T 2221/17 () of 1.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T222117.20201001
Datum der Entscheidung: 01 October 2020
Aktenzeichen: T 2221/17
Anmeldenummer: 14163019.4
IPC-Klasse: B21D28/24
B21D28/28
B21D53/88
B60R19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung eines Energieabsorptionsprofils für ein Kraftfahrzeug
Name des Anmelders: Benteler Automobiltechnik GmbH
Name des Einsprechenden: DURA Automotive Systems, LLC
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Juli 2017 ein, wonach das Patent in geändertem Umfang, basierend auf dem damals geltenden Hilfsantrag 8, aufrechterhalten wurde.

Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass der damalige Hilfsantrag 8 die Anforderungen bezüglich Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ) und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) erfüllt und dass die Erfindung so ausreichend offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragte sie Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 oder 2 eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung oder des Hilfsantrags 3 eingereicht mit Schreiben vom 19. Februar 2020.

IV. Am 1. Oktober 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Wie angekündigt erschien die Beschwerdegegnerin nicht zu der mündlichen Verhandlung.

Nach Regel 115 (2) EPÜ wurde das Verfahren ohne sie fortgesetzt.

V. Die folgenden Beweismittel sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D11 DE102009053861 A1

D16 JPS59178135 A

D16a Übersetzung von D16

VI. Die unabhängigen Ansprüche haben folgenden Wortlaut. Die Bezeichnung der einzelnen Merkmale erfolgt in Anlehnung an die Eingaben der Parteien.

a) Hauptantrag:

Anspruch 1 stellt eine Merkmalskombination des erteilten Verfahrensanspruchs 1 und des erteilten Vorrichtungsanspruchs 6 dar.

1a) "Verfahren zur Herstellung eines Energieabsorptionsprofils für ein Kraftfahrzeug gekennzeichnet durch folgende Schritte:

1b) Bereitstellen eines stranggepressten Hohlprofils (2), welches Außenwände (3, 4, 5, 6) und zumindest eine zwei Außenwände (3, 4, 5, 6) verbindende Innenwand (7, 8, 9) aufweist;

1c) Einführen eines Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) in das Hohlprofil (2), wobei ein Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) verwendet wird, welches sich durch die Länge (L) des Hohlprofils (2) erstreckt und das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) Schneiden (30, 42, 46, 55, 61, 67, 76) aufweist, welche so angeordnet sind, das [sic] ein innenliegender Wandabschnitt (19, 20, 27) der Innenwand (7, 8, 9) des Hohlprofils (2) durch Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) heraustrennbar ist;

1d) Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) und Trennen eines innenliegenden Wandabschnitts (19, 20; 27) aus der Innenwand (7, 8, 9);

1e) Entfernen des ausgeschnittenen Wandabschnitts (19, 20; 27) und des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) aus dem Hohlprofil (2)."

b) Hilfsantrag 1:

In Anspruch 1 wurden die aus dem erteilten Anspruch 6 stammenden Merkmale des Hauptantrags gestrichen und durch die Merkmale des erteilten Verfahrensanspruchs 3 ersetzt.

1a) "Verfahren zur Herstellung eines Energieabsorptionsprofils für ein Kraftfahrzeug gekennzeichnet durch folgende Schritte:

1b) Bereitstellen eines stranggepressten Hohlprofils (2), welches Außenwände (3, 4, 5, 6) und zumindest eine zwei Außenwände (3, 4, 5, 6) verbindende Innenwand (7, 8, 9) aufweist;

1c1) Einführen eines Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) in das Hohlprofil (2), wobei das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) ein erstes Schneidwerkzeugteil (25, 36, 44, 49, 54, 60, 65, 74) und ein zweites Schneidwerkzeugteil (26, 37, 45, 50, 56, 62, 66, 75) aufweist und das erste Schneidwerkzeugteil (25, 36, 44, 49, 54, 60, 65, 74) von einer Stirnseite (23) des Hohlprofils (2) in eine erste Kammer (10, 11, 12, 13) des Hohlprofils (2) auf einer ersten Seite der Innenwand (7, 8, 9) eingeführt wird und das zweite Schneidwerkzeugteil (26, 37, 45, 50, 56, 62, 66, 75) von einer Stirnseite (23) des Hohlprofils (2) in eine zweite Kammer (10, 11, 12, 13) des Hohlprofils (2) auf der gegenüberliegenden, zweiten Seite der Innenwand (7, 8, 9) eingeführt wird;

1d) Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) und Trennen eines innenliegenden Wandabschnitts (19, 20; 27) aus der Innenwand (7, 8, 9);

1e) Entfernen des ausgeschnittenen Wandabschnitts (19, 20; 27) und des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) aus dem Hohlprofil (2)."

c) Hilfsantrag 2:

Anspruch 1 ist eine Kombination der Ansprüche 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1.

