T 1351/17 () of 29.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T135117.20200629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2020
Aktenzeichen: T 1351/17
Anmeldenummer: 11807904.5
IPC-Klasse: C08G18/32
C08G18/36
C08G18/48
C09J175/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: KLEBSTOFF FÜR ROTORBLÄTTER FÜR WINDKRAFTANLAGEN
Name des Anmelders: Sika Technology AG
Name des Einsprechenden: Henkel AG & Co. KGaA
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 12. April 2017 zur Post gegebene Entscheidung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 655 466 zurückgewiesen worden ist.

II. Ansprüche 1, 11, 14 und 15 des erteilten Patents (16 Ansprüche) lauteten wie folgt:

"1. Zweikomponentige Polyurethanzusammensetzung bestehend aus einer Polyolkomponente (K1) und einer Polyisocyanatkomponente (K2); wobei die Polyolkomponente (K1)

Rizinusöl (A0);

mindestens ein alkoxyliertes aromatisches Diol (A1); und

mindestens ein Polyol mit 5 bis 8 Hydroxylgruppen (A2);

umfasst,

und wobei die Polyisocyanatkomponente (K2)

mindestens ein Polyisocyanat (B1)

umfasst."

"11. Verfahren zum Verkleben umfassend die Schritte

- Mischen der Polyolkomponente (K1) und der Polyisocyanatkomponente (K2) einer zweikomponentigen Polyurethanzusammensetzung gemäss einem der Ansprüche 1 bis 10,

- Applizieren der gemischten Polyurethanzusammensetzung auf mindestens eine der zu verklebenden Substratoberfläche,

- Fügen innerhalb der Offenzeit

- Aushärten der Polyurethanzusammensetzung."

"14. Verklebter Artikel, welcher nach einem Verfahren gemäss einem der Ansprüche 11 bis 13 verklebt wurde."

"15. Verwendung einer zweikomponentigen Polyurethanzusammensetzung gemäss einem der Ansprüche 1 bis 10 als Klebstoff, insbesondere als struktureller Klebstoff."

Die Ansprüche 2-10, 12-13 und 16 waren abhängige Ansprüche vom jeweils Anspruch 1, 11 und 15.

III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:| |

D1: DE 101 08 025 A1

D2: WO 2009/080740

D3: EP 1 690 880 A1

D7a: Technisches Datenblatt DIANOL**(TM) 320 Flakes

Im Protokoll der mündlichen Verhandlung (Seite 3, unten) wurde ferner erwähnt, dass das folgende Dokument ins Verfahren zugelassen wurde:

D8a: Technisches Datenblatt SIMULSOL**(TM) TOMB

IV. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter Anderem, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche sowohl neu (Sektion 2.1 der Begründung) gegenüber D1 als auch erfinderisch ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik sei (Sektion 2.2 der Begründung).

a) Was die Neuheit betreffe, sei eine mehrfache Auswahl in der Offenbarung der D1 nötig, um zu der Kombination der Komponenten (A1) und (A2) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen. Ferner seien die Beispiele der D1 ohne eine Verbindung (A1) durchgeführt worden.

b) Was die erfinderische Tätigkeit betreffe , stelle D2 den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Streitpatent unterscheide sich von D2 (Anspruch 1 und die Beispiele) durch die Anwesenheit mindestens eines alkoxylierten aromatischen Diols (A1).

Die Beispiele des Streitpatents (Beispiele 1, 2 und Ref. 1 und 2) zeigten, dass sich durch die Anwesenheit der Komponente (A1) die Zugfestigkeit und das E-Modul gegenüber Zusammensetzungen des Stands der Technik, welche die Komponente (A1) nicht enthalten, erhöhe (siehe Absatz 2.2.2.2 der Begründung der angefochtenen Entscheidung). Somit liege die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer zweikomponentigen Polyurethanzusammensetzung (2K-PU-Zusammensetzung), die zu Polymeren mit hohem E-Modul und Zugfestigkeit aushärteten, wie von den Parteien übereinstimmend definiert (vgl. die Einsprechende insbesondere im Schriftsatz vom 27. Januar 2017, Seite 2 und der Vortrag während der mündlichen Verhandlung; vgl. die Inhaberin im Schriftsatz vom 29. Februar 2016, Seite 6 und der Vortrag während der mündlichen Verhandlung).

