T 2117/17 () of 30.9.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T211717.20210930
Datum der Entscheidung: 30 September 2021
Aktenzeichen: T 2117/17
Anmeldenummer: 10401095.4
IPC-Klasse: G07F 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Leergutrücknahmeeinrichtung
Name des Anmelders: Wincor Nixdorf International GmbH
Name des Einsprechenden: Tomra Systems ASA
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 54(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

a) Besonders strenge Bedingungen sind an ein verspätetes Vorbringen einer offenkundigen Vorbenutzung geknüpft, insbesondere dann, wenn die Vorbenutzung durch die Verfahrensbeteiligten selbst erfolgt sein soll. Gerade in einem solchen Fall wäre von der Einsprechenden zu erwarten gewesen, Informationen über die eigenen Produkte schon vor der Einspruchsabteilung vorzubringen, um eine Zurückverweisung zu vermeiden (Punkt 4.2.8).

b) Obwohl zwar die Verfahrensschritte als solche in einem Vorrichtungsanspruch nicht unmittelbar Teil des Schutzumfangs sind, versteht die Fachperson aber, dass die Vorrichtung dazu eingerichtet sein muss, die Verfahrensschritte auszuführen (Punkt 5.2.3).

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/91
G 0010/91
T 0576/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1179/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 2 287 813 gemäß Artikel 101 (2) EPÜ zurückzuweisen. Die Erfindung betrifft eine Leergutrücknahmevorrichtung zur Entgegennahme von Pfandbehältern.

II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass weder der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c), 123 (2) EPÜ noch der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a), 52 (1), 54 EPÜ (fehlende Neuheit des Gegenstands des unabhängigen Patentanspruchs 1 gegenüber jeder der O1, O2, O4, O5, O6, O7, O8 und O12) noch der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a), 52 (1), 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit ausgehend von O4, O6 oder O8 als nächstliegendem Stand der Technik) der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehe.

III. Auf folgende Dokumente wird verwiesen, die innerhalb der Einspruchsfrist eingereicht wurden:

O1 = DE 196 07 330 A1

O2 = US 2006/0069588 A1

O3 = DE 10 2006 032 560 A1

O4 = US 2006/0016737 A1

O5 = WO 2009/041825 A1

O6 = WO 98/02256 A1

O7 = EP 1 699 020 A1

O8 = WO 2006/080851 A2

O12 = WO 2009/061207 A1

Erst mit der Beschwerde wurden folgende Dokumente eingereicht:

Anlagen 1-6 =|Vorbenutzung, forensischer Untersuchungs­bericht zur Vorbenutzung |

Anlage 7 = Anlage 8-9 = Anlage 10-11=|Dänische Pfandrücknahmeverordnung "Bekendtgørelse om pant og indsamling mv. af emballager til øl og visse læskedrikke" mit englischer Übersetzung; weitere Dokumente wurden nachgereicht: Installationsbelege für den in Anlage 1-6 beschriebenen Pfandrücknahmeautomaten, eingereicht mit Schreiben vom 19. April 2018;Links zu Videos, welche die Vorbenutzung belegen sollen, eidesstattliche Erklärung über diese Videos und ein forensischer Bericht, eingereicht mit Schreiben vom 23. Dezember 2019|

IV. Anträge

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer haben die Parteien die folgenden Anträge gestellt:

Die Beschwerdeführerin (hier "Einsprechende") beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (hier "Patentinhaberin") beantragt die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1-10, eingereicht mit Schreiben vom 11. April 2018. Es wird auch beantragt, die verspätet eingereichten Dokumente zur Vorbenutzung (Anlagen 1-7) nicht zuzulassen.

V. Hervorhebungen (Hinzufügungen/Hervorhebungen, [deleted: Streichungen], fett) und Merkmalsbezeichnungen in Textstellen wurden von der Kammer hinzugefügt.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

(A) Leergutrücknahmevorrichtung zur Entgegennahme von Leergutbehältern mit mindestens einem Sensor zur Erfassung mindestens eines charakteristischen Merkmals eines Leergutbehälters,

(B) mit mindestens einer Transporteinrichtung,

(C) mit mindestens einer Schnittstelle zum Austausch von Daten und/ oder Signalen zwischen der Leergutrücknahmevorrichtung und einer externen Prozesssteuerungseinrichtung, und

(D) mit mindestens einer Ausgabeeinrichtung,

dadurch gekennzeichnet, dass

(E) die mindestens eine Transporteinrichtung einen Leergutbehälter nach seiner Eingabe in den Leergutrücknahmeautomat dem Sensor zuführt und nach der Erfassung des mindestens einen charakteristischen Merkmals weitertransportiert,

(F) dass die externe Prozesssteuerungseinrichtung, welche die durch den Sensor ermittelten Daten und/ oder Signale eines Leergutbehälters auswertet, den Wert eines dem Leergutbehälter zugeordneten Pfandes bestimmt, das Pfand mehrerer Leergutbehälter addiert und die Transporteinrichtung steuert und,

(G) dass die mindestens eine Ausgabeeinrichtung den Wert des Pfandes an einen Benutzer ausgibt.

VII. Die Argumente der Einsprechenden können folgendermaßen zusammengefasst werden:

a) Anlagen 1-7 seien prima facie neuheitsschädlich und sollten deshalb in das Verfahren zugelassen werden.

b) Anlagen 1-6 offenbarten die externe Steuerung eines Pfandrückgabeautomaten durch einen Service PC.

c) Anlage 7 offenbare die Steuerung eines Pfandrück­gabeautomaten durch eine Kasse.

d) Anspruch 1 sei unzulässig erweitert, da die Umstellung der Merkmale auch die Möglichkeit einschließe, dass die Prozesssteuerungseinrichtung innerhalb der Leergutrücknahmevorrichtung untergebracht werden könnte.

e) O4 und O6 seien neuheitsschädlich.

f) Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht erfinderisch gegenüber der Lehre von O6 oder O4 jeweils alleine oder in Kombination mit der Lehre eines der anderen oben zitierten Dokumente.

Die Argumente der Patentinhaberin können folgendermaßen zusammengefasst werden:

g) Die Anlagen 1-7 sollten nicht zugelassen werden, da deren Offenbarungen nicht über die der sich im Verfahren befindlichen Dokumente hinaus gingen.

h) Durch die reine Umstellung der Merkmale im Anspruch 1 ändere sich der beanspruchte Gegenstand nicht.

i) Keines der Dokumente offenbare, allein oder in Kombination, durch eine externen Prozesssteuerung sowohl eine Pfandsumme zu berechnen als auch eine Transportvorrichtung zu steuern (Merkmal (F)).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die beanspruchte Erfindung

2.1 Bei einer herkömmlichen Leergutrücknahmevorrichtung ("Reverse Vending Machine", "RVM") ist die Prozess­steuerung, welche die von Sensoren ermittelten Signale und/ oder Daten auswertet, daraus den Wert eines Pfands eines Leerguts ermittelt und die Transporteinrichtung zum Transportieren des Leerguts durch die Leergutrück­nahmevorrichtung steuert, als ein Computer realisiert, der in die Leergutrücknahmevorrichtung integriert ist. Die Prozesssteuerung ist komplex und aus diesem Grund auch aufwendig.

