T 1422/17 () of 23.2.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T142217.20210223
Datum der Entscheidung: 23 Februar 2021
Aktenzeichen: T 1422/17
Anmeldenummer: 10779724.3
IPC-Klasse: E04G11/08
E04G17/00
B28B7/18
E04G15/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: AUSSCHALVORRICHTUNG
Name des Anmelders: Peri GmbH
Name des Einsprechenden: ULMA C y E, S. COOP.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
Schlagwörter: Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0654/92
T 1685/05
T 0211/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 2 480 735 (im Folgenden: Patent) betrifft eine Ausschalvorrichtung einer Innenschachtschalung. Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt und Widerruf beantragt. Als Einspruchsgründe wurden mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht (Artikel 100 a) EPÜ).

II. Am Ende der mündlichen Verhandlung entschied die Einspruchsabteilung, dass das Patent in eingeschränkter Fassung gemäß dem damals geltenden Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genügt.

III. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat gegen diese Zwischenentscheidung Beschwerde eingelegt.

IV. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) vom 12. Mai 2020 hat die Kammer den Verfahrensbeteiligten ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mitgeteilt.

Insbesondere hat die Kammer ihre vorläufige Meinung kundgetan,

- dass ausgehend von dem im Patent genannten Stand der Technik der Gegenstand von Anspruch 1 aufgrund der Lehre von D3 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht, und

- dass die Kammer mithin dazu tendiere, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

V. Mit Schreiben vom 23. September 2020 reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) einen geänderten Hauptantrag (einteilige Formulierung des unabhängigen Anspruchs) sowie erstmals einen Hilfsantrag ein (Kombination des Gegenstands der Ansprüche 1, 4 und 5 wie erteilt).

VI. Mit Schreiben vom 11. Januar 2021 beantragte die Beschwerdegegnerin in Hinblick auf die pandemische Situation eine Verlegung der mündlichen Verhandlung.

Diesem Antrag wurde nicht entsprochen, die mündliche Verhandlung fand am 23. Februar 2021 in Anwesenheit beider Beteiligten statt.

VII. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

a) Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

b) Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in geänderter Fassung gemäß dem mit Schriftsatz vom 23. September 2020 eingereichten Hauptantrag, hilfsweise in geänderter Fassung gemäß dem mit Schriftsatz vom 23. September 2020 eingereichten Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.

VIII. Anspruchssatz gemäß Hauptantrag

Der unabhängige Sachanspruch 1 gemäß dem von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hauptantrag lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde in Anlehnung an die von den Beteiligten verwendete Merkmalsanalyse hinzugefügt; die Änderungen am erteilten Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: neue Passagen erscheinen im Fettdruck, gestrichene Passagen sind [deleted: durchstrichen] dargestellt):

1.0) Ausschalvorrichtung einer Innenschachtschalung (12)

1.1) mit einem Eckschalungselement (18), welches

beidseitig mit jeweils einem weiteren

Schalungselement (20) verbindbar ist,

1.2) wobei im Eckschalungselement (18) eine vertikal

bewegliche Zugstange (30) gelagert ist,

1.3) welche über mehrere Gelenkhebel (56) der Ausschalvorrichtung derart

mit den beiden weiteren Schalungselementen (20) koppelbar ist, dass diese

beiden weiteren Schalungselemente (20) durch eine

Vertikalbewegung der Zugstange (30) relativ zum

Eckschalungselement (18) bewegbar sind, wobei

[deleted: dadurch gekennzeichnet],

1.4)[deleted: dass] die Zugstange (30) zur Auslösung einer

Vertikalbewegung derselben eine gemeinsam mit der

Zugstange (30) vertikal und linear bewegliche

Angriffsfläche (64) für einen Hebel

und/oder

1.5) einen gemeinsam mit der Zugstange (30) vertikal

und linear beweglichen Koppelbereich (32) für eine

Zugkette aufweist.