Ausgehend von D2, die sich mit der Bereitstellung von 2K-PU-Klebstoffen mit langer Offenzeit beschäftige, würde der Fachmann die Lehre der D3, die die Verwendung der Komponente (A1) für die Vorbereitung von 2K-PU-Klebstoffen mit verbesserter Dehnung in Kombination mit Festigkeit jedoch für schnell härtende 2K-PU-Klebstoffe lehre, nicht in Betracht ziehen, um die dem Streitpatent zu Grunde liegende Aufgabe zu lösen. Zwar könnte der Fachmann D2 mit D3 kombinieren, um zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen, jedoch würde er eine Kombination der D2 mit der D3 auf Grund der vorstehenden Überlegungen nicht vornehmen.

Ferner offenbare D7a zwar ein dipropoxyliertes Bisphenol A ("DIANOL 320") gemäß Komponente (A1) des Streitpatents, jedoch könne der Fachmann der D7a nicht entnehmen, dass die Verwendung dieser Verbindung in Mischungen gemäß der D2 zu 2K-PU-Klebstoffen mit hohem E-Modul und Zugfestigkeit führe.

Somit beruhe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit und die Ansprüche 1 bis 16 des Streitpatents erfüllten die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VI. Mit der Beschwerdeerwiderung (Schriftsatz vom 8. März 2018) beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 29. Februar 2016 eingereichten Hilfsantrags 1 oder des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags 2, wobei die Hilfsanträge 1 und 2 für die vorliegende Entscheidung nicht relevant sind.

VII. Zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2020 (Schreiben vom 18. Juni 2019) teilte die Kammer in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ihre vorläufige Meinung mit.

VIII. Mit einer Mitteilung zur (weiteren) Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (datiert vom 23. April 2020) wurde den Parteien mitgeteilt, dass aufgrund der andauernden Maßnahmen bezüglich COVID-19, die für den 14. Mai 2020 terminierte Verhandlung vertagt werden müsse. Die Parteien wurden ferner gebeten mitzuteilen, ob angesichts der im Bescheid vom 18. Juni 2019 dargelegten vorläufigen Meinung der Kammer der Antrag auf mündliche Verhandlung aufrechterhalten werde oder eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen könne. Die Beschwerdeführerin wurde auch um Mitteilung gebeten, ob die Beschwerde aufrechterhalten werde.

Mit Schreiben vom 23. April 2020 wurde ferner den Parteien mitgeteilt, dass der für den 14. Mai 2020 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben worden sei.

IX. Mit Schriftsätzen vom 15. Mai 2020 und 2. Juni 2020 nahmen jeweils die Beschwerdegegnerin und die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und stimmten einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu. Die Beschwerde wurde jedoch ausdrücklich aufrechterhalten.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag (erteiltes Patent)

Neuheit gegenüber D1

a) In der Entscheidungsbegründung werde die Neuheit dadurch begründet, dass Dl die beanspruchten Merkmale nicht in Kombination offenbare, wobei insbesondere auf die Kombination der Merkmale "mindestens ein alkoxyliertes Diol" und "mindestens ein Polyol mit 5 bis 8 Hydroxylgruppen" abgestellt worden sei. Zwar seien in D1 die Merkmale "mindestens ein alkoxyliertes Diol" und "mindestens ein Polyol mit 5 bis 8 Hydroxylgruppen" separat offenbart worden, jedoch ergebe sich ihre Kombination direkt aus der Offenbarung der Dl. Tatsächlich offenbare die Dl in Anspruch 1 sowie in den korrespondierenden Absätzen in der Beschreibung (bspw. Absatz 6), ein drei-, vier- oder fünffunktionelles Polyol. Dabei handele es sich um eine bevorzugte Bereichsangabe, die mit dem im Streitpatent angegeben Bereich 5-8 überlappe. Es sei somit in Bezug auf dieses Merkmal keine Auswahl erforderlich. Somit müsse für das Merkmal des "mindestens einen alkoxylierten Diols" nur noch eine Auswahl aus der in den Absätzen 33 und 34 der Dl aufgelisteten, möglichen Hilfsstoffe, nämlich ethoxyliertes/propoxyliertes Diethanolphenylamin, erfolgen. Eine derartige einfache Auswahl aus einer Liste sei allerdings ungeeignet, um Neuheit herzustellen.

