeben seien. Nach der Lehre der D2 sei die erhaltene Dispersionsmorphologie nur erzielt worden, wenn die Dispersion in D2 durch Homogenisierung eines Gemisches aus vorab hergestellter TPS und hydrophobem Polymer in Anwesenheit eines Phasenvermittlers hergestellt sei. Es sei aus der D2 ersichtlich, dass die Hydroxygruppen der TPS nicht durch den Phasenvermittler vernetzt seien, sondern dass der Phasenvermittler an der TPS Teilchenoberfläche bleibe. Das Erzeugnis des erfindungsgemäßen Verfahrens - das Produkt des Product-by-Process Anspruchs - weise somit eine unterschiedliche Struktur sowie unterschiedliche Eigenschaften auf, im Vergleich zum Erzeugnis der D2 bzw. der D4. In diesen Dokumenten sei deshalb ein Phasenvermittler verwendet worden, um die Kompatibilität des zweiphasigen Systems zu gewährleisten. Dies sei im Streitpatent nicht der Fall. Aus diesem Grund sei D4 nicht ein geeigneter nächstliegende Stand der Technik.
- D13 sei der nächstliegende Stand der Technik. Die Aufgabe der D13 sei die mechanischen Eigenschaften und Verarbeitbarkeit von thermoplastischer Stärke zu verbessern. Diese Aufgabe sei gemäß D13 durch ein Verfahren zur Herstellung thermoplastisch verarbeitbarer Stärke durch Beimischen eines Zuschlagstoffs zu im Wesentlichen nativer Stärke gelöst. Die Beispiele 4a, 4b und 8 der Tabelle II der D13 seien in diesem Zusammenhang besonders relevant.
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich von den in Tabelle II der D13 offenbarten thermoplastischen Stärken 4a, 4b und 8 zumindest dadurch, dass ein epoxidgruppenhaltiges Polymer in einer Menge von 0,01 bis 7 Gew.-% eingesetzt sei.
- Diese Unterschiede resultierten in einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften des hergestellten stärkehaltigen polymeren Materials im Vergleich zu einer thermoplastisch verarbeitbaren Stärke, die ohne Zugabe eines epoxidgruppenhaltigen Polymers hergestellt worden sei. Dieser Effekt sei durch die Beispiele sowie die Figuren 1 und 2 des Streitpatents bestätigt.
- Ausgehend von D13 als nächstliegender Stand der Technik bestehe die Aufgabe darin, eine thermoplastisch verarbeitbare Stärke als solche, die neben der thermoplastischen Stärke keine weiteren thermoplastischen Polymere enthalte, mit verbesserten mechanischen Eigenschaften bereitzustellen.
- Ein Fachmann, der, ausgehend von D13, die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe lösen wolle, würde aus D13 keinen Hinweis erhalten, ein epoxidgruppenhaltiges Polymer in einer Menge von 0,01 bis 7 Gew.-% einzusetzen. Erstens offenbare D13 keine konkrete Ausführungsform, in der ein Vernetzungsmittel eingesetzt sei. D13 enthalte ferner keine Mengenangabe für eine Vernetzungsmittel. Aus D13 sei auch nirgends zu entnehmen, dass die Zugabe eines Epoxids zur thermoplastischen Stärke zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der thermoplastischen Stärke führe. D13 lehre lediglich, dass die Zugfestigkeit und die Reißfestigkeit durch eine ausreichende Homogenität der Schmelze und somit durch die Prozessparameter geregelt seien. Einen möglichen Effekt auf die Zugfestigkeit oder die Reißfestigkeit oder sogar die Homogenität durch Zugabe eines Vernetzungsmittels oder irgendeines anderen Additivs erwähne die D13 nicht.
