European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T149717.20200115 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Januar 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1497/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 12170728.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60C 5/04 B60C 29/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schlauchsystem | ||||||||
Name des Anmelders: | Eclipse International AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BASF SE | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Mangelhafte Offenbarung (nein) Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Patent zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass
(1) der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung neu gegenüber E1 und erfinderisch gegenüber E1 mit dem Fachmannswissen oder mit E12 sei (Artikel 100(a) EPÜ) und
(2) das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100(b) EPÜ) und
(3) der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100(c) EPÜ).
III. Am 15. Januar 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:
i. Schlauchsystem, insbesondere für Fahrzeugreifen,
ii. mit einem zu einem Ring geformten Schlauch (12)
wobei
iii. der Schlauch (12) Polyurethan enthält
iv. und entlang seiner Ausdehnung eine zumindest im Wesentlichen konstante Wandstärke aufweist, wobei der im Wesentlichen konstante Wert der Wandstärke im Bereich zwischen 0,1mm und 0,4mm liegt,
dadurch gekennzeichnet, dass
v. der Schlauch (12) ein Loch (32) aufweist,
vi. in das ein Ventil (20) eingesetzt ist,
vii. welches einen im Inneren (24) des Schlauches (12) angeordneten Halteabschnitt (34),
viii. einen außerhalb des Schlauches (12) angeordneten Funktionsabschnitt (36)
ix. und eine Presshülse (22) umfasst,
wobei
x. die Presshülse eine innen liegende Anpressfläche (42) aufweist
xi. und der Halteabschnitt (34) eine mit der Anpressfläche (42) zusammenwirkende Gegenanpressfläche aufweist,
wobei
xii. zwischen der Anpressfläche (42) der Presshülse (22) und der Gegenanpressfläche (44) des Halteabschnitts (34) des Ventils (20) ein das Loch (32) des Schlauches (12) umschließender Abschnitt der Schlauchwand (13) eingeklemmt ist,
und wobei
xiii. die Anpressfläche (42) der Presshülse (22)
xiv. und die Gegenanpressfläche (44) des Halteabschnitts (34) konisch ausgebildet sind
xv. und die Presshülse (22) im Presssitz (45) an dem Ventil (20) befestigt ist.
VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E1: US 4324280
E12: US 499956
E14: GB 446281
Entscheidungsgründe
1. Mangelnde Offenbarung - Artikel 100(b) EPÜ
Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
1.1 Die Einsprechende ist der Meinung, dass das Patent an keiner Stelle beschreibe, was unter einem "Schlauchsystem" und was unter "konisch" zu verstehen sei.
1.2 Insbesondere macht die Einsprechende geltend, dass das Patent an keiner Stelle kläre, welche Elemente das Schlauchsystem zusätzlich zu dem Schlauch enthalte.
1.3 Der Meinung der Einspruchsabteilung ist zu folgen. Die zwei Begriffe "Schlauchsystem" und "konisch" sind in sich klar.
1.4 Eine konische Form ist eine genau definierte geometrische Form. Der Begriff "konisch" bedeutet kegelförmig.
1.5 Darüber hinaus wird die Figur 1, bezeichnet als: "eine Draufsicht auf ein erfindungsgemäßes Schlauchsystem" in den Absätzen [0060]-[0064] des Patents beschrieben. Gemäß Figur 1 enthält das Schlauchsystem (10), wie es im Anspruch 1 definiert ist:
- einen als Ring geformten Schlauch (12)
- ein Ventil (20), und
- eine Presshülse (22)
Anspruch 1 und die Beschreibung - insbesondere Absätze [0060]-[0064] - definieren, was unter einem Schlauchsystem zu verstehen ist und welche Elemente dieses enthält. Damit ist der Begriff "Schlauchsystem" klar und die Erfindung deutlich und vollständig offenbart.
2. Berücksichtigung des Einwands gemäß Artikel 100(c) EPÜ gegenüber Anspruch 2.
Der Einwand gemäß Artikel 100(c) EPÜ gegenüber Anspruch 2 wird in das Beschwerdeverfahren nicht zugelassen (Artikel 12(4) VOBK 2007).