2.2 Eine mit einer solchen internen Prozesssteuerung ausgestattete Leergutrücknahmevorrichtung ist daher relativ teuer und ist oftmals für Betriebe mit einem geringen Rücknahmevolumen, wie beispielsweise für eine Tankstelle oder einen Drogeriemarkt, einen Kiosk oder eine Kantine, nicht wirtschaftlich (Streitpatent, Abschnitt [0006]).

2.3 Aus diesem Grund liegt dem angefochtenen Patent die Aufgabe zugrunde, eine Leergutrücknahmevorrichtung zur Verfügung zu stellen, die kostengünstig hergestellt werden kann, so dass ihre Anschaffung auch für einen kleineren Betrieb wirtschaftlich ist (Streitpatent, Abschnitt [0007]).

2.4 Die erfindungsgemäße Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass die Leergutrücknahmevorrichtung keine interne Prozesssteuerung aufweist, sondern nur eine Schnitt­stelle, mittels der die Leergutrücknahme-Vorrichtung mit einer externen Prozesssteuerung gekoppelt ist, und mittels der die Leergutrücknahmevorrichtung mit der externen Prozesssteuerung Daten und Steuersignale austauscht. Anschaulich werden laut Erfindung die rechenaufwendigen Berechnungen im Rahmen des Steuerns der Leergutrücknahmevorrichtung (Pfandautomat) in eine externe Prozesssteuerungseinrichtung ausgelagert, im Folgenden auch bezeichnet als externe Prozesssteuerung.

3. Unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c), 123 (2) EPÜ)

3.1 Im vorliegenden Fall beschränken sich die an Anspruch 1 im Prüfungsverfahren vorgenommenen Änderungen im Hauptantrag auf eine Neuordnung der bereits ursprünglich im Anspruch enthaltenen Merkmale. Die Neuordnung dient zur Herstellung der zweiteiligen Form.

3.2 Anspruchsgemäß handelt es sich bei der Prozesssteuerungseinrichtung - sowohl in der ursprünglichen als auch in der erteilten Fassung - um eine "externe" Prozesssteuerungseinrichtung, welche Daten bzw. Signale mit der Leergutrücknahmevorrichtung über eine "Schnittstelle" austauscht.

3.3 Die Kammer kann der Argumentation der Einsprechenden nicht folgen, die argumentiert, dass der aktuelle Hauptantrag durch die Umstellung der Merkmale auch die Möglichkeit einschließe, dass die Prozesssteuerungseinrichtung innerhalb der Leergutrücknahmevorrichtung untergebracht werden könnte. Die Kammer ist folglich der Meinung, dass die Neuordnung derart erfolgte, dass den betroffenen Merkmalen keine andere als die ursprünglich offenbarte Bedeutung zukommt.

3.4 Folglich erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse von Artikel 100 c) und 123 (2) EPÜ.

4. Nicht-Zulassung der neuen Dokumente (Artikel 12(4) VOBK 2007)

4.1 Anlagen 1-6

4.1.1 Die Einsprechende argumentierte, dass Anlagen 1-6 zeigten, dass ein Pfandautomat des Modells Tomra 710 MK2 Combi von Tomra Systems AIS in Dänemark an das Geschäft Netto in Herlev in Dänemark verkauft wurde, wo er am 29. Oktober 2007 installiert wurde.

4.1.2 Der Pfandautomat verfüge über eine Schnittstelle für den Anschluss eines Service-PCs. Die Software auf dem Service-PC enthalte Befehle zur Übertragung der Sensordaten von der "crate unit" auf die Festplatte des Service-PC und zum Starten des "conveyor" der "crate unit" vom Service-PC aus.

4.1.3 Anlage 6 sei ein Benutzerhandbuch vom Dezember 2002 für den externen Service-PC, das unter anderem Befehle zur Übertragung von Sensordaten vom Netto-RVM zum externen Service-PC über die in Anhang 4 gezeigte Schnittstelle enthalte. Der Service-PC könne das Förderband starten, nachdem der Servicetechniker einen Befehl über die Tastatur eingegeben habe.

4.1.4 Die Einspruchsabteilung habe während der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz überraschend bekannt gegeben, dass ihrer Meinung nach die Offenlegung eines Pfandautomaten gemäß Dokumenten O4, O7 und O8, der mit einer Schnittstelle, die eine bidirektionale Kommunikation mit einem externen Computer ermögliche, versehen sei, für den Nachweis von mangelnder Neuheit nicht ausreiche (siehe Punkte 3 bis 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung). Stattdessen sei verlangt worden, dass die Schnittstelle hinsichtlich Hard- und Software explizit so gestaltet sein müsse, dass Steuerbefehle von der externen Prozesssteuereinrichtung - direkt oder indirekt - an die Transporteinrichtung weitergeleitet werden.

4.1.5 Dies sei ein Standpunkt, der weder von der Patentinhaberin noch vom EPA während des schriftlichen Verfahrens überhaupt erwähnt worden wäre. In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten vorläufigen Stellungnahme wurde von der Einspruchsabteilung darauf hingewiesen, dass jedes der Dokumente O4, O7 und O8 alle Merkmale des Anspruchs 1, d.h. auch alle Merkmale der Schnittstelle, offenbare (siehe Punkt 5 der Ladung vom 19. Oktober 2016). Daher hätten Anlagen 1-7 nicht früher eingereicht werden können, da die Einsprechende bis zur Ankündigung bei der mündlichen Verhandlung keinen Grund zur Annahme hatte, dass die Offenlegung einer Schnittstelle ein Thema sein würde.

4.1.6 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass insbesondere eine Vorbenutzung bereits beim Einlegen des Einspruchs hätte geltend gemacht werden müssen und Anlagen 1 bis 6 nicht über die Offenbarung der O6 hinausgingen.

4.2 Anlage 7

4.2.1 Die Einsprechende argumentierte, dass Anhang 7 neuheitsschädlich gegenüber Anspruch 1 sei. Insbesondere offenbare Anhang 7 eine externe "central control unit" (CCU) mit einer zentralen Datenbank, die Informationen über Produkt-Typen und -Nummern sowie dem zugehörigen Pfandwert enthalte. Seite 52, Abschnitt 2.2, der englischen Übersetzung offenbare, dass die CCU eine Überprüfung aller Kriterien eines Produktes vornehme und ein Annahme- oder Zurückweisungs-Kommando für dieses Produkt ausgebe. Dieses Kommando werde dem Pfandautomaten übermittelt, der dann die Transport­vorrichtung so steuere, dass das Produkt angenommen oder zurückgewiesen werde. Insofern sei das Annahme- oder Zurückweisungs-Kommando ein Steuerbefehl der CCU und die CCU somit eine externe Prozesssteuerung.

