T 2224/17 () of 2.2.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T222417.20210202
Datum der Entscheidung: 02 Februar 2021
Aktenzeichen: T 2224/17
Anmeldenummer: 11163188.3
IPC-Klasse: A01D 43/10
A01D 45/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Maispflücker
Name des Anmelders: CLAAS Selbstfahrende Erntemaschinen GmbH
Name des Einsprechenden: CNH Industrial Belgium nv
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0822/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 21. Juli 2017, das europäische Patent Nr. 2 404 496 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1b geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1: US 5 330 114 A

D2: US 6 116 005 A

D7.1 Prospekt "IDASS Les Cueilleurs Maïs Grain"

D7.2 Prospekt "Cueilleurs Maïs Grain Fixes ou

Repliables: La Gamme la Plus Adaptable

du Marché"

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 21. September 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 29. November 2017 eingereicht.

Mit der Beschwerdebegründung hat sie die folgende Entgegenhaltung eingereicht:

D9: WO 2008 104 816 A1

IV. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.

V. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß der Zwischenentscheidung entsprechend Hilfsantrag 1b, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1c, 1d, 2 bis 6, alle eingereicht mit Schriftsatz vom 13. April 2018.

VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 2. Februar 2021 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags (Patent wie von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten) hat folgenden Wortlaut:

"Maispflücker mit zumindest zwei über eine Antriebswelle (2) mit gleicher Betriebsdrehzahl angetriebenen Einzugs- und Pflückeinheiten (1) die jeweils mit einer Einzugseinrichtung (4, 5, 15) mit Pflückwalzen (5) zwischen denen sich ein Pflückspalt (6) bildet versehen sind, welche die Pflanzen in den Pflückspalt (6) einzieht, durch welchen Fruchtstände von den Pflanzen abtrennbar sind, sowie einer stromab der jeweiligen Einzugseinrichtung (4, 5, 15) angeordneten Häckseleinrichtung (7) zum Zerkleinern der Stängel der Pflanzen, dadurch gekennzeichnet, dass

die Häckseleinrichtung (7) ein Antriebsmittel (10, 12, 16, 17) aufweist, das zur Adaption der Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung (7) bei einer Änderung der Betriebsdrehzahl der Einzugs- und Pflückeinheiten (1) derart ausgebildet ist, dass die Antriebsdrehzahl bei reduzierter Betriebsdrehzahl zumindest auf dem·Niveau beibehalten wird, welches die Antriebsdrehzahl vor der Änderung der Betriebsdrehzahl hatte, und/oder dass die Häckseleinrichtung eine Erhöhung der Antriebsdrehzahl gegenüber der Betriebsdrehzahl zulässt."

VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Die Änderungen in Anspruch 1 gingen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Der Gegenstand von Anspruch 1 werde ausgehend von D1 in Zusammenschau mit D2 oder D9, oder ausgehend von D2 in Zusammenschau mit der D1, D7.1, D7.2 oder D9 nahegelegt.

IX. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand von Anspruch 1 enthalte zulässige Änderungen und beruhe im Lichte des genannten Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Die Erfindung betrifft einen Maispflücker mit zwei Einzugs- und Pflückeinheiten, die mit gleicher Betriebsdrehzahl angetrieben werden. Zusätzlich ist eine Häckseleinrichtung vorgesehen, deren Antriebsmittel zur Adaption der Antriebsdrehzahl bei einer Änderung der Betriebsdrehzahl ausgebildet ist. Und zwar derart, dass

- die Antriebsdrehzahl bei reduzierter Betriebsdrehzahl zumindest auf dem Niveau beibehalten wird, welches die Antriebsdrehzahl vor der Änderung der Betriebsdrehzahl hatte, und/oder dass

- die Häckseleinrichtung eine Erhöhung der Antriebsdrehzahl gegenüber der Betriebsdrehzahl zulässt.

Dadurch werden die Auswirkungen der Drehzahlabhängig-keit der Häckseleinrichtungen von den Einzugs- und Pflückeinheiten vermieden (Patentschrift, Absatz 0004).

3. Änderungen

Der jetzige Hauptantrag wurde in der angegriffenen Entscheidung als Hilfsantrag 1b behandelt, und die Zulässigkeit der Änderungen wurde darin bejaht. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet diesen Befund der Entscheidung.

3.1 Im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ beruht Anspruch 1 unbestritten auf einer Kombination von Anspruch 1 und den in Absatz 0020 der veröffentlichten Anmeldung genannten Pflückwalzen.