- Der Fachmann, ausgehend von der Lehre der D13, hätte nicht die Lehre der D4 oder der D1 hinzugezogen. Die Lehren der D1 bzw. der D4 seien mit der Lehre der D13 nicht kompatibel. D13 betreffe thermoplastisch verarbeitbare Stärke sowie deren Herstellung. D4 und D1 dagegen betreffen Polymerblends aus TPS (D4) bzw. Stärke (D1) mit weiteren, insbesondere synthetischen Polymeren, wobei Aufgabe und Lösung der D4 bzw. der D1 in der Kombination des weiteren Polymers mit TPS (in D4) bzw. Stärke (in D1) und einem Phasenvermittler bestünden. Die Wahl des Phasenvermittlers in D4 und D1 hänge von dessen Fähigkeit ab, eine in D1 bzw. D4 entstehende Dispersion zu stabilisieren. Eine Kombination der Lehre der D13 mit der Lehre der D1 bzw. der D4 würde und könnte nicht zur erfindungsgemäßen Lösung führen. Der Fachmann erhalte auch aus den Druckschriften D1 und D4 keinen weitergehenden Hinweis darauf, dass epoxidgruppenhaltige Polymere sich vorteilhaft auf die mechanischen Eigenschaften von thermoplastischer Stärke auswirkten. Vielmehr seien sowohl in D1 als auch in D4 epoxidgruppenhaltige Polymere neben vielen weiteren Substanzen lediglich als Phasenvermittler in einem Polymerblend vorgeschlagen.
- Im Streitpatent bewirke das epoxidgruppenhaltige Polymer eine intra- sowie intermolekulare Vernetzung der Stärke sowie gegebenenfalls des Weichmachers. Diese streitpatentgemäße Vernetzung, die in keinerlei Entgegenhaltung offenbart sei, trage maßgeblich zur Lösung der Aufgabe der Erfindung bei. Somit beruhe der streitpatentgemäße Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D13.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Weiterhin beantragte sie, die mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 18. August 2020 eingereichten Hilfsanträge nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag, Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt) oder die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der Hilfsanträge A1 bis A6, A1-a, B1 bis B5, A1-b, sämtliche Anträge eingereicht mit Schreiben vom 18 August 2020, oder auf Basis der Hilfsanträge 1 bis 7, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung. Sie beantragte weiterhin, die Dokumente D19 und D20 in das Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung von Dokumenten
1.1 Das Dokument D20, eine Erklärung von Herrn Heß zu den in den Punkten 6.11 und 7 der vorläufigen Meinung der Kammer aufgeworfenen Punkten betreffend die erfinderische Tätigkeit und die Änderungen in den Hilfsanträgen, wurde von der Beschwerdegegnerin mit ihrer Eingabe vom 1. September 2020 eingereicht.
1.2 D20 wurde von der Beschwerdegegnerin eingereicht, um Fragen zu adressieren, die von der Kammer zum ersten Mal in ihrem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK aufgeworfen wurden. Die Beschwerdeführerin hatte keinen Einwand gegen die Zulassung dieses Dokuments in das Verfahren. Die Kammer sieht auch keinen Grund, D20 nicht ins Verfahren zuzulassen, da die Einreichung von D20 durch den Bescheid der Kammer verursacht wurde.
1.3 D19 wurde im Zusammenhang mit der Diskussion der Änderungen im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 zitiert, insbesondere im Hinblick auf die biologische Abbaubarkeit des polymeren Materials. D19 ist für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Eine Entscheidung über dessen Zulassung ist somit nicht notwendig.
Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Das Streitpatent betrifft ein stärkehaltiges polymeres Material, ein Verfahren zu dessen Herstellung sowie aus dem Material hergestellte Formteile, Folien und/oder Fasern (Absatz 1). Die Polymermaterialien werden erhalten durch Homogenisieren eines Gemisches enthaltend Stärke und/oder Stärkederivate, einen Weichmacher und ein epoxidgruppenhaltiges Polymer unter Zuführen von thermischer und/oder mechanischer Energie und Einstellen des Wassergehaltes des Gemisches auf kleiner 7 Gew.-% (Anspruch 1). Insbesondere lag dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, die mechanischen Eigenschaften und insbesondere die Zugfestigkeit und die Reißdehnung von stärkehaltigen Materialien sowie der daraus hergestellten Produkte (z.B. Formteile, Folien und/oder Fasern) zu verbessern (Absatz 9).
