T 2038/17 () of 22.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T203817.20200622
Datum der Entscheidung: 22 Juni 2020
Aktenzeichen: T 2038/17
Anmeldenummer: 11001197.0
IPC-Klasse: F41H7/04
F41H7/02
F41H5/007
B60R21/013
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 542 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schutzsystem für ein Fahrzeug
Name des Anmelders: Rheinmetall Waffe Munition GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
RPBA2020 Art 025(3) (2020)
European Patent Convention Art 84 (2007) Satz 2
European Patent Convention Art 54(3) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Patentansprüche - Deutlichkeit (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 11001197.0 (im Folgenden: "Anmeldung") betrifft ein Fahrzeugschutzsystem gegen im Boden befindliche Minen.

II. Am Ende der mündlichen Verhandlung hat die Prüfungsabteilung entschieden, die Anmeldung wegen mangelnder Neuheit zurückzuweisen.

III. Die Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat gegen diese Zurückweisungsentscheidung Beschwerde eingelegt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte mit ihrer Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage eines der als Haupt- und Hilfsantrag bezeichneten jeweiligen Ansprüche 1 zu erteilen. Außerdem beantragte die Beschwerdeführerin hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

V. Die Beschwerdeführerin wurde zu einer mündlichen Verhandlung am 23. April 2020 geladen.

VI. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) vom 22. Juli 2019 hat die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mitgeteilt. Insbesondere hat die Kammer darauf hingewiesen, dass in der Beschwerdebegründung nicht angegeben sei, welche Anmeldungsunterlagen die Grundlage für den Hauptantrag bzw. den Hilfsantrag bilden sollten, und dass davon ausgegangen werde, dass diese Unterlagen identisch mit den der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anmeldungsunterlagen gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 seien. Ferner hat die Kammer ihre vorläufige Meinung kundgetan, dass der Gegenstand der jeweiligen Ansprüche 1 nicht hinreichend deutlich im Sinne des Artikels 84 Satz 2 EPÜ definiert und nicht neu ist.

VII. In Erwiderung auf diese Mitteilung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2020 neue Hilfsanträge 2 bis 5 eingereicht und bestätigt, dass als Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anmeldungsunterlagen gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 gelten. Außerdem hat die Beschwerdeführerin darin ausgeführt, dass und warum der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie gemäß jedem der Hilfsanträge 1 bis 5 neu sei.

VIII. Aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) wurde die anberaumte mündliche Verhandlung aufgehoben und auf einen noch zu bestimmenden späteren Termin verlegt.

IX. In der Mitteilung vom 3. April 2020 hat die Kammer ihre vorläufige Meinung bezüglich der neuen Hilfsanträge 2 bis 5 mitgeteilt und die Zurückweisung der Beschwerde in Aussicht gestellt, allerdings im Weiteren verfahrensleitend darauf hingewiesen, dass Hilfsantrag 4 als neu und erfinderisch angesehen werden könnte, sofern in dieser Hinsicht noch überzeugender Vortrag zu der Frage der Offenbarung einer Feststoffrakete in D1 gehalten würde.

X. In Erwiderung auf diese Mitteilung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 5. Mai 2020 ausführlich ausgeführt, dass und warum der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 neu sei und insbesondere in D1 keine Feststoffrakete offenbart sei. Zu den vorrangigen Anträgen hat sie keinerlei Stellung mehr genommen. Außerdem hat sie erklärt, dass sie ihren Hilfsantrag auf eine mündliche Verhandlung aufrechterhalte, es sei denn, die Kammer schließe sich ihrer Auffassung an. In diesem Fall könne das Verfahren auch im schriftlichen Verfahren weitergeführt werden.

XI. In der Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vom 26. Mai 2020 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass obgleich ein Patent auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag 4 erteilt werden könnte, die mit Schriftsatz vom 16. Januar 2020 eingereichte Beschreibung gemäß Hilfsantrag 4 nicht an den geänderten Wortlaut des Anspruchs 1 angepasst worden ist (Artikel 84 EPÜ).

XII. In Erwiderung auf diese Mitteilung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020 geänderte Ansprüche gemäß Hilfsantrag 4 mit daran angepasster Beschreibung eingereicht.

