T 1557/17 () of 3.12.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T155717.20191203
Datum der Entscheidung: 03 Dezember 2019
Aktenzeichen: T 1557/17
Anmeldenummer: 10775807.0
IPC-Klasse: B21B 13/14
B21B 27/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WALZGERÜST ZUR HERSTELLUNG VON WALZBAND
Name des Anmelders: Primetals Technologies Austria GmbH
Name des Einsprechenden: SMS group GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
Schlagwörter: Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-2 509 723 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Walzgerüst zur Herstellung eines Walzbandes mittels Walzenpaaren mit gekrümmten Konturen.

Der dagegen eingelegte Einspruch war auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ gestützt.

II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent aufgrund mangelnder Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 zu widerrufen.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (die Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

IV. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 3. Dezember 2019 statt.

VI. Anträge

Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage der erteilten Ansprüche aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (die Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VII. Ansprüche

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung betraf den folgenden Anspruch 1:

"Walzgerüst zur Herstellung von Walzband mit Arbeits-walzen, die sich an Stützwalzen oder Zwischenwalzen und Stützwalzen abstützen, wobei die Arbeitswalzen und/oder Zwischenwalzen und/oder Stützwalzen im Walzgerüst gegenseitig axial verschiebbar angeordnet sind und jede Walze mindestens eines aus einer Stütz-walze und einer Arbeitswalze oder aus einer Stützwalze und einer Zwischenwalze gebildeten Walzenpaares eine über die gesamte wirksame Ballenlänge verlaufende, gekrümmte Kontur aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Kontur (5) der Stützwalze (2) durch eine Konturfunktion (10) vorgegeben ist, welche aus einer Überlagerung einer ersten Konturfunktion (7), welche in einem unverschobenen Zustand zur benachbarten Arbeitswalze (1) komplementär verläuft, mit einer bezüglich der Stützwalzenachse (9) konkaven oder konvexen Überlagerungsfunktion (8, 8') gebildet ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 12 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Walzgerüsts.

VIII. Stand der Technik

Die Einspruchsabteilung hat das folgende Dokument in ihrer Entscheidung erwähnt:

E1: DE 36 20 197 A1.

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

E1 beschreibe zwar den Oberbegriff des Anspruchs 1, allerdings werde in E1 nicht offenbart, dass die Kontur der Arbeitswalze und der Stützwalze im unverschobenen Zustand nicht komplementär seien. Ferner werde aus E1 nicht deutlich, dass die Kontur der Stützwalze sich durch eine Konturfunktion beschreiben lasse, die durch Überlagerung einer konkaven oder konvexen Überlagerungsfunktion mit einer ersten Konturfunktion erhalten werden könne.

X. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich mit der Aussage zusammenfassen, dassder Argumentation in der angefochtenen Entscheidung vollumfänglich zuzustimmen sei.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ)

1.1 Auslegung von Anspruch 1 des Patents

Anspruch 1 ist auf ein Walzgerüst gerichtet. Im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 wird definiert, dass

"die Kontur (5) der Stützwalze (2) durch eine Konturfunktion (10) vorgegeben ist, welche aus einer Überlagerung einer ersten Konturfunktion (7), welche in einem unverschobenen Zustand zur benachbarten Arbeitswalze (1) komplementär verläuft, mit einer bezüglich der Stützwalzenachse (9) konkaven oder konvexen Überlagerungsfunktion (8, 8') gebildet ist."

Die Kontur der Stützwalze wird gemäß Anspruch 1 mittels einer Überlagerungsfunktion korrigiert, die als konvex oder konkav definiert wird. Dies stellt keine wirkliche Einschränkung dar, da jede beliebige Funktion, die keine konstante Steigung aufweist, in der einen oder anderen Form gebogen und somit letztendlich konkav oder konvex ist. Ferner werden weder die erste Konturfunktion noch die Art der Überlagerung (Addition, Subtraktion, Division, Multiplikation, ...) definiert.

