T 1338/17 () of 9.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T133817.20200909
Datum der Entscheidung: 09 September 2020
Aktenzeichen: T 1338/17
Anmeldenummer: 06003222.4
IPC-Klasse: F01L1/352
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Linearspannsystem
Name des Anmelders: Schaeffler Technologies AG & Co. KG
Name des Einsprechenden: OVALO GmbH
Schwarz, Michael
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
RPBA2020 Art 025(2) (2020)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 2 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1 und 3 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative
Änderungen - Hilfsantrag 4
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (im Folgenden: Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der diese festgestellt hat, dass das europäische Patent Nr. 1 715 143 in geänderter Fassung entsprechend dem ersten Hilfsantrag den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.

II. Mit ihrer Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

III. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte mit ihrer Beschwerdeerwiderung die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 4.

IV. Folgendes Dokument ist für diese Entscheidung relevant:

E1 EP 1 043 482 B1

V. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar.

VI. Die Beschwerdegegnerin reichte mit Schreiben vom 4. September 2020 einen weiteren Hilfsantrag 5 ein.

VII. Am 9. September 2020 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Beschwerdegegnerin den Hilfsantrag 5 zurücknahm.

Am Schluss der Verhandlung stellten die Parteien folgende Anträge:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte

die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag),

hilfsweise

die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.

VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung (1) zur elektrischen Verstellung der relativen Drehwinkellage zwischen einer Nockenwelle (2) und einer Kurbelwelle einer Brennkraftmaschine, mit einem Verstellgetriebe (3), das ein kurbelwellenfestes Antriebsteil (4), ein nockenwellenfestes Abtriebsteil (5) und eine mit einer Verstelleinheitswelle (6) einer elektrischen Verstelleinheit (7) drehfest verbundene Verstellwelle (8) aufweist, wobei zwischen der Verstellwelle (8) und der Verstelleinheitswelle (6) eine Kupplung (9) angeordnet ist, die eine geringfügige relative radiale Verschiebung zwischen der Verstellwelle (8) und der Verstelleinheitswelle (6) zulässt,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Verstellwelle (8) bezüglich der Verstelleinheitswelle (6) radial schwimmend angeordnet ist."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass folgendes Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:

"und die Verstellwelle (8) sich selber über den Zahneingriff kämmender Zahnräder zentriert"

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass folgendes Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:

"und die radiale Lagerung der Verstellwelle (8) entfällt".

Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass im Merkmal Verstellgetriebe (3) die unterstrichenen Änderungen hinzugefügt wurden:

"mit einem als Wellgetriebe ausgebildeten Verstellgetriebe (3)"

Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 hat folgenden Wortlaut:

"Vorrichtung (1) zur elektrischen Verstellung der relativen Drehwinkellage zwischen einer Nockenwelle (2) und einer Kurbelwelle einer Brennkraftmaschine, mit einem als Wellgetriebe ausgebildeten Verstellgetriebe (3), das ein kurbelwellenfestes Antriebsteil (4) mit einer ersten Innenverzahnung (11), ein nockenwellenfestes Abtriebsteil (5) mit einer zweiten Innenverzahnung (10), wobei beide Innenverzahnungen (10, 11) mit einer außenverzahnten Hülse (18) kämmen, und eine mit einer Verstelleinheitswelle (6) einer elektrischen Verstelleinheit (7) drehfest verbundene Verstellwelle (8) aufweist, wobei zwischen der Verstellwelle (8) und der Verstelleinheitswelle (6) eine Kupplung (9) angeordnet ist, die eine geringfügige relative radiale Verschiebung zwischen der Verstellwelle (8) und der Verstelleinheitswelle (6) zulässt,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Verstellwelle (8) bezüglich der Verstelleinheitswelle (6) radial schwimmend angeordnet ist und die Verstellwelle (8) sich selber über den Zahneingriff der Innenverzahnungen (10, 11) zentriert."

IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Auslegung des Merkmals "die Verstellwelle ist bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend angeordnet"

Eine Kupplung, wie z.B ein Elastomermaterial oder eine Oldham-Kupplung, sei auch in der Lage statische und dynamische Achsversätze auszugleichen. Aus den Absätzen [0010], [0011], [0021] und [0041] des Streitpatents gehe lediglich hervor, dass eine schwimmende Anordnung der Verstellwelle bezüglich der Verstelleinheitswelle allein durch die Verwendung einer Kupplung erreicht werde, nicht aber, dass eine Lagerung der Verstellwelle gänzlich entfallen müsse.

Anspruch 1 beinhalte weder explizit noch implizit das Merkmal, dass die Verstellwelle mittels "zweier Mechanismen" an "zwei Stellen" schwimmend angeordnet sei. Die schwimmende Lagerung beziehe sich vielmehr eindeutig und ausschließlich auf die Verstelleinheitswelle.

Hauptantrag - Neuheit

Die Figur 6A der E1 offenbare implizit eine Oldham-Kupplung, die der im Anspruch 1 definierten Kupplung entspreche, weil sie einen Achsversatz zwischen dem Antriebselement 212 und dem Träger 214 des Wellengenerators ausgleichen könne und somit eine schwimmende Anordnung der Verstellwelle bezüglich der Verstelleinheitswelle ermögliche. Somit offenbare E1 alle Merkmale des Anspruchs 1.

Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Das Ausführungsbeispiel der Figur 6 der E1 offenbare ebenso wie die Figur 1 eine Oldham-Kupplung. Falls E1 nicht neuheitsschädlich sei, bilde sie zumindest einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt für den Fachmann. Die Verstelleinrichtung der Figur 6 sei nämlich für das Verstellen einer Nockenwelle explizit vorgesehen (siehe Absatz [0036], erster Satz).

Ausgehend von dem Ausführungsbeispiel der Figur 6 bestehe die objektive Aufgabe darin, die Präzision der Bewegungsübertragung zu erhöhen.

Das Ausführungsbeispiel der Figur 1 aus E1 (siehe Absatz [0030]) zeige eine Vorrichtung zur Verstellung einer Nockenwelle mit einem flexiblen Zahnrad 18 und einem innenverzahnten Zahnrad 22.

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Informationen in den Absätzen [0016] und [0017] würde der Fachmann daher dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 entnehmen, wie er den Reibschluss der Figur 6 durch eine Verzahnung gemäß der Figur 1 ersetzen könnte, um die Präzision der Bewegungsübertragung zu erhöhen. Er würde daher ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Hilfsantrag 2 - Neuheit

Das Ausführungsbeispiel der Figur 6 der E1 offenbare eine Oldham-Kupplung, die radiale Bewegungen zwischen dem Antriebselement 212 und dem Träger 214 zulasse. Somit sei auch das im Vergleich zum Hauptantrag zusätzliche Merkmal offenbart und der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu.

Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

Das Verstellgetriebe des Ausführungsbeispiels der Figur 6 der E1 sei ein Wellgetriebe. Das hinzugefügte Merkmal sei im Ausgangsbeispiel der E1 somit offenbart und der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch.

Hilfsantrag 4 - Artikel 123(2) EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus.

Absatz [0039] und [0040] gehörten zu der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Figur 4. Dieses Beispiel enthalte jedoch weitere Merkmale, die im Anspruch nicht eingeführt worden seien. Dies betreffe z.B. die elliptische Verformung der Verstellwelle oder den Zusatz, dass die schwimmende Anordnung durch den Einsatz von Elastomermaterial in der Kupplung bewirkt werde.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Auslegung des Merkmals "die Verstellwelle ist bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend angeordnet"

Das Merkmal, dass "die Verstellwelle (8) bezüglich der Verstelleinheitswelle (6) radial schwimmend angeordnet ist" gleiche den rundlauffehlerbedingten, beim Verstellen sich ändernden, dynamischen Wellenversatz aus. Dieser Achsversatzausgleich werde durch Verzicht auf die Lagerung der Verstellwelle ermöglicht.

