T 1677/17 () of 2.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T167717.20200302
Datum der Entscheidung: 02 März 2020
Aktenzeichen: T 1677/17
Anmeldenummer: 08020387.0
IPC-Klasse: E03F 5/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Ablaufvorrichtung
Name des Anmelders: Dallmer GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 08020387.0 (im Folgenden: Anmeldung) betrifft eine Ablaufvorrichtung für einen Feuchtraum, insbesondere für eine Dusche.

II. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung wegen mangelnder Neuheit zurückgewiesen.

III. Die Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat Beschwerde gegen diese Zurückweisungsentscheidung erhoben.

IV. In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 als Hauptantrag eingereichten Unterlagen zu erteilen.

V. Anspruchssatz gemäß Hauptantrag

Der Antrag ist identisch mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag.

Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderungen am ursprünglichen Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: Gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen im Fettdruck; die Nummerierung der Merkmale wurde in Anlehnung an die in der angefochtenen Entscheidung und von der Beschwerdeführerin verwendete Merkmalsgliederung hinzugefügt):

a) Ablaufvorrichtung für einen Feuchtraum,

insbesondere für eine Dusche, umfassend

b) - einen rinnenförmigen Ablaufkörper (1)

c) mit einer Einlauföffnung (11), in die Abwasser

eintreten kann,

d) wobei der Ablaufkörper (1) mindestens eine

Auslassöffnung (5) aufweist, aus der das Abwasser

austreten kann,

e) - ein zumindest abschnittsweise plattenförmiges

Teil (2), das Teil eines Bodens des Feuchtraums,

insbesondere der Dusche, sein kann,

[deleted: dadurch gekennzeichnet, dass]

f) wobei der rinnenförmige Ablaufkörper (1) und das

zumindest abschnittsweise plattenförmige Teil (2)

zu einer Einheit vormontiert sind,

g) wobei der rinnenförmige Ablaufkörper (1) in dem

plattenförmigen Teil (2) angeordnet ist, und

h) wobei der rinnenförmige Ablaufkörper (1) in

Einbaulage nicht nach oben über das plattenförmige

Teil (2) hinausragt,

dadurch gekennzeichnet, dass

i) der rinnenförmige Ablaufkörper (1) in Einbaulage

auch nicht nach unten über das plattenförmige Teil

(2) hinausragt, so dass sich die vormontierte

Einheit aus rinnenförmigem Ablaufkörper (1) und

plattenförmigem Teil (2) einfach stapeln lässt.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 betreffen besondere Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Ablaufvorrichtung.

VI. Stand der Technik

Im Recherchenbericht wurden folgende Druckschriften zitiert:

D1: DE 10 2006 007 471 A1;

D2: EP 1 782 721 A2;

D3: FR 2 928 156 A1.

VII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Dokument D2 nehme den Gegenstand von Anspruch 1 nicht vorweg, da es Merkmal i) nicht offenbare.

Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung sei dieses Merkmal nicht in Figuren 1 und 2 von D2 offenbart. Dort seien die Duschrinne 4 und das plattenförmige Trägerelement 2, 2' perspektivisch von oben dargestellt, so dass den Figuren nicht entnommen werden könne, dass die Duschrinne nach unten nicht über das Trägerelement hinausrage. Aus Absatz 30 von D2 gehe hervor, dass die Ablauföffnung 5 der abgebildeten Duschrinne "vorzugsweise durch einen Ablaufstutzen gebildet ist". Bei der Ablauföffnung handle es sich also nicht um ein einfaches Loch im Boden der Rinne, sondern wie fachüblich um einen nach unten ragenden Teil, der an einen Ablauftopf oder Abflussrohr anzuschließen sei. Es sei deshalb wahrscheinlich, dass die Ablauföffnung nach unten über das Trägerelement 2,2' hinausrage.

In Absatz 34 von D2 sei zwar angegeben, dass das dargestellte plattenförmige Trägerelement 2, 2' vorzugsweise so ausgebildet ist, dass es bei Auflage auf einen im wesentlichen horizontalen Boden oder Untergrund an seiner Oberseite ein Gefälle in Richtung der Aussparung 3, 3' aufweist. Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung lasse sich Merkmal i) dieser Textpassage jedoch nicht entnehmen. Insbesondere übersehe die Prüfungsabteilung, dass diese Textpassage lediglich eine Eigenschaft des Trägerelements beschreibe. Es schreibe nicht zwingend vor, dass sich das aus dem Trägerelement und der Duschrinne 4 bestehende Duschtassenelement 1 auf einen horizontalen Boden auflegen lasse, ohne dabei zu wackeln oder schief zu liegen.