4.2.2 Ferner offenbare Anhang 7 auch eine Steuerung durch eine Kasse (Seite 53: "Communication between reverse vending machine and the store's cash terminal systems with a view to ensuring correct settlement of the individual bottle receipt"). Die Kasse sei somit auch involviert in die korrekte Annahme oder Zurückweisung eines Pfandproduktes und könne somit auch als externe Prozessteuerung betrachtet werden.

4.2.3 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass Anhang 7 eine längst veröffentlichte öffentliche Verordnung sei, die der Einsprechenden längst bekannt gewesen wäre und nicht bis zur Beschwerde zurückgehalten hätte werden dürfen, sondern bereits mit Einreichung des Einspruchs hätte eingeführt werden müssen. Anlage 7 offenbare eine externe Datenbank, wie sie aus der O2 (Computer 25), O4 (Abschnitte [0023] und [0088]), O6 (Fig. 2 "control to check-out" 157) oder O7 (Fig. 1 "Zentrale Datenerfassungsstelle für Pfanderzeuger, Hersteller und/oder Vertreiber von Kunststoffeinwegflaschen und Getränke­einwegdosen") bekannt sei. Folglich gehe die Offenbarung von Anhang 7 nicht über die Offenbarung der bereits im Verfahren befindlichen Dokumente hinaus und Anlage 7 sei prima facie nicht relevant.

4.2.4 Ferner weise Anlage 7 davon weg, dass der in der Vorbenutzung aufgeführte Service-Computer oder der in der O6 genannte Service-PC zu einer Pfandsummen-Berechnung benutzt werden könne, da Anlage 7 verbiete, dass Service-Techniker Zugang zur CCU hätten (Seite 53, "Troubleshooting must not be capable of correcting the database and the records in the central control unit").

4.2.5 Die Kammer kam zum Schluss, dass die Gründe für die verspätete Einreichung neuer Dokumente nicht ausreichend sind. Eine Einsprechende ist angehalten, allen möglicherweise relevanten Stand der Technik innerhalb der Einspruchsfrist einzureichen und einen vollständigen Fall vorzubringen. Neuer Stand der Technik kann im Einspruchsbeschwerdeverfahren nur in Ausnahmefällen zugelassen werden. Durch neuen Stand der Technik entsteht im Prinzip ein neuer Fall, der an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden müsste.

4.2.6 Das zweiseitige Beschwerdeverfahren dient vorwiegend dem Recht der Beteiligten auf Überprüfung der Entscheidung der ersten Instanz in einem gerichtsähnlichen Verfahren. Es wurde insbesondere in G1/91 und G10/91 festgestellt, dass der Hauptzweck des zweiseitigen Beschwerdeverfahrens darin besteht, die Entscheidung der Vorinstanz letztinstanzlich zu überprüfen. Somit ist der faktische und rechtliche Rahmen des Einspruchsverfahrens weitestgehend für das weitere Beschwerdeverfahren bestimmend (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, Abschnitt IV.C.4.5.1).

4.2.7 Die Parteien sind in ihrer Verfahrensführung gewissen Grenzen unterworfen, die sich im zweiseitigen Verfahren namentlich aus dem Prinzip der Fairness gegenüber der anderen Partei sowie generell aus den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren ergeben. Insbesondere trifft die Parteien im zweiseitigen Verfahren auch eine Pflicht zur sorgfältigen und förderlichen Verfahrensführung. Dazu gehört es, alle relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so früh und vollständig wie möglich vorzulegen.

4.2.8 Besonders strenge Bedingungen sind an ein verspätetes Vorbringen einer offenkundigen Vorbenutzung geknüpft, insbesondere dann, wenn die Vorbenutzung durch die Verfahrensbeteiligten selbst erfolgt sein soll. Gerade in einem solchen Fall wäre von der Einsprechenden zu erwarten gewesen, Informationen über die eigenen Produkte schon vor der Einspruchsabteilung vorzubringen, um eine Zurückverweisung zu vermeiden.

4.2.9 Anlagen 1-6 bringen als neue Offenbarung bezüglich der schon im Verfahren befindlichen Dokumente vorwiegend die Benutzung eines Service-PC ein, mit dem die Leergutrücknahmevorrichtung extern gesteuert werden könnte. Ein solcher Service-PC ist jedoch in O6 (Bezugszeichen 121) offenbart. Die Lehre der Anlage 7 geht nicht über die Lehre der bereits im Verfahren befindlichen Dokumente O2, O4, O6 und O7 hinaus. Weder Anlagen 1-6 noch Anlage 7 offenbaren das Merkmal (F) und sind damit weder neuheitsschädlich noch nützlich für eine Diskussion der erfinderischen Tätigkeit. Folglich sind Anlagen 1-7 prima facie nicht hoch relevant. Die Kammer sieht deshalb keinen Grund, diese Dokumente zuzulassen.

4.2.10 Im Einspruchsverfahren waren zudem mehrere Hilfsanträge auf eine Leergutrücknahmevorrichtung mit spezifischerer Gestaltung der Schnittstelle bzw. auf ein Gesamtsystem, welches eine Kasse oder ein Kassensystem und eine Leergutrücknahmevorrichtung aufweist, gerichtet. Die Einsprechende hätte folglich schon in der ersten Instanz auf diese Anträge reagieren können, wenn sie der Meinung ist, dass diese Anträge zusätzlichen Stand der Technik bedürften.

4.2.11 Der Umfang von Anlagen 1-7 und die Tatsache, dass ein Teil der Dokumente in einer Nicht-Amtssprache verfasst ist, sind aus Gründen der Verfahrensökonomie ein weiterer Grund, die neuen Dokumente nicht zuzulassen.

4.2.12 Deshalb werden die Anlagen 1-7 nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12(4) VOBK 2007).

5. Neuheit (Artikel 100 a), 52(1) und 54(2) EPÜ)

5.1 O6

5.1.1 Die Einsprechende hat argumentiert dass O6 eine

O6FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Leergutrücknahmevorrichtung mit einer Transportvorrichtung ("Conveyor 102"), einer "video camera 109" (Sensor) und einer Schnittstelle (Fig. 2) für einen Service PC (121) und eine externe Kasse ("Point Of Sale", "POS System 123") offenbare.

5.1.2 O6 offenbare die Anschluss-Möglichkeit eines Service-PCs 121. In der Regel sei ein solcher Service-PC ein gängiger und komplett ausgestatteter Computer, der dazu geeignet sei, alle Schritte einer Prozesssteuerung auszuführen. Zudem verlange der Anspruchswortlaut nur, dass die Schnittstelle dazu geeignet sei, Sensordaten und Steuerbefehle mit einem externen Gerät auszutauschen. Dies sei jedoch schon in Anbetracht der Offenbarung von Fig. 2 gegeben, die durch die Doppelpfeile für den Service-PC (121) und das POS (123) eine Zweiwege-Datenkommunikation offenbare. Zudem sei eine externe Steuerung durch das Zweiwege-Interface zur "Control to check-out" Datenbank (157) gegeben, die in Analogie zur Anlage 7 Annahme- oder Zurückweisungs-Steuerbefehle in Abhängigkeit der übermittelten Sensordaten senden könne.

