T 1262/17 (Jowat/Hochglanzfolie) of 12.10.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T126217.20211012
Datum der Entscheidung: 12 October 2021
Aktenzeichen: T 1262/17
Anmeldenummer: 07002472.4
IPC-Klasse: B32B 27/00
B05D 7/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Kaschierung von Kunststofffolien auf Holzwerkstoffsubstraten zur Erzeugung von Hochglanzoberflächen
Name des Anmelders: Jowat AG
Name des Einsprechenden: Klebchemie M.G. Becker GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Vorhersehbarer Nachteil/Triviale Vereinfachung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0061/88
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent

Nr. 1 820 641 auf der Grundlage des im Laufe der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende (Beschwerdeführerin 2) ein neues Dokument D26 (EP 1 547 806 A1) ein und machte geltend, der beanspruchte Gegenstand sei naheliegend angesichts der Kombination der Dokumenten D1 (EP 0 587 353 A1) und D2 (JP 9-267459) im Lichte des Dokuments D26.

III. Mit ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1), die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder, hilfsweise, auf der Basis eines der mit dieser Begründung eingereichten Hilfsanträge I bis VIII, aufrechtzuerhalten.

IV. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin das Dokument D26 nicht ins Verfahren zuzulassen.

V. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Einsprechende, die neu eingereichten Hilfsanträge I bis VIII nicht ins Verfahren zuzulassen.

VI. In der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung, dass Dokument D26 ins Verfahren zuzulassen war, Hilfsantrag I nicht zulässig war und der Gegenstand der Haupt- und Hilfsanträge II bis VIII naheliegend gegenüber der Kombination von D1 und D2 (im Lichte vom D26) ist.

VII. Mit Schreiben vom 8. Februar 2021 reichte die Patentinhaberin einen neuen Hilfsantrag IX ein.

VIII. Bei der mündliche Verhandlung, die am 12. Oktober 2021 statt fand, waren die Schlussanträge der Parteien wie folgt:

Die Patentinhaberin beantragte, das Patent wie erteilt (Hauptantrag) oder, hilfsweise, auf der Grundlage der Hilfsanträge I bis VIII eingereicht mit ihrer Beschwerdebegründung am 3. August 2017, oder des Hilfsantrags IX eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2021, aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragt, das Patent vollständig zu widerrufen.

IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"1. Verwendung einer Kunststofffolie zur Erzeugung einer Hochglanzoberfläche auf einem Holzwerkstoffsubstrat mittels Kaschierung der Kunststofffolie auf dem Holzwerkstoffsubstrat, wobei eine an ihrer Oberseite transparent ausgebildete Kunststofffolie mit einer Dicke von 0,005 bis 15 mm, welche an ihrer Oberseite einen Glanzwert gemäß DIN 67530 bei einem Meßwinkel von 60° von mindestens 100 aufweist, mittels eines Kaschiermittels in Form eines transparenten, lösemittelfreien, extrudierbaren sowie filmbildenden, vollflächig und mit gleichmäßiger Schichtdicke aufgetragenen Schmelzklebstoffs auf ein plattenförmiges und/oder flächiges Holzwerkstoffsubstrat aufkaschiert und dauerhaft und vollflächig mit dem Holzwerkstoffsubstrat verbunden wird, so daß ein Holzwerkstoffsubstrat mit einer Hochglanzoberfläche resultiert."

Anspruch 1 des Hilfsantrags IX lautet (mit von der Kammer hervorgehobenen Änderungen im Vergleich zum erteilten Anspruch 1):