Erfinderische Tätigkeit

b) D2 stelle den nächstliegenden Stand der Technik für den erteilten Anspruch 1 dar.

c) Die Zusammensetzung gemäß dem erteilten Anspruch 1 unterscheide sich von einer Zusammensetzung gemäß D2 durch die Anwesenheit der Komponente (A1).

d) Die objektive technische Aufgabe gegenüber D2 liege in der Bereitstellung einer 2K PU-Zusammensetzung, die zu Polymeren mit hohem E-Modul und Zugfestigkeit aushärte.

e) Da D2 selbst erwähne, dass die offene Zeit über die Menge an Rizinusöl kontrolliert werde, gebe es für den Fachmann ausgehend von D2 und konfrontiert mit der genannten Aufgabe keine Veranlassung, D3 nicht in Betracht zu ziehen.

In diesem Zusammenhang beziehe sich der relative Begriff "schnell", wie er in der D3 verwendet werde, auf den Vergleich mit Nicht-PU Klebstoffen. Daher bestehe, entgegen der Annahme der Einspruchsabteilung, kein Grund, welcher die D3 für den Fachmann als Referenz disqualifizieren würde.

Selbst wenn die D3 tatsächlich auf ,,schnelle" Klebstoffe gerichtet sei und diese als das Gegenteil von den ,,langsamen" Klebstoffen des Streitpatents aufgefasst worden seien, gebe es trotzdem keinen Grund, welcher den Fachmann veranlasst hätte, die D3 zu ignorieren. Im Gegenteil, ausgehend von D2 und konfrontiert mit der oben formulierten Aufgabe, lasse sich aus der D3 ganz klar ableiten, dass alkoxylierte Diole gemäß der Komponente (A1) des erteilten Anspruchs 1, wie sie auch im Streitpatent verwendet worden seien, die mechanischen Eigenschaften, wie Dehnung und Zugfestigkeit erhöhten.

f) D7a offenbare Verbindungen gemäß der Komponente (A1) des erteilten Anspruchs 1 und lehre, dass sie in PU-Harzen zu sehr guten mechanischen Eigenschaften und einem gutem Kompromiss zwischen Härte und Flexibilität führten.

Auch D8a betreffe Verbindungen gemäß der Komponente (A1) des erteilten Anspruchs 1 und lehre ihre Verwendung bei Anwendungen, bei denen eine Verbesserung der Wasserresistenz wichtig sei.

Somit sei der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch ausgehend von D2 und angesichts der D7a oder D8a nicht erfinderisch.

g) Aus diesen Gründen sei der Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Hauptantrag (erteiltes Patent)

Neuheit gegenüber D1

a) Es sei der Argumentation der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass in der Dl mehrere Auswählen notwendig seien, um zu den Merkmalen "mindestens ein alkoxyliertes aromatisches Diol (A1)" und "mindestens ein Polyol mit 5 bis 8 Hydroxylgruppen (A2)" zu gelangen.

Erfinderische Tätigkeit

b) D2 stelle den nächstliegenden Stand der Technik für den erteilten Anspruch 1 dar.

c) Die Zusammensetzung gemäß dem erteilten Anspruch 1 unterscheide sich von einer Zusammensetzung gemäß D2 durch die Anwesenheit der Komponente (A1).

d) Die objektive technische Aufgabe gegenüber D2 liege in der Bereitstellung einer 2K-PU-Zusammensetzung, die zu Polymeren mit verbesserter Zugfestigkeit und verbessertem E-Modul aushärte, wobei der Vergleich der Beispiele 1 und 2 mit den Referenzbeispielen 1 und 2 des Streitpatents zeigten, dass diese Aufgabe tatsächlich gelöst sei.

e) Wie von der Einspruchsabteilung geschlossen, lasse sich die Lehre von D3 mit der Lehre von D2 nicht kombinieren, weil D3 auf schnell härtende 2K-PU-Zusammensetzungen (kurze Topfzeit) gerichtet sei, während D2 eher langsam härtende 2K-PU-Zusammensetzungen (hohe Topfzeit) betreffe.