2.2 In Bezug auf die Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik im Beschwerdeverfahren wurden sowohl D13, der als nächstliegender Stand der Technik in der strittigen Entscheidung angesehen wurde, als auch D4 in Betracht gezogen. Obwohl die Eignung von D4 als nächstliegender Stand der Technik bestritten wurde, waren sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin einig, dass D13 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden konnte. Da in der strittigen Entscheidung der Einspruchsabteilung D13 und nicht D4 als nächstliegender Stand der Technik angesehen wurde, erscheint es sinnvoll die erfinderische Tätigkeit erst ausgehend von D13 zu behandeln.
2.3 D13 betrifft thermoplastisch verarbeitbare Stärke sowie deren Herstellung aus einer Mischung nativer Stärke mit einem Zuschlagstoff durch Mischen unter Zuführen von Wärme, bis die erhaltene Schmelze nahezu homogen wird (Seite 5, dritter Absatz). D13 offenbart auch die Herstellung von Formkörpern, Extrudaten und Folien (Erster Absatz, Seite 1) aus diesen thermoplastischen verarbeitbaren Stärke erhalten. Auf dieser Basis ist die Kammer mit den Parteien einig, dass D13 als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden kann.
2.4 In D13 wurden die Proben 4a, 4b und 8, in der Tabelle II als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderische Tätigkeit gesehen. Diese Proben wurden durch Homogenisierung eines Gemisches aus Kartoffelstärke und 15% eines Zuschlagstoffes, was einer Menge von 30 Gew.-% Zuschlagstoff relativ zur Gesamtmenge von Kartoffelstärke plus Zuschlagstoff entspricht, erhalten (Seite 15, letzter Absatz bis Seite 17, vierter Absatz und A-Wert von 0,3 in der Tabelle II).
2.5 Der Zuschlagstoff, der in diesen Proben verwendet wurde, ist in den Proben und in der Tabelle II nicht benannt. Allerdings kann der Zuschlagstoff gemäß erstem Absatz auf Seite 14 der D13 nur einer von DMSO, Glycerin, Aethylenglycol, Propylenglycol und Butylenglycol sein, die als Weichmacher gemäß Absatz 14 des Streitpatents bezeichnet werden. Daraus schließt die Kammer, dass alle Proben 4a, 4b und 8 einen Weichmacher in einer Menge gemäß dem Bereich im Anspruch 1 enthalten.
2.6 Der Wassergehalt der Proben 4a, 4b und 8 ist in D13 auch nicht angegeben. Der zweite Absatz auf Seite 13 der D13 offenbart, dass der an sich in der Starke naturgemäß vorhandene Gehalt an Wasser von ca. 17% entfernt werden muss, einerseits durch Zusetzen von Zuschlagstoffen, insbesondere beim Aufschmelzvorgang und beim Mischen, und anderseits durch die üblichen Trocknungsmethoden. In der Diskussion der Tabelle II auf Seiten 16 bis 20 ist allerdings nicht weiter ausgeführt, ob der Wassergehalt der Stärke P3 und P4, die in den Proben 4a, 4b und 8 verwendet wurde, kleiner 7 Gew.-% betrug. Die Diskussion der Proben der Tabelle II erwähnt keine Trocknungsmethode und der Wassergehalt der Kartoffelstärke P3 und P4, die auf Seite 16 auch offenbart sind, ist auch nicht weiter angegeben. Diese Stärken werden zwar einem Zuschlagstoff beigemischt, aber die Anwesenheit eines Zuschlagstoffes allein führt nicht zwangsläufig zur einem Wassergehalt der Stärke kleiner 7 Gew.-%. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Wassergehalt des polymeren Materials hauptsächlich dem Wassergehalt der Stärke entspricht, kann aus der Beschreibung der Proben 4a, 4b und 8 in D13 nicht geschlossen werden, dass das polymere Material in D13, einen Wassergehalt kleiner 7 Gew.-% aufweist.
2.7 Die Proben 4a, 4b und 8 enthalten auch kein epoxidgruppenhaltiges Polymer.
2.8 In Bezug auf die Unterschiede zwischen Polymermaterialien gemäß Anspruch 1 des Streitpatents und den Polymermaterialien gemäß D13 offenbart das Streitpatent:
- dass bei den angegebenen Wassergehalten ein verbessertes Fließverhalten des Materials im Extruder sowie eine verringerte Mikrobläschenbildung erzielt werden kann (Absatz 25);
- dass die Gegenwart von epoxidgruppenhaltigen Polymeren als Additiv bei der Herstellung von stärkehaltigen polymeren Materialien zu einer wesentlichen Verbesserung der mechanischen Eigenschaften des Materials, insbesondere dessen Zugfestigkeit und Reißdehnung, führt (Absatz 8).