"1. Verwendung einer Kunststofffolie zur Erzeugung einer Hochglanzoberfläche auf einem Holzwerkstoffsubstrat mittels Kaschierung der Kunststofffolie auf dem Holzwerkstoffsubstrat, wobei eine an ihrer Oberseite transparent ausgebildete Kunststofffolie mit einer Dicke von 0,005 bis 15 mm, welche an ihrer Oberseite einen Glanzwert gemäß DIN 67530 bei einem Meßwinkel von 60° von mindestens 100 aufweist, mittels eines Kaschiermittels in Form eines transparenten, lösemittelfreien, extrudierbaren sowie filmbildenden, vollflächig und mit gleichmäßiger Schichtdicke aufgetragenen Schmelzklebstoffs auf ein plattenförmiges und/oder flächiges Holzwerkstoffsubstrat aufkaschiert und dauerhaft und vollflächig mit dem Holzwerkstoffsubstrat verbunden wird, so daß ein Holzwerkstoffsubstrat mit einer Hochglanzoberfläche resultiert,

wobei das Kaschiermittel in einer Menge von 0,1 bis 100 g/m**(2)mit einer Schichtdicke von 1 bis 500 mym aufgetragen wird und oxidations- und/oder farbstabil ausgebildet ist,

wobei als Schmelzklebstoffe reaktive, feuchtigkeitsvernetzende und/oder strahlenvernetzende Schmelzklebstoffe zum Einsatz kommen, ausgewählt aus silangepfropften amorphen Poly-alpha-olefinen und isocyanatterminierten Polyurethanen,

wobei als Kunststofffolie eine unlackierte Kunststofffolie auf Basis von Polyestern eingesetzt wird."

Entscheidungsgründe

1. Dokument D26 - Zulassung

1.1 Da dieses Dokument erst mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereicht wurde, kann die Kammer von ihrem Ermessen nach Artikel 12(4) VOBK Gebrauch machen, es nicht in das Verfahren zuzulassen.

1.2 Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, der Hilfsantrag 1 sei erfinderisch, beruhte jedoch unter anderem auf der Tatsache, dass D2 keinen Hinweis enthielt, dass die verwendeten Klebstoffe in den beanspruchten Schutzbereich fielen.

1.3 Mit der Einführung von D26 ist die Kammer der Ansicht, dass die Einsprechende den Beweis geführt hat, dass die Klebstoffe von D2 tatsächlich in den Schutzbereich fallen, sodass D26 dazu dient, den Inhalt des Dokuments D2 zu verdeutlichen und ihre in der ersten Instanz vorgetragene Hauptargumentation zur erfinderischen Tätigkeit zu unterstützen. In Anbetracht dieser Erwägungen und der Tatsache, dass die Kammer den Inhalt von D26 als prima facie relevant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ansieht, hat sie beschlossen, von ihrem Ermessen nach Artikel 12(4) VOBK 2007, das Dokument nicht ins Verfahren zuzulassen, keinen Gebrauch zu machen. Dokument D26 ist daher Teil des Verfahrens.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ sind aus den folgenden Gründen nicht erfüllt:

2.1 Nächstliegender Stand der Technik

Dokument D1, das von den Parteien als nächstliegender Stand der Technik anerkannt wurde, offenbart (Beispiele 1 bis 4; Seite 6, Zeilen 21-24; Tabelle 1 auf Seite 7) eine Kunststofffolie, die einen Glanzwert von 100 oder höher bei einem Messwinkel von 60° aufweist, und die eine transparente Polyesterschicht mit einer Dicke von 50 mym umfasst. Laut Dokument D1 (Zusammenfassung; Seite 1, Zeilen 5-11 und Seite 9, Zeilen 16-20) wird diese Kunststofffolie mittels eines Klebstoffs auf eine MDF Platte (ein Holzwerkstoffsubstrat) laminiert, um u. A. die optische Eigenschaften wie den Glanz zu verbessern. Der in Beispiel 4 vorgeschlagene Klebstoff ist ein Zweikomponenten-Ethylen-Vinylacetat-Copolymer.

2.2 Unterscheidungsmerkmale

2.2.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass sich der Verwendungsanspruch 1 von Dokument D1 durch die folgenden Merkmale unterscheide:

i) der Klebstoff sei ein transparenter, lösemittelfreier, extrudierbarer Schmelzklebstoff, der vollflächig und mit gleichmäßiger Schichtdicke aufgetragen wurde;

ii) die Verwendung der Kunststofffolie sei zweckgerichtet zur Erzeugung einer Hochglanzoberfläche;

iii) die Kunststofffolie sei transparent;

iv) der Glanzwert sei 100 oder höher;

v) die Verwendung erfolge in einem einzigen Arbeitsschritt.

