T 1255/17 () of 13.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T125517.20201013
Datum der Entscheidung: 13 October 2020
Aktenzeichen: T 1255/17
Anmeldenummer: 08008475.9
IPC-Klasse: F26B5/14
B30B9/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Entwässern von schütt- oder fließfähigem Aufgabegut durch dessen Verdichtung
Name des Anmelders: PALLMANN MASCHINENFABRIK GMBH + CO. KG
Name des Einsprechenden: Valmet AB
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2) (2007)
European Patent Convention Art 114(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
Schlagwörter: Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (nein)
Neuheit - nicht ausreichend bewiesen
Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichte Beweismittel - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja)
Verspätetes Vorbringen - Beweismittel erstinstanzlich zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1122/01
T 2165/10
T 0691/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP 1 992 894 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine Vorrichtung zum Verdichten und Entwässern von schütt-oder fließfähigem Aufgabegut mittels einer konzentrisch zu einem Gehäuse angeordneten Welle mit Wendeln und einem Pfropfrohr mit Entwässerungsöffnungen.

II. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und diesen auf die Gründe der Artikel 100 (a), (b) und (c) EPÜ gestützt.

III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Sie hat insbesondere verschiedene von der Einsprechenden verspätet, nämlich erst in der mündlichen Verhandlung, eingereichte Beweismittel zur Vorbenutzung "Karlit" und weitere Vorbenutzungseinreden, die sich allesamt behauptetermaßen auf einer der Einspruchsabteilung in der Verhandlung vorgelegten Powerpoint-Präsentation befanden, nicht zugelassen. Außerdem hat sie die behauptete offenkundige Vorbenutzung "Karlit" gemäß der Einspruchsschrift mangels hinreichender Substantiierung nicht berücksichtigt.

IV. Gegen die Zurückweisung des Einspruchs wendete sich die Einsprechende (im Folgenden "Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde.

V. Mit Schreiben vom 12. Juni 2018 und damit nach der Frist gemäß Artikel 108 EPÜ, brachte die Beschwerdeführerin einen weiteren Neuheitseinwand basierend auf einer flüchtigen Offenbarung vor ("Vortrag Halifax").

VI. In der Mitteilung zur Ladung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 hat die Kammer ihre vorläufige Meinung erläutert.

VII. Mit Schreiben vom 28. August 2020 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VIII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin (im Folgenden "Beschwerdegegnerin") beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt in "[]" in Anlehnung an die Beschwerdebegründung):

"1. [a] Vorrichtung zum Entwässern von schüttfähigem oder fließfähigem Aufgabegut durch dessen Verdichtung,

[b] mit einem entlang einer Rotationsachse (2) angeordneten Gehäuse (3),

[c.1] das einen Aufgabebereich (4) und

[c.2] einen sich axial innerhalb eines Mantelrohrs (9, 9') anschließenden Förder- und Verdichtungsbereich (10) besitzt,

[c.3] mit einer im Gehäuse (3) koaxial rotierenden Antriebswelle (8) mit umfangseitig umlaufenden Wendeln (16),

[c.4] die in Förderrichtung (37) in einem von Wendeln (16) freien Lagerzapfen (17) endet und die das Aufgabegut im Zuge des Transports vom Aufgabebereich (4) durch den Förder- und Verdichtungsbereich (10) verdichtet,

[d] wobei das im Aufgabegut vorhandene Restwasser (38) durch radiale Öffnungen im Mantelrohr (9, 9') aus der Vorrichtung geleitet wird,

[e] und mit einem Pfropfenrohr (18), das sich in Förderrichtung axial an das Mantelrohr (9, 9') anschließt, wobei das Pfropfenrohr (18) koaxial an das Mantelrohr (9, 9') anschließt und

[f.1] sich über den Längsabschnitt des Lagerzapfens (17) erstreckt, dadurch gekennzeichnet, dass

[f.2] das Pfropfenrohr (18) im Überlappungsbereich mit dem Lagerzapfen mit radialen Durchlässen (29) versehen ist, so dass das Aufgabegut auch im Bereich des Pfropfenrohrs (18) radial entwässerbar ist, und

[g.1] wobei innerhalb des Pfropfenrohrs (18) ein Innenrohr (30) angeordnet ist,

[g.2] das mit seinem Außenumfang am Innenumfang des Pfropfenrohrs (18) wenigstens teilweise anliegt,

[g.3] und das zumindest im Bereich der Durchlässe (29) Durchtrittsöffnungen (35) besitzt, die um ein Vielfaches kleiner sind als die Durchlässe (29) im Pfropfenrohr (18)."