Ferner würde der Fachmann in Anbetracht der Lehre in D2 (Seite 14, letzter Abschnitt) darauf bedacht sein, dabei die in D2 ausgewählten Polyole zu belassen. Diesbezüglich lehre D2 nirgends, dass die Zugabe weiterer andersartiger Polyole (insbesondere Polyole gemäß der Komponente (A1) des erteilten Anspruchs 1) möglich sei.

f) Der Argumentation der Einspruchsabteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 in Kombination mit entweder D3 mit D7a sei ferner zugestimmt.

g) Aus diesen Gründen sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik, erfinderisch.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte im schriftlichen Wege die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte im schriftlichen Wege die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 29. Februar 2016 eingereichten Hilfsantrags 1 oder des mit der Beschwerdeerwiderung (Schriftsatz vom 8. März 2018) eingereichten Hilfsantrags 2.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (erteiltes Patent)

1. Neuheit

1.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber D1 nicht neu sei.

1.2 In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass der erteilte Anspruch 1 gegenüber D1 neu sei, weil eine mehrfache Auswahl in der Offenbarung der D1 nötig sei, um zu der Kombination der Komponenten (A1) und (A2) dieses Anspruchs zu gelangen.

1.3 Wie im Bescheid der Kammer (vom 18. Juni 2019; Absatz 5.3) den Parteien mitgeteilt, ist der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass eine mehrfache Auswahl innerhalb der D1 nötig ist, um zu den Komponenten (A1) und (A2), aber auch (A0), gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen, nämlich:

- (A0) muss aus den Ausführungsformen der Komponente A)a) gemäß Anspruch 1 der D1 ausgewählt werden (siehe auch D1: Anspruch 4 und Absätze 8-17);

- (A2) muss aus den drei Ausführungsformen "drei-, vier- oder fünffunktionelle Polyol" gemäß der Komponente A)c) von Anspruch 1 der D1 ausgewählt werden (Aufhebung durch die Kammer; siehe auch D1: Anspruch 6 und Absatz 19);

- um auf (A1) zu gelangen, muss man zuerst entscheiden, einen Hilfsstoff gemäß z.B. Anspruch 8 der D1 einzusetzen, dann ferner einen Katalysator als Hilfsstoff zu verwenden, und schließlich einen spezifischen Katalysator (D1: Seite 5, Zeile 10) in der Liste von möglichen Alternativen gemäß Absatz 34 aussuchen.

Da dieser Ansicht der Kammer von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen wurde, gibt es kein Grund, davon abzuweichen.

1.4 Somit ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 in D1 nicht direkt und unmittelbar offenbart. In Anbetracht dessen gibt es keinen Grund für die Kammer, die Entscheidung der Einspruchsabteilung, nach der der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 16 des Streitpatents neu gegenüber D1 sei, zu ändern.

2. Erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1

2.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin sind im Einklang mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass D2 den nächstliegenden Stand der Technik für den erteilten Anspruch 1 darstellt. Die Kammer sieht keinen Grund, davon abzuweichen.

2.2 Unterscheidungsmerkmal(e)

2.2.1 Es ist klarzustellen, inwiefern der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sich von der Offenbarung der D2 unterscheidet.

2.2.2 Obwohl es zwischen den Parteien unstrittig war, dass D2 mindestens die Komponente (A1) gemäß dem erteilten Anspruch 1 nicht offenbart, wurde in dem Bescheid der Kammer (vom 18. Juni 2019; siehe Absatz 6.2.2) die Frage aufgeworfen, wo genau in D2 die Kombination der Komponenten (A0) und (A2) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents offenbart wird, worauf die Parteien und insbesondere die Beschwerdeführerin nicht reagiert haben.