IX. Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag

Der unabhängige Sachanspruch 1 lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde in Anlehnung an die von den Beteiligten verwendete Merkmalsanalyse hinzugefügt; die Änderungen am erteilten Anspruch 1 sind wie folgt kenntlich gemacht: neue Passagen erscheinen im Fettdruck, gestrichene Passagen sind [deleted: durchstrichen] dargestellt):

1.0) Ausschalvorrichtung einer Innenschachtschalung (12)

1.1) mit einem Eckschalungselement (18), welches

beidseitig mit jeweils einem weiteren

Schalungselement (20) verbindbar ist,

1.2) wobei im Eckschalungselement (18) eine vertikal

bewegliche Zugstange (30) gelagert ist,

1.3) welche über mehrere Gelenkhebel (56) der Ausschalvorrichtung derart mit den beiden weiteren

Schalungselementen (20) koppelbar ist, dass diese

beiden weiteren Schalungselemente (20) durch eine

Vertikalbewegung der Zugstange (30) relativ zum

Eckschalungselement (18) bewegbar sind, wobei

[deleted: dadurch gekennzeichnet,]

1.4) [deleted: dass] die Zugstange (30) zur Auslösung einer

Vertikalbewegung derselben eine gemeinsam mit der

Zugstange (30) vertikal und linear bewegliche

Angriffsfläche (64) für einen Hebel

und/oder

1.5) einen gemeinsam mit der Zugstange (30) vertikal

und linear beweglichen Koppelbereich (32) für eine

Zugkette aufweist,

1.6) wobei das Eckschalungselement (18) und die beiden weiteren Schalungselemente (20)

derart koppelbar sind, dass mit einer Vertikalbewegung der Zugstange (30)

zuerst eine schräg zur jeweiligen Schalhaut (28) gerichtete Bewegung der

beiden weiteren Schalungselemente (20) und anschließend eine zumindest

im Wesentlichen parallel zur jeweiligen Schalhaut (28) gerichtete Relativ-

bewegung zwischen dem Eckschalungselement (18) und den beiden weiteren Schalungs-

elementen (20) auslösbar ist,

1.7) wobei die Relativbewegungen zwischen dem Eckschalungselement (18) und den beiden weiteren

Schalungselementen (20) durch zumindest eine Führungskulisse (50, 52) definiert

sind, welche zwei sich im Wesentlichen winklig zueinander erstreckende

Kulissenabschnitte (50, 52) aufweist, wobei ein parallel zur Schalhaut (28)

verlaufender Kulissenabschnitt (50) länger ist als ein schräg zur Schalhaut

(28) verlaufender Kulissenabschnitt (52).

X. Beweismittel

In dieser Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D3: EP 1 347 120 A2;

D11: Prospekt "Manto-Schachtecke"

der Fa. Hünnebeck GmbH, 17. April 2007.

XI. Das für diese Entscheidung relevante schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) In der Patentschrift anerkannter Stand der Technik

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern dürfe der in einer Anmeldung für die Formulierung der technischen Aufgabe angeführte und anerkannte Stand der Technik zum Ausgangspunkt für die Beurteilung von erfinderischer Tätigkeit gemacht werden.

Die Beschwerdegegnerin habe erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend gemacht, dass die Beschreibung des Standes der Technik im Streitpatent nicht als Stand der Technik zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit verwendet werden könne, da sie lediglich intern bekanntes Wissen darstelle. Dies sei eine verspätete und überraschende Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin, die nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 unzulässig sei. Im Übrigen liege mit D11 ein Beweis dafür vor, dass der gewürdigte Stand der Technik der Öffentlichkeit vor dem Prioritätsdatum zugänglich gemacht wurde, wie es Artikel 54 (2) EPÜ verlange.

b) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Die Einspruchsabteilung habe bereits festgestellt, dass der im Streitpatent beschriebene Stand der Technik als nächstkommend anzusehen sei (Entscheidungsgründe Nr. 17.1). Insbesondere stelle der in Absatz 3 des Patents beschriebene Stand der Technik den vielversprechendsten Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung in Richtung der Erfindung dar. Im Streitpatent werde auch beschrieben, dass die bekannten Ausschalvorrichtungen mit Nachteilen einhergehen, die unter anderem durch die beschriebenen Spindelantriebe begründet seien. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheide sich von diesem Stand der Technik durch Merkmal 1.4) und/oder Merkmal 1.5). Die objektiv zu lösende technische Aufgabe könne darin gesehen werden, die Handhabung des Eckschalungselements zu vereinfachen und mithin ein Ausschalen mit geringerem Aufwand zu ermöglichen.