XIII. In der Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vom 9. Juni 2020 hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020 eingereichte Beschreibung gemäß Hilfsantrag 4 weiterhin nicht an den geänderten Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 angepasst worden ist, und dass dies zu Zweifeln bezüglich des Gegenstands des Schutzbegehrens führt (Artikel 84 EPÜ).

XIV. In Erwiderung auf diese Mitteilung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020 geänderte Ansprüche gemäß Hilfsantrag 4 mit daran angepasster Beschreibung eingereicht. Zudem hat die Beschwerdeführerin den Antrag auf eine mündliche Verhandlung zurückgenommen, sofern die Kammer an der vorläufigen Meinung und der Erteilbarkeit nach Hilfsantrag 4 festhalte.

XV. Anspruchssätze

a) Hauptantrag

Anspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 6. Juli 2016, lautet folgendermaßen (die Änderung am ursprünglichen Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: Gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck; die Nummerierung der Merkmale wurde in Anlehnung an die von der Beschwerdeführerin verwendete Merkmalsgliederung hinzugefügt):

1) Schutzsystem (2) [deleted: insbesondere] für ein Fahrzeug (1)

gegen im Boden (5) befindliche Minen [deleted: oder]

[deleted: dergleichen], wie Culvert Minen,

2) mit Raketen (2),

3) die seitlich am Fahrzeug (1) eingebunden sind,

4) deren Öffnung (4) nach oben gerichtet sind, und

5) wenigstens einem [deleted: Sensor] Beschleunigungssensor (7)

[deleted: der das Auslösen der Mine detektiert], durch den das

Auslösen der Mine detektiert wird,

6) wobei [deleted: das Schutzsystem als eine Art] mit dem

Sensieren die Raketen (2) zünden, und

7) die Raketen (2) als Bremse in der

Beschleunigungsphase bei der Ansprengung fungiert

[sic], [deleted: sodass] derart, dass das Fahrzeug (1) während

der Minenexplosion auf den Boden (5) gedrückt und

damit das Abheben des Fahrzeugs (1) verhindert

wird.

b) Hilfsantrag 1

Anspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 16. März 2017, lautet folgendermaßen (die Änderung am ursprünglichen Anspruch 1 sind kenntlich gemacht):

[deleted: Schutzsystem] Fahrzeugschutzsystem (2) [deleted: insbesondere] für ein Fahrzeug (1) gegen im Boden (5) befindliche [deleted: Minen oder dergleichen] Culvert Minen, mit

- Raketen (2), die gleichmäßig am [deleted: Fahrzeug (1)] Fahrzeugrumpf (3) [deleted: eingebunden] angebracht sind, deren Öffnung (4) nach oben gerichtet sind, wobei die Raketen (2) Feststoffraketen sind, und

- wenigstens einem Sensor (7) [deleted: der das Auslösen der Mine detektiert], durch den das Auslösen der Mine detektiert wird, wobei [deleted: das Schutzsystem als eine Art] mit dem Sensieren des Auslösens der Mine die Raketen (2) zünden, und

- die Raketen (2) als Bremse in der Beschleunigungsphase bei der Ansprengung fungiert [sic], [deleted: sodass] derart, dass das Fahrzeug (1) während der Minenexplosion auf den Boden (5) gedrückt und damit das Abheben des Fahrzeugs (1) verhindert wird.

c) Hilfsantrag 2

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag darin, dass in Merkmal 1) der Ausdruck "Schutzsystem (2) für ein Fahrzeug" in "Fahrzeug (1) mit Schutzsystem (2)" geändert wurde.

d) Hilfsantrag 3

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 darin, dass in Merkmal 1) der Ausdruck "Minen, wie Culvert Minen" in "Culvert Minen" geändert wurde.

e) Hilfsantrag 4

Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 darin, dass in Merkmal 2) der Ausdruck "Raketen" durch "Feststoffraketen" geändert wurde.

f) Hilfsantrag 5

Im Lichte des Tenors der vorliegenden Entscheidung ist der Wortlaut des Hilfsantrags 5 irrelevant.