2.2.2 Zu i) stimmt die Kammer mit der Patentinhaberin darin überein, dass Dokument D1 (Beispiel 4) keinen Schmelzklebstoff offenbart, sondern einen Zweikomponenten Klebstoff. Weiterhin offenbart D1 zumindest nicht explizit, dass der Klebstoff vollflächig und mit gleichmäßiger Dicke aufzutragen ist.

2.2.3 Zu ii) berief sich die Patentinhaberin auf die Entscheidungen G2/88 und G6/88, um ihr Argument zu untermauern, dass die Definition einer Verwendung für einen bestimmten Zweck eine zusätzliche Beschränkung im Zusammenhang mit diesem Zweck impliziere. Das Dokument D1, so die Patentinhaberin, könne nicht als Vorwegnahme der Verwendung der Folie zur Erzielung eines Hochglanzes angesehen werden, da aus Seite 4, Zeile 31, hervorgehe, dass in diesem Dokument die obere äußere Hartschicht für die Erzielung des Glanzes verantwortlich sei und nicht die Kunststofffolie als solche.

Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin nicht, denn das Dokument D1 betrifft ausdrücklich (siehe z.B. die Zusammenfassung bzw. Seite 9, Zeilen 16-20) die Verwendung einer Kunststofffolie zum Beschichten einer Holzoberfläche, um bestimmte optische Eigenschaften wie den Glanz zu verbessern. Für die Beurteilung der Patentierbarkeit ist unerheblich, ob der Kunststoffteil der Folie den Hochglanzeffekt erzeugt, denn Anspruch 1 ist nicht auf eine Kunststoffschicht mit einem bestimmten Glanz beschränkt, sondern auf eine Kunststofffolie, die zur Erzeugung des Hochglanzeffekts verwendet wird, unabhängig davon, welcher Teil dieser Folie tatsächlich den Effekt erzeugt.

2.2.4 Zu iii) bezweifelt die Patentinhaberin, dass die Folie in D1 transparent im Sinne des Streitpatents sei, insbesondere weil der untere Teil der Folie gemustert oder gefärbt ist.

Die Kammer folgt dieser Argumentation nicht, weil Dokument D1 sich explizit auf eine transparente Dekofolie bezieht (siehe Seite 2, Zeilen 5-6). Weiterhin, wie die Kammer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, definiert Anspruch 1 "... eine an ihrer Oberseite transparent ausgebildete Kunststoffolie ..." und nicht eine Folie, die in ihrer Gesamtheit transparent ist. Die Verwendung einer unteren farbigen oder gemusterten Schicht bedeutet nicht, dass die Oberseite der Folie nicht transparent ist, und in der Tat umfasst das Streitpatent auch solche Ausführungsformen (siehe z.B. Endteil des Absatzes [0019]). Wenn überhaupt, würde die Verwendung solcher Dekorschichten auf dem unteren Teil der Folie implizieren, dass die Oberseite der Folie transparent ist, da jede andere Konfiguration den dekorativen Teil der Folie verdecken würde. Dokument D1 nimmt daher dieses Merkmal vorweg.

2.2.5 Zu iv) ist der Hinweis der Patentinhaberin auf den Glanzwert von 90 in Tabelle 2 auf Seite 8 von D1 ebenfalls irrelevant, da er sich auf das Endstück

(d. h. die mit der Kunststofffolie laminierte Holzoberfläche) bezieht. Im Gegensatz dazu definiert der Anspruch 1, dass der Glanzwert von 100 oder mehr der Kunststofffolie als solcher entspricht. Dieses Merkmal wird also eindeutig durch die Angabe in Tabelle 1 auf Seite 7 von D1 vorweggenommen, die sich auf die Eigenschaften der Kunststofffolie in den Beispielen 1 bis 4 bezieht und angibt, dass der Glanzwert 100 oder mehr beträgt.

2.2.6 Zu v) gilt die Verwendung eines einzigen Arbeitsschritts auch nicht als Unterscheidungsmerkmal gegenüber D1, da sie in Anspruch 1 nicht definiert ist.