Der Fachmann würde aufgrund der Lehre der D3 erkennen, dass es eine naheliegende vorteilhafte Alternative wäre, die vorbekannte Zugstange nicht mittels einer Spindel vertikal zu bewegen, sondern mittels Hebeeisen oder mittels der Zugkette eines Krans. D3 biete einen Anreiz für die Verwendung des auf einer Zugstange basierenden Mechanismus wie im Streitpatent beansprucht, denn es beschreibe, dass es von Vorteil sei, die gesamte Schalung durch einfaches Anheben mittels einer Zugkette leicht demontieren zu können (Absatz 8). Figur 5 der D3 zeige ein entsprechendes Ausführungsbeispiel mit einer Zugstange 23, die über Gelenkhebel 27 mit weiteren Schalungselementen verbunden sei. Die Zugstange 23 könne mittels Hebeeisen über die Löcher 41 oder mittels einer Zugkette betätigt werden, die mit einer Lasche 33 am oberen Teil der Zugstange 23 verbunden sei, wie in Figuren 7 bis 10, die die Bewegung der Zugstange 23 zeigen, und wie in Absatz 8, Zeile 48 beschrieben. Es wäre für den Fachmann naheliegend gewesen, den vorbekannten Spindel-Antrieb durch einen Zugkettenmechanismus - wie in D3 beschrieben - zu ersetzen, um die Handhabung der Ausschalvorrichtung zu erleichtern. Die beanspruchte Lösung der Aufgabe sei daher nicht erfinderisch. Außerdem stelle das Gegenargument, wonach einige Teile des Mechanismus von D3 dem Hebevorgang beim Einsetzen im Weg stehen könnten, kein Hindernis für die Verwirklichung des allgemeinen, auf dem Vorhandensein einer Zugstangen basierenden Mechanismus wie er von D3 propagiert werde dar. Dieser Mechanismus sei derselbe, wie ihn das Streitpatent beanspruche.

c) Hilfsantrag - Zulassung ins Beschwerdeverfahren

Im Hinblick auf den erst in Erwiderung auf die Ladung eingereichten Hilfsantrag habe die Beschwerdegegnerin keine anerkennenswerten außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, die die mit der späten Einreichung verbundene Änderung des Beschwerdevorbringens zu einem sehr späten Verfahrensstand rechtfertigen könnten. Der Einwand zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von dem in Absatz 3 der Patenschrift gewürdigten Stand der Technik in Kombination mit D3 sei bereits im Einspruchsschriftsatz, in der Entscheidung der Einspruchsabteilung und in der Beschwerdebegründung im Detail diskutiert worden. Wenigstens in Reaktion auf die Beschwerdebegründung habe die Beschwerdegegnerin Veranlassung gehabt, einen in Hinblick auf die Behebung dieser Angriffslinie abgeänderten Hilfsantrag einzureichen. In der Mitteilung der Kammer, die als Anlage zur Ladung zugestellt wurde, sei diese bereits von der Beschwerdeführerin verfolgte Angriffslinie lediglich aufgegriffen worden. Eine überraschende Wendung des Falls habe daher entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht stattgefunden.

XII. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

a) In der Patentschrift anerkannter Stand der Technik

Der in Absatz 3 der Patentschrift angeführte Stand der Technik dürfe nicht zum Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gemacht werden. Im allgemeinen stehe die Praxis, von einem dem Anmelder bekannten Stand der Technik auszugehen, der der Öffentlichkeit am beanspruchten Prioritätstag nicht zugänglich war, mit den Erfordernissen des EPÜ nicht in Einklang. Der beschriebene Stand der Technik sei bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht zu lassen (T 654/92; T 211/06). Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei auf objektiv vorveröffentlichten Stand der Technik abzustellen.