X. In der Beschwerdebegründung bezog sich die Beschwerdeführerin auf die folgenden Beweismittel aus dem Einspruchsverfahren:

PU1: Technische Zeichnung "Rebuilding parts/ ADI

13.5", Metso, Document ID SDU0006185, "approved

2. Dezember 2005"

PU2: Bestellung Karlit Nr. 1018585 (dated

11. September 2003) und englische Übersetzung

PU3: "Visit report" bei Karlit (SE), 1. Januar 2004

Folgende von der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren im Rahmen der oben genannten Powerpoint-Präsentation zur Vorbenutzug "Karlit" angeboten und von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassene Beweismittel wurden erneut mit der Beschwerdebegründung vorgelegt:

PPT: Präsentation "Oral Proceedings EPO Rijkswik",

23. Februar 2017"

PU2EN: Englische Übersetzung von PU2

PU4/PU4EN: Angebot von Metso an Karlit, Nr.PBLP100477

12. Juni 2003 und englische Übersetzung

PU5/PU5EN: Internes Besprechungsprotokoll Metso,

4. Juni 2003 und englische Übersetzung

PU6: Technische Zeichnung "Sleeve with drain holes/

Plug screw feeder 12"/13.5"", Metso, Document ID

10115920, "approved 28. Mai 2004",

PU7: "Dewatering plug pipe", Präsentationsunterlagen

Metso, copyright 2003,

ebenso wie zu der nun erstmals ausdrücklich genannten weiteren Vorbenutzung "Kronotex" folgende Unterlagen:

PU8/PU8EN: Bestellung Nr. 273/4510006501 von Metso an

Unozon AB: "Rebuilding parts SUN90000014,

Projekt Kronotex", 22. September 2005

PU9: Technische Zeichnung "Rebuilding parts/ Slotted

plug pipe SFA 420 L", Metso, ID SDU0003195

PU10/PU10DE: Angebot an Kronotex "Entwässerungsrohr für

Pfropfenschnecke SFA 420L", 14. Juni 2005/

4. Juli 2005

PU11: Technische Zeichnung "Screw Feeder SFA 420 L",

Sunds Defibrator, ID 1-959 0904-01

PU12: Technische Zeichung "Slotted plug pipe SFA 420

L", Metso, ID SDU0003196, genehm. 30. Juni 2005

PU13: Technische Zeichnung "Slotted sleeve SFA 420 L",

Metso, ID SDU0008098, genehmigt 9. März 2006

PU14: Schreiben von Metso an Kronotex mit

Maschinenspezifikation "PU 040 Defibrator-

System", 5. Juli 2005

PU15: Maschinenspezifikation PU14 in Englisch,

und ebenso zu der ebenfalls nun erstmals ausdrücklich genannten dritten Vorbenutzung "Stora Enso Fors" folgende Unterlagen:

PU16/PU16EN: Angebot "ADI 13 1/2 Feedmax" von Metso an

Stora Enso Fors AB, datiert 10. Mai 2006

PU17: Technische Zeichung "Rebuilding parts ADI 13.5",

Metso, ID SDU0004641,"approved 18. Oktober 2005"

PU18/PU18EN: Rechnung von Valmet/Metso an Stora Enso

Fors AB "Plug srew according to quotation

610005", Ref. 62201612, 21. Dezember 2006

PU19/PU19EN: Zahlungsbeleg von SCA Graphic Sundsvall AB

für Stora Enso, Ref.62201612, 23. Januar 2007

In ihrer Beschwerdebegründung bot die Beschwerdeführerin zusätzlich die Zeugen Herrn O.M. Aalberg und Herrn P. Dahlbom an und brachte die folgenden Beweismittel für eine flüchtige Offenbarung "NTNU" erstmals vor:

OD1: Programm NTNU (Norwegische Universität für

Wissenschaft und Technik), "Nordic tree refining

symposium" 12./13. Oktober 2005

OD2: Präsentationsunterlagen "Improved feeding

technology, Tomas Höglund

OD3/OD3EN: Protokoll des Board Meeting, Association

of the Norwegian Pulp and Paper Industry

OD4: Erklärung Herr O.M.Aalberg

OD5: Erklärung Herr P.Dahlbom

Mit Schreiben vom 12. Juni 2018 bot die Beschwerdeführerin Herrn P. Hillborn, Herrn F. Eriksson und Herrn J. Lauritzen als Zeugen an und brachte zusätzlich die folgenden Beweismittel für die Vorbenutzung "Karlit" erstmals vor:

PU20: Erklärung Herr P. Hillbom

PU21: Erklärung Herr F. Eriksson

ebenso wie für eine neu vorgebrachte flüchtige Offenbarung/Präsentation "Halifax" folgende Unterlagen:

OD6: Agenda des 2006 CD Clubtreffens, Halifax

OD7: Präsentation "Feedmax - Concept"

OD8: "The CD Club", Artikel in Metso Paper Inc. F&E,

Seite 8, 1/2007

OD9: Erklärung Herr J. Lauritzen

XI. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu sei über jede der folgenden angeblichen offenkundigen Vorbenutzungen und flüchtigen Offenbarungen:

i) Vorbenutzung "Karlit" (Beweismittel PU1-PU7, PU20, PU21)

ii) Vorbenutzung Kronotex (Beweismittel PU8-PU15)

iii) Vorbenutzung "Stora Enso Fors" (Beweismittel PU1, PU6, PU16-PU19)

iv) Flüchtige Offenbarung/Präsentation "NTNU" (Beweismittel OD1-OD5)

v) Flüchtige Offenbarung/Präsentation "Halifax" (Beweismittel OD6-OD9)

b) Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen nicht korrekt ausgeübt, indem sie die zusätzlichen Beweismittel PU4 bis PU19 sowie die diese Beweismittel aufweisende Präsentation PPT während der mündlichen Verhandlung nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen habe, ohne diese zu sichten, denn diese seien prima facie relevant. PU4 bis PU7 seien zusätzliche Beweismittel für die Vorbenutzungseinrede "Karlit". PU8 bis PU15 bezögen sich auf eine weitere Vorbenutzungseinrede "Kronotex", und PU1, PU6 sowie PU16 bis PU19 seien Beweismittel, die relevant seien für eine zusätzliche Vorbenutzungseinrede "Stora Enso Fors". Das verspätete Einreichen dieses Vorbringens bezeichnete die Beschwerdeführerin als einen Fehler ("honest mistake"), dieser sei jedoch nicht vorsätzlich gewesen. Insofern verwies sie auf Probleme mit der rechtzeitigen Bereitstellung der Beweismittel, deren Gründe grundsätzlich in der Komplexität der Beweisführung einer zehn Jahre zurückliegenden Vorbenutzung, sowie konkret in der Reorganisation des Unternehmens der Beschwerdeführerin aufgrund der Aufspaltung der Unternehmen Metso und Valmet lägen. Dies habe dazu geführt, dass Dokumente jahrelang gebündelt aufbewahrt gewesen seien, deren frühere Sichtung darum nicht möglich gewesen sei.

c) Im Übrigen sei die prima facie Relevanz der Beweismittel gegeben, da mit Hilfe der Beweismittel PU1 bis PU7 eine geschlossene Ereigniskette gezeigt sei, die die offenkundige Vorbenutzung "Karlit" belege. PU1 und PU6 offenbarten alle Merkmale des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents und nähmen diesen somit neuheitsschädlich vorweg. Auch mit Hilfe der Beweismittel PU8 bis PU15 sei eine geschlossene Ereigniskette gezeigt, die die offenkundige Vorbenutzung "Kronotex" belege. PU9 und PU11 bis PU13 offenbarten alle Merkmale von Anspruch 1 des Patents. Schließlich sei auch mit Hilfe der Beweismittel PU1, PU6 und PU16 bis PU19 eine geschlossene Ereigniskette für die offenkundige Vorbenutzung "Stora Enso Fors" gezeigt. Hier verwies die Beschwerdeführerin auf PU17 sowie auf PU1 und PU6 zwecks der Neuheitsanalyse.

d) Nach der Beschwerdefrist reichte die Beschwerdeführerin zu der behaupteten Vorbenutzung auch "Karlit" noch die Erklärungen von P. Hillbom (PU20) und F. Eriksson (PU21) nach, die die Geschlossenheit der Beweiskette auf Basis der Beweismittel PU1 bis PU7 bestätigen soll. Zusätzlich bot sie beide Herren auch als Zeugen an.

e) Die Beschwerdeführerin argumentierte zudem erstmalig in der Beschwerdebegründung, der Gegenstand von Anspruch 1 sei auch durch die flüchtige Offenbarung "NTNU" während eines Vortrags an der NTNU neuheitschädlich vorweggenommen. Sie verwies hierzu auf die Beweismittel OD1 bis OD5. Die Präsentation OD2 offenbarten auf den Folien 7 bis 10 den Gegenstand von Anspruch 1 des Patents. Zusätzlich zu den vorgebrachten Erklärungen der Herren O.M. Aalberg (OD4) und P. Dahlborn (OD5) bot die Beschwerdeführerin diese auch als Zeugen an.