Außerdem wurde das Merkmal "[Antriebsmittel] derart ausgebildet ist, dass die Antriebsdrehzahl bei reduzierter Betriebsdrehzahl zumindest auf dem·Niveau beibehalten wird, welches die Antriebsdrehzahl vor der Änderung der Betriebsdrehzahl hatte, und/oder dass die Häckseleinrichtung eine Erhöhung der Antriebsdrehzahl gegenüber der Betriebsdrehzahl zulässt" in den Anspruch aufgenommen. Daher ist zu klären, ob durch diese Änderung ein Gegenstand entsteht, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinausgeht.

3.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet die Zulässigkeit der in den Anspruch aufgenommenen "und/oder"-Verknüpfung mit dem Argument, dass die beiden dadurch verknüpften Wirkungen in den Absätzen 0007 bis 0016 der veröffentlichten Anmeldung immer gemeinsam auftreten. Die "oder"-Alternative dieses Merkmals sei dagegen nicht ursprünglich offenbart, da der Begriff "darüber hinaus" in Absatz 0007 der veröffentlichten Anmeldung lediglich die "und"-Alternative betreffe.

3.3 Aus Sicht der Kammer liegt der Erfindung die Absicht zugrunde, dass das Häckselbild einer mit der Antriebsdrehzahl angetriebenen Häckseleinrichtung nicht durch eine zu niedrige Betriebsdrehzahl beeinträchtigt wird. Im Stand der Technik ist die Antriebsdrehzahl streng an die Betriebsdrehzahl gekoppelt, so dass eine absinkende Betriebsdrehzahl zu negativen Ergebnissen im Häckselbild führt, siehe Absatz 0003 der Patentschrift. Die einzig technisch sinnvolle Auslegung des Merkmals "adaptierbar" im ursprünglichen Anspruch 1 ist daher, dass Antriebsdrehzahl und Betriebsdrehzahl entkoppelt werden. Eine feste, unveränderliche Kopplung der Antriebsdrehzahl an die Betriebsdrehzahl ist dagegen ausgeschlossen.

3.4 Das Konzept einer Entkopplung von Antriebsdrehzahl und Betriebsdrehzahl ist auch im geänderten Anspruch 1 enthalten, wo es durch das gegenständliche Merkmal "Antriebsmittel ... zur Adaption ... ausgebildet ist" zum Ausdruck kommt. Das gilt auch für die beiden mit "und/oder" verknüpften Wirkungen. Anhand einer ersten Wirkung ("das Niveau der Antriebsdrehzahl zumindest beibehalten") und einer zweiten Wirkung ("Erhöhung der Antriebsdrehzahl gegenüber der Betriebsdrehzahl") wird ausgedrückt, was erfindungsgemäß unter die Adaptierung der Antriebsdrehzahl fällt.

Beide Wirkungen werden unbestritten in Absatz 0007 der veröffentlichten Anmeldung offenbart. Die Kammer bezweifelt, dass der dort ebenfalls verwendete Begriff "darüber hinaus" als ein logisches UND gebraucht wird. Ein am Verständnis orientierter Leser erkennt nämlich aus den nachfolgenden Gründen, dass die beiden Wirkungen nicht zwangsläufig gemeinsam eintreten:

3.4.1 Bei einem Antriebsmittel der Häckseleinrichtung in Form eines Getriebes mit unterschiedlichen Übersetzungs-verhältnissen sind beide Wirkungen möglich. Ein solches Getriebe wird in den Anmeldeunterlagen offenbart (Absätze 0008-0011, 0016). Für die erste Wirkung muss das Getriebe derart ausgebildet sein, dass es seine Ausgangsdrehzahl gegenüber der am Getriebeeingang anliegenden Betriebsdrehzahl erhöhen kann. Falls das Übersetzungsverhältnis des Getriebes ausreicht, um den Rückgang der Betriebsdrehzahl auszugleichen, erzielt es die erste Wirkung. Bei einem Maispflücker mit diesem Getriebe stellt sich bei unveränderter Eingangsdrehzahl automatisch auch die zweite Wirkung ein. Ein solches Getriebe betrifft daher die "und"-Alternative des Merkmals.

3.4.2 Falls das Übersetzungsverhältnis des Getriebes dagegen nicht ausreicht, um den Rückgang der Betriebsdrehzahl auszugleichen, erzielt es nicht die erste Wirkung. Dennoch führt das Übersetzungsverhältnis des Getriebes dazu, dass sich seine Ausgangsdrehzahl gegenüber der Eingangsdrehzahl erhöht. Bei unveränderter Betriebsdrehzahl am Eingang des Getriebes kann nur die zweite Wirkung erzielt werden, indem sich die Antriebsdrehzahl am Getriebeausgang gegenüber der Betriebsdrehzahl erhöht. Ein solches Getriebe betrifft daher die zweite "oder"-Alternative.