XVI. Zum Stand der Technik wurden im Recherchenbericht unter anderem folgende Druckschriften zitiert:

D1: WO 2010/067093 A1;

D2: DE 196 31 715 A1;

D3: US 2005/0230176 A1.

XVII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag

Entgegen der Entscheidung der Prüfungsabteilung nehme das Dokument D1 den Gegenstand von Anspruch 1 nicht vorweg, da es Merkmale 5) bis 7) nicht offenbare.

Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit seien im Prüfungsverfahren lediglich die Dokumente D2 und D3 herangezogen worden. D2 offenbare zwar ein Schutzsystem für ein Fahrzeug, jedoch keines mit den weiteren Merkmalen von Anspruch 1. Das Schutzsystem gemäß D2 weise an der Unterseite einen Deflektor auf, wobei zwischen diesem Deflektor und der Unterseite des Fahrzeugs eine mit einem Gasgenerator füllbare Kammer angeordnet sei. D2 stelle schon nicht den nächstliegenden Stand der Technik dar. Daher könne auch nicht ausgehend von D2 eine Kombination mit D3 die Merkmale von Anspruch 1 erbringen. D3 betreffe einen Überrollschutz mittels Schubdüsen, d. h. ein Fahrzeugstabilisierungssystem. Zum einen sei nicht erkennbar, warum der Fachmann die Lehren von D2 und D3 kombinieren würde, zum anderen seien Merkmale 6) und 7) durch D3 nicht nahegelegt. Anspruch 1 sei demnach gegenüber D2 und D3 erfinderisch.

b) Hilfsantrag 1

Zusätzlich zu den im Hinblick auf den Hauptantrag genannten Unterschieden sei das in D1 offenbarte System nicht dazu geeignet, das Fahrzeug gegen Culvert-Minen zu schützen, wie im geänderten Anspruch 1 verlangt. Wie in der ursprünglichen Beschreibung dargelegt (Seite 2, Absatz 4), könnten derartige Minen bewirken, dass eine ganze Straße mitsamt einem darauf befindlichen Fahrzeug mehrere Meter in bzw. durch die Luft geschleudert werde.

c) Hilfsanträge 2 bis 4

Hilfsanträge 2 bis 4 seien in Reaktion auf den Ladungsbescheid vom 22. Juli 2019 eingereicht worden, insbesondere auf den dort erhobenen Einwand nach Artikel 84 EPÜ gegen Anspruch 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag 1.

Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 2 bzw. 3 unterscheide sich von dem Anspruchssatz gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 lediglich darin, dass die Ansprüche nun nicht mehr auf ein Schutzsystem für ein Fahrzeug gerichtet seien, sondern auf ein Fahrzeug mit einem Schutzsystem. Damit sei das Fahrzeug klarer Bestandteil des beanspruchten Gegenstands. Durch diese Änderung seien die Ansprüche nicht unzulässig erweitert worden, da in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen Schutzsystem und Fahrzeug in Kombination beansprucht und auch beschrieben seien (in der ursprünglichen Beschreibung siehe Seite 1, Absatz 1 oder Seite 3, Absatz 6).

Hilfsantrag 4 entspreche Hilfsantrag 2, wobei in Anspruch 1 jedoch das Merkmal von Anspruch 2 übernommen worden sei, wonach die Raketen "Feststoffraketen" seien, d. h. Raketen mit einem festen Antriebssatz aus reduzierenden und oxidierenden Feststoffen (siehe z. B. Wikipedia zum Stichwort "Feststoffraketentriebwerk"). Der Vorteil von Feststoffraketen sei die hohe Sicherheit und der geringe Bauraum (Absatz 12 der veröffentlichten Anmeldung).

D1 offenbare keine Feststoffraketen. Dort werde für die Raketen ein als "propellant" bezeichnetes Antriebsmittel offenbart, das in dafür vorgesehenen Regionen 522a bis 522c aufgenommen werde (Seite 12, Absatz 2). D1 beschreibe zwar die Brennbarkeit des Antriebsmittels und seine Entzündung durch das Zündsystem (Seite 13, Absatz 3), jedoch nicht die Art des Antriebsmittels.

