T 2114/17 () of 22.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T211417.20200922
Datum der Entscheidung: 22 September 2020
Aktenzeichen: T 2114/17
Anmeldenummer: 12178935.8
IPC-Klasse: F01N3/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Einschieben eines Monolithen mit Lagerungsmatte in ein Gehäuse
Name des Anmelders: Benteler Automobiltechnik GmbH
Name des Einsprechenden: Eberspächer Exhaust Technology GmbH
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 54(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent mit der Nummer 2 581 577 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

III. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent auf Grundlage eines der Hilfsanträge I bis V aufrechtzuerhalten.

IV. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurden die Parteien über die vorläufige Meinung der Kammer informiert. Die Kammer legte darin inter alia dar, dass sie keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Offenbarung sehe, sowie dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 nur dann von der D7 als neuheitsschädlich vorweggenommen angesehen werden könne, wenn die Kammer zu dem Schluss käme, dass die D7 auch den Einsatz von Gehäusen mit Übermaß oder ein leicht verdrehtes Aufsetzen von unrunden Gehäusen offenbare. Weiters merkte die Kammer an, dass bei einer eventuellen Anerkennung der Neuheit ausgehend von D7 auch eine erfinderische Tätigkeit als gegeben anzusehen sein dürfte.

V. Mit Schreiben vom 27. Mai 2020 brachte die Beschwerdegegnerin weitere Argumente vor und legte eine als "Anlage D9" bezeichnete Ausfertigung des Beschlusses in dem parallelen Verfahren vor dem deutschen Bundespatentgericht vor.

VI. Mit Schreiben vom 10. Juni 2020 brachte die Beschwerdegegnerin neuerlich Argumente vor und beantragte D9 nicht in das Verfahren zuzulassen.

VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 22. September 2020 statt.

Die Beschwerdeführerin wiederholte ihren Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin wiederholte ihren Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent auf Grundlage eines der Hilfsanträge I bis V aufrechtzuerhalten.

VIII. Folgender Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:

D5|EP 1 015 740 B1|

D7|EP 1 548 243 B1|

IX. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

Verfahren zum Einhausen eines Monolithen mit einer Lagerungsmatte in ein Gehäuse (1), wobei der Monolith mit der Lagerungsmatte umwickelt und in das Gehäuse (1) gestopft wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) nur im Eingangsbereich unmittelbar vor einem Stopftrichter (14) während des Stopfens radial an mehreren Stellen elastisch geklemmt wird, wobei durch die Klemmung mittels einer elastischen Verformung eine Gehäusetoleranz und/oder eine Gehäuseverdrehung ausgeglichen werden.

X. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht über die gesamte Anspruchsbreite ausführbar. Das Patent betrachte sowohl positive als auch negative Toleranzen. Der Schutzumfang sei nicht auf die ausführbaren Varianten beschränkt. Insbesondere könne eine zu kleine Dimensionierung des Gehäuses nicht mittels einer Klemmung ausgeglichen werden. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien daher nicht erfüllt.

D9 sei verspätet vorgebracht, obwohl sie der Beschwerdegegnerin seit langem bekannt war. Es handle sich dabei außerdem um einen Beschluss eines deutschen Instanzgerichts in einem unter Berücksichtigung deutscher Rechtsgrundsätze durchgeführten Verfahren. Daher sei D9 für das gegenständliche Verfahren grundsätzlich irrelevant.

D7 zeige in Figur 10(c) einen Verfahrensschritt während des Einhausens eines Monolithen in einem Gehäuse, bei welchem ein Gehäuse mit Übermaß oder in der Form abweichendes Gehäuse in der Einführschräge des Führungsteils an zwei gegenüberliegenden Stellen geklemmt werde. D7 sei daher neuheitsschädlich für das Verfahren gemäß Anspruch 1.