2.1 Die neue VOBK ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten (Artikel 25 Absatz 1 VOBK 2020). Artikel 12 Absätze 4 bis 6 VOBK 2020 gilt jedoch noch nicht für Beschwerdebegründungen, die vor dem 1. Januar 2020 eingereicht worden sind, und für Antworten darauf, die rechtzeitig eingereicht worden sind. Stattdessen findet Artikel 12 Absatz 4 der VOBK 2007 in Bezug auf diese Anträge weiterhin Anwendung (Artikel 25 Absatz 2 der VOBK 2020).
2.2 Der Einwand gemäß Artikel 100(c) EPÜ gegenüber Anspruch 2 wurde mit der Einspruchsschrift erhoben, aber danach nicht weiter verfolgt. Siehe Schreiben vom 28. Februar 2017, Punkt 3 "Der Einwand gegen Anspruch 2 und alle auf Anspruch 2 zurück bezogenen Ansprüche auf Basis des Artikels 110c)[sic] EPÜ wird nicht weiter geltend gemacht". Dieser Einwand gegen Anspruch 2 wurde auch nicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung diskutiert. Siehe die Abschrift der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Seite 1, "Zu Artikel 123 EPÜ: Die Einsprechende wiederholt ihre bereits schriftlich vorgetragen Einwände zu Artikel 123(2) EPÜ bezüglich Anspruch 1". Die Einspruchsabteilung hat daher keine Stellung genommen zur Gewährbarkeit der Änderungen des Anspruchs 2 gemäß Artikel 100(c) EPÜ. Siehe Punkt 3 der Entscheidung der Einspruchsabteilung.
2.3 Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 liegt es im Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im Erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.
Gemäß die Rechtsprechung der Beschwerdekammern R.IV E 4.11.3.f gilt dies umso mehr für Anträge, die im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht und anschließend wieder zurückgenommen wurden, weil ein solches Vorgehen eindeutig zeigt, dass der betreffende Antrag im erstinstanzlichen Verfahren hätte gestellt werden können. Der Zweck der Beschwerde besteht darin, zu überprüfen, was die erste Instanz entschieden hat und, als logische Folgerung, nicht zu überprüfen, was nicht entschieden worden ist, weil es bewusst nicht zur Entscheidung gestellt wurde (T 528/93, T 1186/06, T 390/07, T 1587/07, T 361/08, T 340/10, T 1525/10, T 140/12).
Der vorliegende Fall ist analog zu der oben dargestellten Situation. Die Tatsache, dass mit dem Einspruchsgrund ein Einwand nach Artikel 100 c) gegen Anspruch 2 erhoben worden ist und danach im Einspruchsverfahren nicht mehr geltend gemacht wurde, zeigt, dass dieser Einwand vor der Einspruchsabteilung hätte gestellt werden können. Auf diese Weise verhinderte die Einsprechende, dass die Einspruchsabteilung zur Zulässigkeit der Änderungen von Anspruch 2 Stellung nahm.
2.4 Die Einsprechende machte geltend, dass das Zurücknehmen des oben genannten Einwands ein Fehler gewesen sei und dass sie diesen Einwand nie habe zurückziehen wollen.
2.5 Die Kammer ist der Auffassung, dass wenn es tatsächlich ein Fehler war, den Einwand gegen Anspruch 2 zurückzunehmen, dann hätte die Einsprechende dies in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung mitteilen sollen und diesen Einwand spätestens zu diesem Zeitpunkt wieder einbringen müssen. Solange eine Protokollberichtigung nicht beantragt wurde, ist für die Kammer auch davon auszugehen, dass das Protokoll die Abläufe in dieser Verhandlung zutreffend wiedergibt.
3. Neuheit und Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikeln 54 und 56 EPÜ.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber E1 und erfinderisch gegenüber E1 allein oder in Verbindung mit E12 oder E14.