Dem von der Prüfungsabteilung zitierten Absatz 4 auf Seite 13 könne nicht entnommen werden, dass das Antriebsmittel fest sei, sondern lediglich, dass zusätzlich eine offene Struktur in die Regionen 522a bis 522c eingebracht werden könne, die eine Wabenstruktur (z. B. aus Aluminium oder Nomex®) sei oder aus offenporigen Pellets bestehe. Diese Materialien seien nicht als Antriebsmittel offenbart, und es werde auch keine reduzierende oder oxidierende Wirkung derselben offenbart. Die offene Struktur stelle nicht das Antriebsmittel dar, denn es werde separat dazu beschrieben. Auch mit Vorhandensein der offenen Struktur müsse diese dem Zündsystem ermöglichen, das Antriebsmittel zu entzünden und nicht die Struktur. Das Antriebsmittel sei immer dasselbe, selbst wenn die offene Struktur vorgesehen sei. Auch für die mögliche Annahme, dass die offene Struktur als solche ein festes Oxidations- oder Reduktionsmittel sei, finde sich in D1 keine Stütze. Davon abgesehen könne D1 nicht entnommen werden, dass sowohl das Oxidationsmittel als auch das Reduktionsmittel in fester Form vorhanden seien.

Entscheidungsgründe

1. Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK 2020) ist die revidierte Fassung auch auf die vorliegende Beschwerde anwendbar, die am Tag des Inkrafttretens bereits anhängig war.

2. D1 stellt für alle Vertragsstaaten einen potentiell kollidierenden Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ dar (Artikel 153 (2) und (5) und Regel 159 EPÜ).

3. Hauptantrag - Neuheit

3.1 Die Kammer sieht keine Gründe, von der Entscheidung der Prüfungsabteilung abzuweichen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 im Hinblick auf D1 nicht neu im Sinne von Artikeln 52 (1) und 54 (1) und (3) EPÜ ist.

3.2 Das in Figuren 2 bis 4 von D1 abgebildete Fahrzeug umfasst Drucksensoren (16a-16j), Beschleunigungs-sensoren (19a-19j), Fahrzeugstabilisierungs-vorrichtungen (18a-18d) in Form von Raketen (71-74), sowie Mittel (12-14) zum Steuern derselben als Reaktion auf die Erfassung einer Explosion durch die Drucksensoren, um das Fahrzeug zu stabilisieren und mithin Verletzungen der Fahrzeuginsassen zu verhindern und das Fahrzeug aufrecht und im Kampfzustand zu halten (Seite 4, Absatz 3 bis Seite 5, Absatz 3). Die Explosion kann unter, vor, hinter oder an einer Seite des Fahrzeugs stattfinden und durch das Auslösen einer Mine erfolgen (Seite 4, Absatz 4 bis Seite 5, Absatz 1; Seite 7, Absatz 5). Die Beschleunigungssensoren dienen dazu, die Schwingungen des Fahrzeugs nach Auslösen einer Mine zu detektieren, wobei die Fahrzeugstabilisierungsvorrichtungen nur dann aktiviert werden, wenn die Signale der Beschleunigungssensoren bestätigen, dass eine Minenexplosion stattgefunden hat (Seite 9, Absatz 3).

3.3 Es ist unstreitig, dass das abgebildete Fahrzeug die Merkmale 1) bis 4) von Anspruch 1 ihrem Wortlaut nach verwirklicht.

3.4 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass D1 keines der Merkmale 5) bis 7) von Anspruch 1 offenbare, nämlich

5) dass das Schutzsystem wenigstens einen

Beschleunigungssensor aufweist, durch den das

Auslösen der Mine detektiert wird,

6) dass mit dem Sensieren die Raketen zünden, und

7) dass die Raketen als Bremse in der Beschleunigungs-

phase bei der Ansprengung fungieren, derart, dass

das Fahrzeug während der Minenexplosion auf den

Boden gedrückt und damit das Abheben des Fahrzeugs

verhindert wird.