2.2.7 Somit unterscheidet sich Anspruch 1 von D1 lediglich dadurch, dass der Klebstoff ein Schmelzklebstoff ist und dass er vollflächig und gleichmäßig aufgetragen wird.

2.3 Aufgabe der Erfindung

Gemäß Absatz [0046] des Streitpatents sollte die Klebstoffschicht so gewählt werden, dass gute Binde- und optische Eigenschaften gewährleistet werden. Dieser Hinweis ist jedoch relativ und wird durch keinerlei Beweise gestützt. Insbesondere ist nicht festgelegt, was mit einem "sicheren Verbund" oder "guten optischen Eigenschaften" gemeint ist, und es gibt kein Vergleichsbeispiel, das zeigt, dass die Klebstoffe der Erfindung in dieser Hinsicht eine wesentliche Rolle spielen. Darüber hinaus umfasst das Streitpatent Ausführungsformen mit Dekorpapieren (Absatz [0045]) oder gemusterte Schichten (Absatz [0019]) auf der Unterseite der Folie, so dass zumindest in diesen Fällen die Klebeschicht nicht einmal sichtbar wäre, was jeden möglichen Effekt in optischer Hinsicht ausschließen würde.

Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die durch das Unterscheidungsmerkmal gelöste Aufgabe lediglich darin besteht, die Verwendung einer alternativen Folie vorzuschlagen.

2.4 Naheliegende Lösung

2.4.1 Dokument D2 offenbart (Absätze [0024]-[0027] der Übersetzung) die Verwendung von Schmelzklebstoff zum Kaschieren einer Kunststofffolie aus Polycarbonat auf eine Holzplatte.

2.4.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass D2 sich nicht auf die Bereitstellung von Hochglanzfolien beziehe, sondern sich mit dem Problem befasse, die Einfärbung von Kunststofffolien zu verhindern, die auf gekrümmten Holzoberflächen aufkaschiert sind. Außerdem handele es sich bei dem laminierten Kunststoff in Dokument D2 um Polycarbonat, das sich in chemischer Hinsicht stark von der in D1 verwendeten PVC-Schicht unterscheide. Daher hätte der Fachmann, wenn er von D1 ausgeht, keine Veranlassung, die aus D2 bekannten Klebstoffe zu berücksichtigen, da diese für einen anderen Zweck verwendet und für eine andere Art von Kunststoff optimiert wurden.

2.4.3 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin nicht zu, insbesondere, weil die zu lösende Aufgabe lediglich darin besteht, eine Alternative zu finden.

Wenn ein Fachmann die weit gefasste Aufgabe der Suche nach einer Alternative zu lösen hat, würde er im Prinzip jede bekannte Alternative heranziehen, es sei denn, der nächstliegende Stand der Technik lehrt davon ab. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Fachmann jeden Klebstoff in Betracht ziehen würde, der zum Laminieren von Kunststofffolien auf Holzteile verwendet wird, wie es in D2 der Fall ist. Die Kammer sieht in D2 auch keinen Hinweis, dass die dort beschriebenen kommerziellen Klebstoffe speziell für Polycarbonate, nicht aber für andere Kunststoffe konzipiert sind. Überdies geht aus Dokument D2 (Absatz [0002] der Übersetzung) hervor, dass die darin beschriebenen Klebstoffe das Problem des mangelnden Glanzes bei der Verwendung bestimmter Harze lösen. Da eines der Ziele von Dokument D1 darin besteht, einen hohen Glanz zu erzielen, wäre dies noch ein Anreiz für den Fachmann, die aus D2 bekannten Klebstoffe für die Folie in D1 in Betracht zu ziehen. Es wäre daher für den Fachmann naheliegend, bei der Suche nach Alternativen zur Laminierung der Kunststoffschicht auf einem Holzstück als Ersatz zum Klebstoffs der D1 einen Schmelzklebstoff gemäß der D2 in Betracht zu ziehen.