Auch das Dokument D1 nehme den Gegenstand von Anspruch 1 nicht vorweg, da es die Merkmale h) und i) nicht offenbare.

In D1 würde die als Einheit mit der Platte 1 ausgebildete Ablaufrinne 21 jeweils ein Stück über die Platte nach oben hinausragen, um einen bündigen Abschluss mit auf die Platte aufgebrachten Fliesen 15 zu ermöglichen (Figuren 7a, 7b und 7c). Weiterhin sei ein Ablaufstutzen 33 an der Ablaufrinne 21 angeformt, der nach unten über die Platte hinausrage (Absatz 55 und Figuren 5 und 6).

Schließlich beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Er unterscheide sich von der in D2 offenbarten Ablaufvorrichtung durch Merkmal i). Ausgehend von D2 liege die objektiv zu lösende Aufgabe darin, eine besser und platzsparender zu lagernde Ablaufvorrichtung zu schaffen. Weder D2 noch D1 biete einen Hinweis für eine Weiterentwicklung der Lehre von D2 in Richtung der beanspruchten Lösung.

Entscheidungsgründe

1. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Änderungen der Ansprüche den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ entsprechen. Insbesondere sind die Änderungen von Anspruch 1 durch die technische Lehre in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gestützt (siehe Anspruch 13; Beschreibungsseite 2, Zeilen 7 bis 11; Beschreibungsseite 5, Zeilen 10 bis 20 i.V.m. Figuren 4 und 5).

2. Neuheit

2.1 Neuheit im Hinblick auf D2

2.1.1 Die Prüfungsabteilung war der Ansicht, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber D2 sei.

2.1.2 Die Kammer teilt jedoch die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass D2 das im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgeführte Merkmal i) nicht offenbart, wonach der rinnenförmige Ablaufkörper in Einbaulage nicht nach unten über das plattenförmige Teil hinausragt, so dass sich die vormontierte Einheit aus rinnenförmigem Ablaufkörper und plattenförmigem Teil einfach stapeln lässt.

2.1.3 Figuren 1 und 2 von D2 zeigen jeweils eine perspektivische Darstellung eines Duschtassenelements (1,1') bestehend aus einem Duschboard (2,2') mit einer Aussparung (3,3'), in die eine längliche Duschrinne (4) eingesetzt ist. Die dargestellte Rinne 4 weist einen trichterartigen Boden und eine Ablauföffnung 5 auf, die etwa in der Mitte des Rinnenbodens (Absatz 30) und offensichtlich an der tiefsten Stelle der Duschrinne ausgebildet ist.

2.1.4 Die Kammer kann der Prüfungsabteilung zwar insoweit folgen, dass in D2 zumindest implizit offenbart ist, dass die in Figur 1 bzw. 2 dargestellte Ablauföffnung 5 eine einfache Öffnung im Rinnenboden sein kann. Unter dem Begriff "Ablauföffnung" versteht der Fachmann normalerweise eine Öffnung, durch die das in der Rinne befindliche Abwasser austreten kann (siehe z. B. Auslassöffnung 5 der Rinne 1 in Figur 2 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht; Ablauföffnung 32 der Rinne 21 in Figur 4 von D1). In Absatz 30 von D2 ist angegeben, dass die in Figur 1 dargestellte Ablauföffnung 5 "vorzugsweise durch einen Ablaufstutzen gebildet ist". Im Gesamtzusammenhang von D2 würde ein fachkundiger Leser diese Lehre so verstehen, dass sich an die Ablauföffnung 5 vorzugsweise ein Ablaufstutzen einstückig anschließt (siehe Absätze 41 und 45). Soweit die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Ablauföffnung 5 in Figuren 1 und 2 von D2 eine nach unten ragende Gestaltung aufweisen muss, überzeugt dies nicht. Die Ablauföffnung 5 kann offensichtlich eine einfache Öffnung im Rinnenboden sein, in der ein Ablaufstutzen eingesteckt wird. Auch nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin stellt dies eine häufig verwendete Möglichkeit zur Verbindung einer Ablaufrinne mit einem Ablauftopf oder Abflussrohr dar.

2.1.5 Entgegen der Meinung der Prüfungsabteilung kann der schematischen Darstellung in Figur 1 bzw. 2 von D2 jedoch nicht entnommen werden, dass die Ablauföffnung 5 und der gegebenenfalls daran anschließende Ablaufstutzen nicht über die Unterseite des Duschboards hinausragen. Die Unterseite des Duschboards ist nicht gezeigt. D2 enthält keine Angaben über das Verhältnis der Tiefe der Rinne zu der Dicke des Duschboards. Dieses Verhältnis darf in Figur 1 bzw. 2 nicht nachgemessen werden, da diese Darstellungen nicht maßstabsgetreu sind.