5.1.3 Der Anspruchswortlaut schließe zudem nicht aus, dass es zusätzlich zur externen Prozesssteuerung auch eine interne Prozesssteuerung gebe. Der Anspruchswortlaut der beanspruchten Vorrichtung enthalte zudem Verfahrensschritte, die nicht einschränkend seien, da sie nicht gattungsgemäß (Vorrichtungsanspruch) seien.

5.1.4 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass es weder explizit noch implizit in O6 offenbart sei, welche Prozessschritte der Service-PC ausführen könne. Somit seien Merkmale (F) und (G) nicht offenbart. Merkmal (G) enthalte ja die Übermittlung einer extern ermittelten Pfandsumme.

5.2 Unterschied

5.2.1 Die Kammer kam zum Schluss, dass der Anspruchswortlaut zwar Verfahrensschritte in der beanspruchten Vorrichtung enthält, die Fachperson aber die folgenden Merkmale eindeutig in folgender Weise versteht (Ergänzungen in Klammern durch die Kammer):

(E) dadurch gekennzeichnet, dass die mindestens eine Transporteinrichtung [so eingerichtet ist, dass sie] einen Leergutbehälter nach seiner Eingabe in den Leergutrücknahmeautomat dem Sensor zuführt und nach der Erfassung des mindestens einen charakteristischen Merkmals weitertransportiert,

(G) dass die mindestens eine Ausgabeeinrichtung [so eingerichtet ist, dass sie] den Wert des Pfandes an einen Benutzer ausgibt.

5.2.2 Die Prozesssteuerungseinrichtung ist wesentlich für das Funktionieren der Leergutrücknahmevorrichtung, dadurch dass sie die in Merkmal (F) beanspruchten Verfahrensschritte ausführt. Der Schutzumfang umfasst also nur die Leergutrücknahmevorrichtung wie sie verkauft wird, ohne in Betrieb zu sein und folglich ohne die externe Prozesssteuerungseinrichtung und die durch diese ausgeführten Verfahrensschritte.

5.2.3 Deshalb sind die für die Prozesssteuerung beanspruchten Verfahrensschritte nicht Teil des Schutzumfangs. Obzwar die Verfahrensschritte als solche im Vorrichtungsanspruch nicht unmittelbar Teil des Schutzumfangs sind, versteht die Fachperson aber, dass die Vorrichtung dazu eingerichtet sein muss, die Verfahrensschritte auszuführen. Im vorliegenden Fall muss die Schnittstelle zur Prozesssteuerung und die Elektronik/Software der Leergutrücknahmevorrichtung dazu eingerichtet sein, die nötigen Sensor-Daten zur Prozesssteuerungseinrichtung zu senden und den Wert des Pfandes bzw. die Steuerbefehle zu empfangen, so dass sie in der Leergutrücknahmevorrichtung entsprechend verarbeitet werden können. Die Fachperson versteht das Merkmal (C) für die Merkmalsanalyse also folgenderma­ßen:

(C) mit mindestens einer Schnittstelle [eingerichtet] zum Austausch von Daten und/ oder Signalen zwischen der Leergutrücknahmevorrichtung und einer externen Prozesssteuerungseinrichtung [[deleted: (F) dass die externe Prozesssteuerungseinrich­tung]], welche die durch den Sensor ermittelten Daten und/ oder Signale eines Leergutbehälters auswertet, den Wert eines dem Leergutbehälter zugeordneten Pfandes bestimmt, das Pfand mehrerer Leergutbehälter addiert und die Transporteinrich­tung steuert

5.2.4 Dies bedeutet aber, dass sowohl die Sensordatenverarbeitung, als auch die Transporteinrichtung, als auch die Schnittstelle so beschaffen sein müssen, dass eine externe Prozesssteuerungseinrichtung sowohl Daten vom Sensor (Camera 109) empfangen, als auch daraus die Pfandsumme bestimmen, die Pfandsumme an den Pfandautomaten rückmelden und die Transporteinrichtung (102) steuern kann. Das bedeutet also, dass die Leergutrücknahmevorrichtung komplett durch eine externe Prozesssteuerungseinrichtung steuerbar ist und nicht nur, dass die Schnittstelle geeignet ist, Daten zu senden und Steuersignale zu empfangen.

5.2.5 Die externe Prozesssteuerungseinrichtung kann auch ein Service-PC zum Warten und Testen der Leergutrücknahmevorrichtung sein. Die Merkmalskombination (A)-(G) erfordert aber, dass die Elektronik und Software der Leergutrücknahmevorrichtung dafür konfiguriert ist, von diesem Service-PC gesteuert zu werden. Das heißt aber auch, dass die Merkmale "Pfandsummenberechnung" und "Steuerung der Transporteinrichtung" von der externen Prozesssteuerung aus im Stand der Technik offenbart oder - für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit - durch diesen nahegelegt werden müssen.

5.2.6 In der Regel ist ein Service-PC theoretisch dazu geeignet, die meisten Schritte einer Prozesssteuerungseinrichtung auszuführen. Dies ist jedoch weder explizit noch implizit in O6 offenbart, insbesondere, dass eine auf einer externen Prozesssteuereinrichtung ermittelte Pfandsumme an den Benutzer ausgegeben wird.

5.2.7 Folglich offenbart O6 weder explizit noch implizit Merkmal (F), d.h. dass die Prozesssteuerungseinrichtung (Service PC 121) die durch den Sensor ermittelten Daten und/ oder Signale eines Leergutbehälters auswertet, den Wert eines dem Leergutbehälter zugeordneten Pfandes bestimmt, das Pfand mehrerer Leergutbehälter addiert und die Transportein­richtung steuert.

5.2.8 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber O6.

5.3 O4

5.3.1 Die Einsprechende hat argumentiert, dass O4 einen Bücherrückgabeautomaten beschreibe, der aber auch als Leergutrücknahmevorrichtung benützt werden könne (Abschnitte [0005] und [0006]). O4 offenbare eine externe Datenbank für eine Pfandprodukt-Annahme oder Pfandprodukt-Zurückweisung (Abschnitte [0023] und [0088]), eine Transportvorrichtung (Fig. 11, Abschnitt [0068]) und eine Pfandsummenberechnung (Anspruch 5 in Verbindung mit Abschnitt [0050]).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK O4

5.3.2 O4 beschreibe in den Abschnitten [0083] bis [0086] die Steuerungen der Pfandrücknahmevorrichtung und der angeschlossenen Sortieranlagen (Bezugszeichen 51-53 in Fig. 16). Dabei könne es eine zentrale Prozessteuerung für alle Geräte oder eine lokale Prozesssteuerung geben. Die Prozessoren können per Kabel oder WLAN verbunden werden. Eine weitere Option sei ein CAN-Bus. In diesem Zusammenhang werde offenbart (Abschnitt [0086]): It should furthermore be stated that it is understood that in an acceptance arrangement according to the invention with said sorting units the logic/control components or the microprocessor(s), connected therewith and driving the arrangement, can also be disposed outside the acceptance arrangement or the housing". O4 offenbare somit explizit alle Merkmale (A)-(G).