Diesbezüglich ist ferner festzustellen, dass die Kontur einer Walze unabhängig von ihrer Positionierung in Bezug auf ihre benachbarte Walze ist. Die Kontur einer unbelasteten Walze wird beispielsweise nicht dadurch geändert, dass die Walze verschoben wird. Zur Erzielung einer komplementären Kontur ist es ausreichend, dass sich die Kontur einer ersten Walze formschlüssig mit einer Referenzkontur einer zweiten Walze ergänzen kann. Ein Verschieben der beiden Walzen relativ zueinander hat zwar einen Einfluss auf die Spaltform und das Spaltmaß zwischen den beiden Walzen, die komplementäre Kontur der beiden Walzen wird dadurch aber nicht geändert.

Die in Anspruch 1 des Patents gewählte Definition der Kontur einer Stützwalze mittels einer Konturfunktion, welche aus einer Überlagerung einer ersten, zu einer Arbeitswalze komplementären Konturfunktion mit einer bezüglich der Stützwalzenachse konkaven oder konvexen Überlagerungsfunktion gebildet ist, bedeutet daher letztendlich nichts anderes, als dass sich die Konturen der Stützwalze und der Arbeitswalze des Walzgerüsts im unbelasteten Zustand unterscheiden.

Diese Auslegung entspricht der Lehre in Absatz [0005] des angefochtenen Patents.

1.2 Offenbarung in E1

1.2.1 E1 (Figur 3) beschreibt unstreitig die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1, nämlich ein Walzgerüst mit Arbeitswalzen und Stützwalzen, die jeweils eine über die gesamte wirksame Ballenlänge verlaufende, gekrümmte Kontur aufweisen.

1.2.2 E1 offenbart zudem, dass sich die Walzenkonturen im Ausgangszustand nicht ergänzen (siehe E1: Seite 2, Zeilen 63 bis 64). Erst im belasteten Zustand wie er in Figur 3 der E1 dargstellt ist, d. h. im Betrieb des Walzwerkes, ergänzen sich die Walzenkonturen im Bereich der Bandbreite nahezu vollständig (siehe E1: Seite 2, Zeilen 64 bis 66).

Der Ausgangszustand entspricht dem unbelasteten Zustand (der Arbeitswalze), wie beispielsweise in Anspruch 1 der E1 bestätigt wird.

E1 beschreibt daher ein Walzgerüst, bei dem sich die Konturen der Stützwalze und der benachbarten Arbeitswalze im Ausgangszustand unterscheiden.

1.2.3 Gemäß E1 (siehe Seite 3, Zeilen 50 bis 54) besteht die Kontur der Walzen, also auch der in Figur 3 dargestellten Arbeits- und Stützwalzen aus "einem schwach konvexen und einem stark konkav gekrümmten Teil, dessen Verlauf sich aus einer Polynomfunktion und einer Exponentialfunktion zusammensetzt". Dies bedeutet, dass die Kontur der Stützwalzen der E1 einer gekrümmten Funktion entspricht.

1.2.4 Jede beliebige gekrümmte Kontur einer konkreten Stützwalze, beispielsweise einer Stützwalze gemäß E1, lässt sich mittels einer mathematischen Funktion bzw. einer Überlagerung verschiedener mathematischer Funktionen darstellen. Zu einer gegebenen ersten Konturfunktion, beispielsweise der Konturfunktion der Arbeitswalze gemäß E1, wird sich daher immer eine entsprechende Überlagerungsfunktion finden, mittels der sich durch Subtraktion, Addition, Multiplikation, etc. die Konturfunktion einer gegebenen Stützwalze, beispielsweise die Konturfunktion der Stützwalze gemäß E1, herleiten lässt.

Die Angaben im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent erlauben unter Berücksichtigung obiger Auslegung mithin keine Abgrenzung von dem in E1 beschriebenen Walzgerüst.

1.3 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents daher entgegen.

Die Beschwerde hat folglich keinen Erfolg.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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