2.9 In diesem Sinne muss festgestellt werden, ob das Streitpatent einen Nachweis für diese Effekte enthält.
2.9.1 Dazu enthält das Streitpatent drei Beispiele, die sich mit der Herstellung von polymeren Materialien befassen. Beispiel 1 zeigt die Herstellung von glycidylhaltiger thermoplastischer Stärke aus Kartoffelstärke, Glycerin, Sorbitol und epoxidgruppenhaltigem Copolymer auf Basis von Styrol-Methylmethacrylat-Glycidylmethacrylat unter Zuführen von thermischer und/oder mechanischer Energie in einem Extruder in einem Temperaturbereich von 130°C bis 160°C. Der Wassergehalt des Gemischs lag dann zwischen 2 und 4 Gew.-%. Das erhaltene Granulat wurde in einen Einwellenextruder gegeben, bei 155°C aufgeschmolzen und über eine Breitschlitzdüse zur Flachfolie ausgefahren und abgezogen. Das polymere Material gemäß Beispiel 1 ist somit gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags.
2.9.2 Im Beispiel 1 ist allerdings weder das Fließverhalten des Materials im Extruder noch die Mikrobläschenbildung erwähnt. Die Beispiele 2 und 3 zeigen auch die Herstellung von ähnlichen Materialien und Folien, aber auch in diesen Beispielen sind das Fließverhalten des Materials im Extruder, die Mikrobläschenbildung und der Einfluss des Wassergehalts des Gemisches auf die Eigenschaften der polymeren Materialien nicht offenbart. Das Streitpatent enthält somit keinen Beleg für einen Effekt, der kausal von der Auswahl des Wassergehalts gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags verursacht wird. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern können angebliche Vorteile, auf die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik sich die Patentinhaberin beruft, die aber nicht hinreichend belegt sind, bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, Neunte Auflage, Juli 2019, I.D.4.2). Weder das Fließverhalten des Materials im Extruder, noch die Mikrobläschenbildung sind somit für die Formulierung der Aufgabe relevant. In dieser Hinsicht ist auch zu erwähnen, dass die Beschwerdegegnerin nicht verteidigt hat, dass eine erfinderische Tätigkeit aufgrund des Wassergehaltes anzuerkennen ist.
2.9.3 In Bezug auf die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der hergestellten polymeren Materialien wurde das Beispiel 2 des Streitpatents von der Beschwerdegegnerin für relevant gehalten. Das polymere Material, eine thermoplastische Stärke (TPS), wurde in diesem Beispiel aus nativer Kartoffelstärke (70 Gew.-%), Glycerin (23,5 Gew.-%), Sorbitol (5,5 bis 6,5 Gew.-%) und epoxidgruppenhaltigem Copolymer auf Basis von Styrol-Methylmethacrylat-Glycidylmethacrylat als Glycidyl-Additiv gemäß der in Beispiel 1 beschriebenen Verfahrensweise hergestellt. Der Mengenanteil des Glycidyl-Additivs wurde dabei auf Kosten des Sorbitols auf 0 Gew.-%, 0,5 Gew.-% und 1 Gew.-% variiert und dadurch wurden drei Rezepturvariante hergestellt.
2.9.4 Der Einfluss des Glycidyl-Additivs auf die mechanischen Eigenschaften von Folien aus thermoplastischer Stärke wurde aufgezeichnet. Die Figur 1 des Streitpatents zeigt die Zugfestigkeit und die Reißdehnung von Folien, die aus den verschiedenen Rezepturvarianten gemessen wurden. Die Figur zeigt, dass durch die Zugabe von 0,5 Gew.-% epoxidgruppenhaltigem Polymer bei der Herstellung von thermoplastischer Stärke, in Abwesenheit weiterer thermoplastischer Polymere, mehr als eine Verdopplung der Zugfestigkeit erzielt werden kann. Durch Zugabe von 1 Gew.-% epoxidgruppenhaltigem Polymer bei der Herstellung der thermoplastischen Stärke lässt sich die Zugfestigkeit sogar mehr als vervierfachen. Diese Verbesserung der Zugfestigkeit wurde bereits mit sehr geringen Mengen des epoxidgruppenhaltigen Polymers, von 1 Gew.-% oder weniger, erzielt.