Dieses in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument stelle keine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin dar, denn es sei bereits auf Seite 16 bzw. 17 der Beschwerdeerwiderung ausgeführt worden, dass die Beschreibung des Standes der Technik im Streitpatent keinen relevanten und anerkannten Stand der Technik darstelle, sondern lediglich eine nachveröffentlichte subjektive Äußerung der Anmelderin (in Kenntnis der Erfindung). Dieses Argument sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Reaktion auf die angefochtene Entscheidung vorgebracht worden.

b) Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

D3 zeige keine Ausschalvorrichtung für eine Ecke, sondern zum Einbau zwischen zwei zueinander fluchtenden Schalelementen 21 und 22. Außerdem stelle das Element 23 gemäß D3 keine Zugstange dar, sondern ein Ausgleichselement zur Verbindung mit den Schalungselementen 21 und 22, das von Ankerstäben 15 durchdrungen sei. Der Fachmann hätte daher keine Zusammenschau des in Absatz 3 genannten Stands der Technik mit D3 vorgenommen. Doch selbst wenn der Fachmann eine Zusammenschau vorgenommen hätte, hätte er zusätzlich das in Figuren 11 bis 15 von D3 gezeigte, stempelförmige Ausgleichselement 49 übernommen, um beim Verfahren des Ausgleichselements das erste und/oder zweite Schalungselement über eine Wegstrecke zusammenzuziehen oder über eine Wegstrecke auseinanderzudrücken. Dabei würden beim Ausschalen einer derart modifizierten Eckschalung zwangsläufig große Kraftspitzen auftreten, die zur Beschädigung der betonierten Fläche führen würden. Der Fachmann wäre mithin nicht auf naheliegende Art und Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt.

c) Hilfsantrag - Zulassung ins Beschwerdeverfahren

Die Beschwerdegegnerin habe aus Gründen der Verfahrensökonomie bislang keinen Hilfsantrag gestellt. Dies sei bislang auch nicht veranlasst gewesen, da die Ladung vom 5. August 2016 zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung positiv für die Patentinhaberin war, was sich in der mündlichen Verhandlung selbst auch bestätigt habe. Für die Beschwerdegegnerin sehr überraschend sei die Kammer nunmehr davon ausgegangen, dass die nicht für eine Ecke konstruierte Ausschalvorrichtung der D3 auf naheliegende Weise in einer Ecke vorgesehen werden könne, sodass sich die Beschwerdegegnerin erstmalig gezwungen sehe, einen Hilfsantrag zu stellen. Weiterhin umfasse die Änderung des Hilfsantrags lediglich die Aufnahme erteilter Patentansprüche, mit denen sich die Beschwerdeführerin bereits in ihrem Einspruchsschriftsatz vom 27. Mai 2015 ausführlich auseinandergesetzt habe. Aus diesen Gründen und im Hinblick auf die anzuwendende alte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) werde gebeten, den neu eingereichten Hilfsantrag ins Verfahren zuzulassen. Nachdem der geänderter Anspruchssatz zudem konvergierend sei, sei er zulässig (T 1685/07). Die in den unabhängigen Anspruch aufgenommenen Merkmale der Patentansprüche 4 und 5 seien im Stand der Technik ohne Vorbild. Insbesondere offenbare D3 eine Ausschalvorrichtung, die ausschließlich schräg bewegt werde.

Entscheidungsgründe

1. Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK 2020) ist die revidierte Fassung auch auf am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden anwendbar. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdebegründung vor dem 1. Januar 2020 und die Erwiderung darauf fristgerecht eingereicht. Daher ist Artikel 12 (4)-(6) VOBK 2020 nicht anzuwenden. Stattdessen ist Artikel 12 (4) VOBK 2007 sowohl auf die Beschwerdebegründung als auch auf die Erwiderung anzuwenden (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

Die Zustellung der Ladung erfolgte hingegen im Mai 2020, d.h. nach Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung, so dass bezüglich der Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten Artikel 13 VOBK 2020 Anwendung findet.