1a) "Verfahren zur Herstellung eines Energieabsorptionsprofils für ein Kraftfahrzeug gekennzeichnet durch folgende Schritte:

1b) Bereitstellen eines stranggepressten Hohlprofils (2), welches Außenwände (3, 4, 5, 6) und zumindest eine zwei Außenwände (3, 4, 5, 6) verbindende Innenwand (7, 8, 9) aufweist;

1c2) Einführen eines Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) in das Hohlprofil (2), wobei ein Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) verwendet wird, welches sich durch die Länge (L) des Hohlprofils (2) erstreckt und das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) Schneiden (30, 42, 46, 55, 61, 67, 76) aufweist, welche so angeordnet sind, das [sic] ein innenliegender Wandabschnitt (19, 20, 27) der Innenwand (7, 8, 9) des Hohlprofils (2) durch Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) heraustrennbar ist und wobei das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) ein erstes Schneidwerkzeugteil (25, 36, 44, 49, 54, 60, 65, 74) und ein zweites Schneidwerkzeugteil (26, 37, 45, 50, 56, 62, 66, 75) aufweist und das erste Schneidwerkzeugteil (25, 36, 44, 49, 54, 60, 65, 74) von einer Stirnseite (23) des Hohlprofils (2) in eine erste Kammer (10, 11, 12, 13) des Hohlprofils (2) auf einer ersten Seite der Innenwand (7, 8, 9) eingeführt wird und das zweite Schneidwerkzeugteil (26, 37, 45, 50, 56, 62, 66, 75) von einer Stirnseite (23) des Hohlprofils (2) in eine zweite Kammer (10, 11, 12, 13) des Hohlprofils (2) auf der gegenüberliegenden, zweiten Seite der Innenwand (7, 8, 9) eingeführt wird;

1d) Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) und Trennen eines innenliegenden Wandabschnitts (19, 20; 27) aus der Innenwand (7, 8, 9);

1e) Entfernen des ausgeschnittenen Wandabschnitts (19, 20; 27) und des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) aus dem Hohlprofil (2)."

d) Hilfsantrag 3:

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch das Hinzufügen des Merkmals wonach: "das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) durch außerhalb des Hohlprofils (2) wirkende Antriebsmittel (34, 38, 47, 51, 71) betätigt wird" (in Merkmal 1d).

1a) "Verfahren zur Herstellung eines Energieabsorptionsprofils für ein Kraftfahrzeug gekennzeichnet durch folgende Schritte:

1b) Bereitstellen eines stranggepressten Hohlprofils (2), welches Außenwände (3, 4, 5, 6) und zumindest eine zwei Außenwände (3, 4, 5, 6) verbindende Innenwand (7, 8, 9) aufweist;

1c2) Einführen eines Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) in das Hohlprofil (2), wobei ein Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) verwendet wird, welches sich durch die Länge (L) des Hohlprofils (2) erstreckt und das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) Schneiden (30, 42, 46, 55, 61, 67, 76) aufweist, welche so angeordnet sind, das [sic] ein innenliegender Wandabschnitt (19, 20, 27) der Innenwand (7, 8, 9) des Hohlprofils (2) durch Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) heraustrennbar ist und wobei das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) ein erstes Schneidwerkzeugteil (25, 36, 44, 49, 54, 60, 65, 74) und ein zweites Schneidwerkzeugteil (26, 37, 45, 50, 56, 62, 66, 75) aufweist und das erste Schneidwerkzeugteil (25, 36, 44, 49, 54, 60, 65, 74) von einer Stirnseite (23) des Hohlprofils (2) in eine erste Kammer (10, 11, 12, 13) des Hohlprofils (2) auf einer ersten Seite der Innenwand (7, 8, 9) eingeführt wird und das zweite Schneidwerkzeugteil (26, 37, 45, 50, 56, 62, 66, 75) von einer Stirnseite (23) des Hohlprofils (2) in eine zweite Kammer (10, 11, 12, 13) des Hohlprofils (2) auf der gegenüberliegenden, zweiten Seite der Innenwand (7, 8, 9) eingeführt wird;

1d3) Betätigung des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) und Trennen eines innenliegenden Wandabschnitts (19, 20; 27) aus der Innenwand (7, 8, 9), wobei

das Schneidwerkzeug (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) durch außerhalb des Hohlprofils (2) wirkende Antriebsmittel (34, 38, 47, 51, 71) betätigt wird;

1e) Entfernen des ausgeschnittenen Wandabschnitts (19, 20; 27) und des Schneidwerkzeugs (24, 35, 43, 48, 53, 59, 64, 73) aus dem Hohlprofil (2)."