Weiterhin scheint die zusätzliche Anforderung der Erfindung, dass der Klebstoff vollflächig und mit gleichmäßiger Schichtdicke aufzutragen ist, eine triviale Alternative darzustellen. Insbesondere bei Ausführungsformen, bei denen die Klebstoffschicht sichtbar ist, wäre eine diskontinuierliche und/oder unregelmäßige Dickenverteilung technisch unsinnig, da sie sich nachteilig auf die optischen Eigenschaften und die Stabilität der Folie auswirken würde.

2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit für den Fachmann gegenüber der Kombination von D1 und D2 naheliegend, und daher nicht erfinderisch.

3. Hilfsanträge I bis III - Erfinderische Tätigkeit

3.1 Anspruch 1 dieser Anträge entspricht dem des Hauptantrags, wobei die Art des Klebstoffs weiter definiert wird, insbesondere (die zusätzlichen Merkmale gegenüber dem Hauptantrag wurden von der Kammer hervorgehoben):

- Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags I ist der Klebstoff "ein reaktiver Schmelzklebstoff",

- Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags II ist der Klebstoff "ein reaktiver, feuchtigkeitsvernetzender und/oder strahlenvernetzender Schmelzklebstoff", und

- Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags III ist der Klebstoff "ein reaktiver, feuchtigkeitsvernetzender und/oder strahlenvernetzender Schmelzklebstoff,

ausgewählt aus silangepfropften amorphen Poly-alpha-olefinen und isocyanatterminierten Polyurethanen".

3.2 In D2 werden vier geeignete Klebstoffe zum Laminieren der Kunststofffolie auf die Holzoberfläche beschrieben (Absatz [0012]), darunter das Kaschiermittel namens "Bond Master 170-7254". Gemäß D26 (Absatz [0097]) handelt es sich bei der "Bond Master 170" Serie um feuchtigkeitsvernetzende isocyanatterminierte Polyurethan-Klebstoffe. Die Einschränkungen des Gegenstands des Anspruchs 1 in den Hilfsanträgen I bis III stellen daher kein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Kombination von D1 mit D2 dar.

3.3 Somit gelten die für den Hauptantrag dargelegten Argumente und Schlussfolgerungen auch für die Hilfsanträge I bis III, die im Hinblick auf die Kombination von D1 mit D2 (im Lichte von D26) somit nicht erfinderisch sind.

4. Hilfsantrag IV - Erfinderische Tätigkeit

4.1 Der Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem des Hilfsantrags III, "wobei das Kaschiermittel in einer Menge von 0,5 bis 100 g/m**(2) und mit einer Schichtdicke von 1 bis 500 mym aufgetragen wird".

4.2 Ausgehend von Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik, beruht die in diesem Hilfsantrag vorgeschlagene Lösung auf einer weiteren Spezifizierung der Eigenschaften der Klebstoffschicht. Wie oben in der Diskussion des Hauptantrags ausgeführt, hat die Klebstoffschicht keine spezifische Auswirkung auf die optische Eigenschaften. Die Patentinhaberin konnte auch keine spezifische Wirkung feststellen, die mit der Dicke und der Menge des Klebstoffs zusammenhängen würde.

Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die zu lösende Aufgabe nach wie vor darin besteht, die Verwendung einer alternativen Folie vorzuschlagen.

4.3 Naheliegende Lösung

4.3.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass weder D1 noch D2 die Menge und Schichtdicke gemäß Anspruch 1 vorwegnehmen, und auch wenn diese Merkmale zu keiner Verbesserung oder Wirkung führten, enthielten die zitierten Dokumente keine Lehre, die die Fachperson dazu veranlassen würde, in diesen Bereichen zu arbeiten. Eine erfinderische Tätigkeit sei daher anzuerkennen, da der Gegenstand der Ansprüche zumindest eine nicht naheliegende Alternative darstelle.

4.3.2 Die Kammer stimmt dieser Argumentation aus den folgenden Gründen nicht zu:

In Verfahren vor dem EPA trägt jede Partei die Beweislast für die von ihr behaupteten Tatsachen. Wenn also eine Patentinhaberin neue Ansprüche einreicht, trägt sie die Beweislast dafür, dass diese den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ entsprechen.