Sollte die Neuheit anerkannt werden, so wäre das beanspruchte Verfahren ausgehend von D7 jedenfalls nicht erfinderisch. Der Fachmann würde die andernfalls wirkungslose Einführschräge so positionieren bzw. so dimensionieren, dass sie den ihr zugedachten Effekt, nämlich das Einpassen des in die Öffnung einzusetzenden Bereichs des Gehäuses, auch erfüllen könne. Dabei gelänge er in naheliegender Art und Weise zu dem im Anspruch 1 definierten Verfahren.

Das Verfahren beruhe auch ausgehend von D5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann wisse, dass es zum Einführen eines Gegenstandes in eine elastische Umhüllung genüge, die Umhüllung im Bereich ihrer Öffnung mit dem einzuführenden Gegenstand auszurichten. Um dem Entstehen von Zwängungen durch eine übermäßige Klemmung entgegenzuwirken, sei der Fachmann beispielsweise durch die aus D7 bekannte Vorgehensweise dazu angeregt, auch bei dem Verfahren der Druckschrift D5 dazu überzugehen, das elastisch verformbare Gehäuse nur dort zu beaufschlagen und zu verformen, wo dies für das Einführen des umwickelten Monolithen erforderlich sei, nämlich im Bereich der diesen aufnehmenden Öffnung und somit unmittelbar vor dem Stopftrichter.

XI. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Erfindung sei in der Patentschrift so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann diese ohne unzumutbare Versuche unmittelbar und eindeutig nacharbeiten könne. Der Fachmann wolle die Patentschrift verstehen und würde bei negativen Toleranzen die Maschine derart auslegen, dass es auch beim kleinsten Durchmesser innerhalb der Toleranzbreite zu einer Klemmung komme.

D9 sei erst lange nach Ablauf der Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde veröffentlicht worden. Sie konnte daher nicht zusammen mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegt werden. Nach der Beschwerdeerwiderung lief keine Frist und daher keine Notwendigkeit D9 früher einzureichen.

In D7 sei weder ein Klemmen noch eine Verformung des Gehäuses offenbart, weder explizit noch implizit. Es werde außerdem darin kein Stopfverfahren beschrieben, vielmehr werde das Gehäuse auf den mit der Matte umwickelten Monolithen aufgeschrumpft. D7 sei demnach nicht neuheitsschädlich.

Das erfindungsgemäße Verfahren beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der in D7 beschriebene "Shrinking"-Prozess sei von dem beanspruchten Verfahren grundlegend verschieden. Ausgehend von D7 könne somit ohne Kenntnis der Erfindung das der vorliegenden Erfindung zugrundeliegende Problem nicht erkannt werden. D5 halte den Fachmann davon ab, eine radial elastische Klemmung nur im Eingangsbereich vorzunehmen, da sie offenbare, dass ein Stopfen ohne eine entsprechende Verformung des gesamten Gehäuses zu einer Zerstörung der Matte führen würde. Auch eine Kombination von D5 und D7 würde den Fachmann nicht zu einer radial elastischen Klemmung nur im Eingangsbereich führen.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin

1.1 Die mit Schreiben vom 27. Mai 2020 vorgelegten Argumente sowie die Anlage D9 (Beschluss des Bundespatentgerichts) wurden nach Ablauf der Frist für die Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht und stellen somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin dar. Artikel 13 (1) VOBK 2020 findet Anwendung (siehe Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020). Gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 bedürfen Änderungen des Beschwerde­vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten. Ihre Zulassung steht im Ermessen der Kammer.

Artikel 13 (1) VOBK 2020 legt darüber hinaus fest, dass der Beteiligte die Gründe dafür angeben muss, weshalb er die Änderung erst in dieser Phase des Beschwerde­verfahrens einreicht.

Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise aufgeworfenen Fragen oder der von der Kammer selbst aufgeworfenen Fragen, ferner ob die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist, und bei Änderung einer Patentanmeldung oder eines Patents, ob der Beteiligte aufgezeigt hat, dass die Änderung prima facie die von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren oder von der Kammer aufgeworfenen Fragen ausräumt und keinen Anlass zu neuen Einwänden gibt.

1.2 Unter Berücksichtigung der in Artikel 13 (1) VOBK 2020 aufgeführten Kriterien hat die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, die weiteren Argumente in dem Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 27. Mai 2020 sowie die Anlage D9 nicht in das Verfahren zuzulassen.