2.9.5 Da in Beispiel 2 des Streitpatents die Menge der Epoxidkomponente zu Lasten des Weichmachers (Sorbitol) variiert wurde, stellte sich die Frage, ob dieses Beispiel einen Effekt zeigen würde, der allein auf die Menge der Epoxidkomponente zurückzuführen werden könnte (Bescheid der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK, Punkt 6.11).
2.9.6 Erstens hat die Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang gezeigt, dass die Gesamtmenge an Weichmacher in Beispiel 2 des Streitpatents 30 Gew.-% beträgt (23,5 Gew.% Glycerol und 6,5 Gew.% Sorbitol), sodass die Variation des Weichmacheranteils, wie sie in Beispiel 2 des Streitpatents vorgenommen wurde, die maximal 1 Gew.-% beträgt, geringfügig war (zwischen 29 und 30 Gew.-%).
2.9.7 Es wurde auch durch D20 glaubhaft gemacht (zweite Seite, Punkte 4 bis 6), dass eine so geringfügige Variation des Weichmacheranteils einen vernachlässigbaren Effekt auf die Zugfestigkeit und Reißdehnung haben würde, insbesondere weil der Weichmacher lediglich physikalisch wirkt, während der Beitrag des glycidylhaltigen Polymers hingegen substantieller wäre, weil es auf der Bildung neuer chemischer Bindungen kovalenter Art beruht. Somit wurde von der Beschwerdegegnerin glaubhaft gemacht, dass die Verbesserung der Zugfestigkeit und Reißdehnung, die in der Figur 1 des Streitpatents gezeigt wurde, alleine auf die Menge des epoxidgruppenhaltigen Polymers zurückzuführen ist. Darüber hinaus ist der Effekt, der in Figur 1 des Streitpatents gezeigt wird so signifikant, bei 0,5 Gew.-% wird die Zugfestigkeit mehr als verdoppelt und die Reißdehnung nimmt stark ab, dass er, in Ermangelung gegenteiliger Beweise oder einer schlüssigen Erklärung, warum dieser Effekt nicht auftreten würde, für Mengen an epoxidgruppenhaltigem Polymer ab 0,01 Gew.-% glaubhaft ist.
2.10 Die Aufgabe ist somit ein polymere Material bereitzustellen, das eine verbesserte Zugfestigkeit und Reißdehnung aufweist.
2.11 Es bleibt zu klären, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand kommt, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen. In diesem Zusammenhang wurden die Dokumente D13, D1 und D4 von der Beschwerdeführerin für relevant gehalten.
2.12 D13 lehrt, dass die Zugabe eines Vernetzungsmittels zu der Mischung von Stärke und Zuschlagstoff die Wasserbeständigkeit der davon hergestellten Formkörper und Extrudate verbessern würde (dritter Absatz, Seite 10 und zweiter Absatz, Seite 25). Es wurde auch von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass D2 (Spalte 1, Zeilen 64-66) mit Bezug auf D13 die Wasserbeständigkeit als eine mechanische Eigenschaft definiert, sodass D2 auf die Zugabe eines Vernetzungsmittels zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften hinweisen würde. Die Kammer teilt diese Interpretation der Beschwerdeführerin allerdings nicht, denn die Erwähnung der Wasserbeständigkeit in der Spalte 1, Zeilen 64 bis 66 der D2 drückt lediglich aus, dass obwohl die Wasserbeständigkeit der in D13 offenbarten polymeren Materialien verbessert wurde und diese Eigenschaft, zusätzlich zu den mechanischen Eigenschaften, noch ungenügend für die ausgewählten Anwendungen wäre. Somit definiert D2 die Wasserbeständigkeit der polymeren Materialien gemäß D13 nicht als eine mechanische Eigenschaft. Eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften (Zugfestigkeit oder Reißfestigkeit) der Formkörper wird zwar in D13 erwähnt, allerdings nur durch die Homogenisierung der Mischung, "wenn das Wasser in der Einzugszone des Schneckenkolbens nicht durch Warme als Wasserdampf aus der Starke ausgetrieben wird, sondern entlang der ganzen Kolbenlange in der Starke verbleibt" (zweiter Absatz, Seite 2; zweiter Absatz, Seite 15 und dritter Absatz, Seite 22). Im Hinblick auf diese Lehre würde ein Fachmann, um die mechanischen Eigenschaften eines Formkörpers gemäß D13 zu verbessern, die Homogenisierung der Mischung und nicht die Zugabe eines Vernetzungsmittels in Betracht ziehen.