f) Nach Ablauf der Beschwerdefrist stützte die Beschwerdeführerin ihren Neuheitsangriff auch noch die flüchtige Offenbarung "Halifax", einem angeblichen Vortrag während eines Treffens des CD Clubs, und legte insoweit Beweismittel OD6 bis OD9 vor. Sie argumentierte, die in der Präsentation OD7 auf den Folien 17 bis 19 nähmen ebenfalls den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg. Insbesondere aus dem Bild der Folie 17 sei ein Innenrohr mit länglichen Schlitzen ersichtlich. Zu den Umständen der mündlichen Offenbarung reichte sie eine Erklärung OD9 von Herrn J. Lauritzen ein, welcher zudem als Zeuge angeboten wurde.

XII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Die Beschwerdegegnerin sah im verspäteten Vorbringen der Beweismittel PU4 bis PU19 den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt und betrachtete die Erklärungen bezüglich behaupteter Komplikationen beim Beschaffen von Beweismitteln auf Grund der Abspaltung der Firma Valmet von der Firma Metso im Hinblick auf die Länge der verstrichenen Zeit bis zum Einreichen des Vorbringens als nicht plausibel. Sie bemängelte auch, dass die Beschwerdeführerin im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung in keiner Weise einen Versuch unternommen habe, mögliche neue Beweismittel und Vorbenutzungseinreden auch nur anzukündigen. Sie hielt daher die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung bezüglich der Nichtzulassung der Beweismittel für korrekt und argumentierte zusätzlich, dass keine der Vorbenutzungseinreden prima facie relevant sei.

b) Bezüglich der Vorbenutzungseinrede "Karlit" bemängelte die Beschwerdegegnerin, es sei aus den vorgebrachten Beweismitteln nicht hinreichend lückenlos belegt, ob tatsächlich eine Lieferung eines "ADI 13.5 "erfolgt sei. Zudem lasse sich aus den Unterlagen nicht entnehmen, ob sich die Zeichnungen PU1 und PU6 tatsächlich auf den angeblichen Verkaufsvorgang bezögen. Für den Vortrag PU7 sei weder gezeigt, dass dieser öffentlich zugänglich gewesen sei, noch beziehe er sich auf die gleiche Anlage.

c) Bezüglich der Vorbenutzungseinrede "Kronotex" bemängelte die Beschwerdegegnerin ebenfalls, dass nichtschlüssig dargelegt sei, ob die Lieferung eines Pfropfrohres für ein als "SFA 420L" bezeichnetes Gerät erfolgt sei. Zudem sei nicht gezeigt, dass die Zeichnungen PU9 und PU11 bis PU13 mit dem angeblichen Verkaufsvorgang in Zusammenhang stehen.

d) Bezüglich der Vorbenutzungseinrede "Stora Enso Fors" bemängelte die Beschwerdegegnerin, dass das Dokument PU17 weder zweifelsfrei öffentlich zugänglich gewesen sei, noch dass die Merkmale von Anspruch 1 eindeutig hieraus hervorgingen.

e) Die Beschwerdegegnerin beantragte ferner, auch die flüchtige Offenbarung "NTNU" basierend auf den Beweismitteln OD1 bis OD5 wegen Verspätung des Vorbringens und mangelnder prima facie Relevanz nicht in das Verfahren zuzulassen. Sie bemängelte, die Merkmale von Anspruch 1 gingen nicht eindeutig aus der Präsentation OD2, Folien 7 bis 10, hervor, und es sei auch im Lichte der Erklärungen OD4 und OD5 nicht ersichtlich, dass diese Defizite durch die mündlichen Ausführungen des Vortragenden vor Ort ausgeräumt worden waren.

Entscheidungsgründe

1. Anwendbare Verfahrensordnung der Beschwerdekammern

Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen des Artikels 25 VOBK 2020 ist die revidierte Fassung auch auf am Tag des Inkrafttretens bereits anhängige Beschwerden anwendbar. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdebegründung und - erwiderung vor dem 1. Januar 2020 fristgerecht eingereicht. Daher ist Artikel 12 (4)-(6) VOBK 2020 nicht anzuwenden. Stattdessen ist Artikel 12 (4) VOBK 2007 sowohl auf die Beschwerdebegründungen als auch auf die jeweilige Erwiderung anzuwenden (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

2. Ausübung des Ermessens der Einspruchsabteilung bei der Nichtzulassung der Präsentation PPT sowie der darin enthaltenen Beweismittel PU4-PU19

2.1 In der angefochtenen Entscheidung wurden die Zulässigkeit der Beweismittel mit Bezug auf Artikel 114(2) und Regel 116(1) EPÜ wegen verspätetem Vorbringen verneint, da ausreichend Zeit bestanden habe, den bereits in der Ladung geäußerten Bedenken bezüglich der Offenkundigkeit und der offenbarten technischen Merkmale der Vorbenutzung durch weitere Substantiierung zu begegnen.