Da die Kammer trotz der Nichtzulassung dieses Vorbringens im Ergebnis dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin folgt, kann eine Begründung dieser Ermessensentscheidung mangels Erheblichkeit für die Endentscheidung unterbleiben.

Ferner sind die von der Beschwerdegegnerin vorgetragen Gründe, warum sie die zusätzlichen Argumente und die Anlage D9 erst zu einem so späten Zeitpunkt vorgelegt hat, nicht überzeugend. Der Beschluss in dem parallelen nationalen Verfahren ist mit 11. Juli 2019 datiert. Dieses Datum liegt zwar, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, nach der Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde, jedoch sind keine rechtfertigenden Gründe erkennbar, warum die Beschwerdegegnerin mit der Eingabe bis zum 27. Mai 2020 zugewartet hat.

Hauptantrag

2. Ausführbarkeit

2.1 Die Beschwerdeführerin begründete ihren Einwand der mangelnden Ausführbarkeit damit, dass der im Anspruch 1 angegebene Zweck, wonach die Klemmung mittels einer elastischen Verformung eine Gehäusetoleranz und/oder eine Gehäuseverdrehung ausgleichen solle, bei negativer Toleranz, also bei zu kleinem Gehäuse, nicht erreicht werden könne.

In ihrer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (siehe Punkt 1.1) hat die Kammer ihre Auffassung dargelegt, dass der Anspruch 1 auf Verfahren und damit auch auf die Verwendung von Gehäusen eingeschränkt zu lesen sei, mit denen der genannte Zweck erreichbar sei.

Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Schutzumfang nicht nur darauf beschränkt gelesen werden dürfe, was ausführbar ist, überzeugt die Kammer nicht. Zwar muss das geschützte Verfahren im gesamten Schutzbereich ausführbar sein, doch gilt dies nicht für Teilbereiche, die zwar rein wörtlich unter den Anspruchswortlaut fallen, die der Fachmann aber von vornherein ausschließt, weil sie offensichtlich unsinnig oder unmöglich sind. Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu. Ein rundum zu kleiner Durchmesser kann durch Klemmen in radialer Richtung nicht größer gemacht werden. Das Merkmal "wobei durch die Klemmung mittels einer elastischen Verformung eine Gehäusetoleranz und/oder eine Gehäuseverdrehung ausgeglichen werden" ist bei dieser Konstellation nicht verwirklicht.

Die Kammer bleibt deshalb bei der in ihrer Mitteilung geäußerten Auffassung, dass die von der Beschwerdeführerin genannte Konstellation eines kreisrunden Gehäuses mit Untermaß, bei welcher dieser Ausgleich nicht möglich ist, außerhalb des beanspruchten Bereichs liegt. Wie ebenfalls in der Mitteilung angemerkt, geht auch das Streitpatent von Toleranzen aus, die so gewählt sind, dass das kleinste Gehäuse noch immer mit dem Stopftrichter zusammenpasst (siehe Patentschrift, Spalte 4, Zeilen 24-26). Das Gleiche gilt z.B. auch für zu große Gehäuse, die nicht in die Anlage hineinpassen, weil sie nicht anspruchsgemäß geklemmt werden können.

2.2 Die Beschwerdeführerin hat keine Einwände zur Ausführbarkeit vorgebracht, die anspruchsgemäße Konstellationen betreffen, also solche, in denen durch die Klemmung mittels einer elastischen Verformung eine Gehäusetoleranz und/oder Gehäuseverdrehung ausgeglichen werden. Die Kammer sieht auch selbst keinen diesbezüglichen Mangel an Offenbarung.

2.3 Die Erfindung ist daher so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).

3. Neuheit

3.1 Die Beschwerdeführerin begründete ihren Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber D7 damit, dass darin das Gehäuse im Eingangsbereich geklemmt werde, wenn es zu groß ausfalle oder die Form vom idealen Kreis abweiche. Diese "Zwängung" erfolge nur im Eingangsbereich des Gehäuses, sodass auch die im Einspruchsverfahren hinzugefügte Einschränkung des Anspruchs 1 auf eine Klemmung nur im Eingangsbereich erfüllt sei.