3.5 Der Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugt die Kammer jedoch nicht.

3.5.1 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit folgen, dass in D1 die Minenexplosion durch die Drucksensoren erfasst wird (Seite 3, Anspruch 1) und dass bei der auf Seite 9, Absatz 3 beschriebenen Ausführungsform die Beschleunigungssensoren überprüfen, ob eine durch die Drucksensoren bereits erfasste Explosion tatsächlich erfolgt ist, um eine Fehldetektion zu vermeiden. Soweit die Beschwerdeführerin daraus folgert, dass im Unterschied zu Merkmal 5) die eigentliche Detektion nicht durch Beschleunigungssensoren geschehe, sondern durch Drucksensoren, überzeugt dies aber nicht. Der Wortlaut von Merkmal 5) schreibt nicht zwingend vor, dass das Auslösen der Mine nur mittels eines oder mehrerer Beschleunigungssensoren detektiert wird. Anspruch 1 umfasst alternative Ausführungsformen, bei denen eine Minenexplosion mittels Beschleunigungs- und Drucksensoren detektiert wird. Bei der genannten Ausführungsform gemäß D1 werden Druck- und Beschleunigungssensoren als zweistufiges System zur Erfassung der Minenexplosion eingesetzt, und eine solche Ausführungsform wird vom Anspruchswortlaut erfasst.

3.5.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert im Wesentlichen, dass beim erfindungsgemäßen System sämtliche Raketen sofort mit Beginn der Ansprengung zünden, um das Fahrzeug auf dem Boden zu drücken. Der Wortlaut von Merkmalen 6) und 7) schreibt diese Beschränkung jedoch nicht zwingend vor, und die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass sie in Anspruch 1 hineinzulesen ist. Im Übrigen lässt sich diese Beschränkung der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht entnehmen.

3.5.3 In der vorgenannten Ausführungsform gemäß D1 werden die Raketen in Reaktion auf die Erfassung einer Minenexplosion durch die Druck- und Beschleunigungssensoren aktiviert, um die Aufwärtsbeschleunigung des Fahrzeugs nach Auslösen der Minen zu reduzieren oder eliminieren (Seite 9, Absatz 3; Seite 10, Absatz 4 und Seite 11, Absätze 3 und 4). Dies nimmt die streitigen Merkmale vorweg, selbst wenn dort die Raketen erst nach einer gewissen, obschon sehr kurzen Zeit nach der Explosion aktiviert werden können, weil der Druckanstieg einen Schwellwert überschreiten muss und die durch die Minenexplosion erzeugte Hauptaufwärtsbeschleunigung des Fahrzeugs erst nach Beginn der Ansprengung auftritt (siehe D1, Seite 5, Absatz 2). Der Wortlaut von Anspruch 1 umfasst eine solche Ausführungsform, bei der die Ansprengung mittels Druck- und Beschleunigungssensoren erfasst wird.

3.5.4 Die Beschwerdeführerin macht im Hinblick auf Merkmal 6) geltend, dass im Unterschied zu D1 das beanspruchte Schutzsystem sofort mit Beginn der Ansprengung, d. h. augenblicklich reagiert. Allerdings spiegelt sich dieser behauptete Unterschied nicht im Wortlaut von Anspruch 1 wider. Davon abgesehen ist nicht erkennbar, inwiefern das anspruchsgemäße Schutzsystem sofort reagieren kann, obwohl es die Ansprengung ebenfalls erst mittels eines Beschleunigungssensors erfasst.

3.5.5 Bezüglich Merkmal 7) argumentiert die Beschwerdeführerin, dass in D1 die Raketen lediglich Mittel zur Fahrzeugstabilisierung darstellen ("vehicle stabilizing means"), um einen instabilen Zustand und gegebenenfalls ein Kippen zu verhindern, und dass sie im Unterschied zu den anspruchsgemäßen Raketen weder als Bremse fungieren noch dazu vorgesehen seien, das Fahrzeug gegen die Ansprengrichtung auf den Boden zu drücken und die Aufwärtsbewegung derart einzuschränken, dass ein Abheben des Fahrzeugs verhindert werde. Wie von der Prüfungsabteilung festgestellt (Einspruchsgründe Nr. 6.4), ist im Gesamtzusammenhang von D1 jedoch ersichtlich, dass das dort offenbarte Schutzsystem die Raketen in der Beschleunigungsphase bei der Ansprengung steuert, um das Fahrzeug entgegen der Beschleunigung auf den Boden zu drücken (Seite 6, Absatz 2) und mithin ein Abheben des Fahrzeugs zu vermeiden (siehe insbesondere den die Seiten 4 und 5 überbrückenden Absatz).