2.1.6 Die Kammer ist ebenfalls nicht vom weiteren Argument der Prüfungsabteilung überzeugt, dass in D2 kein Teil der Rinne über die Unterseite des Duschboards hinausragen darf, weil ansonsten die an der Oberseite des Duschboards vorgesehenen Gefälleflächen bei Auflage des Duschtassenelements auf einen horizontalen Boden ihre angestrebte Wasserabfuhrfunktion nicht mehr erfüllen würden (Absätze 7, 29, 34, 36 von D2). Das in D2 offenbarte Duschtassenelement ist nicht zwangsläufig dazu vorgesehen, auf einen durchgehend planebenen horizontalen Boden aufgelegt zu werden, selbst wenn D2 darauf abzielt, den Aufbau barrierefreier bzw. bodengleicher Duschen zu erleichtern. Beispielsweise könnte ein Teil der Rinne nach unten hinausragen, um an einen in einer Bodenaussparung angeordneten Ablauftopf oder Abflussrohr angeschlossen zu werden (siehe z. B. in D1 das Trägerelement 37 zur Bildung einer Bodenaussparung und einer horizontalen Auflageebene 39 für ein Duschbodenelement 1).

2.2 Neuheit im Hinblick auf D1

Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdeführerin auch dahingehend, dass Merkmal i) in D1 nicht verwirklicht ist. Bei den dort offenbarten plattenförmigen Duschbodenelementen mit einer in die Oberseite eingeformten Ablaufrinne 21 ist an der Ablauföffnung 32 der Ablaufrinne 21 jeweils ein rohrförmiger Ablaufstutzen 33 angeformt, insbesondere angeschweißt oder angezogen, der nach unten über das Duschbodenelement 1 hinausragt (Absatz 55 i.V.m. Figuren 5 und 6).

2.3 Neuheit im Hinblick auf D3

D3 ist eine nachveröffentlichte nationale Anmeldung, die nach dem EPÜ keinen Stand der Technik darstellt.

2.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit neu im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf mangelnde Neuheit im Hinblick auf D2. Die erfinderische Tätigkeit wurde deshalb von der Prüfungsabteilung nicht erörtert.

3.2 Da sich die Kammer in der Lage sieht, die erfinderische Tätigkeit abschließend zu beurteilen, hält sie es insbesondere auch im Hinblick auf die gebotene Verfahrensökonomie für sachdienlich und sinnvoll, von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ und Artikel 11 VOBK 2020 eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und die Frage der erfinderischen Tätigkeit selbst zu prüfen.

3.3 Die in Figur 1 bzw. 2 von D2 dargestellte Ablaufvorrichtung für eine bodengleiche Dusche stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar.

3.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich davon durch Merkmal i).

3.5 Dieses Unterscheidungsmerkmal bewirkt, dass die Ablaufvorrichtung platzsparend transportiert und gelagert werden kann und dabei der rinnenförmige Ablaufkörper vor Beschädigungen geschützt ist.

3.6 Demnach kann die objektive Aufgabe gegenüber D2 darin gesehen werden, die dort offenbarte Ablaufvorrichtung im Hinblick auf Lagerung und Transport zu verbessern.

3.7 Für sich genommen kann D2 den Fachmann nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung führen. Sollte der Fachmann mehrere der dort offenbarten Duschtassenelemente aufeinander stapeln wollen, könnte er Abstandhalter zwischen den Duschtassenelementen platzieren. Alternativ könnte er den unteren Teil der Rinne so ausbilden, dass er nach unten ragt und gleichzeitig in die Rinne eines darunter liegenden Duschtassenelements hineinpasst.

3.8 Auch die Lehre von D1 kann nicht zur beanspruchten Lösung führen. Sie führt sogar von der beanspruchten Lösung weg, nachdem sie im Wesentlichen darin besteht, dass zur einfachen und schnellen Montage des Duschbodenelements an der Ablauföffnung (32) der Ablaufrinne (21) ein rohrförmiger Ablaufstutzen (33) angeformt, insbesondere angeschweißt oder angezogen ist, der über die Unterseite (2) des Duschbodenelements hinausragt und in ein Ablauftopfunterteil lediglich eingeschoben wird (Figuren 5 und 6; Absätze 55 und 88).

3.9 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).

4. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Änderungen in der Beschreibung letztere lediglich an die geänderten Ansprüche anpassen.

5. Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Unterlagen gemäß Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015;

- Beschreibungsseiten 1 bis 5 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015; und

- Figuren 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015.

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