T 2265/17 () of 19.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T226517.20201019
Datum der Entscheidung: 19 October 2020
Aktenzeichen: T 2265/17
Anmeldenummer: 12194949.9
IPC-Klasse: B60R1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Unterstützen eines Ankuppelns eines Anhängers
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: Connaught Electronics Ltd.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2) (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (Nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1 (ja)
Zulassung in das Verfahren - Hilfsantrag 2 (Nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 2077/13
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 31. Juli 2017 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2620326 aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen worden ist.

II. Im Wesentlichen hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt sowie des Hilfsantrags 1 nicht neu ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ist neu; dieser Anspruch ist jedoch nicht klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ.

III. Am 19. Oktober 2020 wurde vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt,

hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schreiben vom 17. März 2020, oder der Hilfsanträge 1, erstmals eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder 3, eingereicht mit Schreiben vom 17. März 2020.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IV. Im Beschwerdeverfahren sind die folgenden Dokumente von Relevanz:

D2 : EP 1251 025 A2

D8: DE 10 2010 004 920 A1.

V. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

Verfahren zum Unterstützen eines Ankuppelns eines Anhängers (7) an ein Fahrzeug (8) mittels einer Kamera (2), welche in einer ersten Ansicht (11) einen rückwärtigen Gesamtbereich hinter dem Fahrzeug (8) erfasst und in einer zweiten Ansicht (12) einen Nahbereich um die Anhängerkupplung (5) des Fahrzeugs erfasst,

wobei die erste Ansicht (11) des rückwärtigen Gesamtbereichs angezeigt wird, solange ein Abstand zwischen dem Anhänger und der Anhängerkupplung größer als ein vorbestimmter Abstand (A) ist, und

wobei die zweite Ansicht des Nahbereichs der Anhängerkupplung (5) angezeigt wird, wenn ein Abstand zwischen dem Fahrzeug und dem Anhänger kleiner als der vorbestimmte Abstand (A) ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

der vorbestimmte Abstand (A) derart gewählt ist, dass die Umschaltung von der ersten Ansicht (11) zur zweiten Ansicht (12) erst dann erfolgt, wenn in der zweiten Ansicht (12) auch das Objekt hinter dem Fahrzeug erfasst wird.

VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

Verfahren zum Unterstützen eines Ankuppelns einer Deichsel (6) des Anhängers (7) an eine Anhängerkupplung (5) eines Fahrzeug (8) mittels einer Kamera (2), welche in einer ersten Ansicht (11) einen rückwärtigen Gesamtbereich hinter dem Fahrzeug (8) erfasst und in einer zweiten Ansicht (12) einen Nahbereich um die Anhängerkupplung (5) des Fahrzeugs erfasst,

wobei die erste Ansicht (11) des rückwärtigen Gesamtbereichs angezeigt wird, solange ein Abstand zwischen der Deichsel (6) und der Anhängerkupplung (5) größer als ein vorbestimmter Abstand (A) ist, und

wobei die zweite Ansicht des Nahbereichs der Anhängerkupplung (5) angezeigt wird, wenn ein Abstand zwischen der Deichsel (6) und der Anhängerkupplung (5) kleiner als der vorbestimmte Abstand (A) ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

der vorbestimmte Abstand (A) derart gewählt ist, dass die Umschaltung von der ersten Ansicht (11) zur zweiten Ansicht (12) erst dann erfolgt, wenn in der zweiten Ansicht (12) auch die Deichsel (6) des Anhängers (7) hinter dem Fahrzeug erfasst wird,

wobei eine Objekterfassungseinrichtung (3) den Abstand zwischen der Deichsel (6) und der Anhängerkupplung (5) mittels Ultraschall erfasst sowie mittels des aufgenommenen Ultraschallmusters die Deichsel (6) erkennt.

VII. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2.

Ziel des Streitpatents sei es, dass eine Umschaltung in die Nahbereichs­darstellung, der zweiten Ansicht, erst dann geschehe, wenn die Deichsel darin auch zu sehen sei. Das genau sei gemeint mit "in der zweiten Ansicht erfasst wird".

Dafür aber gebe es keinen Hinweis in D2. Wie in der Figur 6B zu erkennen sei, werde eben in der Nahbereichsdarstellung nicht sichergestellt, dass die Deichsel auch dargestellt werde: dort sei nämlich keine zu erkennen.

Was den in D2 erwähnten Ultraschallsensor betrifft, so sei in D2 dazu überhaupt kein Abstand angegeben, ab dem in die Nahbereichsdarstellung umgeschaltet werde.

Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei dies spezifiziert, indem dieser u.a. zusätzlich definiere, dass ein Ultraschallmuster aufgenommen und ausgewertet werde, um zu erkennen, ob es sich bei dem Gegenstand um die Deichsel handele. Somit werde sichergestellt, dass auch wirklich erst dann eine Umschaltung stattfinde, wenn die Deichsel in der zweiten Ansicht zu sehen sei.

Das Dokument D8 sei für die Kombination mit D2 ungeeignet, da auch dort kein Verfahren gezeigt werde, was es erlaube, die Deichsel von einem anderen Gegenstand zu unterscheiden.

Weiterhin sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 auch klar definiert. In Absatz [0020] der Beschreibung sei ausgeführt, was gemeint sei, nämlich dass ein Ultraschallmuster aufgenommen und ausgewertet werde, um zu erkennen, ob es sich bei dem Gegenstand um die Deichsel handele. Wie dieses Verfahren technisch auszuführen sei, wisse der Fachmann.

Der Hilfsantrag 2 müsse in das Verfahren zugelassen und geprüft werden. Dieser habe schließlich bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung - dort als Hilfsantrag 1 - vorgelegen. Somit sei die angefochtene Entscheidung damit befasst gewesen. Sie habe unter anderem festgestellt, dass dieser den Artikel 123(2) EPÜ erfülle. Es würden sich auch keine unzumutbaren oder überraschende Fragen stellen, da die Beschwerdegegnerin und die Kammer durch die Kenntnis des Sachverhalts aus dem Einspruchsverfahren in der Lage seien, auf diesen Antrag zu reagieren. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung sei auch umfassend dargelegt worden, warum der strittige Antrag gewährbar sei.

VIII. Die Beschwerdegegnerin erwiderte die Argumente wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei nahegelegt, ausgehend von D2.

Dort werde in Absatz [0048] ausgeführt, dass es eine Gesamtansicht und eine Nahbereichsansicht gäbe, die gleichzeitig dargestellt werden können. Alternativ sei eine manuelle oder automatische Umschaltung vorgesehen. Die automatische Umschaltung werde durch einen Ultraschallsensor - der den Abstand zur Deichsel erfasse - gesteuert. Es sei damit für den Fachmann völlig naheliegend, dass er den Abstand, an dem die Umschaltung geschehe, so wähle, dass auf dem Nahbereichsbild zum Zeitpunkt der Umschaltung beim Rückwärtsfahren auch die Deichsel zu sehen sei. Alles andere sei sinnlos.

Was den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 betreffe, so sei es für den Fachmann ebenfalls naheliegend, das Ultraschallsignal so auszuwerten, dass eine Deichsel erkannt werden könne. Wie dies passiere, sei in Dokument D8 offenbart. Dort werde nicht nur der Abstand sondern mittels Triangulation genau die Koordinaten-Position der Deichsel hinter dem Fahrzeug bestimmt. Eine Position zu einer Deichsel könne man aber nur dann messen, wenn man wisse, dass es sich auch um eine Deichsel handele. Daher müsse das vorher zweifelsfrei bestimmt werden. Allerdings sei die Bestimmung selbst nicht explizit in D8 offenbart.

Auch sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht klar. So sei eine eindeutige Unterscheidung einer Deichsel von anderen Gegenständen nur mit alternativen Technologien zu erreichen. Dem Fachmann sei klar, dass an Hand von Ultraschallsensoren nur mit sehr viel Aufwand eine Objekterkennung stattfinden könne. Es sei aber in der Beschreibung nicht erklärt, wie das strittige Merkmal auszuführen sei. Daher sei der Anspruch 1 als solcher unklar.

Der Hilfsantrag 2 sei bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung als Hilfsantrag 1 vorhanden gewesen und die Einspruchsabteilung habe über diesen entschieden und für nicht gewährbar erachtet. Da die Beschwerdeführerin diesen mit ihrer Beschwerde­begründung nicht zum Gegenstand des Beschwerde­verfahrens gemacht habe, sei ein Vorbringen, jetzt erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, als verspätet anzusehen. Einer Einführung in das Beschwerdeverfahren werde nicht zugestimmt.

Entscheidungsgründe

1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt unterscheidet sich von dem Verfahren gemäß D2 dadurch, dass

die Umschaltung von der ersten Ansicht zur zweiten Ansicht erst dann erfolgt, wenn in der zweiten Ansicht auch ein Objekt hinter dem Fahrzeug erfasst wird.

1.2 Das Dokument D2 offenbart ein Verfahren, welches eine Ansicht des Nahbereichs (neighboring image, 51) und eine Ansicht des Gesamtbereichs (wide range image, 50) erzeugt und zur Darstellung automatisch umschaltet, vgl. Absatz [0048].