VII. Soweit entscheidungsrelevant, lässt sich die Argumentation der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) wie folgt zusammenfassen:

D11 offenbare ein Energieabsorptionsprofil für ein Kraftfahrzeug, bestehend aus einem stranggepressten Hohlprofil mit Außenwänden (6, 7) und einer Innenwand (5), bei dem ein Wandabschnitt (8) der Innenwand herausgetrennt sei. Der herausgetrennte Wandabschnitt umfasse auch einen innenliegenden Wandabschnitt im Sinne des Anspruchs 1 (Merkmal 1d). Gemäß D11 werde der Wandabschnitt (8) mittels eines Fräskopfes aus der Innenwand herausgetrennt. Ausgehend von D11 stelle sich dem Fachmann die Aufgabe, ein alternatives Verfahren zur Herstellung des Energieabsorptionsprofils zur Verfügung zu stellen.

D16, das sich im Hinblick auf eine breite industrielle Anwendung auf die Herstellung von Öffnungen in einer Innenwand eines Hohlprofils beziehe, offenbare ein Schneidwerkzeug und ein Verfahren entsprechend den Merkmalen 1c bis 1e des Anspruchs 1.

Der Fachmann werde daher, ausgehend von D11, durch die D16 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 hingeleitet. Das Merkmal, wonach sich das Schneidwerkzeug durch die Länge des Hohlprofils erstrecke, ergebe sich durch die Anwendung des Verfahrens auf das Hohlprofil der D11. Es habe außerdem keine technische Bedeutung und trage daher nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit bei.

Betreffend Hilfsantrag 1 offenbare D16 zusätzlich zwei Schneidwerkzeugteile (16, 17), die in die Kammern (13, 14) des Hohlprofils eingeführt würden. Daher sei der Gegenstand von Hilfsantrag 1 ebenfalls nicht erfinderisch.

Das gleiche gelte für Hilfsantrag 2, der die Merkmale des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 kombiniere.

Das in Hilfsantrag 3 hinzugefügte Merkmal, wonach "das Schneidwerkzeug durch außerhalb des Hohlprofils wirkende Antriebsmittel betätigt wird", trage ebenfalls nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei. Die in der D16 außerhalb des Hohlprofils angeordnete (implizit offenbarte) Hydraulikpumpe falle unter diese Definition.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

D11 offenbare eine Stoßfängeranordnung mit einem Querträger, dessen Innensteg im Anbindungsbereich zweier Crashboxen eine Aussparung aufweise. Diese Aussparung sei frästechnisch erzeugt. Ein Verfahren mit den Merkmalen 1b) bis 1e) sei in D11 nicht offenbart.

D16 betreffe kein Verfahren zur Herstellung eines Energieabsorptionsprofils sondern zur Herstellung der Vakuumkammer eines Teilchenbeschleunigers. Diese Kammer müsse hochfest sein und dürfe sich nicht verformen. Daher würde der Fachmann die D16 auf der Suche nach einem Herstellungsverfahren für ein Energieabsorptionsprofil nicht in Betracht ziehen. Zusätzlich erstrecke sich das Schneidwerkzeug der D16 nicht durch die Länge des Hohlprofils (Merkmal 1c). Dieses Merkmal biete eine vorteilhafte Abstützung beim Schneidvorgang und vermeide Risse oder Ausreißer in der Schneidzone.