Aus der Beschreibung in [0010] und [0011] gehe zudem hervor, dass keine radiale Fixierung erfolge. Es gehe dementsprechend aus den Absätzen [0010], [0011], [0021] und [0041] des Patents deutlich hervor, dass die schwimmende Anordnung bezüglich der Verstelleinheitswelle einen Verzicht auf die Lagerung der Verstellwelle erfordere, damit sowohl der statische als auch der dynamische Achsversatzausgleich erfolgen könnten. Die Formulierung "bezüglich" diene lediglich der Definition des Bezugspunktes, d.h. der Beschreibung des Bauteils, zu dem die Verstellwelle radial beweglich sei.

Hauptantrag - Neuheit

Die Figur 6A offenbare keine Oldham-Kupplung, und auch eine radial schwimmende Anordnung sei aus der Figur 6A nicht ersichtlich. Eine Formschlüssigkeit zwischen den Teilen sei in der Figur 6A erkennbar, jedoch sei eine radiale Verschiebbarkeit aus der Figur 6A nicht eindeutig herzuleiten. Die Verstellwelle (212) sei in ihrer radialen Lage durch die umgebenden Bauteile fixiert. Die Figur 6A zeige keine Spalten, in denen sich die Teile 212, 213 und 214 bewegen könnten. Auch die Beschreibung erwähne keine solche Kupplung. Vielmehr beschreibe Absatz [0036], dass der Innenring des Wälzlagers 210 fest mit einem Antriebselement 212 verbunden sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit neu.

Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

Weder in Figur 1 noch in Figur 6 der E1 werde eine Oldham-Kupplung offenbart. Figur 6 offenbare zudem ein Wellgetriebe mit einem Reibrad anstelle eines Zahnrads.

Die E1 stehe auch einer erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes nicht entgegen. Das Ausführungsbeispiel der Figur 6 sei schon kein erfolgversprechender Ausgangspunkt für den Fachmann, da ein Reibrad mangels Präzision nicht für das Getriebe eines Nockenwellenverstellers geeignet sei. Insbesondere sei der Innenring des Wälzlagers 210 fest mit einem Antriebselement 212 verbunden [0036].

Ausgehend von dem Ausführungsbeispiel der Figur 6 bestehe die objektive Aufgabe darin, die Präzision der Bewegungsübertragung zu erhöhen.

Eine Übertragung der Verzahnung des Ausführungs­beispiels der Figur 1 auf das Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A sei nicht naheliegend, da beide Ausführungsbeispiele nicht baugleich (z. B. Bolzen 4 und Seegerring 216) seien und weil Figur 1 eine feste Verbindung zwischen Motor und Nockenwelle bei Element 4 zeige. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit erfinderisch.

Hilfsantrag 2 - Neuheit

Im Gegensatz zum Anspruch 1 sei die Verstellwelle 214 aus der Figur 6 in E1 radial auf dem Antriebselement gelagert. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei somit neu.

Hilfsantrag 4 - Artikel 123(2) EPÜ

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 sei ursprünglich offenbart.

Die im Anspruch 1 nicht aufgeführten Merkmale der Absätze [0039] und [0040] seien nicht erfindungswesentlich. Die Verstellwelle des Wellengenerators von einem Wellgetriebe sei zudem immer elliptisch, so dass dieses Merkmal implizit im Anspruch enthalten sei. Desweiteren sei es für den Fachmann eindeutig, dass andere Kupplungen eingesetzt werden könnten. Die Elastomerkupplung des abhängigen Anspruchs 4 sei nur eine unter den möglichen Kupplungen, die in den Unteransprüchen ursprünglich offenbart worden seien.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung des Merkmals "die Verstellwelle ist bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend angeordnet"

1.1 Nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist die Verstellwelle bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend angeordnet.

Für diesen Ausdruck gibt es auf dem betreffenden Fachgebiet keine allgemein anerkannte Bedeutung und auch der Anspruch selbst lässt eine eindeutige Auslegung nicht zu. Deshalb ist die Beschreibung des erteilten Patents heranzuziehen, um dieses Merkmal auszulegen.

1.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass aus den Absätzen [0010], [0011], [0021] und [0041] des Patents deutlich hervorgehe, dass die schwimmende Anordnung bezüglich der Verstelleinheitswelle einen Verzicht auf die Lagerung der Verstellwelle beinhalte, damit ein Ausgleich sowohl des statischen als auch des dynamischen Achsversatzes erfolgen könne.