5.3.3 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass sich letztere Passage lediglich auf eine Positionierung der Logikkomponenten beziehe, die selbstverständlich Teil der Anlage seien. Ein externer Datenaustausch sei lediglich im Zusammenhang mit einer Pfandwert-Datenbank offenbart (Abschnitt [0088] und [0089]). Dort werde insbesondere vor einer Gefahr der Beeinträchtigung der Funktion durch schlechte Datenverbindung gewarnt, was zusätzlich unterstreiche, dass eine externe Prozesssteuerung in der O4 nicht offenbart sei. Selbst wenn die Prozesssteuerung in einer Box am Gehäuse angeordnet wäre, um den Zugang zur Wartung zu erleichtern, müsste die Prozesssteuerung im Sinne der Erfindung als interne Prozesssteuerung angesehen werden, da sie nicht von außerhalb, aus einer gewissen Entfernung und/ oder über eine für alle Geräteteile gemeinsame Schnittstelle die Pfandrückgabevorrichtung steuere.

5.3.4 Die Pfandrückgabevorrichtung mit Sortieranlage in O4 sei eine sehr umfangreiche und komplexe Anlage, die es nicht erlaube, von einer externen Prozesssteuerung gesteuert zu werden. Der Nachteil einer externen Steuerung sei die Verzögerung der Signale, die in O4 in Bezug auf die Datenbankverbindung als nachteilig erwähnt sei. Eine solche Verzögerung werde bei der vorliegenden Erfindung in Kauf genommen, um die gesamte Vorrichtung zu vereinfachen und zu verbilligen. Dies sei aber für eine so komplexe Anlage wie in der O4 nicht möglich.

5.3.5 Die Kammer kam auch zum Schluss, dass die Fachperson die Offenbarung in Abschnitt [0086] nicht direkt und eindeutig als externe Prozessteuerung versteht, die über eine Schnittstelle die Pfandrücknahmevorrichtung (und Sortiereinrichtungen) steuert. Absatz [0086] muss eher so verstanden werden, dass innerhalb der gesamten Einheit mit den verschiedenen Komponenten, wie z.B. den Sortieranlagen, die Steuerung einzelner Komponenten nicht innerhalb einer Komponente liegen muss, sondern zentralisiert werden kann und damit außerhalb der Komponente oder des Gehäuses der Komponente liegen kann. Da das gesamte System intern durch einen Bus verbunden ist, der wohl auch Schnittstellen enthält, würde die Fachperson die einzelnen Prozessoren immer noch als interne Prozesssteuerung ansehen, auch dann, wenn einzelne Komponenten oder eine zentrale Steuerung außerhalb am Gehäuse montiert wären.

5.3.6 Unter externer Prozesssteuerung versteht die Fachperson eher, was im Englischen als "remote Control" bekannt ist, also eine Fernsteuerung einer Anlage oder eines Gerätes aus einem gewissen Abstand, und nicht die Positionierung einer Steuerung innerhalb, am oder außerhalb eines Gehäuses. Da O4 nicht direkt und eindeutig eine externe Prozesssteuerung nach diesem Verständnis der Fachperson offenbart, ist folglich Merkmal (F) durch die O4 nicht offenbart und der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der O4.

5.3.7 Ferner offenbart keines der Dokumente O1, O2, O7, O8 und O12 Merkmal (F) (s.u.). Folglich erfüllt Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 52(1) und 54(2) EPÜ.

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) und 56 EPÜ)

6.1 O6 alleine

6.1.1 Die Einsprechende hat argumentiert, dass eine interne und externe Prozesssteuerung zwei fachübliche Alternativen seien, die die Fachperson je nach Bedarf in Betracht ziehen würde. Das wesentliche Merkmal der Erfindung des Streitpatents sei die Abwesenheit einer internen Prozesssteuerung. Dieses Merkmal sei jedoch nicht im Anspruch enthalten. Damit sei die objektive Aufgabe der Erfindung, ein billiges Gerät bereitzustellen, nicht gelöst und der Anspruchsgegenstand automatisch nicht erfinderisch.

6.1.2 Die in O6 auf Seite 5, Zeile 22-24, aufgeführten kleinen Tests könnten in der Regel auch durch eine Kasse durchgeführt werden. Diese Tests sowie auch die Produkt-Annahme oder -Zurückweisung durch eine Datenbank ("Connect to check-out" 157) könnten auch als Steuerungsbefehle einer externen Prozesssteuerung angesehen werden. Dadurch sei es naheliegend, die gesamte Prozesssteuerung auf die Kasse oder einen externen Server auszulagern.

6.1.3 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass die Fachperson bei einer externen Prozesssteuerung eine zusätzliche interne Prozesssteuerung ausschließe. Dies sei auch im Lichte der Beschreibung des Streitpatents eindeutig. Ein Service-PC habe prinzipiell nur die Aufgabe, die Funktionsweise der Kamera zu überprüfen, die oft durch Flüssigkeit verdreckt sei. Deshalb müsse das Kamerabild ausgelesen werden, um die Barcode-Erkennung zu verifizieren. Ein Service PC werde nicht dazu verwendet, die Summenbildung der Pfandflaschen zu überprüfen. Die Testung der Transporteinrichtung finde durch die dafür vorgesehene Tastatur 119 und Display 120 statt. Die Fernwartbarkeit sei weder Aufgabe noch technischer Effekt der Erfindung. Der Effekt müsse aus dem Unterschied im Sinne des Patents ausgearbeitet werden. Es gehe bei der Erfindung nicht um die Auslagerung einer Teilkomponente, sondern um eine Auslagerung der gesamten Steuerung, um Kostenersparnis zu erzielen. Diese Aufgabe solle basierend auf der Wirkung der Unterschiedsmerkmale im Lichte des Patents formuliert werden und betreffe folglich ausschließlich die Bereitstellung eines billigen Gerätes.

6.1.4 Die Verwendung des Service-PCs hänge davon ab, von welchem Techniker bzw. für welche Komponente der PC benutzt werde. Es werden durch den Service PC also jeweils nur die Steuerungen einzelner Komponenten vorgenommen, aber nicht die Steuerung aller Prozesse. Dafür gebe es in O6 keinerlei Hinweise. Wenn die Fernsteuerung bei Pfand­automaten allgemeines Fachwissen wäre, dann wäre die vorliegende Erfindung schon 20 bis 30 Jahre früher gemacht worden.