Dabei erfolgt die Umschaltung in Abhängigkeit des Abstands zwischen Zugfahrzeug und Anhänger, der mit einem Ultraschallsensor gemessen wird. Bei welchem Abstand diese Umschaltung stattfindet ist nicht offenbart. Dies ist soweit unstrittig.

1.3 Hierzu stellt zunächst die Kammer klar, dass - den Ausführungen der Beschwerdeführerin folgend - das unterscheidende Merkmal nicht zwingend fordert, dass das Verfahren gemäß dem Streitpatent die zweite Ansicht auswertet um festzustellen, ob in der zweiten Ansicht auch wirklich die Deichsel (das Objekt) zu sehen ist. "Erfasst wird" ist vorliegend somit gleichbedeutend mit "zu sehen ist".

Die Objekterfassung der Deichsel kann gemäß dem Streitpatent durch die Objekterfassungseinrichtung (3) stattfinden, die mittels Ultraschall funktioniert.

1.4 In diesem Fall unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents faktisch dadurch, dass der Abstand bei dem von der Gesamtansicht auf den Nahbereich umgeschaltet wird, so gewählt wird, dass die Deichsel auch in der Nahbereichsansicht zu sehen ist.

Der anspruchsgemäße vorbestimmte Abstand ist in D2 nicht definiert.

1.5 Somit ist die Aufgabe, die dem Fachmann ausgehend von D2 gestellt ist, den Abstand zur automatischen Umschaltung festzulegen.

Hierbei liegt es nach Ansicht der Kammer nahe, diesen so zu wählen, dass der Fahrer in der Nahbereichs­darstellung auch eine Deichsel auf dem Bildschirm erkennen kann.

Eine Umschaltung in eine Nahbereichsdarstellung in einer Situation, wo der Fahrer nicht erkennen kann, wo die Deichsel ist, weist einen evidenten technischen Nachteil auf. Dies zu erkennen bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit.

1.6 Die Kammer folgt damit nicht der Argumentation der Beschwerdeführerin, die angibt, dass es in D2 keinen Hinweis darauf gäbe, dass die Nahbereichsdarstellung auch die Deichsel zeigen müsse. So sei im Beispiel der Figuren 6A und 6B (D2) offenbart, dass eben die Nachbereichsdarstellung 51 in der Figur 6B keine Deichsel erfasse.

Diese Ausführung in den Figuren 6A und 6B zeigt eben keine automatische Umschaltung, wie sie auf Seite 8, Zeilen 53, 54 der D2 angesprochen ist. Da in dem Ausführungsbeispiel der Figuren 6A und 6B der Fahrer immer auch die Gesamtdarstellung 50 angezeigt bekommt, ist eine Auswertung hinsichtlich der Frage, ob in der zweiten Ansicht eine Deichsel erfasst wird, nicht von Bedeutung. Erst im Fall einer automatischen Umschaltung wird die vom Ultraschallsensor gemessene Entfernung wichtig, siehe auch Seite 8, Zeilen 54 bis 57.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definiert im Wesentlichen zusätzlich zum erteilten Anspruch 1, dass eine Objekterfassungseinrichtung den Abstand zwischen der Deichsel und der Anhängerkupplung mittels Ultraschall erfasst sowie mittels des aufgenommenen Ultra­schallmusters die Deichsel erkennt.

Die mit diesem Merkmal zu lösende Aufgabe besteht darin, eine Umschaltung in die Nachbereichsdarstellung erst dann vorzunehmen, wenn die Deichsel auch in der zweiten Ansicht sicher zu sehen ist.

2.2 Die Beschwerdegegnerin trägt vor, dass es ausgehend von D2 nahegelegt sei, die dort schon angesprochene Ultraschalleinrichtung so zu gestalten, dass auch Ultraschallmuster ausgewertet werden können.

Dies sei zum Beispiel in D8 offenbart.

D8 zeige ein Verfahren, bei dem der Abstand und die Position einer Anhängedeichsel durch eine Ultraschalleinrichtung an der Stoßstange des Fahrzeugs durch ein Triangulationsverfahren bestimmt werde.

Eine derart genaue Bestimmung sei aber nur möglich, wenn in D8 auch erkannt werde, dass es sich um eine Deichsel handele.

Die Kammer stellt hierzu fest, dass es in D8 keinen Hinweis darauf gibt, dass eine Objekterkennung stattfindet, derart, dass eine Deichsel von einem anderen - sich im Ultraschallfeld befindlichen - Objekt unterschieden werden kann. D8 offenbart lediglich, wie die Position eines Gegenstands - nämlich die Deichsel - im Koordinatensystem des Fahrzeugs bestimmt werden kann. Ob die Vorrichtung aus D8 in der Lage ist einen weiteren Gegenstand, der unbeabsichtigt im Bereich der Deichsel vorhanden ist von dieser zu unterscheiden ist nicht angesprochen, vgl. Absatz [0020]. Somit kann D8 das dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinzugefügte Merkmal nicht offenbaren.