2. Verlegung der mündlichen Verhandlung

2.1 Mit Schreiben vom 11. Januar 2021 beantragte die Beschwerdegegnerin die Verlegung der für 23. Februar 2021 anberaumten mündlichen Verhandlung "um einige Monate", da aufgrund der "begonnenen Impfungen" davon auszugehen sei, dass im Sommer 2021 eine mündliche Verhandlung ohne Videokonferenz möglich sein werde.

2.2 Gemäß Artikel 15 (2) VOBK 2020 kann einem Antrag eines Beteiligten auf Verlegung der mündlichen Verhandlung stattgegeben werden, wenn der Beteiligte schwerwiegende Gründe vorbringt, die die Festlegung eines neuen Termins rechtfertigen.

2.3 Die Beschwerdegegnerin hat keinen schwerwiegenden Grund vorgebracht, der die Verlegung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen würde.

2.4 Zunächst war davon auszugehen, dass die für 23. Februar 2021 anberaumte mündliche Verhandlung in Präsenzform durchgeführt werden konnte, da die Vertreter der Beteiligten ihren Firmensitz in Stuttgart bzw. München haben, und in Deutschland keine pandemiebedingten Beschränkungen für gerichtliche Verfahren und beruflich bedingte Reisetätigkeit bestehen.

2.5 Aufgrund der bestehenden Engpässe beim Impfstoff, der organisatorischen Herausforderungen und anderer Unwägbarkeiten konnte zudem nicht vorhergesagt werden, zu welchem Zeitpunkt dieses Impfprogramm gegen das SARS-CoV-2 Virus zu einer dauerhaften Entspannung des Infektionsgeschehens führen würde.

2.6 Aus diesen Gründen konnte dem Antrag vom 11. Januar 2021 auf Verlegung der für den 23. Februar 2021 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht entsprochen werden.

3. In der Patentschrift anerkannter Stand der Technik

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann der in einer Anmeldung für die Formulierung der technischen Aufgabe angeführte und anerkannte Stand der Technik zum Ausgangspunkt für die Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gemacht werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, Kapitel I.C.2.7).

3.2 Die Beschwerdeführerin macht mit Verweis auf die Entscheidungen T 654/92 und T 211/06 geltend, dass man normalerweise davon ausgehen müsse, dass ein im Patent genannter Stand der Technik bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht zu lassen sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Die Entscheidung T 654/92 betraf einen im Patent genannten Stand der Technik, der nachweislich vor dem Prioritätstag des Patents nicht veröffentlichtes firmeninternes Wissen war (Gründe Nr. 4.1). Die Entscheidung T 211/06 betraf eine in einer Anmeldung enthaltene Offenbarung, von der sich ebenfalls herausstellte, dass sie kein Stand der Technik im Sinne des Art. 54 (2) EPÜ 1973 war, sondern firmeninterne Information (Gründe Nr. 3.3). Aus den in diesem spezifischen Kontext getroffenen Aussagen lässt sich nicht ableiten, dass prinzipiell nicht von im Patent als bekannt bezeichnetem Stand der Technik ausgegangen werden kann (wie dies der ständigen Rechtsprechung entspricht, s.o.). Diese Entscheidungen lassen sich auch deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, da die neuen Angaben der Beschwerdegegnerin zum im Patent genannten Stand der Technik eine Änderung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren darstellen, deren Zulassung den strikten Kriterien des hier anzuwendenden, in den damaligen Fällen noch gar nicht existierenden Artikels 13(2) der VOBK 2020 unterliegt.

3.3 Die Beschwerdeführerin hat erstmalig in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass der in Absatz 3 der Patenschrift als bekannt gewürdigte Stand der Technik nicht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit verwendet werden könne, da es sich dabei um lediglich intern bekanntes Wissen handle.