2.2 Gemäß Artikel 12(4) VOBK (2007) hat die Kammer die Befugnis, Tatsachen und Beweismittel nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen worden sind. Es ist in diesem Zusammenhang zu überprüfen, ob die Einspruchsabteilung ihr Ermessen unter Artikel 114(2) EPÜ (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G07/93, Punkt 2.6) korrekt angewendet hat. Zur Überprüfung des Ermessens können nach ständiger Rechtsprechung neben der prima facie Relevanz auch Kriterien wie der Stand des Verfahrens, der Grad der Verspätung und die Gründe des verspäteten Vorbringens herangezogen werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, IV.C.4.5.1).

2.3 Nach Auffassung der Kammer hat die Einspruchsabteilung von dem ihr zustehenden Ermessen gemäß Artikel 114(2) EPÜ korrekt Gebrauch gemacht, die Präsentation PTT mit den zusätzlichen Beweismitteln PU4-PU19 nicht in das Verfahren zuzulassen, obgleich sie davon abgesehen hat, die Beweismittel im Einzelnen zu sichten.

2.4 Zum einen wurde die Beschwerdeführerin nicht ihrer verfahrensrechtlichen Obliegenheit gerecht, alle verfügbaren Beweismittel zur Etablierung einer lückenlosen Beweiskette zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorzubringen.

In der Ladung zur mündlichen Verhandlung hatte die Einspruchsabteilung bereits explizit auf Mängel der Vorbenutzungseinrede "Karlit" hingewiesen. So hat sie bemängelt, dass in der Einspruchsschrift keine logische und geschlossene Beweiskette vorgetragen wurde. Zudem hat sie darauf hingewiesen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Beweismittel PU2 und PU3 nicht in einer offiziellen Amtssprache vorlagen.

In ihrer darauf folgenden Eingabe hatte die Beschwerdeführerin versäumt, zu diesen Einwänden überhaupt Stellung zu nehmen. Erst eine Woche vor der mündlichen Verhandlung kündigte sie die Vorlage weiterer Beweismittel für die mündliche Verhandlung an ("evidence regarding prior use (previously filed documents PU1-PU3"), ohne jedoch weitere Ausführungen zu deren Inhalt, deren Umfang oder zu den Gründen des verspäteten Vorbringens zu machen. Damit wurde seitens der Beschwerdeführerin kein Versuch unternommen, vor der mündlichen Verhandlung, geschweige denn innerhalb der Frist gemäß Regel 116(1) EPÜ, den angeblichen Tatbestand der offenkundigen Vorbenutzung "Karlit" weiter zu substantiieren.

2.5 Die Nichtzulassung war auch durch den Verfahrensstand gerechtfertigt.

Erst am Tag der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahrens hat die Beschwerdeführerin zusätzlich die Powerpoint-Präsentation PPT angeboten sowie eine druckschriftliche Kopie der Präsentation eingereicht. Die mit 65 Seiten sehr umfängliche Präsentation PPT umfasste unter anderem die zusätzlichen Beweismittel PU4 bis PU19. Zusätzlich argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Eingabe so komplex sei ("schwierig zu verstehen", Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 1), dass sie nur im Rahmen einer mündlichen Erläuterung verständlich sei, und sie sie deswegen nicht vorab eingereicht habe.

Somit umfasste das Vorbringen der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung nicht nur neue, umfangreiche Beweismittel und eine nicht zuvor eingereichte Präsentation, sondern offensichtlich auch eine komplexe neue Argumentationslinie, die nicht zuvor schriftlich erfolgt ist, so dass für die Einspruchsabteilung und für die Beschwerdegegnerin keine Gelegenheit bestanden hatte, die neuen Beweismittel und die neuen Argumente hierzu zu prüfen.

Zusätzlich gelten für eine computergenerierte Diashow wie die angebotene PowerPoint-Präsentation PPT die Grundsätze bezüglich visueller Hilfsmittel, das heißt, unter anderem sollte sie frühzeitig vor der Verhandlung angekündigt und den Beteiligten in Form einer Kopie übermittelt werden (vgl. dazu T 1122/01, Punkt 2.4). Beides hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall versäumt.