3.4.3 Im Zusammenhang mit ihrer nicht aufrecht erhaltenen Argumentation zur Schutzbereichserweiterung verweist die Beschwerdeführerin auf ein Antriebsmittel mit konstanter Drehzahl (Beschwerdebegründung, Seite 2, Absatz "maintained"). Ein solcher Antrieb wird in den Anmeldeunterlagen in Form eines einzelmotorischen Antriebs offenbart. Da dessen Antriebsdrehzahl nur in einer Weiterbildung stufenlos änderbar ist, umfasst der nicht-weitergebildete einzelmotorische Antrieb auch den Fall einer konstanten Drehzahl (Absätze 0012 und 0013). Durch die Verwendung eines eigenen Motors für die Häckseleinrichtung - also einen einzelmotorischen Antrieb - wird die erste Wirkung erzielt. Falls die Drehzahl dieses Antriebs nicht änderbar ist, kann die zweite Wirkung nicht erzielt werden. Dieser Antrieb betrifft daher die erste "oder"-Alternative.

3.4.4 Dabei versteht der Leser, der versucht den Absatz 0007 der Anmeldung technisch sinnvoll und im Zusammenhang auszulegen, dass zur Entkoppelung der Antriebsdrehzahl von der Betriebsdrehzahl die dort genannten beiden Wirkungen nicht nur stets gemeinsam, sondern auch alternativ zum gewünschten Ergebnis führen. Mithin kann das Vorliegen einer unzulässigen Änderung verneint werden.

3.5 Aus diesen Gründen stellt die Kammer fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Artikel 123 (2) EPÜ.

4. Erfinderische Tätigkeit

Die angegriffene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrags 1b (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren) ausgehend von jedem der Dokumente D1 und D2, siehe Punkt 8 der Entscheidungsgründe. Die Beschwerdeführerin Einsprechende bestreitet diesen Befund der Entscheidung.

4.1 Auch die Kammer hält das Dokument D1 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt. Im Hinblick auf Anspruch 1 des Hauptantrags offenbart D1 in den Figuren 3 und 4 unbestritten einen Maispflücker mit zumindest zwei über eine Antriebswelle mit gleicher Betriebs-drehzahl angetriebenen Einzugs- und Pflückeinheiten die jeweils mit einer Einzugseinrichtung mit Pflückwalzen zwischen denen sich ein Pflückspalt bildet versehen sind, welche die Pflanzen in den Pflückspalt einzieht, durch welchen Fruchtstände von den Pflanzen abtrennbar sind, sowie einer stromab der jeweiligen Einzugs-einrichtung angeordneten Häckseleinrichtung zum Zerkleinern der Stängel der Pflanzen, wobei die Häckseleinrichtung ein Antriebsmittel aufweist.

Die in D1 offenbarten "gathering chains 18" entsprechen einer Einzugseinheit, die "feed rolls 19" den Pflückwalzen, und "shredding attachment 16" mit "motor 60" einer Häckseleinrichtung.

4.2 Die Häckseleinrichtung des in D1 offenbarten Maispflückers wird über ein austauschbares Antriebsritzel von einem Nebenabtrieb des Maispflückers angetrieben (Figur 7 und Spalte 4, Zeilen 28-32).

Anspruch 1 des Hauptantrags ist auf eine Adaption der Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung bei einer Änderung der Betriebsdrehzahl gerichtet. Bei einer am Verständnis des Anspruchs orientierten Auslegung des Merkmals "Betriebsdrehzahl" ist darunter der laufende Erntebetrieb zu verstehen, siehe den Zusammenhang zwischen der Vorfahrtgeschwindigkeit des Erntemaschine und der Betriebsdrehzahl in den Absätze 0017 und 0023 der Patenschrift. Das umfasst zwar auch einen kurzen Stillstand des Mähdreschers (Absatz 0022: "Betätigung der Kupplung kann lastfrei im Stillstand der Einzugs- und Pflückeinheit 1 erfolgen"), nicht aber eine längere Außerbetriebsetzung, wie sie zwingend für die Demontage eines Maisgebisses, den Austausch eines Antriebsritzels und die erneute Montage des Maisgebisses gemäß D1 nötig ist.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich daher von der Offenbarung der D1 unbestritten darin, dass die Antriebsmittel zur Adaption der Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung bei einer Änderung der Betriebsdrehzahl der Einzugs- und Pflückeinheiten derart ausgebildet ist, dass die Antriebsdrehzahl bei reduzierter Betriebsdrehzahl zumindest auf dem Niveau beibehalten wird, welches die Antriebsdrehzahl vor der Änderung der Betriebsdrehzahl hatte, und/oder dass die Häckseleinrichtung eine Erhöhung der Antriebsdrehzahl gegenüber der Betriebsdrehzahl zulässt.