In Figur 10 der D7 lässt sich erkennen, dass beim Hochfahren des Gehäuses 4 und Einführen desselben in den ringförmigen Absatz 20a der obere Rand des Gehäuses offensichtlich von einer "Einführschräge" ("tapered portion") 20b aufgefangen wird. Diese Einführschräge findet in D7 eine einzige Erwähnung in Absatz [0019]. Ihre Funktion ist in D7 nicht beschrieben.

In ihrer Mitteilung hat die Kammer daher ausgeführt, dass sie in D7 ein radiales Klemmen des Gehäuses (in der Einführschräge oder dem ringförmigen Absatz) nicht explizit beschrieben ansehe und das beanspruchte Verfahren daher nicht unmittelbar aus D7 bekannt zu sein scheine (siehe Punkt 1.2 der Mitteilung). Die Beschwerdeführerin hat daraufhin eine explizite Beschreibung einer radialen Klemmung in D7 nicht behauptet.

3.2 Es bleibt daher lediglich zu klären, ob es in D7 eine implizite Offenbarung dafür gibt, das Gehäuse während des Stopfens radial an mehreren Stellen elastisch zu klemmen.

Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, dürfte in bestimmten, von weiteren Faktoren abhängigen Konstellationen die Einführschräge in D7 tatsächlich zwangsläufig eine radiale elastische Klemmung des Eingangsbereiches des Gehäuses bewirken. Eine solche Konstellation wäre beispielsweise das von der Beschwerdeführerin skizzierte Einführen eines von der idealen Kreisform abweichenden, abgeflachten Gehäuses in die kreisrunde Öffnung der Einführschräge, wobei der Umfang des Gehäuses dem der Öffnung entspricht. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass es an zwei gegenüberliegenden Punkten zu einem Kontakt der oberen Kante des Gehäuses mit der Einführschräge kommt, wobei in weiterer Folge das Gehäuse an diesen Punkten radial elastisch geklemmt wird. In anderen Konstellationen, beispielsweise bei einem ovalen Gehäuse mit Untermaß, bei dem der Grad der Ovalität nicht groß genug ist, um lokal den Durchmesser der Öffnung zu erreichen, kommt es jedoch zu keinem Kontakt mit der Einführschräge und in weiterer Folge auch nicht zu einer Klemmung. Dass das strittige Merkmal verwirklicht wird, ist daher nicht zwangsläufig der Fall (also nicht implizit), sondern hängt von weiteren nicht offenbarten Bedingungen ab.

3.3 Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Stellungnahme G 1/92 (siehe Randziffer 3) festgestellt, "dass ein Handelsprodukt als solches implizit nichts offenbart, was über seine Zusammensetzung oder innere Struktur hinausgeht. Andere Merkmale, die sich nur zeigen, wenn das Erzeugnis in Wechselwirkung mit gezielt gewählten äußeren Bedingungen [...] gebracht wird, um eine bestimmte Wirkung oder ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen oder mögliche Ergebnisse oder Fähigkeiten zu entdecken, weisen daher über das Erzeugnis als solches hinaus, weil sie von bewußten Auswahlentscheidungen abhängen. [...] Demnach können solche Merkmale nicht als der Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht gelten." Die Aussagen in G 1/92 wurden in Bezug auf die öffentliche Zugänglichkeit von Stoffgemischen und deren Zusammensetzung gemacht. Die Schlussfolgerung, wonach ihre "extrinsischen Merkmale" (siehe Rz. 3 der englischen Originalfassung der G 1/92), wie nicht vorbeschriebene Wechselwirkungen mit äußeren Bedingungen, auch nicht implizit offenbart sind, gelten jedoch allgemein.

Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die bloße Eignung der Einführschräge eine Klemmung herbeizuführen, wenn entsprechende, zu große oder unrunde Gehäuse (wobei noch weitere Bedingungen an Durchmesser und Grad der Unrundheit erfüllt sein müssen) verwendet würden, nicht genügt, um das beanspruchte Verfahren neuheitsschädlich vorwegzunehmen.