2.6 Zudem wurde das verspätete Vorbringen im Einspruchsverfahren nicht hinreichend begründet.

Mit der pauschalen Ankündigung der Beschwerdeführerin in der Einspruchsschrift, gegebenenfalls auf Nachfrage Erklärungen zur Bestätigung von Tatsachen nachzureichen ("If deemed necessary we will provide affidavits proving, for example, the dates and other information", Einspruchsbegründung, Seite 4) wird aus Sicht der Kammer weder der Pflicht gerecht, alle zu dem Zeitpunkt verfügbaren Beweismittel zur Etablierung einer lückenlosen Beweiskette vorzubringen, noch werden hiermit klar und eindeutig Probleme der Bereitstellung von Beweismitteln offenkundig gemacht, die eine Nachreichung von Beweismitteln in Aussicht stellen.

Erst in der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin Probleme in der Dokumentation während der Neuorganisation der Geschäftseinheiten der Firmen Valmet und Metso geltend gemacht sowie, dass die Beweismittel deswegen für sie zunächst nicht auffindbar gewesen seien. Diese Probleme hätten bereits mit der Einspruchsschrift, spätestens jedoch beim Nachreichen der Beweismittel angezeigt werden können. Im Übrigen können Schwierigkeiten bei der Beweisbeschaffung nicht zulasten der Verfahreneffizienz, jedenfalls aber nicht zulasten der weiteren Beteiligten des Verfahrens gehen.

3. Vorbenutzungseinrede "Karlit"

Bei der angeblichen Vorbenutzung "Karlit" handelt es sich um einen Geschäftsvorgang zwischen der Firma Metso Paper Sundsvall AB (im Weiteren "Metso"), deren Rechtsnachfolgerin die Beschwerdeführerin ist, und der Firma Karlit. Da somit die Beweismittel in der Verfügungsmacht und dem Wissen der Beschwerdeführerin liegen, gilt nach ständiger Rechtsprechung der Beweisstandard der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, der eine lückenlose Beweiskette erfordert (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a.a.O., III.G.4.3.2b). Dabei ist nachzuweisen, (i) wann die angebliche Vorbenutzung stattfand, (ii) was der Gegenstand ist, der angeblich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, und (iii) es sind die Umstände der Benutzungshandlung darzulegen.

3.1 Zulassung der zusätzlichen Beweismittel PU4 bis PU7 unter Artikel 12(4) VOBK 2007

Zwar besitzt die Beschwerdekammer ein eigenes Ermessen, von der Einspruchsabteilung zurecht vom Verfahren ausgeschlossene Dokumente und Angriffslinien bei hinreichender Relevanz dennoch im Verfahren zu berücksichtigen. Die Kammer macht jedoch von ihrer Befugnis unter Artikel 12(4) VOBK 2007 Gebrauch, und lässt die zusätzlichen Beweismittel PU4 bis PU7 nicht in das Verfahren zu, zu berücksichtigen, da,

a) diese komplexe Eingabe verspätet ins Verfahren eingebracht wurde, ohne dass dafür hinreichende Gründe anzuerkennen sind,

b) die zusätzlichen Beweismittel die Mängel in der Beweiskette ebenfalls nicht beheben und

c) die vorgelegten Beweismittel prima facie keinen neuheitsschädlichen Gegenstand offenbaren.

3.1.2 zu a) Erstmals mit der Beschwerdebegründung stellt sich heraus, dass sich lediglich die Beweismittel PU4 bis PU7 sowie die entsprechenden Teile der Präsentation PPT auf die Vorbenutzungseinrede "Karlit" beziehen. Wie unter Punkt 2. ausgeführt, hat die Kammer keinen Grund, die Ermessenausübung der Einspruchsabteilung bezüglich der Nichtzulassung dieser verspätet vorgebrachten zusätzlichen Beweismittel zu beanstanden.

3.1.3 zu b) Der Beschwerdegegnerin ist zuzustimmen, dass diese zusätzlichen Beweismittel prima facie nicht geeignet sind, eine Vorbenutzung mit Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. So ist aus ihnen nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob die technischen Zeichnungen PU1 und PU6 zu dem selben angeblichen Verkaufsvorgang gehören. Zudem sind beide mit 30. November 2005 (PU1) und 10. Mai 2004 (PU6) nachdatiert in Bezug sowohl auf Angebot (PU4) und Bestellung (PU2). Gleiches gilt auch für das Protokoll der internen Besprechung (PU5). Insofern ist nicht lückenlos gezeigt, was Gegenstand des angeblichen Verkaufs war. Für die Präsentation PU7 wurde zudem nicht gezeigt, wann und unter welchen Umständen diese öffentlich gemacht worden ist.