6.1.5 Die Kommunikation zum POS werde nur verwendet, um den Pfandwert zu kommunizieren und statistische Analysen vorzunehmen (Seite 5, Zeilen 30-34) und habe nichts mit Prozesssteuerung zu tun. Prozesssteuerung umfasse nicht Dateneingabe/-Ausgabe, sondern Verarbeitung der Daten, also Computer-Logik. Treiberschaltkreise seien Teil des Aktors (Transportband, Türe) und nicht der Prozesssteuerung. Die Aktoren würden durch die Prozesssteuerungslogik und damit nicht durch eine externe Datenbank angesteuert. Pfandwertdatenbanken lieferten nur Daten und keine Steuerbefehle. Die Entscheidung, eine Tür zu öffnen, eine Transportband zu bewegen, eine Pfandsumme zu bilden oder ein Produkt zu akzeptieren hingegen sei Aufgage der Prozesssteuerungslogik. Die Daten von der Datenbank würden von der Prozesssteuerung in Steuerbefehle umgewandelt. Im Anspruch werde deshalb zwischen Sensordaten und Steuerungsdaten unterschieden. Es werde laut Anspruchswortlaut folglich nur die Logik ausgelagert, nicht die Datenerfassung.

6.1.6 Die auf Seite 5, Zeile 24, erwähnte Tastatur und das Display lehrten weg von Fernsteuerung, da Hardwarekomponenten für Komponententest schon im Gerät vorhanden seien und die Komponenten schon ohne separaten PC ansteuerbar seien. Deshalb würde die Fachperson die Transportvorrichtung nicht über den Service-PC steuern. Ferner gebe es in O6 keinen Hinweis, die Anlage zu verschlanken und die Prozesslogik dafür auszulagern.

6.2 Nächstliegender Stand der Technik / Effekt / Aufgabe

6.2.1 Die Kammer ist der Meinung, dass O6 der nächstliegende Stand der Technik ist, da O6 eine Schnittstelle offenbart, mit der der Pfandautomat durch eine externe Prozesssteuerung gesteuert werden könnte, wenn die Schnittstelle und Elektronik des Pfandautomaten entsprechend konfiguriert werden würden. Der Pfandautomat der O4 weist nicht explizit eine solche Schnittstelle auf.

6.2.2 Merkmal (F), welches den Unterschied zwischen O6 und der vorliegenden Erfindung bildet, hat zwei Komponenten:

a) eine Steuerung der Transportvorrichtung durch eine externe Prozesssteuerung und

b) die Bildung der Pfandsumme auf einer externen Prozesssteuerung.

ad a)

Die objektive Aufgabe wird alleine aus den unterscheidenden Merkmalen und im Kontext des nächstliegenden Standes der Technik formuliert (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, Abschnitt I.D.4.1, T 576/95, Gründe 3.2).

6.2.3 Kann die Steuerung der Mechanik komplett durch einen externen Prozessor durchgeführt werden, können dadurch sowohl die Kosten der Vorrichtung reduziert werden - wie im Streitpatent beschrieben - als auch eine Fernwartung, Software-Aktualisierung/-Test, Ferndiagnose oder -Fehlerbehebung durchgeführt werden.

ad b)

6.2.4 Merkmal a) muss im Zusammenhang mit Merkmal b) gesehen werden. Wird die Pfandsumme auch auf einer externen Prozesssteuerung errechnet, bedeutet dies, dass die gesamte Prozesssteuerung ausgelagert werden kann und grundlegende Änderungen am Pfandautomaten vorgenommen werden müssen. Wenn ein Dokument eine externe Pfandsummenberechnung lehrt, lehrt dies keineswegs auch eine externe Steuerung der Transportvorrichtung, da dies grundlegende Änderungen in der Aktoren-Ansteuerung erfordern würde. Die Kombination von Merkmal a) und b) erfordert also, dass die Prozesssteuerung komplett extern durchgeführt werden kann. Dies kann eine interne Prozesssteuerung überflüssig machen und hat zur Folge, dass der Pfandautomat günstiger hergestellt werden kann. Die objektive Aufgabe bzgl. O6 ist folglich eine Vereinfachung und Verbilligung des Gerätes.

6.3 Nicht-Naheliegen

6.3.1 Die Kammer kam zum Schluss, dass der Fachperson zum Zeitpunkt der Erfindung bekannt ist, dass jedes Gerät eine Schnittstelle haben kann, mit der komplett auf die Steuerung des Gerätes zugegriffen werden kann. Dies ist wesentlich für die Entwicklung des Gerätes, für die Qualitätsüberwachung bei der Produktion und später auch für die Fehlerdiagnose und Wartung.

6.3.2 Ausgehend von der O6 erkennt die Fachperson, dass eine Kommunikation der Leergutrücknahmevorrichtung mit externen Gerätschaften möglich ist, beispielsweise zum Datenaustausch oder für Wartungszwecke (O6, Seite 5, Zeilen 19-34). Allerdings offenbart O6, dass das Testen, Starten und Stoppen der Leergutrücknahmevorrichtung durch eine an der Vorrichtung befindliche Tastatur erfolgen kann (Seite 5, Zeilen 22-24). Deshalb würde die Fachperson derartige Funktionen nicht einem angeschlossenen Service-PC übertragen. An der gleichen Schnittstelle, wo der Service-PC angeschlossen werden kann, kann auch ein Kassensystem (POS) angeschlossen werden (Seite 5, Zeilen 30 ff).

6.3.3 Der Fachperson ist also in O6 die Lehre offenbart, dass eine externe Prozesssteuerungseinrichtung angeschlossen werden kann. Die Frage ist, ob die Fachperson eine Prozesssteuerungseinrichtung auch zur Pfandberechnung, d.h. zur routinemäßigen Steuerung der Leergutrücknahmevorrichtung verwenden würde.

6.3.4 Ein Service-PC überprüft in der Regel nur die Sensoren, gegebenenfalls die Mechanik und Motorsteuerung. Der Service-PC bestimmt in der Regel auch nicht den Wert eines dem Leergutbehälter zugeordneten Pfandes bzw. addiert das Pfand mehrerer Leergutbehälter. Die Pfandberechnung ist in der Regel die Aufgabe des internen Prozessors. Der Service-PC oder ein externer Computer würde die korrekte Funktionsweise der Kamera überprüfen oder, ob der interne Prozessor das Pfand richtig berechnet - gegebenenfalls auch mit nicht von Leergutbehältern stammenden Werten. Dies bedeutet, dass die Pfandberechnung trotzdem im internen Prozessor erfolgen würde. Ein solcher interner Prozessor ist durch den Anspruchswortlaut nicht ausgeschlossen. Laut Merkmal (G) werden die extern ermittelten Pfandwerte an einen "Benutzer" ausgegeben. Ein Wartungs-Ingenieur kann nicht unbedingt im Sinne einer Pfandberechnung als Benutzer bezeichnet werden.

6.3.5 Die O6 behandelt nicht den Aspekt der Kosteneinsparung und gibt insbesondere keinen Hinweis darauf, hierfür weitere Funktionalitäten oder gar die gesamte Prozesssteuerung aus der Leergutrücknahmevorrichtung auszulagern. Die Fachperson hat daher ausgehend von der O6 keine konkrete Veranlassung, die Schnittstelle derart auszugestalten, dass ein routinemäßiger Steuerbefehl von der externen Prozesssteuerungseinrichtung an die Transporteinrichtung weitergegeben werden kann und dass ein addierter Pfandwert von dem selben externen Prozessor an einen Benutzer ausgegeben wird. Ein Hinweis darauf, den Aufbau der Leergutrücknahmevorrichtung der O6 grundlegend zu verändern und weitere Funktionalitäten bzw. die Prozesssteuerung auszulagern, gibt es auch nicht.