3.5.6 Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, dass die erfindungsgemäß seitlich am Fahrzeug angeordneten Raketen eine größere Krafteinwirkung auf das Fahrzeug ermöglichten als die in D1 dargestellten Raketen, die am Fahrzeugdach angeordnet seien. Dem von der Prüfungsabteilung genannten Absatz 2 auf Seite 10 von D1 (Entscheidungsgründe Nr. 6.4) ist jedoch entnehmbar, dass die Lage der Vorrichtungen 18 - d. h. der Raketen - in Abhängigkeit der Form des Fahrzeugs und der Verteilung des Fahrzeuggewichts geändert werden kann, und dass das von den Raketen - nach deren Aktivierung - erzeugte Drehmoment maximiert werden kann, indem sie in der Nähe oder direkt am Umfang des Fahrzeugs angeordnet werden. Im Übrigen ist auf Seite 15, Absatz 1 angegeben, dass die Vorrichtungen 18 nicht nur am Dach angeordnet sein können, sondern an einer Reihe anderer Positionen im oder am Fahrzeug, wie beispielsweise in den Kotflügeln oder im Motorraum oberhalb der Vorderradaufhängungspunkte.

4. Hauptantrag - Klarheit

4.1 Der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag ist nicht deutlich im Sinne des Artikels 84 Satz 2 EPÜ definiert:

4.2 Anspruch 1 betrifft ein "Schutzsystem für ein Fahrzeug gegen im Boden befindliche Minen" (Merkmal 1)), d. h. ein System, das an einem Fahrzeug angebracht werden kann, um es gegen im Boden befindliche Minen zu schützen.

4.3 Die Merkmale 3) bis 5) beschreiben jedoch nicht das Schutzsystem als solches, sondern auf welche Art und Weise es an einem Fahrzeug angebracht ist.

4.4 Dies erweckt den Eindruck, dass Schutz für ein Fahrzeug mit dem Schutzsystem begehrt wird und führt daher zu Zweifeln bezüglich des tatsächlichen Gegenstandes des Schutzbegehrens.

5. Die gegenüber dem Hauptantrag vorgenommenen Änderungen des Hilfsantrags 1 sind nicht in der Lage, diesen Einwand nach Artikel 84 EPÜ auszuräumen.

6. Hilfsanträge 2 bis 4 - Zulassung in das Beschwerdeverfahren

6.1 Die Zulassung der nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung, mit Schriftsatz vom 16. Januar 2020 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 4 ins Beschwerdeverfahren steht im Ermessen der Kammer. Der vorliegende, mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020 eingereichte Hilfsantrag 4 entspricht diesem Hilfsantrag 4.

6.2 Da die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt wurde, ist gemäß Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020 für diese Frage Artikel 13 (1) VOBK 2020 und Artikel 13 (1) VOBK 2007 anzuwenden, nicht aber Artikel 13 (2) VOBK 2020. Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass die in Artikel 13 (1) VOBK 2020 enthaltenen Kriterien der Ermessensausübung bei der Zulassung von Änderungen einer Patentanmeldung oder eines erteilten Patents im Wesentlichen auf der ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf Artikel 13 (1) VOBK 2007 beruhen.

6.3 Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag darin, dass die Ansprüche nicht mehr auf ein Schutzsystem für ein Fahrzeug gerichtet sind, sondern auf ein Fahrzeug mit dem Schutzsystem. Diese Anspruchsänderung ist nicht in der Lage, den vorstehenden Einwand der mangelnden Neuheit im Hinblick auf D1 auszuräumen (Punkt 3).