Die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevante Frage ist, ob eine Fachperson durch einfaches Befolgen herkömmlicher technischer Schritte mit den in Anspruch 1 definierten Klebstoffmenge und -schichtdicke arbeiten würde. Zu dieser Frage wies die Kammer in ihrer vorläufigen Stellungnahme darauf hin, dass die gewählten Bereiche so weit gefasst zu sein schienen, dass sie sich mit den normalen Betriebsbereichen der Klebstoffe überschneiden würden, d.h. mit den vom Hersteller des Klebstoffs empfohlenen Mengen- und Schichtdickenbereichen. Die Patentinhaberin hat auf diesen Einwand nicht reagiert, sondern lediglich darauf bestanden, dass die zitierten Dokumente keinen Hinweis enthielten, der diese Werte nahelegen würde.

In Ermangelung weiterer Argumente oder Beweise seitens der Patentinhaberin ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass sie ihrer Beweislast nicht nachgekommen ist, und vertritt weiterhin die Ansicht, dass die definierten Bereiche sehr weit gefasst sind und/oder eine willkürliche Auswahl darstellen. Dies wird durch die beanspruchte Dicke veranschaulicht, die sich im wesentlichen über den gesamten Mikrometerbereich erstreckt und im Grunde die meisten oder alle vernünftigen Klebstoffdicken für Folien wie die in D1 oder D2, die Kunststoffschichten im Mikrometerbereich aufweisen, abdeckt. Was die definierte Klebstoffmenge betrifft, scheint der gewählte Bereich einfach eine willkürliche Auswahl zu sein, die daher keine Erfindung begründen kann. Somit würde der Fachmann mit Mengen und Schichtdicken innerhalb des beanspruchten Bereichs arbeiten, indem er einfach Alternativen innerhalb der üblichen Bereiche für diese Parameter erkundet.

4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher gegenüber der Kombination von D1 und D2 nicht erfinderisch.

5. Hilfsantrag V - Erfinderische Tätigkeit

5.1 Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem des Hilfsantrags IV, wobei das Kaschiermittel "oxidations- und/oder farbstabil ausgebildet ist".

5.2 Dieses Merkmal ist relativ und bietet daher keine klare Unterscheidung gegenüber dem zitierten Stand der Technik. Es kann auch angenommen werden, dass eine Fachperson nicht vernünftigerweise in Erwägung ziehen würde, einen Klebstoff auszuwählen, der oxidations- oder farbunstabil ist.

5.3 Daher gelten für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag IV, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

6. Hilfsantrag VI - Erfinderische Tätigkeit

6.1 Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem des Hilfsantrags V, wobei die Verwendung "zur Herstellung von Möbeln und Einrichtungsgegenständen beliebiger Art" konzipiert ist.

6.2 In D1 ist die Verwendung der Kunststofffolie insbesondere für dekoratives Sperrholz für Schränke (d.h. Möbel) konzipiert (Seite 2, Zeile 15).

6.3 Daher gelten für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag IV, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

7. Hilfsantrag VII - Erfinderische Tätigkeit

7.1 Anspruch 1 dieses Antrags entspricht dem des Hilfsantrag VI, wobei "als Kunststofffolie eine Kunststofffolie auf Basis von Polyestern eingesetzt wird".

7.2 Die Patentinhaberin machte geltend, dass der Wortlaut von Anspruch 1 verlange, dass die Folie nur aus Polyester bestehe. Die Folie in D1 enthalte eine Polyesterschicht, aber auch andere Kunststoffschichten, so dass sie nicht in den Schutzbereich des Anspruchs falle.

7.3 Die Kammer widerspricht der Auffassung, dass die Formulierung "auf Basis von Polyestern" mit "aus Polyester bestehend" gleichzusetzen ist. Im Gegenteil, der Ausdruck "auf Basis von [einem bestimmten Stoff]" impliziert normalerweise, dass dieser Stoff ein wichtiger Bestandteil der Zusammensetzung/Produkt ist, nicht aber dass er der einzige Stoff ist. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Folie in Dokument D1 ebenfalls als "auf Basis von Polyestern" angesehen werden kann. Das zusätzliche Merkmal stellt somit kein weiteres Unterscheidungsmerkmal dar.