6.3.6 Folglich legt O6 nicht nahe, dass die externe Prozesssteuerungseinrichtung, welche die durch den Sensor ermittelten Daten und/ oder Signale eines Leergutbehälters auswertet, den Wert eines dem Leergutbehälter zugeordneten Pfandes bestimmt, das Pfand mehrerer Leer­gutbehälter addiert und die Transporteinrichtung steuert.

6.3.7 Deshalb ist der Gegenstand von Anspruch 1 erfinderisch gegenüber der O6 in Verbindung mit dem Fachwissen.

6.4 O6 in Verbindung mit der O4

6.4.1 O4 lehrt wie oben diskutiert nach Meinung der Kammer nicht, dass eine externe Prozesssteuerungseinrichtung zur Steuerung der Leergutrücknahmevorrichtung verwendet werden kann. O4 lehrt zwar ein Netzwerk mit internen Schnittstellen (z.B. CAN-Bus) zur internen Kontrolle und Steuerung von Gerätekomponenten (z.B. Sortieranlagen). Die Andeutung einer externen Steuerung in Abschnitt [0086] würde die Fachperson aber so verstehen, dass die Steuerung der Komponenten der Anlage an eine zentrale Steuerung ausgelagert werden können. Diese zentrale Steuerung wäre zwar in einem Geräteteil außerhalb der Komponente untergebracht, aber noch innerhalb oder am Gehäuse der Anlage. Bezüglich der Funktionsweise würde die Fachperson eine solche Steuerung immer noch als interne Prozesssteuerung ansehen. Der Signalverzug durch die Fernsteuerung würde somit von einer externen Prozesssteuerung wegführen. Aus dem Abschnitt [0086] im Gesamtzusammenhang würde die Fachperson also nicht die Lehre entnehmen, die gesamte komplexe Apparatur über eine einzelne Schnittstelle fernzusteuern. Dementsprechend erhält die Fachperson auch nicht durch O4 die Lehre, die interne Prozesssteuerung der O6 auszulagern oder eine komplette externe Fernsteuerung der Anlage einzurichten.

6.4.2 Folglich legt O4 auch nicht das Merkmal (F) nahe, d.h. dass in einer externen Prozesssteuerung sowohl die Pfandsumme berechnet wird als auch die Transportvorrichtung gesteuert wird.

6.5 O6 in Verbindung mit der O2

6.5.1 Die Einsprechende hat argumentiert, dass in O2 (Abschnitte [0024-0026]) ein RFID-Tag (30) automatisch gelesen werde, wenn der Benutzer das Produkt in den Behälter (20) lege. Wie in Fig. 1 zu sehen sei, sei der Steuerung-Computer 25 außerhalb des Behälters angeordnet, d.h. der Behälter (20) habe eine Schnittstelle zum Senden von Sensordaten an den externen Prozessor (25), der das Produkt validiere.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKO2

Abschnitt [0034] beschreibe, dass eine Nachricht, die den Rückgabewert enthält, z.B. per SMS oder Nahfeld­kommunikation, vom Container zu einem mobilen Gerät (5) geschickt werde.

6.5.2 Wenn das Produkt nicht akzeptiert werde, werde der Container 20 geöffnet. O2 offenbare damit eine Transportvorrichtung und deren Steuerung durch eine externe Prozesssteuerungseinrichtung 25, da der Steuerungsbefehl zur Ablehnung des Produktes von der Produkt-Datenbank 25 komme.

6.5.3 Die Patentinhaberin argumentierte, dass der Computer 25 eine Produkt-Datenbank sei, wie sie in O4 und der Anlage 7 erwähnt sei. Die Datenbank validiere nur ein Produkt für ein Pfand. Die Umsetzung in Steuerbefehle, also das Öffnen des Containers und die Ansteuerung der Aktoren erfolge in der internen Prozesssteuerung des Containers 20. O2 lehre nur eine Digitalisierung des Pfandrücknahme-Vorgangs durch Senden des Pfandwertes an den Benutzer und eine Bestätigung der Pfandrücknahme des Benutzers über eine App. Die Produktdatenbank 25 übernehme aber keinerlei Steuerungsfunktionen und Logik zur Bearbeitung von Daten.

6.5.4 Es gebe keinerlei Belege in O2, dass das Ermitteln einer Pfandsumme, wie es Merkmal (F) fordere, im Computer 25 stattfände. Daraus folge außerdem, dass O2 das Merkmal (G) des Anspruchs 1, nämlich dass die Ausgabeeinrichtung den Wert der extern ermittelten Pfandsumme an den Benutzer ausgebe, ebenfalls nicht offenbart sei. Einen Hinweis darauf, dass der Computer 25 über die Validierung des Pfandprodukts 3 hinaus beteiligt sein soll, böte die O2 nicht.

6.5.5 Die Kammer stellt fest, dass O2 nur lehrt, dass eine externe Datenbank eine Leergutrück­nahmevorrichtung unterstützen kann und dass der Pfandwert über eine App ausgegeben werden kann. O2 lehrt ein kostengünstiges und kompaktes System, aber nicht, dass in einem externen Prozessor die Transportvorrichtung gesteuert werden kann und eine Pfandsumme gebildet werden kann. Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht durch die Kombination der O6 mit der O2 nahegelegt.

6.6 O6 in Verbindung mit der O3

6.6.1 Die Einsprechende hat argumentiert, dass O3 eine sehr einfache Leergutrücknahmevorrichtung offenbare, bei der ein Lesegerät (Zählvorrichtung 5) an einer Kiste angebracht werde. Alle Berechnungen und die Steuerung des Rückgabeprozesses werden in der Kasse 1 vollzogen. Dies sei ersichtlich dadurch, dass sowohl das Zählgerät 5 als auch die Kasse sowohl die Anzahl der Pfandprodukte ("12") als auch die daraus resultierenden Pfandsumme ("2.35 Euros") anzeigten. Daraus gehe eindeutig hervor, dass zwischen Kasse und Pfandrücknahmegerät ein bidirektionaler Daten-Austausch bzw. eine Steuerung der Pfandrücknahme durch die Kasse vorliege. O3 lehre somit, dass die Pfandsumme in einer externen Prozess­steuerung gebildet werde.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKO3

6.6.2 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass die Kasse nur den Zähler zurücksetzen könne (Abschnitt [0017]) und als Datenbank für pfandberechtigte Produkte diene (Abschnitt [0012]), dass aber die Pfandsummenberechnung im Zähler stattfinde (Abschnitt [0017]) und der berechnete Pfandwert an der Kasse nur angezeigt werde (Abschnitt [0017]). Die Kasse übernehme damit keine Steuerfunktion und auch keine Pfandsummenberechnung.