6.4 Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Hauptantrag zusätzlich darin, dass in Anspruch 1 das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, wonach das Schutzsystem Schutz gegen Culvert-Minen bietet. Auch diese Änderung ist nicht in der Lage, den vorstehenden Einwand der mangelnden Neuheit im Hinblick auf D1 auszuräumen. Der Begriff "Culvert-Minen" hat auf dem betreffenden Fachgebiet keine allgemein anerkannte Bedeutung und kann also nicht zur alleinigen Unterscheidung des beanspruchten Gegenstands gegenüber D1 verwendet werden. Das in D1 offenbarte System dient dazu, das Fahrzeug gegen Minen und unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen ("IED") zu schützen. Es ist also zumindest implizit dazu geeignet, das Fahrzeug gegen relativ kleine Culvert-Minen zu schützen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es zum allgemeinen Fachwissen gehört, dass IEDs häufig als Straßenbomben verwendet werden, die in einem Kanal oder Düker (englisch "culvert") platziert werden.

6.5 Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Hauptantrag darin, dass die Ansprüche auf ein Fahrzeug mit dem Schutzsystem gerichtet sind, und dass in Anspruch 1 das zusätzliche Merkmal aufgenommen wurde, wonach die Raketen "Feststoffraketen" sind. Die erste Anspruchsänderung stellt eine direkte Reaktion auf den vorstehenden Einwand nach Artikel 84 Satz 2 EPÜ dar, den die Kammer zum ersten Mal in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2007 erhoben hatte. Durch die zweite Änderung entstand keine wesentliche Änderung des Beschwerdevorbringens, denn das Merkmal der Feststoffraketen war bereits in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthalten, der in der angefochtenen Entscheidung behandelt wurde. Schließlich erscheint der Kammer dieser neue Antrag als prima facie gewährbar, weil er alle noch offenen Einwände auszuräumen scheint, ohne neue Fragen aufzuwerfen.

6.6 Die Kammer kommt daher zum Schluss, Hilfsantrag 4 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, nicht aber Hilfsanträge 2 und 3.

7. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Änderungen der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 4 den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ entsprechen. Insbesondere sind die Änderungen von Anspruch 1 durch die technische Lehre in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen gestützt (Seite 4, Absatz 1 und Figur).

8. Durch die Änderungen der Ansprüche wurde der vorstehende Einwand nach Artikel 84 EPÜ ausgeräumt, da nunmehr klargestellt ist, dass das Fahrzeug Teil des beanspruchten Gegenstands ist.

9. Hilfsantrag 4 - Neuheit

9.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 verlangt, dass die Raketen "Feststoffraketen" sind. Die Prüfungsabteilung hat im Hinblick auf Hilfsantrag 1 entschieden (Entscheidungsgründe Nr. 7.3.4), dass dieses Merkmal bereits in D1 offenbart ist.

9.2 Die Kammer teilt jedoch die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass dieses Merkmal in D1 nicht verwirklicht ist.

9.2.1 Unter dem Begriff "Feststoffrakete" versteht der einschlägige Fachmann normalerweise ein Raketentriebwerk mit einem Treibstoff in fester Form.

9.2.2 Figuren 6A bis 6C von D1 zeigen einen beispielhaften Raketenantrieb 500 für das dort offenbarte Schutzsystem, wobei Figur 6A einen Querschnitt und Figuren 6B und C perspektivische Darstellungen des Raketenantriebs zeigen (unten wiedergegeben). Dort sind sogenannte Treibstoffregionen 522a bis 522c gezeigt, die durch eine Vielzahl von internen Teilern 524a bis 524c definiert werden (Seite 12, Absatz 2, "propellant regions"). Zusätzlich ist ein Zündsystem 512 in Form einer Drahtanordnung gezeigt, die sich jeweils über die Regionen 522a bis 522c erstreckt und den Treibstoff sehr kurze Zeit nach Aktivierung des Zündsystem zündet (Seite 12, Absatz 6).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

9.2.3 Beim Betrachten dieser Zeichnungen ist ersichtlich, dass die Treibstoffregionen 522a bis 522c Treibstoffspeicherbereiche sind. Dieses Verständnis wird an mehreren Textstellen bestätigt. So wird auf Seite 13 erklärt,

a) dass der Raketenmotor 500 bevorzugt ein hohes Verhältnis von Durchmesser zu Länge aufweist, um eine große Treibstoffoberfläche in den Treibstoffregionen 522a bis 522c auf einmal mit dem Zündsystem 512 zu zünden (Seite 13, Absatz 3), und

b) dass die Treibstoffregionen 522a bis 522c eine mit Treibmittel beschichtete Wabenstruktur (z. B. aus Aluminium oder Nomex®) enthalten können, deren Zellen den Funken aus dem Zündsystem 512 den Zugang zum Treibstoff ermöglichen (Seite 13, Absatz 4, Zeilen 1 bis 4),

c) wobei eine Alternative zur Wabenstruktur Pellets mit offener Rahmenstruktur sein könnten, ähnlich wie Drahtwolle, die den Funken aus dem Zündsystem 512 Zugang zum Treibstoff bietet (Seite 13, Absatz 4, Zeilen 5 bis 8).