7.4 Daher gelten für diesen Antrag die gleichen Argumente und Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag IV, so dass die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.

8. Hilfsantrag VIII - Klarheit

Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind aus den folgenden Gründen nicht erfüllt:

8.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags VIII entspricht dem des Hilfsantrags VII mit den folgenden (von der Kammer hervorgehobenen) Änderungen:

"1. Verwendung einer Kunststofffolie zur Erzeugung einer Hochglanzoberflache auf einem Holzwerkstoffsubstrat mittels Kaschierung der Kunststofffolie auf dem Holzwerkstoffsubstrat in einem einzigen Arbeitsschritt und unter Vermeidung von Beiz-, Schleif- und Lackierverfahren zur Herstellung von Mobeln und Einrichtungsgegenstanden beliebiger Art ..."

8.2 Der Begriff "einzigen Arbeitsschritt" ist unklar, da es keine eindeutige Möglichkeit gibt, zu unterscheiden, was als "Arbeitsschritt" gilt. So ist beispielsweise unklar, ob dies eine Vorbehandlung der Teile der Folie ausschließt, oder ob (bzw. wann) die verschiedenen Teilschritte in einem Kaschierungsprozess als verschiedene Arbeitsschritte oder als Teilschritte eines einzigen Arbeitsschritts gelten.

Die Vermeidung von Beiz- Schleif- oder Lackierverfahren ist ebenfalls unklar, da ein Fachmann nicht wissen würde, ob solche Verfahren auch vor und nach dem Laminierungsprozess ausgeschlossen sind. So ist beispielsweise unklar, ob der Anspruch die Verwendung von Teilen ausschließt, die zuvor lackiert oder geschliffen wurden oder die nach dem Laminierverfahren lackiert oder geschliffen werden.

8.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher unklar und Hilfsantrag VIII somit nicht gewährbar.

9. Hilfsantrag IX - Erfinderische Tätigkeit

9.1 Ungeachtet der Zulassung dieses Antrags, der zwar dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Antrag entspricht, ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass er aus den folgenden Gründen den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ nicht genügt:

9.2 Anspruch 1 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags V dadurch, dass das Kaschiermittel in einer Menge von 0,1 bis 100 g/m**(2) (statt 0,5 bis 100 g/m**(2)) und dass "als Kunststofffolie eine unlackierte Kunststofffolie auf Basis von Polyestern eingesetzt wird."

9.3 Die Patentinhaberin argumentierte, dass das Dokument D1 ausdrücklich eine Kunststofffolie mit einer oberen harten Beschichtung betreffe. Daher gebe es in D1 keinen Anreiz, unlackierte Kunststofffolien im Sinne von Anspruch 1 zu verwenden. Außerdem, in Anbetracht der zahlreichen Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gegenüber D1 sei die Schlussfolgerung, dass die Erfindung naheliegend sei, nicht gerechtfertigt.

9.4 Auf die Frage, welches spezifisches Problem durch die Verwendung einer unlackierten Folie gelöst wurde, argumentierte die Patentinhaberin, dass dies eine Vereinfachung des Standes der Technik in D1 darstelle und dass es überraschend sei, einen so hohen Glanz bei gleichzeitigem Verzicht auf den Lack zu erzielen.

9.5 Die Kammer stimmt dieser Argumentation nicht zu, da das Patent selbst den definierten Glanz mit handelsüblichen Polyesterfolien erreicht und, wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, aus dem zitierten Stand der Technik hervorgeht, dass es zum Zeitpunkt der Patentanmeldung handelsübliche Polyesterfolien mit deutlich höheren Glanzwerten als den geforderten Wert von 100 gab (siehe z. B. die Folie in D6 (Produktinformation "Hostaphan RLK" der Fa. Mitsubishi Polyester Film (DE); Ausgabe März 2003), die einen Glanz von 200 bei 20° Messwinkel aufweist).