6.6.3 Die Zielsetzung in O3 - kostengünstig zu sein - werde explizit in Abschnitt [0004] erwähnt. Allerdings sei die Kostenersparnis in der O3 dadurch bedingt, dass anstelle der voll funktionstüchtigen Leergutrücknahmevorrichtung lediglich ein Sammelkarton mit einer elektronischen Zählvorrichtung genutzt werde. Eine solche Zählfunktion aus der Vorrichtung der O6 auszulagern in das Kassensystem, wenn die eigentliche (mechanische/Sensor-) Steuerung nach wie vor vom Rücknahmeautomaten selbst bereitgestellt werden müsse, wäre weder sinnvoll noch kostensparend, und die Fachperson würde eine solche Gestaltung nicht in Erwägung ziehen. Selbst bei einer Kombination der Lehren von O6 und O2 erhielte die Fachperson allenfalls eine Leergutrück­nahmevorrichtung gemäß O6, welche ferner einen Pfand- /Zählwert an eine Kasse übermittele.

6.6.4 Die Kammer stimmt größtenteils den Argumenten der Patentinhaberin zu, dass O3 somit zwar lehrt, dass durch eine Kasse die Prozesssteuerung durch einfache Befehle unterstützt werden kann, wie z.B. einen Reset-Befehl oder durch Bereitstellen einer Datenbank. Jedoch lehrt O3 nicht eine externe Prozesssteuerung, die sowohl eine Pfandsummenbildung als auch eine Steuerung der Transportvorrichtung enthält.

6.7 O6 in Verbindung mit der O7 oder O8

6.7.1 Die Einsprechende argumentierte während der mündlichen Verhandlung, dass O7 lehre (Abschnitte [0016], [0028], [0035], [0060], [0070] und Anspruch 4, Fig. 1), dass die Leergutrücknahmevorrichtung kontinuierlich über eine (drahtlose) Netzverbindung mit einem Server in Verbindung stehe und mit diesem Sensordaten und Pfandwerte austausche, sowie die Systemsoftware aktualisieren könne.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK O7

Eine Produkt-Validierung über einen externen Computer könne als externe Prozesssteuerung angesehen werden.

6.7.2 O8 offenbare in Fig.46 eine Leergutrücknahmevorrichtung mit einer internen Prozesssteuerungseinrichtung (400 in Figur 46), die mittels eines lokalen Netzwerkes (415) mit einem zentralen Computer (413) verbunden sei.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKO8

Wie in Absatz [0231] beschrieben sei, ermittele die Prozesssteuerungseinrichtung für eine eingegebene Pfandflasche den Pfandwert und übermittele diesen an den zentralen Computer (413), an eine Bezahlstation (414) oder ein Tablet (PDA 417). Die Fachperson würde dieses Tablet oder die Bezahlstation auch für weitere Steuerfunktionen verwenden.

6.7.3 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass in O7 laut Absatz [0060], Punkte 10 und 11, die Pfandsummenberechnung innerhalb der Vorrichtung stattfände. Lediglich ein Datenabgleich mit einer zentralen Datenbank werde vorgenommen (Punkt 4 in Absatz [0060]). Eine Fachperson, die versuche den Rücknahmeautomaten der O6 kostengünstiger zu gestalten, würde nicht auf die O7 zurückgreifen, denn diese enthalte ja selbst die Hardware zur Berechnung des Pfands und böte somit kein Kosteneinsparungspotenzial. Eine Prozesssteuerung werde durch die externe Datenbank erst recht nicht bereitgestellt. Bei einer Kombination der O6 mit der O7 wäre eine externe Pfandberechnung in der kombinierten Leergutrücknahmevorrichtung nicht vorhanden.

6.7.4 Die O8 offenbare für keine der Funktionen, die gemäß Anspruch 1 von der externen Prozesssteuerung zu übernehmen seien, eine Auslagerung der diesbezüglichen Steuerung, sondern allenfalls eine Auslagerung der Gutschrift des Pfandbetrags. Eine Grundlage dafür, dass die Fachperson auch in Betracht ziehen würde, über das Tablet 417 und die Schnittstelle nicht nur die Anzeige von dem errechneten Pfand, sondern auch Steuerungsfunktionen und Wartungsfunktionen an die Leergutrücknahmevorrichtung zu übermitteln, fände sich in der O8 nicht.

6.7.5 Die Kammer kam auch zum Schluss, dass weder in O7 noch in O8 eine Lehre zu finden ist, dass eine externe Prozesssteuerung sowohl die Pfandsumme berechnet als auch die Transporteinrichtung der Pfandrücknahmevorrichtung steuert. Folglich kann eine Kombination der Lehre von O6 mit der Lehre von O7 und/oder O8 nicht zu einer Kombination der Merkmale (A)-(G) führen. Die Fachperson hätte durch die Lehre von O2, O3, O4, O7 oder/und O8 auch keine Veranlassung, die Software für die Anschlüsse 121 oder 123 in O6 soweit zu modifizieren, dass das POS oder der Service-PC die Leergutrücknahmevorrichtung komplett steuern kann.

6.8 Ausgehend von der O4

6.8.1 Die Einsprechende hat sich in der mündlichen Verhandlung auch auf eine Angriffslinie ausgehend von der O4 berufen und hat weiter auf ihr schriftliches Vorbringen hingewiesen. In den Schriftsätzen sind seitens der Einsprechenden im Hinblick auf O4 nur Argumente bezüglich mangelnder Neuheit vorzufinden. Wie oben festgestellt wurde, offenbart O4 keine externe Prozesssteuerung im Sinne des Anspruchs 1, sodass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich durch Merkmal (F) von der Offenbarung der O4 unterscheidet (siehe Abschnitte 5.3.5 und 5.3.6 oben).

6.8.2 Wie oben dargelegt wurde, legt keines der oben diskutierten Dokumente alleine oder in Kombination das Merkmal (F) nahe. O4 selbst erwähnt als einziges Dokument eine Prozesssteuerung ("logic/control components or the microprocessor(s) driving the arrangement"), die "outside the acceptance arrangement or the housing" angeordnet sein kann. Diese Prozesssteuerung scheint jedoch die Funktion einer internen Prozesssteuerung zu erfüllen und nicht einer externen zentralen Prozesssteuerung, die über ein Interface das gesamte Gerät steuert. Die anderen Dokumente lehren nur Teilaspekte, wie z.B. dass die Kasse in den Steuerprozess eingreifen kann. Keines der Dokumente lehrt aber die Fernsteuerung eines Pfandautomaten über ein einzelnes Interface, wobei sowohl die Transportvorrichtung ferngesteuert wird als auch die Pfandsumme extern berechnet und an den Benutzer ausgegeben wird.

7. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages erfinderisch im Sinne von Artikel 56 und 52(1) EPÜ. Alle weiteren Ansprüche hängen von Anspruch 1 ab. Da die Ansprüche des Hauptantrages den Anforderungen des EPÜ genügen, erübrigt sich eine Diskussion der Hilfsanträge 1-10. Es steht folglich der Aufrechterhaltung des Patents nichts entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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