3.4 Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, dass dieses Argument bereits auf Seite 16 ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt worden sei. Die Kammer teilt diese Ansicht nicht. Dort wird lediglich gerügt, dass nicht erkennbar sei, "auf welchen im Streitpatent zitierten Stand der Technik sich die Einsprechende" berufe. Auf Seite 17 der Beschwerdeerwiderung wird zwar - jedoch in Zusammenhang mit der alternativen Angriffslinie "D7 + im Streitpatent zitierter Stand der Technik" - ausgeführt, dass "die Beschreibung des Standes der Technik im Streitpatent lediglich eine nachveröffentlichte subjektive Äußerung der Anmelderin (in Kenntnis der Erfindung)" darstelle, dass "zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auf objektiv vorveröffentlichten Stand der Technik abzustellen" sei, und dass eine allgemeine Kombination der D7 mit im Streitpatent zitiertem Stand der Technik daher nicht zulässig sei. Dies stellt aber lediglich einen allgemeinen, grundsätzlichen Vorbehalt gegen die Verwendung von allen in einer Patentschrift als bekannt gewürdigten Tatsachen dar (siehe Punkt 3.2 oben). Es wird damit jedoch nicht ausgesagt, dass die im Patent, Absatz 3 als "bekannt" bezeichneten Tatsachen gar nicht allgemein bekannt gewesen wären, sondern lediglich intern, im Hause der Beschwerdegegnerin. Den genannten Textstellen kann somit nicht entnommen werden, dass - entgegen der Feststellung der Einspruchsabteilung - der im Streitpatent, Absatz 3 beschriebene Stand der Technik nicht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anzusehen sei (Entscheidungsgründe Nr. 17.1). Insbesondere das von der Beschwerdegegnerin erstmals am Tag der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, dass das in Absatz 3 als bekannt gewürdigte Wissen gar nicht allgemein (sondern lediglich intern im Hause der Beschwerdegegnerin) bekannt gewesen sei, stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar.

3.5 Gemäß den Bestimmungen in Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

3.6 In Ermangelung eines die späte Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstands lässt die Kammer diese Änderung des Beschwerdevorbringens in Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 daher unberücksichtigt.

4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, der Gegenstand von Anspruch 1 beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit ausgehend von dem im Patent genannten Stand der Technik als nächstliegendem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Lehre der D3.

4.2 Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdegegnerin insoweit, dass die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich angegeben hat, von welchem im Patent genannten Stand der Technik sie ausgeht (siehe Absätze 2, 3 und 7 in der Patentschrift). Nachdem die Beschwerdeführerin sich auf die Begründung in der angefochtene Entscheidung bezieht und alternativ von der in D11 offenbarten Ausschalvorrichtung ausgeht, ist jedoch implizit, dass die Beschwerdeführerin sich tatsächlich auf den in Absatz 3 der Patentschrift gewürdigten Stand der Technik stützt, bei welchem die Vertikalbewegung der Zugstange durch die Drehbewegung einer Spindel erzeugt wird.

4.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin, dass dieser Stand der Technik einen realistischen Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt, und dass der Gegenstand von Anspruch 1 sich davon durch Merkmal 1.4) und/oder Merkmal 1.5) unterscheidet.

4.4 Es stellt sich die Frage, welche objektive technische Aufgabe sich der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik stellen würde.

4.5 In der Regel ist bei der Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe von der im Patent formulierten Aufgabe auszugehen. Auf die im Absatz 4 der Patentschrift erwähnte Aufgabe, "eine Ausschalvorrichtung derart weiterzubilden, dass sie mit möglichst geringem Aufwand und möglichst gefahrlos vom ausgehärteten Beton gelöst werden kann", kann aber nicht zurückgegriffen werden, weil nicht glaubhaft ist, dass sie durch Merkmal 1.4) und/oder Merkmal 1.5) gelöst wird. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Merkmale nicht zwingend, dass es für das Einhängen einer Zugkette bzw. für das Betätigen eines Hebels nicht nötig ist, auf die Innenschachtschalung zu klettern, so dass im Vergleich zum nächstliegendem Stand der Technik die Absturzgefahr reduziert wird.

4.6 Aus den Absätzen 5 und 6 der Patentschrift geht hervor, dass dank Merkmal 1.4) bzw. Merkmal 1.5) das Anbringen einer Spindel nicht mehr nötig ist, um das Eckschalungselement zu betätigen, was eine Aufwandsreduzierung beim Ausschalen ermöglicht. Unter Berücksichtigung dieser Lehre besteht die zu lösende objektive technische Aufgabe darin, die Handhabung des Eckschalungselements zu vereinfachen und mithin ein Ausschalen mit geringerem Aufwand zu ermöglichen. Dies entspricht im Wesentlichen der von der Beschwerdeführerin formulierten Aufgabe.