4.3 Diesem Unterscheidungsmerkmal liegt gemäß Absatz 0004 der Patentschrift die objektive technische Aufgabe zugrunde, die Auswirkungen der Drehzahlabhängigkeit der Häckseleinrichtungen von den Einzugs- und Pflückeinheiten zu vermeiden.

Im Hinblick auf die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe gilt zwar, dass die Aufgabe so zu formulieren ist, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.4.3.1). Da im vorliegenden Fall die obige Aufgabenformulierung der Patentschrift entnommen wurde, und da die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin dieser Formulierung nicht widersprochen hat, hält die Kammer eine Neuformulierung der Aufgabe nicht für geboten.

4.4 Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit davon ab, ob der von D1 ausgehende Fachmann - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - ohne eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise zu obigem Unterscheidungsmerkmal gelangt wäre.

4.4.1 Im Hinblick auf die Einzugseinheiten "gathering chains 18" und Pflückwalzen "feed rolls 19" verweist D1 auf eine üblichen Antriebsweise (Spalte 3, Zeilen 3-6). Die Parteien stimmen darin überein, dass darunter ein Antrieb mittels einer gemeinsamen Antriebswelle der Maschine zu verstehen ist. Daher führt auch in D1 eine Reduzierung der Betriebsdrehzahl dieses Antriebs zu den in Absatz 0003 des Streitpatents genannten negativen Ergebnissen im Häckselbild und hohen Drehmomenten im Antriebsstrang.

4.4.2 Wenn der Fachmann diese Nachteile beheben möchte, könnte er durchaus das Dokument D2 berücksichtigen. Der darin offenbarte Maispflücker weist nämlich ebenfalls mehrere Einzugseinheiten "gathering belts 17" auf, mit denen jeweils eine Reihe von Maispflanzen in einen Pflückspalt zwischen den "knife rolls 18" gezogen wird. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass D2 keine separate Häckseleinrichtung offenbart. Stattdessen fungieren die "knife rolls 18" gleichzeitig als Pflückeinheiten und als Häckseleinrichtungen. In D2 sind dafür zwei getrennte Antriebsmittel "first motor 31" und "second motor 32" vorgesehen, so dass die Antriebsdrehzahl der Pflückeinheiten/Häckseleinrichtungen "knife rolls 18" unabhängig von der Betriebsdrehzahl der Einzugseinheiten "gathering belts 17" eingestellt werden kann, siehe Spalte 2, Zeilen 8 bis 10. Folglich ist das gemeinsame Antriebsmittel der Pflückeinheiten/Häckseleinrichtungen in D2 zur Adaption der Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung bei einer Änderung der Betriebsdrehzahl der Einzugseinheiten ausgebildet.

Die Kammer muss daher nun prüfen, ob der Fachmann durch D2 zu einer Änderung in D1 veranlasst würde, die zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags führt.

4.4.3 In D2 sind die Funktionen der Pflückwalzen und einer zugehörigen Häckseleinrichtung vereint, da beide Einrichtungen durch ein Walzenpaar "knife rolls 18" gebildet werden. Wegen der Anordnung der Messer am Umfang einer Walze ist bei einem solchen Walzenpaar die Geschwindigkeit der Messer fest an die Geschwindigkeit der Pflückwalzen gekoppelt. Folglich ist das der Erfindung zugrunde liegende Konzept einer Entkopplung der Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung von der Betriebsdrehzahl der Pflückeinheiten nicht in D2 verwirklicht. Selbst wenn der Fachmann die D2 - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - nicht zum Anlass nehmen würde, in D1 statt der separaten Häckseleinrichtung "shredding attachment 16" ebenfalls Messer an den Pflückwalzen "feed rolls 19" vorzusehen, ändert es nichts daran, dass dieses Dokument ihn nicht lehrt, eine Adaption der Antriebsdrehzahl einer separaten Häckseleinrichtung bei einer Änderung der Betriebsdrehzahl der Pflückeinheiten vorzusehen.

4.4.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann in D2 statt der kombinierten "knife rolls 18" eine zusätzliche Häckseleinrichtung vorsehen könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ungeachtet der Tatsache, dass eine solche Häckseleinrichtung nirgendwo in D2 angesprochen wird, stellt sich dem von D1 ausgehenden Fachmann bei der Suche nach einer Lösung für die objektive technische Aufgabe nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz die Frage, ob D2 diese Lösung bereitstellt. Wenn erst eine Änderung in D2 - also das Vorsehen einer weiteren Häckseleinrichtung stromab der "knife rolls 18" nötig ist, wird der Fachmann diese Dokumente nur bei einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise miteinander kombinieren.