3.4 Für die Frage der Neuheit ist es daher entscheidend, ob D7 den Einsatz von Gehäusen mit Übermaß oder ein leicht verdrehtes Aufsetzen von unrunden Gehäusen offenbart. Die Kammer findet jedoch keine Passage in D7, die den Einsatz derartiger Gehäuse offenbart. Vielmehr ergibt ein Klemmen des Gehäuses bei dem in D7 dem Einhausen folgenden "Shrinking"-Verfahren keinen Sinn. Die für den Halt des Monolithen im Gehäuse nötige Druckspannung in der Matte wird durch den Verfahrens­schritt des Verpressens erzeugt.

3.4.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Einführschräge 20b in D7 wirkungslos wäre, wenn sie nicht zu einer radialen Klemmung verwendet würde.

Die Kammer kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Die Funktion dieses angeschrägten Abschnitts ("tapered portion 20b") ist in D7 nicht beschrieben. Auch die von der Beschwerdeführerin verwendete Bezeichnung als "Einführschräge" geht bereits über den Offenbarungsgehalt der D7 hinaus, da zumindest nicht explizit beschrieben ist, dass dieser schräge Abschnitt dem leichteren Einführen des Monolithen dienen soll. Unterstellt man dem schrägen Abschnitt 20b jedoch diese Funktion, so ist diese Wirkung auch ohne Klemmen erreicht. Wenn ein rundes Gehäuse mit passendem Durchmesser nicht exakt mittig auf dem Halteteil 10 aufsitzt, so wird es beim Einführen in das Führungsteil 20 von der Einführschräge 20b gefangen und radial positioniert. Diese Funktion ist in D7 zwar ebenfalls nicht explizit beschrieben, ergibt sich jedoch - wiederum nur unter bestimmten Voraussetzungen - zwangsläufig. Wie von der Beschwerdeführerin selbst eingeräumt, kann auch eine Festlegung des Gehäuses am unteren Ende nicht vorausgesetzt werden. Auch ein Spiel in der Maschine, insbesondere am horizontal verschiebbaren Tisch 21, kann dazu führen, dass eine Zentrierung des Gehäuses nötig ist. Die Zentrierung stellt unter den vorgenannten Bedingungen eine zwangsläufige Wirkung dar, die auch ohne Klemmung erreicht wird. Entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein Einpassen durch elastisches Klemmen des in die Öffnung einzusetzenden Endbereichs des Gehäuses den der Einführschräge zugedachten Effekt darstellt, geschweige denn den einzig möglichen.

3.4.2 Darüber hinaus dürfte in D7 ein Einführen des Gehäuses in den ringförmigen Absatz 20a ohne Klemmen vorausgesetzt werden. Im letzten Verfahrensschritt wird der eingehauste Katalysator nach unten gefahren und dabei von dem Führungsteil 20 freigegeben ("released", siehe Spalte 9, Zeilen 53 bis 56). Wäre das Gehäuse 2 zusammen mit der Matte 3 in dem Führungsteil 20 geklemmt, so würde es bei nach unten fahrendem Abstützteil 10 in dem Führungsteil 20 stecken bleiben. Nur zum Zwecke der Vollständigkeit merkt die Kammer an dieser Stelle an, dass das in D7 beschriebene Verfahren keine Vorkehrungen zur Entnahme des Katalysators bei Vorliegen einer Klemmung im Führungsteil 20 trifft.

3.5 D7 offenbart daher auch nicht implizit ein radiales, elastisches Klemmen des Gehäuses während des Stopfens. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist daher neu (Artikel 54 (2) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Ausgehend von D7

4.1.1 Gemäß D7, Spalte 9, Zeilen 23 und 24, wird der mit einer Lagerungsmatte umwickelte Monolith 2 locker in das zylindrische Gehäuse 4 eingeführt. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass dies kein Stopfen im Sinne des Patents darstelle. Somit könne es auch zu keinem radialen, elastischen Klemmen während eines Stopfens kommen.

Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. D7 beschreibt in Spalte 9 (Zeile 25ff. bzw. 32ff.) zwei verschiedene mögliche Durchmesserpaarungen von Monolith und Gehäuse. Im letzteren Fall ist der äußere Durchmesser des mit der Matte umwickelten Monolithen so groß, dass sich dieser nur mit großem Widerstand in das Gehäuse einschieben lässt ("if resistance for insertion is large, i.e., the catalyst substrate (with the shock absorbent mat 3 wrapped around it) is to be stuffed (pressed) into the cylindrical housing,..."). Ob das an dieser Stelle beschriebene Einführen des Monolithen in das Gehäuse als "Stopfen" angesehen werden kann, ist für diese Entscheidung jedoch ohne Belang, da die Kammer zu dem Schluss gelangt, dass es in diesem Verfahren ohnehin nicht naheliegend ist, das Gehäuse zu klemmen, während der Monolith eingeführt wird.

4.1.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem in D7 beschriebenen (zumindest) dadurch, dass das Gehäuse (nur) im Eingangsbereich während des Einführens des Monolithen radial an mehreren Stellen elastisch geklemmt wird, wobei durch die Klemmung mittels einer elastischen Verformung eine Gehäusetoleranz und/oder eine Gehäuseverdrehung ausgeglichen werden.

Damit kann auch ein verdreht aufgesetztes oder ein innerhalb von bestimmten Toleranzen zu großes Gehäuse mit dem Stopftrichter so ausgerichtet werden, dass der Monolith samt Lagermatte eingeschoben werden kann, ohne dass dabei die Lagermatte abgeschert wird. Die objektive technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, dass der Stopfvorgang weniger anfällig auf Lage- und Größen­toleranzen des Gehäuses wird.

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Fachmann in zwingender Art und Weise die Einführschräge so dimensionieren würde, dass sie den ihr zugedachten Effekt, nämlich das Einpassen des Gehäuses, auch erfüllen könne. Da die Kammer jedoch zu dem Schluss gekommen ist, dass die Einführschräge nicht zwangsläufig für diesen Zweck vorgesehen ist (siehe oben unter Randziffer 3.4.1), überzeugt sie diese Argumentation nicht. Weil der Zweck der Einführschräge aus D7 nicht klar ersichtlich ist und eine Klemmung weder explizit beschrieben noch als implizit vorhanden angenommen werden kann, hat der Fachmann auch keine Veranlassung, eine solche Klemmung herbeizuführen. Er würde demnach auch nicht in zwingender Art und Weise die Einführschräge so dimensionieren, dass es zu einer Klemmung kommt.

4.1.3 Die Kammer gelangt daher zum Schluss, dass es ausgehend von D7 nicht naheliegend ist, während des Einführens des Monolithen in das Gehäuse letzteres radial elastisch zu klemmen.

4.2 Ausgehend von D5

4.2.1 Unstrittig beschreibt D5 ein Verfahren, bei welchem ein mit einer Lagerungsmatte umwickelter Monolith in ein Gehäuse gestopft wird. Dabei wird das Gehäuse während des Stopfens über die gesamte Länge radial elastisch geklemmt.

4.2.2 Das in Anspruch 1 des Hauptantrags definierte Verfahren unterscheidet sich somit von dem in D5 offenbarten dadurch, dass das Klemmen nur im Eingangsbereich unmittelbar vor einem Stopftrichter ausgeführt wird. Auch dies wird von den Parteien nicht bestritten.