1.2.1 Die Kammer stimmt dem nicht zu, weil in keinem der Absätze [0010], [0011], [0021] und [0041] im Hinblick auf das Merkmal "die Verstellwelle bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend angeordnet ist" etwas anderes beschrieben ist als die Verwendung einer Kupplung. Eine Kupplung, z.B. ein Elastomermaterial oder eine Oldham-Kupplung, ist in der Lage statische und dynamische Achsversätze auszugleichen.

1.2.2 Absatz [0010] des Patents in der erteilten Fassung beschreibt, dass "[d]ie Lösung der Aufgabe durch die Erfindung [...] dadurch gekennzeichnet [ist], dass die Verstellwelle des Verstellgetriebes bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend gelagert bzw. angeordnet ist, wobei zwischen der Verstellwelle und der Verstelleinheitswelle eine Kupplung angeordnet ist, die eine geringfügige relative radiale Verschiebung zwischen der Verstellwelle und der Verstelleinheitswelle zulässt". Im daran anschließenden Absatz [0011] wird wie folgt erläutert (Hervorhebung durch die Kammer): "Im Gegensatz zu den bekannten Lösungen wird also die Verstellwelle im eigentlichen Sinne gar nicht mehr gelagert,..." . Somit entnimmt der Fachmann, der diese beiden durch das Wort "also" aufeinander bezogenen Absätze der Beschreibung liest, dass (allein) die Anordnung einer Kupplung zwischen der Verstellwelle und der Verstelleinheitswelle, die im Absatz [0010] beschrieben ist, die radial schwimmende Anordnung bezüglich der Verstelleinheitswelle im Sinne des Streitpatents ermöglicht.

1.2.3 Absatz [0021] beschreibt dementsprechend, dass es lediglich "von Vorteil ist [...], dass die radiale Lagerung der Verstellwelle bzw. der verstellwellengebundenen Teile des Getriebes entfallen kann" (Kenntlichmachung in kursiv durch die Kammer). Daraus folgt, dass eine schwimmende Anordnung in einer weniger vorteilhaften Ausbildung auch mit einer solchen radialen Lagerung erfolgen kann.

1.2.4 Zudem beschreibt Absatz [0041], dass die Verstellwelle mit einer Kupplung verbunden ist, die durch den Einsatz von Elastomermaterial "die erfindungsgemäße schwimmende Anordnung der Verstellwelle (8) bewirkt". Auch diesem Abschnitt entnimmt der Fachmann, dass bereits das Vorhandensein einer Elastomerkupplung eine "erfindungsgemäße" (d.h. bezüglich der Verstelleinheitswelle) schwimmende Anordnung ermöglicht.

1.3 Es geht somit aus der Beschreibung hervor, dass "eine schwimmende Anordnung der Verstellwelle bezüglich der Verstelleinheitswelle" im Sinne des Streitpatents lediglich die Verwendung einer Kupplung erfordert, nicht aber das vollständige Entfallen einer Lagerung der Verstellwelle. Die von der Beschwerdeführerin favorisierte Auslegung, wonach die Formulierung "bezüglich der Verstelleinheitswelle" lediglich den Bezugspunkt der radial schwimmenden Anordnung definiere, vermag im Hinblick auf die oben zitierten Passagen der Beschreibung nicht zu überzeugen und findet auch in den weiteren Ausführungen der Beschreibung keine Stütze.

Da sich das Merkmal im Anspruch 1 explizit auf die Verstelleinheitswelle bezieht und nicht eine radial schwimmende Anordnung der Verstellwelle im Allgemeinen definiert, kann die Verstellwelle des Anspruchs 1 folglich mit den anderen drehbaren Komponenten des Getriebes fest verbunden sein, solange dadurch keine feste Verbindung zwischen den beiden Wellen entsteht.