Daher beruhe der Gegenstand des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das in Hilfsantrag 3 hinzugefügte Merkmal, wonach "das Schneidwerkzeug durch außerhalb des Hohlprofils wirkende Antriebsmittel betätigt wird", sei steuerungstechnisch und hinsichtlich der Kraftübertragung vorteilhaft und in einer Serienfertigung effizient.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

1.1 Hauptantrag

D11 zeigt ein Energieabsorptionsprofil für ein Kraftfahrzeug, mit einem stranggepressten Hohlprofil, welches Außenwände (6, 7) und zumindest eine zwei Außenwände verbindende Innenwand (5) aufweist (Merkmal 1b). Um das Crashverhalten des Energieabsorptionsprofils einzustellen wird in die Innenwand des Hohlprofils an dessen Endbereich eine Aussparung 8 eingearbeitet (Absätze [0006]-[0011]), d.h. ein Wandabschnitt der Innenwand wird entfernt (entsprechend Merkmal 1e). Ein Verfahren zur Herstellung dieser Aussparung mittels Fräsen wird in Absatz [0011] der D11 erwähnt. Der ausgeschnittene Wandabschnitt reicht zwar bis zum stirnseitigen Ende des Hohlprofils, umfasst aber zwangsläufig auch Wandbereiche die als "innenliegend" anzusehen sind (siehe Merkmal 1d). Diese Auslegung wurde bereits durch die Einspruchsabteilung so vorgenommen und die Beschwerdegegnerin hat dies nicht bestritten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem Verfahren der D11 durch diejenigen Aspekte der Merkmale 1c bis 1e, die das Werkzeug und dessen Anwendung betreffen, nämlich dass sich das Schneidwerkzeug insbesondere durch die Länge des Hohlprofils erstreckt und das Schneidwerkzeug Schneiden aufweist, welche so angeordnet sind, dass ein innenliegender Wandabschnitt der Innenwand durch Betätigung des Schneidwerkzeugs heraustrennbar ist, und dass das Schneidwerkzeug betätigt und danach aus dem Hohlprofil entfernt wird.

Die zu lösende Aufgabe besteht darin, ein alternatives Herstellungsverfahren für das Energieabsorptionsprofil der D11 zur Verfügung zu stellen.

D16 (mit D16a) beschreibt ein Werkzeug und ein Verfahren zum Herstellen von Öffnungen in einer innenliegenden Wand (partition wall 12) eines unregelmäßig geformten Gegenstands mit zwei Hohlräumen, die durch die innenliegende Wand getrennt werden (Seite 1 der D16a, Zeilen 1-17). Gemäß D16a ist dieses Verfahren für die allgemeine industrielle Anwendung geeignet (Seite 6, Zeilen 24-31), wobei als Beispiel ein stranggepresstes Aluminiumprofil für ein Synchrotron verwendet wird (Seite 3, Zeilen 16-25). Der im vorliegenden Fall maßgebliche Fachmann, der ein Maschinenbauingenieur der Fachrichtung Umformtechnik ist (wie von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagen), würde daher die D16 zur Lösung der gestellten Aufgabe in Betracht ziehen.

Das in der D16 beschriebene Verfahren umfasst

1c) das Einführen eines Schneidwerkzeugs (16, 17) in das Hohlprofil (11), wobei das Schneidwerkzeug sich längs des Hohlprofils erstreckt (Figur 3) und Schneiden (22, 24) aufweist, welche so angeordnet sind, dass ein innenliegender Wandabschnitt (26) der Innenwand (12) des Hohlprofils (11) durch Betätigung des Schneidwerkzeugs heraustrennbar ist;

und

1d) die Betätigung des Schneidwerkzeugs und Trennen eines innenliegenden Wandabschnitts aus der Innenwand (Seite 5, Zeilen 15-24);

und

1e) das Entfernen des ausgeschnittenen Wandabschnitts (Seite 5, Zeilen 24-26) und des Schneidwerkzeugs (implizit) aus dem Hohlprofil (11).

Der Fachmann würde erkennen, dass das Verfahren (inklusive Werkzeug) der D16 eine Alternative zu der Herstellungsmethode der D11 darstellt, und würde das Verfahren mit den Merkmalen 1c bis 1e zur Herstellung des Energieabsorptionsprofils der D11 verwenden.

Der Fachmann würde daher ohne erfinderisches Zutun zu dem Verfahren nach Anspruch 1 gelangen, mit Ausnahme des Merkmals, wonach sich das Schneidwerkzeug "durch die Länge (L) des Hohlprofils (2) erstreckt". Dieses Merkmal hat jedoch keinen erkennbaren technischen Effekt, so dass es nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann.