4.7 Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass es für den mit dieser Aufgabe befassten Fachmann naheliegend wäre, die Lehre von D3 (Absätze 6, 8 und 38 i.V.m. Figur 5, dort insbesondere obere Lasche 33 für Zugkette eines Krans bzw. untere Öffnungen 41 für den Eingriff von Werkzeugen wie Hebeeisen zum Anheben der Ausgleichselements 23 in die Ausschalposition) mit dem nächstliegenden Stand der Technik zu kombinieren. Der Fachmann würde die Vorteile der Lehre von D3 zur Lösung der gestellten Aufgabe erkennen und hätte keine praktischen Schwierigkeiten, diese Lehre auf den nächstliegenden Stand der Technik anzuwenden und mithin den dort verwendeten Spindelmechanismus zum Antrieb der Zugstange durch den in D3 offenbarten Hebe- bzw. Zugmechanismus ersetzen, um eine leichtere Handhabung des Eckschalungselements mit Spindelmechanismus zu erreichen.

4.8 Soweit die Beschwerdegegnerin argumentiert, der Fachmann würde die Lehre von D3 nicht heranziehen und, falls doch, allenfalls die dort gezeigte Ausschalvorrichtung für eine Schalungsebene unverändert übernehmen und in die Ausschalvorrichtung des nächstliegenden Standes der Technik einbauen, überzeugt dies hingegen nicht. Der Fachmann würde das Dokument D3 schon allein deshalb heranziehen, weil es eine Vorrichtung zum Ein- und Ausschalen einer Innenschachtschalung mit Eckschalungselementen betrifft (vgl. diesbezüglich Figur 3). Auch würde der angesprochene Fachmann die technische Lehre von D3 dahingehend abstrahieren, dass das aus dem betonierten Schacht herausziehbare Ausgleichselement 23 bzw. 49 eine vertikal bewegliche Zugstange verwirklicht und dass - im Unterschied zu einem Spindelmechanismus ("Gewindespindeln" in Absatz 5 der D3) - der in D3 offenbarte Hebe- bzw. Zugmechanismus ein leichteres Ausschalen ermöglicht. Die weiteren in Figuren 11 bis 15 von D3 gezeigten Merkmale des Ausgleichselements 49 würde der Fachmann hingegen nicht übertragen, weil sie eine zusätzliche Aufgabe lösen, nämlich die beim Ausschalvorgang, auf die Schalungselemente wirkenden Kraftspitzen zu vermeiden (Absatz 6 der D3).

4.9 Nach Ansicht der Kammer beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrages daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) und 56 EPÜ).

5. Hilfsantrag - Zulassung ins Verfahren

5.1 Der Hilfsantrag wurde erstmals in Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 12. Mai 2020 eingereicht. Der neue Anspruch 1 entspricht einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 4 und 5. Dieser neu eingereichte Hilfsantrag stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 dar.

5.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass im vorliegenden Fall folgende außergewöhnliche Umstände eine Zulassung des Hilfsantrags rechtfertigten:

- die Einspruchsabteilung habe entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht;

- die Kammer habe erstmalig in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit als durchgreifend angesehen;

- für die Beschwerdegegnerin sehr überraschend sei die Kammer dabei davon ausgegangen, dass die nicht für eine Ecke konstruierte Ausschalvorrichtung der D3 auf naheliegende Weise in einer Ecke vorgesehen werden könne,

- der neue Hilfsantrag sei lediglich eine Kombination erteilter Ansprüche, konvergent und prima facie gewährbar, weil er alle noch offenen Einwände ausräume, ohne neue Fragen aufzuwerfen,

- ein frühere Einreichung eines Hilfsantrags wäre der Verfahrensökonomie abträglich gewesen.

5.3 Die Kammer kann sich der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass es sich dabei nicht um stichhaltige Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände handle, anschließen.