2. Hauptantrag - Neuheit

2.1 Das Ausführungsbeispiel der Figuren 6 und 6A der E1 offenbart alle Merkmale des Anspruchs 1 (siehe Absätze [0036] bis [0038]):

"Vorrichtung (siehe Absatz [0036] der E1) zur elektrischen Verstellung der relativen Drehwinkellage zwischen einer Nockenwelle (Nockenwelle 201) und einer Kurbelwelle einer Brennkraftmaschine, mit einem Verstellgetriebe, das ein kurbelwellenfestes Antriebsteil (Kettenrad 203), ein nockenwellenfestes Abtriebsteil (Schraube 204) und eine mit einer Verstelleinheitswelle (Antriebselement 212) einer elektrischen Verstelleinheit (nicht dargestellt - Absatz [0036], letzte Zeile) drehfest verbundene Verstellwelle (Träger 214) aufweist, wobei zwischen der Verstellwelle (Träger 214) und der Verstelleinheitswelle (Antriebselement 212) eine Kupplung (Ring 213 - siehe Punkt 2.2) angeordnet ist, die eine geringfügige relative radiale Verschiebung zwischen der Verstellwelle (Träger 214) und der Verstelleinheitswelle (Antriebselement 212) zulässt,

wobei die Verstellwelle (Träger 214) bezüglich der Verstelleinheitswelle (Antriebselement 212) radial schwimmend angeordnet ist (siehe Punkt 2.2)."

2.2 Die Beschwerdegegnerin bestritt lediglich, dass die Figur 6A eine Oldham-Kupplung offenbare und dass eine radial schwimmende Anordnung aus der Figur 6A ersichtlich sei.

Dem ist nicht zuzustimmen. Vielmehr offenbart die Figur 6A aus E1 wie im Folgenden erläutert implizit eine Oldham-Kupplung. Diese Oldham-Kupplung entspricht der im Anspruch 1 definierten Kupplung. Sie kann einen Achsversatz zwischen dem Antriebselement 212 und dem Träger 214 des Wellengenerators ausgleichen und bewirkt dadurch, dass die Verstellwelle bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmend angeordnet ist.

Die scheibenförmigen Elemente 212, 213 und 214 der Figur 6A zeigen zwei orthogonal zueinanderstehende Nut-Feder-Verbindungen, wie aus den mit Kreisen kenntlich gemachten Stellen in der folgenden Abbildung ersichtlich ist.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Diese Oldham-Kupplung erlaubt einen axialen Versatz und eine radiale Verschiebung zwischen dem Antriebselement 212 und dem Träger 214, die somit nicht fest verbunden sind. Wie oben unter Punkt 1 ausgeführt, bildet eine solche Verbindung daher eine bezüglich der Verstelleinheitswelle radial schwimmende Anordnung der Verstellwelle.

2.3 Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass aus der Figur 6A zwar eine Formschlüssigkeit zwischen den Teilen ersichtlich sei, jedoch eine radiale Verschiebbarkeit daraus nicht eindeutig herzuleiten sei. Die Verstellwelle (212) sei in ihrer radialen Lage durch die umgebenden Bauteile fixiert. Die Figur 6A zeige keine Spalten, in denen die Teile 212, 213 und 214 sich bewegen könnten. Auch die Beschreibung erwähne eine solche Kupplung nicht.

2.3.1 Die Kammer folgt diesem Argument nicht. Es ist für den Fachmann vielmehr eindeutig und unmittelbar erkennbar, dass die herausragenden Noppen des Zwischenrings 213 und die Nuten des Trägers 214 bzw. des Antriebelements 212 ineinander greifen (siehe Bild oben). Zwar kann aus einer Figur nicht explizit eine Bewegung hergeleitet werden, jedoch ist für den Fachmann eindeutig und unmittelbar zu erkennen, dass der Ring 213 als Schubgelenk in einer Oldham-Kupplung dient, da er sonst keine andere Funktion ausüben würde. Der Figur ist daher implizit zu entnehmen, dass der Träger 214 sich gegenüber dem Antriebselement radial bewegen kann.

2.3.2 Die Kammer hat insoweit berücksichtigt, dass die Figuren aus der E1 nur schematische Darstellungen sind, die die Komponenten offenbaren, ohne dass daraus genaue Abmessungen entnommen werden könnten. Da eine Oldham-Kupplung für eine Vorrichtung zur Verstellung einer Nockenwelle jedoch nur geringfügige Bewegungen ermöglicht, ist nicht zu erwarten, dass solche in einer schematischen Zeichnung abgebildet sind. Somit ist es unwesentlich, wie groß die Nuten und die Federn in den Figuren dargestellt sind.