Die Frage, ob sich das Werkzeug durch die (gesamte) Länge des Hohlprofils erstreckt, oder nicht, entspricht zwei offensichtlichen und gleichwertigen Alternativen, die der Fachmann bei der Nutzung des Verfahrens hat, nämlich entweder nach Fertigung einer Ausnehmung am ersten Ende das Hohlprofil zur Fertigung einer zweiten Ausnehmung umzudrehen, oder das Werkzeug entsprechend lang zu gestalten.

Die Einspruchsabteilung hatte dieses Merkmal als nicht naheliegend angesehen mit der Begründung, dass es unerwünscht sei, ein Werkzeug "mit doppelter Länge" zur Verfügung zu stellen. Es kann jedoch als im gleichen Maße unerwünscht betrachtet werden, das Hohlprofil während des Herstellungsprozesses umzudrehen. Daher sind die beiden möglichen Verfahrensweisen als gleichwertig anzusehen.

Die Beschwerdegegnerin argumentierte in ihrer Eingabe vom 19. Februar 2020, dieses Merkmal biete eine vorteilhafte Abstützung beim Schneidvorgang und vermeide Risse oder Ausreißer in der Schneidzone. Dieses Argument ist jedoch technisch nicht nachvollziehbar und wurde durch die Beschwerdegegnerin auch nicht weiter erläutert.

Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

1.2 Hilfsantrag 1

In Anspruch 1 des Hilfsantrags wurde das Merkmal des erteilten Anspruchs 3 hinzugefügt, wonach "das Schneidwerkzeug ein erstes Schneidwerkzeugteil und ein zweites Schneidwerkzeugteil aufweist und das erste Schneidwerkzeugteil von einer Stirnseite des Hohlprofils in eine erste Kammer des Hohlprofils auf einer ersten Seite der Innenwand eingeführt wird und das zweite Schneidwerkzeugteil von einer Stirnseite des Hohlprofils in eine zweite Kammer des Hohlprofils auf der gegenüberliegenden, zweiten Seite der Innenwand eingeführt wird".

Im Gegenzug wurden die Merkmale des erteilten Anspruchs 6, wonach sich unter anderem das Werkzeug durch die Länge des Hohlprofils erstreckt, aus dem Anspruch gestrichen.

Das hinzugefügte Merkmal wird bereits durch die D16 offenbart, die beschreibt, dass das Schneidwerkzeugteil 16 in die Kammer 13 eingeführt wird, und das Schneidwerkzeugteil 17 in die Kammer 14 (Figur 3).

Daher leistet dieses Merkmal keinen weiteren Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdegegnerin beschreibt zwar in der Eingabe vom 19. Februar 2020, dass durch dieses Merkmal die Schneidwerkzeuge gezielt in Position gebracht und ein innenliegender Wandabschnitt positionsgenau herausgetrennt werden kann. Sie legt jedoch nicht dar, inwiefern sich das Anspruchsmerkmal von der Offenbarung der D16 unterscheiden würde.

Daher, und aus den bezüglich des Hauptantrags erläuterten Gründen, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

1.3 Hilfsantrag 2

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist eine Kombination des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1.

Aus den oben genannten Gründen beruht dieser ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

1.4 Hilfsantrag 3

In Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde ein weiteres Merkmal (aus dem erteilten Anspruch 4) hinzugefügt, wonach "das Schneidwerkzeug durch außerhalb des Hohlprofils wirkende Antriebsmittel betätigt wird".

Ohne eine nähere Definition, was mit dem Begriff "Antriebsmittel" gemeint ist, umfasst dieser Begriff alle Mittel, die zum Antrieb beitragen, also z.B. Motoren, Hydraulikpumpen, hydraulische Leitungen, Hydraulikzylinder etc.

In der D16 sind hydraulische Leitungen 25 offenbart, die (implizit) an einer Hydraulikpumpe angeschlossen sind. Diese Komponenten sind außerhalb des Hohlprofils angeordnet, stellen also "außerhalb des Hohlprofils wirkende Antriebsmittel" dar, die das Schneidwerkzeug betätigen. Das in Hilfsantrag 3 hinzugefügte Merkmal ist also ebenfalls bereits in der D16 offenbart und trägt nicht zur erfinderischen Tätigkeit bei.

Die Beschwerdegegnerin hat zwar einige Vorteile dieses Merkmals beschrieben, aber sie hat nicht erläutert, inwiefern es sich von der Offenbarung der D16 unterscheidet.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 3 beruht daher, und aus den oben bereits erläuterten Gründen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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