Im Dokument D1 wird ausdrücklich (Seite 2, Zeilen 17-23) auf Kunststofffolien aus PVC und Polyester verwiesen, die (implizit) keine Beschichtung bzw. Lackierung enthalten. Solche Folien werden als Teil des Standes der Technik dargestellt, wobei insbesondere darauf hingewiesen wird, dass der Zusatz von Polyesterschichten das Problem der unzureichenden Härte teilweise löst. Diese Lösung wird jedoch als nicht optimal angesehen, da Polyesterschichten nicht besonders kratzfest sind, weshalb D1 vorschlägt, eine zusätzliche harte Beschichtung auf die Polyesterschicht aufzubringen. Die Patentinhaberin versucht nun, die erfinderische Tätigkeit durch den Verzicht auf diese Beschichtung zu begründen.

Da das Patent keinen besonderen Effekt oder Vorteil angibt, der über die Vereinfachung der Folien des Standes der Technik hinausgeht, muss davon ausgegangen werden, dass die Wahl einer unlackierten Folie einfach auf einer Abwägung zwischen den Vorteilen, die sich aus dem Verzicht auf die Hartbeschichtung in D1 ergeben, und den Nachteilen des Verzichts auf die höhere Kratzfestigkeit beruht. Wie in T 0061/88 dargelegt (§2.2(c)), kann dem Fachmann nicht die Fähigkeit abgesprochen werden, zu erkennen, dass weniger komplizierte Alternativen im allgemeinen zu weniger perfekten Ergebnissen führen, und folglich solche Alternativen ins Auge zu fassen, zumindest in Situationen, in denen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass die Vorteile einer geringeren Komplexität die daraus resultierenden Leistungseinbußen überwiegen.

Mit anderen Worten, erkennt das Dokument D1 selbst an, dass die Kombination von PVC und Polyester (ohne Lackierung) eine Alternative darstellt, die in diesem Dokument nicht bevorzugt wird, weil sie nicht besonders kratzfest ist. Von diesem Ausgangspunkt aus besteht kein erfinderischer Beitrag darin, einfach die weniger komplexe Alternative der Folie ohne die Beschichtung nachzubilden, da dies lediglich bedeutet, die Nachteile (nämlich weniger kratzfest) zugunsten einer Vereinfachung der Folie in Kauf zu nehmen.

Darüber hinaus, da der Bereich für die Klebstoffmenge breiter ist als der im Hilfsantrag IV definierte, gelten für dieses Merkmal dieselben Einwände gegen die erfinderische Tätigkeit, die für Hilfsantrag IV dargelegt wurden.

Hinsichtlich der Anzahl der Unterscheidungsmerkmale stellt die Kammer fest, dass die erfinderische Tätigkeit nicht auf eine Aneinanderreihung trivialer Änderungen reduziert werden kann. Erfinderische Tätigkeit kann bei Erfindungen anerkannt werden, die die gleiche oder eine ähnliche Wirkung wie der nächstliegende Stand der Technik haben (die von der Patentinhaberin genannte erfinderische Alternative), sofern die Unterschiede dazu beitragen, diese Wirkung auf eine andere nicht naheliegende Weise zu erzielen. Dagegen könnte eine Vielzahl von Änderungen, die keine kombinierte Wirkung haben und nicht plausibel zur Erzielung der Wirkung der Erfindung beitragen, als trivial angesehen werden, einfach weil jede der Änderungen als solche trivial ist. In solchen Fällen gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Aneinanderreihung trivialer Aspekte in irgendeiner Weise einen additiven Effekt ergibt, der einen erfinderischen Beitrag rechtfertigt, sobald genügend Unterscheidungsmerkmale definiert worden sind.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in Anbetracht des Dokuments D1 in Verbindung mit der Lehre von D2 nicht erfinderisch ist.

10. Da keiner der von der Patentinhaberin gestellten Anträge als den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ entsprechend angesehen wird, muss das Patent widerrufen werden.

11. In Anbetracht dieser Schlussfolgerung ist es nicht erforderlich, sich mit den zusätzlichen Einwänden der Einsprechenden zu befassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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