2.3 Aus denselben Gründen verfangen auch nicht die im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Angriffslinien, ausgehend von D1 oder D3, jeweils kombiniert mit D8.

3. Des Weiteren ist der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 deutlich und knapp gefasst und von der Beschreibung gestützt, Artikel 84 EPÜ.

3.1 Mit Schreiben vom 20. März 2020 trägt die Beschwerdegegnerin vor, dass dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinzugefügte Merkmal der Beschreibung entnommen wurde und unklar im Sinne des Artikels 84 EPÜ sei. So sei in der Beschreibung nicht erklärt, wie ein Ultraschallsensor eine Deichsel erkennen solle bzw. wie ein Ultraschallmuster entsprechend erzeugt oder definiert werde, um die Deichsel zu erkennen.

3.2 Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt sein.

Daraus folgt, dass der Artikel 84 EPÜ sich auf die Klarheit der Ansprüche bezieht und nicht auf die Beschreibung oder deren Vollständigkeit, da er von der Beschreibung nur fordert, dass sie die Ansprüche stützt.

Die Stütze des strittigen Merkmals findet sich indes in Absatz [0020] der Beschreibung, wo ausgeführt ist, dass mittels eines Ultraschallsensors ein Ultraschallmuster aufgenommen wird, das die Erkennung der Deichsel ermöglicht, was dann hilfreich ist, wenn unbeabsichtigt ein weiterer Gegenstand zwischen der Anhängekupplung und der Deichsel 6 vorhanden ist.

Damit ergibt sich aus dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 aus Sicht der Kammer klar und deutlich, was unter Schutz gestellt werden soll, nämlich dass ein Ultraschallmuster derart ausgewertet wird, dass die Deichsel von einem anderen Gegenstand unterscheidbar ist.

Somit findet dieses Merkmal seine Stütze in der Beschreibung. Die von der Beschwerdegegnerin aufgeworfenen Fragen der Ausführung, etwa mit welchen technischen Mitteln der Fachmann derartige Ultraschallmuster erzeugt oder auswertet, sind nicht Gegenstand von Klarheits­betrachtungen im Sinne von Artikel 84 EPÜ.

4. Der Hilfsantrag 2 wird nicht in das Verfahren zugelassen, Artikel 13 (1) VOBK 2020.

4.1 Mit Schreiben vom 17. März 2020 reichte die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge 2 und 3 ein. Der Hilfsantrag 2 entspricht dabei gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin in diesem Schreiben dem Hilfsantrag 1 aus dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung. Weiterhin führt die Beschwerdeführerin in diesem Schreiben lediglich aus, dass dieser Antrag "gemäß der Mitteilung vom 31.07.2017 zur Entscheidung der Einspruchsverhandlung Artikel 123 (2) EPÜ" erfüllt. In der Entscheidung der Einspruchabteilung wird aber weiter ausgeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht neu sei.

4.2 In dem Schreiben vom 17. März 2020, das nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer und nach der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK eingereicht wurde, wurde kein Grund angegeben, weshalb die Anträge erst in diesem verspäteten Stadium des Beschwerdeverfehrens eingereicht wurden. Ebenfalls hat es die Beschwerdeführerin verabsäumt, mit der Wiedervorlage des Hilfsantrags 2 anzugeben, aus welchen Gründen die Schlussfolgerung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des (jetzigen) Hilfsantrags 2 nicht neu sei, abzuändern ist bzw. gegen welche Einwände genau sich dieser Hilfsantrag richtet und warum die dort vorgenommenen Änderungen in der Lage sein sollen, diese Einwände zu beheben. Die Einreichung eines bereits bekannten, in der angefochtenen Entscheidung behandelten Hilfsantrags in einem vorgerückten Stadium des Beschwerdeverfahrens entbindet die Beschwerdeführerin jedoch nicht von der Verpflichtung, die Gewährbarkeit des Antrags zu substantiieren, zumal der Antrag von der Einspruchsabteilung negativ beschieden worden war (vgl. beispielsweise T 2077/13). Diese Diskussion das erste Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zu führen, würde gegen die geforderte Verfahrensökonomie verstoßen.

4.3 Von daher kann der Antrag der Beschwerdeführerin, den sie nach der Diskussion und Verkündung der Auffassung der Kammer zum Hilfsantrag 1 gestellt hat, nämlich den Hilfsantrag 2 in der Reihenfolge vor den Hilfsantrag 1 zu stellen und den Hilfsantrag 2 somit noch in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren, unentschieden bleiben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

- Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 6 des Hilfsantrags 1 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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