2.13 Darüber hinaus enthält D13 keinen Hinweis auf die relative Menge an Vernetzungsmittel, Stärke und Zuschlagstoff im Gemisch. Dazu offenbart die Textstelle im letzten Absatz auf Seite 25 der D13, dass die Wahl und die Zusetzung des Vernetzungsmittels vom Zuschlagstoff und dessen Menge zur Stärke und von der Temperatur und Verweilzeit im Extruder abhängen. Eine ausführlichere Lehre in Bezug auf die Auswahl einer Epoxidverbindung als Vernetzungsmittel und die Wahl der Extrusionsbedingungen ist in D13 nicht enthalten. Somit kann aus D13 nicht geschlossen werden, dass ein Fachmann, konfrontiert mit der oben definierten Aufgabe, eine Epoxidverbindung als Vernetzungsmittel zum Gemisch der Proben 4a, 4b und 8, die als Ausgangspunkte für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgewählt wurden, zugeben würde, und ein polymere Material gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags erhalten würde.
2.14 D1 wurde auch als Kombinationsdokument zu D13 erwähnt. D1 betrifft biologisch abbaubare Polyestermischungen (Anspruch 1) aus Polyester (Komponente i), nachwachsenden Rohstoff (Komponente ii), wie zum Beispiel Stärke (dritter Absatz, Seite 13), und Verbindungen, die zur Ausbildung kovalenter Bindungen sowohl mit Komponente i als auch mit Komponente ii befähigt sind (Komponente iii). Auf Seite 14, zweitem Absatz werden als Komponente iii zwar oligomere oder polymere epoxidierte Verbindungen erwähnt, allerdings wird in D1 nicht offenbart, dass diese Verbindungen spezifisch zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der hergestellten Formkörper und insbesondere dessen Zugfestigkeit und Reißdehnung eingesetzt werden. Aus diesem Grund liefert D1 keinen Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgabe.
2.15 D4 wurde sowohl als Kombinationsdokument zu D13 als auch als nächstliegender Stand der Technik zitiert. D4 bezieht sich auf ein- oder mehrschichtige Folien mit wesentlich reduzierter Gasdurchlässigkeit und ein Verfahren zur Herstellung ein- oder mehrschichtiger Folien, Polymermischungen bestehend aus einem Polyolefin und Stärke sowie deren Herstellungsverfahren sowie einen Formkörper, der aus dieser Polymermischungen besteht (Spalte 1, Zeilen 15-23).
2.16 Es ist korrekt, wie von der Beschwerdeführerin aufgeführt, dass die Anwesenheit von Polyolefin von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht ausgeschlossen ist und dass auch die thermoplastische Stärke, die im Beispiel 1 von D4 erzeugt wird und in der zweiten Ausführungsform des Beispiels 3 der D4 eingesetzt wurde, eventuell unmodifizierte Stärke noch enthalten könnte. Diese Feststellungen aber sind an sich bei der Relevanz von D4 als Kombinationsdokument und als nächstliegender Stand der Technik nicht wesentlich. Dabei gilt es vielmehr zu ermitteln, ob die Ziele des Streitpatents und der D4, und insbesondere deren polymeren Materialien ähnlich sind.
2.17 D4 betrifft insbesondere den Einsatz eines Phasenvermittlers, um zwei miteinander nicht mischbare Komponenten aus hydrophiler TPS bzw. Stärke und synthetischem Polymer in einem zweiphasigen System zu kombinieren (Spalte 2, Zeilen 37-43).