5.4 Das Beschwerdeverfahren dient maßgeblich der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, wodurch dem Unterlegenen die Möglichkeit gegeben wird, die ihm nachteilige Entscheidung anzufechten und ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung zu erwirken. Somit ist der faktische und rechtliche Rahmen des Einspruchsverfahrens weitestgehend für das weitere Beschwerdeverfahren bestimmend (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, Kapitel V.A. 4.2.1).

5.5 Es is richtig, dass die erfinderische Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung positiv beurteilt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beschwerdegegnerin darauf vertrauen durfte, dass die Beschwerdekammer zur selben Beurteilung gelangen würde. Vielmehr liegt es in der Natur des Beschwerdeverfahrens, dass es darin auch zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung kommen kann. Die Beschwerdeführerin hat in Punkt 2.4.2.1 der Beschwerdebegründung die erfinderische Tätigkeit ausgehend von dem im Patent gewürdigten Stand der Technik angegriffen. Dementsprechend wurde diese Angriffslinie auch von der Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung in Abschnitt F diskutiert. Dass die Kammer diesen Angriff als durchgreifend gegenüber dem Hauptantrag ansehen könnte, musste von der Beschwerdegegnerin also von Anfang an in Betracht gezogen werden und konnte keine Überraschung darstellen, die einen neuen Antrag in diesem Abschnitt des Verfahrens rechtfertigen könnte.

5.6 Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin hat die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK auch keineswegs ausgesagt, dass die nicht für eine Ecke konstruierte Ausschalvorrichtung der D3 auf naheliegende Weise in einer Ecke vorgesehen werden könne. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D3 hat die Kammer vielmehr folgendes ausgeführt (Punkt 10.11):

"Die alternativen Angriffslinien b) und d) ausgehend von D3 bzw. D8 sind jeweils weniger erfolgversprechend als die Angriffslinie a) ausgehend von dem im Patent genannten Stand der Technik. Hier ist zu berücksichtigen, dass der Aufgabe-Lösungs-Ansatz eine Analyse verbietet, wonach der Fachmann den nächstliegenden Stand der Technik entgegen seiner Funktion modifiziert hätte. Mit der bewussten Wahl von D3 bzw. D8 als Ausgangspunkt wird nicht nur der als solcher dienende Gegenstand festgelegt, sondern auch der Rahmen für eine Weiterentwicklung abgesteckt, nämlich eine Weiterentwicklung innerhalb dieser Gattung. D3 betrifft eine Ausschalvorrichtung zum Einbau zwischen zwei zueinander fluchtenden Schalungselementen einer Innenschachtschalung, während D8 eine Ausschalvorrichtung für Außenschachtschalungen betrifft. Eine Änderung des Zwecks der in D3 bzw. D8 offenbarten Ausschalvorrichtung zu einem anderen Zweck ist während der Weiterentwicklung aber unwahrscheinlich und im Normalfall nicht naheliegend".

5.7 Die von der Beschwerdegegnerin ins Treffen geführte Verfahrensökonomie, die geringe Komplexität des neuen Vorbringens, die Konvergenz des neuen Anspruchsgegenstands (vgl. T1685/05) sowie dessen prima facie Gewährbarkeit sind Kriterien, die in Artikel 13 (1) VOBK 2007 genannt werden, bzw. in Zusammenhang mit diesem Artikel entwickelt wurden. Wie in obigem Punkt 5.1 ausgeführt ist zur Beurteilung der Zulassung des geänderten Beschwerdevorbringens vorliegend jedoch Artikel 13 (2) der VOBK 2020 anzuwenden. Gemäß diesem Artikel bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, weswegen es der Verfahrensökonomie zuträglich gewesen sein soll, dass der Hilfsantrag nicht bereits in der Beschwerdeerwiderung gestellt wurde, als Reaktion auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung.

5.8 In Ermangelung von außergewöhnlichen Umständen, die die späte Änderung des Beschwerdevorbringens rechtfertigen, lässt die Kammer den Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin in Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 daher unberücksichtigt.

6. Da kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, hat die Beschwerde Erfolg.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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