2.3.3 Da allein aus der Figur 6A schon eine Oldham-Kupplung implizit hervorgeht, ist es auch unwesentlich, ob die Kupplung zusätzlich in der Beschreibung erwähnt ist oder nicht. Absatz [0036] beschreibt, dass der Innenring des Walzlagers 210 "fest im einem" (sic) Antriebselement 212 verbunden ist. Dieser unklare Ausdruck mag zwar eine feste Verbindung erwähnen, jedoch wird im folgenden Absatz [0038] näher erläutert, dass das Antriebselement 212 "über einen Ring 213 mit dem Träger 214 für den Innenring des Wälzlagers 210 (also die Komponenten der Kupplung) verbunden" ist. Das bedeutet, dass das Antriebselement 212 nicht fest (im Sinne von starr) mit dem Träger 214, sondern lediglich drehfest verbunden ist.

2.4 Somit offenbart E1 alle Merkmale des Anspruchs 1. Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt daher nicht das Erfordernis des Artikels 54 (2) EPÜ, und der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

3. Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 4

Die Hilfsanträge 1, 3 und 4 enthalten im Vergleich zu den im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträgen lediglich geringfügige formale Änderungen, die den Einwänden der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die ursprüngliche Offenbarung Rechnung tragen sollen. Hilfsantrag 2 ist eine Reaktion auf die von der Beschwerdeführerin dargelegte Auslegung, die von der Auslegung der Einspruchsabteilung abweicht. Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, die Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 (Artikel 25 (2) VOBK 2020) vom Verfahren auszuschließen.

4. Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 aufgenommene zusätzliche Merkmal "und die Verstellwelle sich selber über den Zahneingriff kämmender Zahnräder zentriert" wird im Ausführungsbeispiel der Figur 6/6Ader E1 nicht offenbart.

E1 offenbart im Absatz [0036], dass das Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A ein Reibrad 206 verwendet. Ein solches Reibrad besitzt keine Zähne und kann somit die Verstellwelle nicht "über den Zahneingriff kämmender Zahnräder" zentrieren, so wie es im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 definiert ist.

4.2 Ausgehend von dem oben beschriebenen Unterscheidungsmerkmal ist das Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A ein geeigneter Ausgangspunkt für den Fachmann, da es für das Verstellen einer Nockenwelle geeignet ist und - wie unter Ziffer 2.4 dargelegt - alle übrigen Merkmale des Anspruchs offenbart.

4.3 Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen. Sie macht geltend, dass das in dem Ausführungsbeispiel der Figuren 6/6A offenbarte Reibrad mangels hinreichender Präzision nicht für das Getriebe eines Nockenwellenverstellers geeignet sei.

4.3.1 Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. Die Verstelleinrichtung der Figur 6/6A ist für das Verstellen einer Nockenwelle vielmehr ausdrücklich vorgesehen (siehe Absatz [0036], erster Satz) und die Figur 6 zeigt sogar explizit eine an die Nockenwelle gekoppelte Verstelleinrichtung. Somit geht aus der Offenbarung der E1 deutlich hervor, dass die Verstelleinrichtung der Figur 6 grundsätzlich für das Verstellen einer Nockenwelle verwendet werden kann.

4.4 Das Verwenden einer Zahnkupplung an Stelle einer Reibungskupplung erhöht die Präzision der Bewegungsübertragung, da kein Rutschen zwischen den Rädern möglich ist. Ausgehend von dem Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A und dem oben beschriebenen Unterscheidungsmerkmal besteht somit die objektive Aufgabe darin, die Präzision der Bewegungsübertragung zu erhöhen.