3.1.4 zu c) Zwar sind in PU6 Dimensionen der Durchtrittsöffnungen des Innenrohrs offenbart, dies gilt jedoch nicht für die Durchlässe des Pfropfrohrs. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass in PU1 eindeutig ein Innenrohr und ein Pfropfrohr voneinander unterscheidbar offenbart sind, so sind hier jedoch weder die Durchlässe, noch die Durchtrittsöffnungen dargestellt und ein Größenverhältnis gemäß Merkmal g.3 lässt sich auch aus der Zusammenschau beider Zeichnungen bestimmen. Diese Mängel werden weder durch die Beweismittel PU4, PU5 und PU7 behoben, noch sind sie, wie seitens der Beschwerdeführerin behauptet, inhärent aus den Beweismitteln ersichtlich. Somit zeigen die zusätzlichen Beweismittel PU4 bis PU7 prima facie nicht, dass die angebliche Vorbenutzungseinrede "Karlit" relevant für die Neuheit von Anspruch 1 sind.

3.1.5 Auf Grund der mangelnden prima facie Relevanz der Beweismittel PU4 bis PU7 ist die Nichtzulassung der verspätet vorgebrachten Beweismittel auch unter dem Aspekt der Verfahrenökonomie gerechtfertigt (siehe auch T 2165/10, Punkt 1.2).

3.2 Zulassung von PU20/PU21 unter Artikel 13(1) VOBK 2020

Die Kammer macht on ihrem Ermessen unter Artikel 13(1) VOBK 2020 Gebrauch und lässt die zusätzlichen Beweismittel PU20 und PU21 nicht in das Verfahren zu.

Die Beweismittel PU20 und PU21 wurden erst nach Ablauf der Frist unter Artikel 108 EPÜ vorgebracht. Die fast ein Jahr nach der Beschwerdebegründung eingereichten Erklärungen PU20 und PU21 sollen die fehlende Verbindung der technischen Zeichnungen PU1 und PU6 mit den Beweismitteln für den angeblichen Verkaufsvorgang PU2 bis PU5 und PU7 aufzeigen.

Entsprechende Erklärungen hätten bereits bereits zusammen mit den Beweismitteln PU4 bis PU7, spätestens aber mit der Beschwerdebegründung vorgebracht werden müssen. Zudem können die Erklärungen auch nicht zeigen, dass die Dokumente PU1 und PU6 zu den angeblichen Verkaufsvorgang gehören; es wird lediglich behauptet, es hätte sich um eine entsprechende Vorrichtung gehandelt ("... as shown on drawings PU1 and PU6"). Somit sind die Erklärungen PU20 und PU21 nicht geeignet, die Mängel der Vorbenutzungseinrede "Karlit" bezüglich der zuvor diskutierten Kriterien des lückenlosen Beweises zu beseitigen. Eine Zeugeneinvernahme der angebotenen Zeugen Hillbom und Eriksson war daher ebenfalls nicht relevant.

3.3 Substantiierung der Vorbenutzungseinrede "Karlit"

Die Einspruchsabteilung hat die Frage der hinreichenden Substantiierung der Vorbenutzungseinrede "Karlit" auf Basis der Beweismittel PU1 bis PU3 zutreffend verneint.

Wie bereits in der angefochtenen Entscheidung (Punkte 3.3.1 bis 3.3.3) korrekt festgestellt, wurde nicht überzeugend gezeigt, dass die Dokumente PU1-PU3 auf einen gemeinsamen Geschäftsvorgang bezüglich eines Verkaufs eine Vorrichtung "ADI 13.5" gemäß PU1 gerichtet sind. PU2 ist lediglich ein Angebot und bezieht sich weder auf eine Vorrichtung mit der Bezeichnung "ADI 13.5", noch wird die in PU2 dokumentierte Angebotsnummer in den Dokumente PU1 oder PU3 verwendet. Zwar bezieht sich der Besuchsbericht PU3 auf ein Produkt "ADI 13,5", ob es sich jedoch um die in PU1 abgebildete Vorrichtung handelt, ist nicht belegt. Das Dokument PU1 ist datiert auf den 2. Dezember 2005 und somit auf ein Datum über ein Jahr nach dem Angebotsdatum sowie nach dem Besuch gemäß PU3. Zudem enthält PU1 zumindest keine eindeutig von einem Pfropfrohr abgrenzbare Darstellung eines Innenrohrs mit den Merkmalen g.1 bis g.3 und insbesondere keine Durchlässe oder Durchtrittsöffnungen beziehungsweise ein Größenverhältnis dieser zueinander.

Damit sind weder die Umstände noch der Gegenstand der angeblichen Vorbenutzung "Karlit" aus den Beweismitteln PU1 bis PU3 hinreichend klar.