Hinsichtlich des Arguments der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens dazu angeregt sei, übermäßige Zwängungen zu vermeiden und daher das Gehäuse nur im Eingangsbereich klemmen würde, sieht die Kammer keine Hinweise, die den Fachmann dazu führen würden, diese Erkenntnis in D5 anzuwenden. Wie bereits in der Mitteilung der Kammer ausgeführt (siehe Seite 4, vierter und fünfter Absatz), setzt sich D5 nicht damit auseinander, die Form des Gehäuses mit jener des Stopftrichters in Einklang zu bringen. Vielmehr ist die Lehre der D5 darauf gerichtet, eine gleichmäßige Flächenpressung in der Lagermatte zu erreichen. Dazu wird in dem in D5 beschriebenen Verfahren ein im entspannten Zustand ungleich breiter Spalt ausgebildet, welcher durch die elastische Verformung so geändert wird, dass der Monolith mitsamt der Lagermatte eingeschoben werden kann. Die Problematik der gegenseitigen Ausrichtung von Stopftrichter und Gehäuse, um ein Abscheren der Lagerungsmatte beim Einschieben des Monolithen zu vermeiden, findet in D5 keine Erwähnung. Dies wird jedoch von der Kammer als die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe angesehen (siehe Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 4 bis 8).

Wie ebenfalls bereits in der Mitteilung der Kammer ausgeführt, hat D5 zwar sehr viele Verfahrensschritte mit dem beanspruchten Verfahren gemein, befasst sich allerdings nicht mit der Aufgabe des Streitpatents.

4.2.3 Doch auch wenn der Fachmann sich diese Aufgabe stellen würde, hätte er keine Veranlassung, die radiale Klemmung in D5 nur im Eingangsbereich anzuwenden. Zwar mag er durchaus das von der Beschwerdeführerin behauptete allgemeine Fachwissen haben, dass unnötige Zwängungen vermieden werden sollen. Er würde daher jede unnötige Klemmung vermeiden, nicht jedoch solche, die er als notwendig ansieht. Das Klemmen des gesamten Gehäuses ist in D5 (siehe z.B. Figur 12) als notwendiger Verfahrensschritt dargestellt, in dem Sinn, dass es nicht weggelassen werden kann.

Es ergibt sich daher nicht ohne Kenntnis der Erfindung in naheliegender Weise aus D5, dass die Klemmung nur auf den Eingangsbereich beschränkt werden kann. Die Kammer folgt diesbezüglich der Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann Vorbehalte hätte, ein Stopfen in ein vorgespanntes Gehäuse ohne entsprechende Verformung desselben über dessen gesamte Länge durchzuführen. Die von der Beschwerdegegnerin genannte Stelle in D5 (Spalte 8, Zeilen 8 bis 9) versteht die Kammer so, dass darin ein Einschieben des mit einer Lagerungsmatte umwickelten Monolithen in ein (in D5 erfindungsgemäß) elastisch verformtes Gehäuse einem herkömmlichen Verfahren gegenübergestellt wird. Bei dem herkömmlichen Verfahren wird das Gehäuse allerdings nicht radial elastisch verformt. D5 lehrt somit lediglich, dass durch radial elastisches Verformen des Gehäuses über dessen gesamte Länge ein Abscheren der Lagerungsmatte vermieden werden kann. Ob ein nur auf den Eingangsbereich beschränktes Verformen ausreicht, die Lagerungsmatte in dem in D5 gezeigten Verfahren beim Einschieben des Monolithen nicht abzuscheren, erfährt der Fachmann nicht aus D5 und weiß dies auch nicht aus seinem allgemeinen Fachwissen.

Das von der Beschwerdeführerin genannte Fachwissen, dass zum Einführen eines Gegenstandes in eine elastische Umhüllung eine Verformung im Eingangsbereich genügt, regt den Fachmann daher nicht dazu an, dies auch in D5 zum Einschieben eines mit einer Lagermatte umhüllten Monolithen in ein Gehäuse zu tun.

Die von der Beschwerdeführerin ausgehend von D5 angeregte Kombination mit D7 hilft dem Fachmann auch nicht weiter, weil die aus D7 bekannte Vorgehensweise gerade nicht (wie oben erklärt) ein elastisches Klemmen oder Verformen des Gehäuses offenbart.

4.2.4 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass es ausgehend von D5 nicht naheliegend ist, das Gehäuse nur im Eingangsbereich unmittelbar vor einem Stopftrichter radial elastisch zu klemmen.

4.3 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Hilfsanträge

5. Da die Kammer dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgibt, braucht über die von ihr gestellten Hilfsanträge nicht entschieden zu werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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