4.5 Ausgehend von dieser objektiven Aufgabe würde der Fachmann sich den Absätzen [0016] und [0017] zuwenden. Diese Absätze beschreiben allgemein bekannte Unterschiede zwischen einem Reibschluss und einer Verzahnung sowie deren jeweilige Vorteile, mit denen der Fachmann vertraut ist. Dem würde der Fachmann entnehmen, dass reibschlüssige Verbindungen zwar eine höhere Unempfindlichkeit gegen Überbelastung aufweisen, dass jedoch bei einem Reibschluss (im Gegensatz zu einer Verzahnung) die "eindeutige phasenmäßige Zuordnung" der einzelnen Komponenten und das "genaue Übersetzungsverhältnis" nicht mehr gegeben sind. Der Fachmann erhält somit aus dieser Passage im Absatz [0017] den deutlichen Hinweis, dass eine Verzahnung die Präzision der Bewegungsübertragung erhöht.

4.6 Das Ausführungsbeispiel der Figur 1 in E1 (siehe Absatz [0030]) zeigt eine Vorrichtung zur Verstellung einer Nockenwelle, in der das flexible Zahnrad 18 und das innenverzahnte Zahnrad 22 dem Reibrad 206 bzw. der Eingriffsfläche 208 der Figur 6 entsprechen. Der Fachmann würde somit dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 entnehmen, wie er den Reibschluss der Figur 6 durch eine Verzahnung gemäß der Figur 1 ersetzen könnte, und dabei ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

4.7 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass eine Übertragung der Verzahnung nicht naheliegend sei, da beide Ausführungsbeispiele nicht baugleich (z.B. Bolzen 4 und Seegerring 216) seien.

4.7.1 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Wie oben dargelegt, offenbart das Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A eine Oldham-Kupplung. Die Teile des Wellengetriebes der Figur 1 bzw. der Figur 6, die für den Kraftschluss benötigt werden, sind in beiden Ausführungsbeispielen identisch und in den entsprechenden Vorrichtungen an denselben Stellen eingebaut. Das flexible Zahnrad 19 als auch das Reibrad 206 sind beide durch eine Schraube 20 bzw. 204 mit der entsprechenden Nockenwelle verbunden, und das innenverzahnte Zahnrad 22 als auch der Ring 220 (mit der Eingriffsfläche 208) sind beide mit dem Antriebsrad 3 bzw. Kettenrad 203 verbunden. Diese Verbindungen durch die Schrauben 20 bzw. 204 sind jedoch keine festen Verbindungen, da das Zahnrad 19 bzw. das Reibrad 206 flexibel ist und erst der zusätzliche Eingriff des innenverzahnten Zahnrads 22 bzw. der Eingriffsfläche 208 die Räder radial lagert und zentriert.

Zudem entnimmt der Fachmann aus den Absätzen [0019] und [0037], dass der Seegerring 215 und die Feder 220 nur für das Reibrad 206 benötigt werden.

Somit enthält E1 alle benötigten Anweisungen für den Fachmann, um den Reibschluss durch eine Verzahnung zu ersetzen.

4.8 Die beanspruchte Vorrichtung ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A der E1 in Kombination mit dem Ausführungsbeispiel der Figur 1 der E1. Das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ ist somit nicht erfüllt und der Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.

5. Hilfsantrag 2 - Neuheit

5.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass folgendes Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:

"und die radiale Lagerung der Verstellwelle entfällt."

5.2 Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass die Verstellwelle 214 aus der Figur 6 in E1 radial auf dem Antriebselement gelagert sei, weshalb das Merkmal in der E1 nicht offenbart sei.

5.2.1 Dem ist nicht zuzustimmen, denn das Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A der E1 offenbart eine Oldham-Kupplung (siehe Punkt 2. oben). Diese Kupplung lässt radial Bewegung zwischen dem Antriebselement 212 und dem Träger 214 zu. Zudem ist der Träger 214 ausschließlich durch das flexible Reibrad 206 gelagert, das auch eine radiale Bewegung zulässt. Zusätzliche Lagerstellen hat der Träger 214 nicht. Somit entspricht die Lagerung des Trägers 214 jener der Verstellwelle 8 des Anspruchs 1.

5.3 Demzufolge offenbart das Ausführungsbeispiel der Figur 6/6A alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2. Der Anspruch 1 erfüllt somit nicht das Erfordernis des Artikels 54 (2) EPÜ, so dass der Hilfsantrag 2 nicht gewährbar ist.

6. Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit

6.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass dem Merkmal Verstellgetriebe die unterstrichenen Änderungen hinzugefügt wurden:

"mit einem als Wellgetriebe ausgebildeten Verstellgetriebe".