3.1 Gemäß Artikel 15(7) der VOBK 2020 können die schriftlichen Entscheidungsgründe oder Teile davon mit ausdrücklicher Zustimmung der Beteiligten in gekürzter Form abgefasst werden. Die Parteien erklärten sich hinsichtlich der Punkte Neuheit und erfinderische Tätigkeit mit einer abgekürzten Entscheidung nach Artikel 15(7) VOBK 2020 unter Verweis auf die Ausführungen der Kammer in ihrem Ladungsbescheid einverstanden.
3.2 Es wird daher auf die Punkte 4 und 5 der Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 11. April 2019 verwiesen, an denen die Kammer auch nach der Diskussion mit den Parteien und ihrer abschließenden Beratung festhält:
" 4. Neuheit - Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 scheint neu gegenüber E1. Es scheint, dass der Meinung der Einspruchsabteilung gefolgt werden kann.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von E1 dadurch, dass "die Anpressfläche der Presshülse und die Gegenanpressfläche des Halteabschnitts konisch ausgebildet sind".
5. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ.
5.1 Zulassung des Einwands basierend auf E1 in Verbindung mit E14
Es scheint, dass dieser Einwand unter Anwendung von Artikel 12(4) VOBK nicht zuzulassen wäre:
Es scheint nämlich keine Rechtfertigung zu geben, die fehlende Substantiierung dieses Einwands im Einspruchsschriftsatz (Siehe Seite 16, Punkt 7) erst mit der Beschwerdebegründung nachzuholen.
5.2 Unabhängig davon scheint der Gegenstand des Anspruchs 1 aber ohnehin erfinderisch zu sein gegenüber E1 allein oder in Verbindung mit E12 oder E14.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von E1 dadurch, dass "die Anpressfläche der Presshülse und die Gegenanpressfläche des Halteabschnitts konisch ausgebildet sind".
Die Einsprechende ist der Meinung, dass das Streitpatent keine Hinweise auf Vorteile der konischen Ausführungsform enthält und diese nur eine alternative Ausführungsform ist.
Es scheint, dass dies nicht den Fall ist: Absatz [0039] des Streitpatents offenbart: "Eine solche konische Ausbildung reduziert die mechanische Belastung, der der eingeklemmte Bereich der Schlauchwand ausgesetzt ist, da ein Pressen der Schlauchwand gegen scharfe Kanten des Halteabschnitts und der Presshülse vermieden wird". Absatz [0040] des Streitpatents offenbart weiter, dass die konische Ausbildung beim Ventilaustausch die Beschädigung der Schlauchwand um das Loch vermeidet.
Das zu lösende technische objektive Problem kann somit darin gesehen werden, ein sicheres und robusteres Schlauchsystem bereitzustellen.
Es scheint, dass der Fachmann keine Veranlassung hat, eine andere Befestigungsart als diejenige über das Gewinde und die Mutter in E1 zu verwenden. Es scheint, dass er auch keinen Hinweis hat, E12 oder E14 heranzuziehen und deren Lehren mit dem Dokument E1 zu verbinden.
Darüber hinaus scheint es, dass weder E12 noch E14 eine konische Anpressfläche der Presshülse und eine konische Gegenanpressfläche des Halteabschnitts unmittelbar und eindeutig offenbaren.
E12, Seite 1, Zeilen 49-65 offenbart einen Halteabschnitt mit einer Rille b**(2) und eine Hülse mit einer Rippe c' und einer Rille c**(2)aber kein konisches Verlaufen der Anpressflächen. Die Anpressfläche der Presshülse auf Abbildungen 2 und 3 scheint nicht konisch zu sein.
E14, Abbildung 1 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig eine konische Anpressfläche der Presshülse und eine konische Gegenanpressfläche des Halteabschnitts. Darüber hinaus offenbart E14, Seite 2, Zeilen 85-91, "the flat flange-like surface b**(1)", also keinen konischen Verlauf der Anpressfläche".
4. Zusammenfassend steht keiner der Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.