2.2.3 In diesem Zusammenhang offenbart D2 2K-PU-Klebsstoffzusammensetzungen, die aus einer Polyolkomponente und einer Isocyanatkomponente aus Polyisocyanaten bestehen, wobei die Polyolkomponente unter anderem ein 3 bis 14 funktionelles Polyol (Komponente b) gemäß Anspruch 1 der D2) und ein hydrophobes Polyol (Komponente c) gemäß Anspruch 1 der D2) enthält (D2: Anspruch 1).

Als 3 bis 14 funktionelles Polyol werden in D2 vorzugsweise Polyole mit 4 bis 9 OH-Gruppen eingesetzt, wobei manche Polyole mit 5 bis 8 Hydroxylgruppen explizit angegeben werden (D2: Seite 6, letzter Absatz; Seite 7, erster, zweiter und vierter Absatz). Obwohl somit Polyole mit 5 bis 8 Hydroxylgruppen gemäß der Komponente (A2) des erteilten Anspruchs 1 in D2 offenbart werden, stellen sie eine Auswahl innerhalb einer Liste von in D2 offenbarten Alternativen für die Komponente b) gemäß D2 dar.

Als hydrophobes Polyol gemäß der Komponente c) des Anspruchs 1 der D2 können oleochemische Polyole eingesetzt werden (Anspruch 2), wobei unter anderem Rizinusöl vorzugsweise eingesetzt werden kann (D2: Seite 6, zweiter Absatz). Somit stellt die Verwendung von Rizinusöl gemäß der Komponente (A0) des erteilten Anspruchs 1 ebenfalls eine Auswahl innerhalb einer in der Beschreibung von D2 angegebene Liste von in D2 offenbarten Alternativen für die Komponente c) dar.

In den Beispielen von D2 (Seiten 17-18: siehe insbesondere die Tabelle und Seite 17, Zeilen 3-5) werden 2K-PU-Zusammensetzungen vorbereitet, wobei Rizinusöl und Polyole mit weniger als 5 Hydroxylgruppen eingesetzt werden. Somit enthalten diese Zusammensetzungen keine Komponente (A2) gemäß dem Anspruch 1 des Streitpatents.

Somit wird die Kombination von Komponenten (A0) und (A2) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht direkt und unmittelbar in D2 offenbart.

2.2.4 Im Lichte des oben Gesagten unterscheidet sich die Zusammensetzung gemäß dem erteilten Anspruch 1 von den Zusammensetzungen von D2 durch

- die Anwesenheit der Komponente (A1) (Absatz 2.2.2 oben) und

- die spezifische Kombination der Komponenten (A0) und (A2) (Absatz 2.2.3 oben).

2.3 Die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gelöste Aufgabe

2.3.1 Wie im Bescheid der Kammer (vom 18. Juni 2019)) angemerkt (Absatz 6.3.1) sieht die Beschwerdegegnerin die gegenüber D2 gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung einer 2K-PU-Zusammensetzung mit verbesserter Zugfestigkeit und verbessertem E-Modul (Beschwerdeerwiderung: Absatz 3.2; Schriftsatz vom 29. Februar 2016: Seite 6, letzter Absatz), wobei die Beschwerdegegnerin vorgebracht hat, dass der Vergleich der Beispiele 1 und 2 mit den Referenzbeispielen 1 und 2 des Streitpatents zeigen würden, dass diese Aufgabe tatsächlich gelöst sei, was bereits von der Einspruchsabteilung so gesehen wurde (angefochtene Entscheidung: Punkt 2.2.2.2 der Begründung).

2.3.2 Die von der Einspruchsabteilung gezogene Schlussfolgerung bezüglich der Beispiele des Streitpatents und die von der Beschwerdegegnerin betrachtete Formulierung der gegenüber D2 gelösten Aufgabe, nämlich eine Verbesserung der Zugfestigkeit und des E-Moduls gegenüber D2, wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Unter solchen Umständen liefern die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente der Kammer keinen Grund, die im obigen Absatz 2.3.1 von der Beschwerdegegnerin betrachtete Formulierung der gegenüber D2 gelösten Aufgabe abzulehnen.

2.4 Naheliegen der Lösung

2.4.1 Es ist die Frage zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand gelangte, mit dem Zweck, die im Absatz 2.3.1 oben definierte Aufgabe zu lösen.