4.4.5 Der Verweis der Beschwerdeführerin auf D9 führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Dokument betrifft einen Sonnenblumenpflücker mit einer Einzugseinrichtung "stalk gathering unit 5", einer Häckseleinrichtung "stalk shredder unit 16" und einem Antriebsmittel "pump 7", siehe insbesondere den letzten Absatz auf Seite 7. Statt Pflückwalzen weist der Sonneblumenpflücker Sägescheiben auf (Figuren 2 und 4: "harvester units 15"), so dass der Fachmann das Dokument wegen des unterschiedlichen Pflückkonzepts nicht heranzuziehen wird.

Dessen ungeachtet überzeugt auch das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann die in D9 offenbarten Regelkreise kenne und bei dem aus D1 bekannten Maispflücker anwenden könne, die Kammer nicht. Die Figuren 6 und 7 betreffen zwar Regelkreise für die Antriebe der Einzugseinrichtung und der Häckseleinrichtung, wobei die Drehzahl der Einzugseinrichtung über ein Proportionalventil 11 adaptiert werden kann. Dagegen steht die Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung in einem festen Verhältnis zur Verfahrgeschwindigkeit der Maschine, da die Pumpe über eine Kette angetrieben wird, und da keine dem Proportionalventil 11 entsprechende Einrichtung zur Adaption der Drehzahl vorgesehen ist (vergleiche die Figuren 6 und 7; Seite 7, Zeilen 1 und 2). Wegen der fehlenden Adaption wird das Kennzeichen von Anspruch 1 des Hauptantrags ebenfalls nicht in D9 offenbart, so dass der von D1 ausgehende Fachmann durch die aus D9 bekannten Regelkreise nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt.

4.5 Im Hinblick auf die weiteren Angriffe, die von D2 ausgehen, hat die Kammer bereits in ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitte 4.2.1 und 4.2.2 , die Auffassung vertreten, dass keine der angeführten Kombinationen den Gegenstand von Anspruch 1 nahelegt. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:

"4.2.1 Im Dokument D2 besitzt der Maispflücker keine von den Pflückwalzen getrennte Häckselvorrichtung, sondern kombinierte Messerwalzen "knife rolls 18" (siehe oben). Nach geltender Rechtsprechung ist der Fachmann zwar völlig frei in der Wahl eines Ausgangspunkts, er ist dann aber an diese Wahl gebunden. Insbesondere wird durch seine Wahl einer bestimmten Gattung der weiteren Entwicklungsrahmen, nämlich innerhalb dieser Gattung, vorgegeben (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.3.6). Nach vorläufiger Ansicht der Kammer legt der Fachmann durch die Wahl von D2 als Ausgangspunkt den Entwicklungsrahmen im Bereich von Maispflückern mit kombinierten Messerwalzen zum Pflücken und Häckseln fest. Danach scheint es nicht in diesem Rahmen, also nicht im normalen fachmännischen Können zu liegen, eine solche Vorrichtung in einen Maispflücker mit einer von den Pflückwalzen getrennten Häckselvorrichtung umzugestalten.

4.2.2 Dessen ungeachtet scheinen die Dokumente D1, D7.1 oder D7.2 den Fachmann lediglich dazu zu veranlassen, zur Änderung der Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung unter Unterbrechung des Erntebetriebs ein Antriebsritzel auszutauschen (siehe Absatz 3.2 dieses Bescheids). Alternativ scheint D9 den Fachmann lediglich dazu zu veranlassen, statt Pflückwalzen Sägescheiben vorzusehen und die Antriebsdrehzahl der Häckseleinrichtung proportional zur Verfahrgeschwindigkeit des Mähdreschers zu ändern (siehe Absatz 4.1.3 dieses Bescheids)."

Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.

4.6 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auch auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem angezogenen Stand der Technik, Artikel 56 EPÜ.

5. Die Kammer bejaht aus den obengenannten Gründen die Zulässigkeit der Änderungen und die erfinderische Tätigkeit für den Hauptantrag, Patent wie nach Hilfsantrag 1b aufrechterhalten, im Lichte der genannten Entgegenhaltungen. Weitere Einwände sind nicht geltend gemacht worden.

Daher bestätigt die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag 1b gemachten Änderungen nach Artikel 101(3) (a) EPÜ aufrecht zu erhalten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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