2.18 Somit wird in D4 der Phasenvermittler nur im Zusammenhang mit der zwangsläufigen Anwesenheit eines synthetischen Polymers offenbart (Spalte 4, Zeilen 47-54). Ferner beschränkt sich aufgrund des Verfahrens der D4 die Wirkung des Phasenvermittlers auf die Oberfläche der TPS- bzw. Stärkepartikel in einer zweiphasigen Morphologie, wobei die diskreten TPS Teilchen von der kontinuierlichen hydrophoben Polymerphase völlig umgeben sind, wie dies im ähnlichen Verfahren gemäß D2 (Spalte 12, Zeilen 8-26, Figur 2 und Spalte 5, Zeilen 45-55) und durch D8 (Sektion 4.2.2, Seite 257) beschrieben ist.
2.19 In Anspruch 1 des Streitpatents hingegen legt der definierte Verfahrensschritt zur Herstellung des beanspruchten polymeren Materials fest, dass die Stärke und/oder Stärkederivat, der Weichmacher und das epoxidgruppenhaltige Polymer gleichzeitig als Gemisch vorliegen müssen, ehe die Homogenisierung unter Zuführen von thermischer und/oder mechanischer Energie stattfindet. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das epoxidgruppenhaltige Polymer durch den in Anspruch 1 des Streitpatents definierten Verfahrenschritt eine intra- sowie intermolekulare Vernetzung der Stärke sowie gegebenenfalls des Weichmachers bewirkt (Absatz 33). Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang mit Bezug auf D8 (Sektion 3.2, Seite 247 und Figur 8, Seite 248) glaubhaft gemacht, dass bei der Verfahrensführung gemäß Streitpatent das epoxidgruppenhaltige Polymer aufgrund der eher geringen Verfügbarkeit der OH-Gruppen im Inneren der noch nicht aufgeschlossenen nativen Stärkekörner zu Beginn der Umsetzung vermehrt mit OH-Gruppen an der Oberfläche der Stärkekörner und mit dem Weichmacher reagiert. Erst im Laufe des Homogenisierungsvorgangs ist die native Stärke nach und nach aufgeschlossen und auch OH-Gruppen im Inneren der Stärke stehen für eine Reaktion mit dem epoxidgruppenhaltigen Polymer zur Verfügung. Das so erhaltene Produkt enthält aufgrund der hohen Reaktivität des epoxidgruppenhaltigen Polymers daher Bereiche mit hoher Vernetzungsdichte und Bereiche mit niedriger Vernetzungsdichte, d.h. die erfindungsgemäße Verfahrensweise führt zu einem inhomogen vernetzten Produkt, der sich grundsätzlich vom Produkt gemäß D4, in dem der Phasenvermittler nur an der Grenze der zwei Phasen zu finden ist, unterscheidet.
2.20 Die Kammer sieht es folglich für erwiesen an, dass die polymere Materialien gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sich derart von den polymeren Blends gemäß D4 unterscheiden, dass die Ziele des Streitpatents und der D4 sich auch grundsätzlich unterscheiden. Aus diesem Grund kann D4 als Kombinationsdokument mit D13 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen. Aus dem selben Grund findet die Kammer ferner, dass D4 und damit auch die zweite Ausführungsform dessen Beispiel 3, nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden kann.
2.21 Somit kann die Kammer auf der Basis der Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht zum Schluss kommen, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik ergibt. Daher ist eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ für den Anspruch 1 des Hauptantrags anzuerkennen. Anspruch 30 des Hauptantrags betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines polymeren Materials gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Beschwerdeführerin hat in Bezug auf den Anspruch 30 des Hauptantrags keine zusätzlichen Argumente (im Vergleich zum erteilten Anspruch 1) vorgebracht. Da die gleiche Argumentation wie für den Anspruch 1 gilt (in Bezug sowohl auf den nächstliegenden Stand der Technik, die Unterscheidungsmerkmale und die tatsächlich gelöste Aufgabe), gelangt die Kammer in Bezug auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 30 zu der gleichen Schlussfolgerung wie für den Anspruch 1, der somit ebenso auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.