2.4.2 Kombination von D2 mit D3

Unabhängig davon, ob die Lehre von D2 und D3 sich kombinieren lassen, was zwischen den Parteien strittig war, wurde von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt, warum man durch Kombination von D2 mit D3 in naheliegender Weise auf die Kombination der Komponenten (A0), (A1) und (A2) gemäß dem erteilten Anspruch 1 gelangen würde, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Da diese Fragestellung im Bescheid der Kammer (vom 18. Juni 2019; Absatz 6.4.2.b) explizit angegeben wurde, hätte es für die Beschwerdeführerin klar gewesen sein müssen, dass die in der Beschwerdebegründung angegebene Argumentation bezüglich der Kombination von D2 mit D3 für die Kammer nicht überzeugend und nicht ausreichend war, um von der Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D2 und D3 abzuweichen. Jedoch hat die Beschwerdeführerin entschieden, auf diese Frage der Kammer nicht zu reagieren und somit keine vollständigen Gründen gegeben, warum die angefochtene Entscheidung aufzuheben wäre, was den Erfordernissen des Artikels 12 (3) VOBK 2020 (siehe Artikel 25 (1) VOBK 2020) widerspricht, nach denen die Beschwerdebegründung den vollständigen Vortrag der Beschwerdeführerin enthalten muss und deutlich angeben muss, aus welchen Gründen beantragt wird, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.

Unter solchen Umständen liefern die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente der Kammer keinen Grund, die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit basierend auf der Kombination von D2 mit D3 aufzuheben.

2.4.3 Kombination von D2 mit entweder D7a oder D8a

a) Obwohl es unstrittig zwischen den Parteien ist, dass das Produkt "Dianol 320 Flakes" gemäß D7a der Komponente (A1) des Streitpatents entspricht, wurde es nicht gezeigt, dass D7a Informationen bezüglich 2K-PU-Klebstoffe mit hoher Zugfestigkeit/E-Modul, bzw. bezüglich der Verwendung von Dianol 320 Flakes zur Erhöhung der Zugfestigkeit und des E-Moduls eines 2K-PU-Klebstoffes beinhaltet. Insbesondere wurde dieser Schlussfolgerung, obwohl sie im Bescheid der Kammer (vom 18. Juni 2019) explizit angegeben wurde (Absatz 6.4.3, erster Absatz), von der Beschwerdeführerin nicht widersprochen. Somit gibt es für die Kammer keinen Grund, die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der Fachmann keine Veranlassung hätte, D2 mit D7a zu kombinieren, um die gestellte Aufgabe zu lösen, zu ändern (Absatz 2.2.2.7 der Begründung der angefochtenen Entscheidung).

b) Die Beschwerdegegnerin hat in Bezug auf D8a nicht Stellung genommen. Somit gibt es für die Kammer keinen Grund anzuzweifeln, dass das Produkt "Simulsol**(TM) TOMB " gemäß D8a der Komponente (A1) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents entspricht, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht. Jedoch wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht gezeigt, dass D8a Informationen bezüglich 2K-PU-Klebstoffe mit hoher Zugfestigkeit/E-Modul, bzw. bezüglich der Verwendung von Simulsol**(TM) TOMB gemäß D8a zur Erhöhung der Zugfestigkeit und des E-Moduls eines 2K-PU-Klebstoffes gemäß D2, beinhaltet, und dies, obwohl diese Ansicht auch im Bescheid der Kammer (vom 18. Juni 2019; Absatz 6.4.3, zweiter Absatz) dargelegt wurde. Somit kann nicht geschlossen werden, dass der Fachmann eine Veranlassung gehabt hätte, D2 mit D8a zu kombinieren, um die gestellte Aufgabe zu lösen.

2.5 Im Lichte des oben Gesagten liefern die Argumente der Beschwerdeführerin keinen Grund zu schließen, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik naheliegend und somit nicht erfinderisch ist. Die gleiche Schlussfolgerung ist ferner für die Ansprüche 2 bis 16 des Streitpatents gültig.

3. Da keiner der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände gegen die erteilten Ansprüche erfolgreich ist, ist der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin gewährbar und die Beschwerde ist zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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