T 1352/17 () of 8.6.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T135217.20180608
Datum der Entscheidung: 08 Juni 2018
Aktenzeichen: T 1352/17
Anmeldenummer: 12748211.5
IPC-Klasse: B62K 21/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 256 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FAHRRADGRIFF
Name des Anmelders: Ergon International GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Patentansprüche - wesentliche Merkmale
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 12 748 211 zurückgewiesen wurde.

Dabei hat die Prüfungsabteilung hinsichtlich Anspruch 1 des Hauptantrags das Fehlen von technischen Merkmalen, die für die Definition der Erfindung wesentlich sind (Artikel 84 EPÜ) und die unzulässige Erweiterung seines Gegenstands über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht hinaus (Artikel 123(2) EPÜ) - als einzige Zurückweisungsgründe - beanstandet.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und beantragt, ein Patent auf Basis des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags zu erteilen, hilfsweise in der Fassung eines der der Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsanträge I-IV.

Weiterhin hat sie beantragt, die Sache zur weiteren Prüfung hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

III. Nach einer telefonischen Rücksprache am 15. Mai 2018 reichte die Anmelderin mit Schreiben vom 15. Mai 2018 einen neuen Hauptantrag ein.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Fahrradlenker mit

zwei in montiertem Zustand des Fahrradlenkers entgegen der Fahrtrichtung in Richtung des Fahrers gekrümmten Lenkerenden,

wobei jedes Lenkerende einen Fahrradgriff aufweist, mit

einem eine Öffnung (14) zur Lenkeraufnahme aufweisenden Innenteil (10), das in montiertem Zustand in Richtung eines Lenkervorbaus nach innen weist, und einem sich an das Innenteil nach außen anschließenden Außenteil (12),

wobei das Außenteil (12) gegenüber dem Innenteil (10) in montiertem Zustand in Draufsicht abgewinkelt ist,

wobei das Außenteil (12) der Krümmung des Lenkers entgegenwirkt, so dass in einer Standard-Greifposition, in der der Fahrer im Wesentlichen das Außenteil (12) des Fahrradgriffs greift, aufgrund der Abwinklung zwischen dem Innenteil (10) und dem Außenteil (12) ein Zurückdrehen des Handgelenks entgegen der durch die Krümmung des Lenkers hervorgerufenen Abwinklung des Handgelenks erfolgt."

Entscheidungsgründe

1. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ. Insbesondere enthält Anspruch 1 alle Merkmale, die für die Definition der Erfindung wesentlich sind.

1.1 Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung stellt das Merkmal aus dem zweitem Absatz der Seite 3 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht - "Idealerweise gleicht der Winkel die Krümmung des Lenkers derart aus, dass das Außenteil des Fahrradgriffs in montiertem Zustand eine Mittellinie aufweist, die bei gerader Lenkerstellung im Wesentlichen senkrecht zur Fahrtrichtung bzw. senkrecht zur Rahmenmittelebene ist. Gegebenenfalls kann das Außenteil leicht in Richtung des Fahrers geneigt sein, so dass zwischen der Mittellinie des Außenteils und einer Senkrechten zur Fahrradmittelebene ein Winkel von 0° - 30° besteht." - kein wesentliches Merkmal der Erfindung dar, das notwendig wäre, um die verbesserte Ergonomie der Handstellung zu erzielen. Dieses Merkmal wird ausdrücklich in der Einleitung des genannten Absatzes ("Bei einer bevorzugten Ausführungsform ...") als fakultatives Merkmal der Erfindung offenbart.

Insbesondere ist die Einhaltung eines bestimmten Winkelbereichs, in dem das Außenteil des Griffes gegenüber der Fahrtrichtung angeordnet sein sollte, nicht erfindungswesentlich. Es genügt gemäß der allgemeinen Lehre der Anmeldung auf den Seiten 2 und 3, dass die Abwinklung des Außenteils so ausgewählt wird, dass sie ein Zurückdrehen des Handgelenks entgegen der durch die Krümmung des Lenkers hervorgerufenen Abwinklung des Handgelenks bewirkt.

Dies wird weiterhin auf Seite 9, 3. Satz des 3. Absatzes der Beschreibung belegt.

Dabei ist festzustellen, dass ein "Zurückdrehen" nur als ein Drehen des Handgelenks zurück bis zu seiner ursprünglichen Position - d.h. ohne Krümmung des Lenkers - zu verstehen ist, nicht aber als ein Drehen, welches das Handgelenk so weit zurückdreht, dass es über die ursprüngliche Position hinaus gebracht wird.

1.2 Dieses Zurückdrehen entgegen der durch die Krümmung des Lenkers hervorgerufenen Abwinklung des Handgelenks ist im vorliegenden Anspruch 1 enthalten.

2. Der vorliegende Hauptantrag erfüllt zudem die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, weil die Ansprüche nicht so geändert worden sind, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

2.1 Die Grundlage für die beanspruchte Merkmalskombination des Anspruchs 1 ist im ursprünglichen Anspruch 1 sowie im 3. Absatz der Seite 2, in dem die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz und im 3. Absatz der Seite 9 der ursprünglichen Beschreibung zu finden.

2.2 Wie oben erwähnt, entnimmt der Fachmann diesen Passagen der Beschreibung unmittelbar und eindeutig, dass die Abwinklung des Außenteils nicht frei auswählbar ist. Sie ist so auszuwählen, dass ein Zurückdrehen des Handgelenks entgegen der durch die Krümmung des Lenkers hervorgerufenen Abwinklung des Handgelenks erfolgt.

2.3 Das der Prüfungsabteilung nach weggelassene Merkmal - "bezogen auf die Fahrtrichtung bzw. die Rahmenmittelebene weist das Außenteil des Griffs zu der Fahrtrichtung einen größeren Winkel als das Lenkerende des gekrümmten Lenkers auf" -, das nach ihrer Auffassung notwendig wäre, damit der Anspruch nicht Ausführungsformen erfasst, die über den ursprünglichen Inhalt der Anmeldung hinausgehen, ist letztendlich eine direkte technische Folge des im Anspruch 1 aufgenommenen funktionellen Merkmals:

"wobei das Außenteil (12) der Krümmung des Lenkers entgegenwirkt, so dass in einer Standard-Greifposition, in der der Fahrer im Wesentlichen das Außenteil (12) des Fahrradgriffs greift, aufgrund der Abwinklung zwischen dem Innenteil (10) und dem Außenteil (12) ein Zurückdrehen des Handgelenks entgegen der durch die Krümmung des Lenkers hervorgerufenen Abwinklung des Handgelenks erfolgt".

Wie schon erläutert, bedeutet ein Zurückdrehen ein Drehen in die ursprüngliche Position des Handgelenks (d.h. ohne gekrümmte Lenkerenden), nicht aber ein Drehen über diese Position hinaus.

3. Da die Prüfungsabteilung nur über Mängel hinsichtlich Artikel 84 und 123(2) EPÜ entschieden hat und die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt hat, hält es die Kammer für zweckmäßig, die Angelegenheit zur weiteren sachlichen Prüfung, insbesondere auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit, zurückzuverweisen (Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

4. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

5. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der mit Schreiben vom 15. Mai 2018, eingegangen am 17. Mai 2018, eingereichten Ansprüche 1 bis 14 zurückverwiesen.

Quick Navigation