6.2 Das Verstellgetriebe des Ausführungsbeispiels der Figur 6/6A der E1 ist ein Wellgetriebe, was die Beschwerdegegnerin nicht bestritten hat.

Somit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ aus denselben Gründen wie der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, da das hinzugefügte Merkmal bereits im Ausgangspunkt der E1 offenbart ist. Der Hilfsantrag 3 ist daher nicht gewährbar.

7. Hilfsantrag 4 - Artikel 123(2) EPÜ

7.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 durch die hinzugefügten unterstrichenen Änderungen:

- das ein kurbelwellenfestes Antriebsteil (4) mit einer ersten Innenverzahnung (11), ein nockenwellenfestes Abtriebsteil (5) mit einer zweiten Innenverzahnung (10), wobei beide Innenverzahnungen (10, 11) mit einer außenverzahnten Hülse (18) kämmen ...

und die Verstellwelle (8) sich selber über den Zahneingriff der Innenverzahnungen(10, 11) zentriert.

7.2 Als Grundlage für diese Änderungen hat die Beschwerdegegnerin Absatz [0039] der veröffentlichten Patentanmeldung (EP 1 715 143 A2) genannt.

Absatz [0039] gehört zu der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der Figur 4. Dieses Beispiel enthält jedoch weitere Merkmale in den nachfolgenden Absätzen der ursprünglichen Beschreibung, die im Anspruch nicht aufgenommen worden sind. So wurde z.B. weggelassen, dass die Verstellwelle elliptisch geformt ist und dass die Kupplung durch den Einsatz von Elastomermaterial die schwimmende Anordnung bewirkt, obwohl diese Merkmale eine funktionelle und strukturelle Verbindung mit den hinzugefügten Merkmalen aufweisen.

7.3 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die weggelassenen Merkmale nicht erfindungswesentlich seien. Die Verstellwelle des Wellengenerators von einem Wellgetriebe sei immer elliptisch, sodass dieses Merkmal implizit im Anspruch enthalten sei. Zudem sei für den Fachmann eindeutig, dass andere Kupplungen eingesetzt werden könnten. Die Elastomerkupplung des abhängigen Anspruchs 4 sei nur eine unter den möglichen Kupplungen, die in den Unteransprüchen ursprünglich offenbart worden seien.

7.3.1 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Zum Einen kommt es für die Frage, ob ein Merkmal weggelassen werden kann, ohne über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinaus zu gehen, nicht darauf an, ob es erfindungswesentlich ist, sondern maßgeblich ist nach der Rechtsprechung der großen Beschwerdekammer ("Goldstandard"), was der Fachmann der Gesamtheit der Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 2/10, OJ 2012, 376, Entscheidungsgründe 4.3). Liegt, wie hier, eine funktionale und strukturelle Verbindung zu den übrigen offenbarten Merkmalen eines Ausführungsbeispiels vor, kann das Merkmal daher nicht allein deshalb weggelassen werden, weil es nicht erfindungswesentlich sein soll.

Zum Anderen gibt es Wellgetriebe, die keine elliptischen Verstellwellen aufweisen, sondern mehrere durch einen Planetenträger verbundene Planetenräder als Wellengenerator. Die Verstellwelle eines Wellengenerators von einem Wellgetriebe ist somit nicht zwangsläufig elliptisch.

Im Übrigen bilden auch die ursprünglichen Ansprüche keine geeignete Offenbarungsgrundlage für die nunmehr beanspruchte Merkmalskombination, da es darin keine Kombination eines Wellgetriebes (ursprünglicher abhängiger Anspruch 13) mit den nunmehr beanspruchten zusätzlichen Merkmalen gab. Vielmehr war der ursprüngliche Anspruch 13 nur auf den ursprünglichen Anspruch 1 rückbezogen.

7.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 geht daher über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und erfüllt somit nicht das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ. Der Hilfsantrag 4 ist somit nicht gewährbar.

7.5 Im Ergebnis kann das Patent mit keinem der vorgelegten Anspruchssätze der Beschwerdegegnerin aufrechterhalten werden, sodass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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