9.3 Als Nachweis für die Offenbarung von Treibstoff im festen Zustand in D1 hat die Prüfungsabteilung auf diese Textstellen b) und c) verwiesen.

9.4 Die Kammer kann sich dieser Auslegung dieser Textstellen jedoch mangels hinreichender Überzeugung von ihrer Richtigkeit nicht anschließen. Dort ist lediglich offenbart, dass die Speicherbereiche 522a bis 522c eine mit Treibstoff beschichtete Wabenstruktur bzw. mit Treibstoff beschichtete Pellets enthalten können. Daraus lässt sich aber nicht zwingend folgern, dass der Treibstoff ausschließlich und immer in fester Form vorliegt, wie von der Beschwerdeführerin überzeugend dargelegt. Insbesondere könnte der in den Bereichen 522a bis 522c gespeicherte Treibstoff ein Flüssigtreibstoff oder ein Hybridtreibstoff sein, d. h. eine Mischung aus einer festen und einer flüssigen Treibstoffkomponente.

9.5 Im Übrigen wird in D1 auch sonst nicht offenbart, dass dort ein Festtreibstoff verwendet wird.

9.6 Die Kammer schließt sich daher der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf D1 neu ist.

10. Hilfsantrag 4 - Erfinderische Tätigkeit

10.1 Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf mangelnde Neuheit im Hinblick auf D1. Die Frage der erfinderischen Tätigkeit wurde deshalb von der Prüfungsabteilung noch nicht abschließend erörtert, selbst wenn im erweiterten Recherchenbericht bemängelt wurde, dass der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf D2 und D3 nicht erfinderisch sei (Punkt 3 der Stellungnahme zur Recherche).

10.2 Da sich die Kammer in der Lage sieht, die erfinderische Tätigkeit abschließend zu beurteilen, hält sie es insbesondere auch im Hinblick auf die gebotene Verfahrensökonomie für sachdienlich und sinnvoll, von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ und Artikel 11 VOBK 2020 eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch zu machen, die Frage der erfinderischen Tätigkeit selbst zu prüfen und zu entscheiden.

10.3 D1 ist für die Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht von Bedeutung.

10.4 Das in D2 offenbarte Schutzsystem für Fahrzeuge gegen Minen stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar.

10.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich davon durch Merkmale 2) bis 7). Die objektive Aufgabe gegenüber D2 kann darin gesehen werden, den Schutz gegen Minen weiter zu verbessern.

10.6 Der mit dieser Aufgabe befasste Fachmann hat keine Veranlassung, die Lehre von D3 heranzuziehen. Es betrifft ein Überrollschutzsystem für ein Fahrzeug mit an den Fahrzeugsäulen montierten Triebwerken, die einem Kippen des Fahrzeugs entgegenwirken. Selbst wenn der Fachmann - aus welchem Grund auch immer - diese Lehre dennoch heranziehen würde, hätte er keine Veranlassung, das in D2 offenbarte Schutzsystem in Richtung der beanspruchten Lösung weiterzuentwickeln, denn in D3 sind Merkmale 5) bis 7) nicht offenbart. In D3 aktiviert das Steuersystem die Triebwerke in Reaktion auf eine Änderung der Fahrzeugneigung, die auf ein potentielles Kippen hinweist (Figur 7).

10.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

11. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Änderungen in der Beschreibung letztere lediglich an die geänderten Ansprüche anpassen.

12. Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Unterlagen gemäß Hilfsantrag 4 den Erfordernissen des EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020;

- Beschreibungsseiten 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020;

- Figur, ursprünglich eingereicht.

Quick Navigation