4. Berücksichtigung der Vorbenutzungseinreden "Kronotex" und "Stora Enso Fors"

4.1 Die Vorbenutzungseinreden "Kronotex" und "Stora Enso Fors" werden als erstmalig mit der Beschwerdebegründung vorgebracht betrachtet. Daher unterliegen sie der Prüfung, ob sie nicht bereits vor der Einspruchsabteilung - und zwar rechtzeitig sowie unter ausdrücklicher Benennung und hinreichender Substantiierung - hätten vorgelegt werden können und müssen. Zwar gibt die Beschwerdeführerin an, dass die Beweismitteln PU4-PU19 in Rahmen der Präsentation PPT bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegt wurden. Es ist jedoch weder den schriftlichen Eingaben der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren (auch nicht mit Schreiben vom 15. Februar 2017) noch dem Protokoll der mündlichen Verhandlung und ebenfalls nicht der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen, dass die Präsentation PPT und die zusätzlichen Beweismittel PU4 bis PU19 noch zwei weitere, neue Vorbenutzungseinreden umfasst.

4.2 Bei diesen Vorbenutzungseinreden handelt es sich ebenfalls wie bei "Karlit" um Geschäftsvorgänge der Firma Metso. Somit lagen auch hier die Beweismittel in der alleinigen Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin. Obgleich diese ihr noch im Einspruchsverfahren bekannt geworden sind, hat die Beschwerdeführerin versäumt, die neuen Beweismittel bereits im Einspruchsverfahren schriftlich vorab aufzubereiten und einzureichen, sowie sie überhaupt im Einspruchsverfahren explizit zu benennen und dazu vorzutragen. Mit diesem Versäumnis hat sie gegen die Regeln der Verfahrensökonomie verstoßen. Die Dokumente wären daher bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als verspätet zu betrachteten gewesen. Dies gilt weiterhin auch für das erstmalige Vorbringen mit der Beschwerdebegründung, da auch dort keine für die beiden Vorbenutzungseinreden spezifischen Gründe für das verspätete Vorbringen von der Beschwerdeführerin benannt wurden. In der Entscheidung T 691/12 (Entscheidungsbegründung, Punkt 2) gelten für eine erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Vorbenutzung unter anderem folgende Kriterien zur Überprüfung der Zulassung:

a) die Offenbarung muss prima facie wie vorgebracht relevant für die Gültigkeit des Patentes sein,

b) die Vorbenutzung muss lückenlos nachgewiesen sein.

Die angeblichen Vorbenutzungen "Kronotex" und "Stora Enso Fors" erfüllen jedoch diese Kriterien nicht.

4.3 Relevanz der angeblichen Vorbenutzung "Kronotex"

Im Fall "Kronotex" gibt es über die Bezeichnungen der Abbildungen PU9 und PU12 (SDU0003195) zwar eine Verbindung zu den Auftragsunterlagen PU8, doch ist der Einwand der Beschwerdegegnerin, dass es keine Beweise für die tatsächliche Auslieferung im Hinblick auf die vorliegenden Unterlagen gibt, korrekt. In den übrigen technischen Zeichnungen, Erklärungen und Spezifikationen (PU11 und PU13 bis PU15) gibt es keine eindeutigen Hinweise (wie eine Bestellnummer), die eine Verbindung zur Bestellung PU8 aufzeigen. Insbesondere sind PU12 und PU13 die einzigen Unterlagen, die die Merkmale des Pfropfrohrs f.2 und des Innenrohrs g.1 und g.2 offenbaren. PU13 weist aber keine erkennbare Beziehung zur Bestellung PU8 auf, außer einer Maschinenbezeichnung "SFA 420L". Somit ist die angebliche Vorbenutzung nicht lückenlos nachgewiesen.

Zudem ist nicht erkennbar, dass das Größenverhältnis gemäß Merkmal g.3 offenbart ist. Somit ist die angebliche Vorbenutzung "Kronotex" auch nicht prima facie neuheitsschädlich.

4.4 Relevanz der angeblichen Vorbenutzung "Stora Enso Fors"

Der Neuheitseinwand im Falle "Stora Enso Fors" scheitert allein schon an der fehlenden Offenbarung des Größenverhältnisses der Durchtrittsöffnungen des Innenrohrs zu den Durchlässen des Pfropfrohrs (Merkmal g.3). Weder die Zeichnung PU17, noch die Zeichnungen PU1 und PU6 zeigen diesbezüglich Details (vergleiche Punkt 3.1.4). Somit ist die angebliche Vorbenutzung "Stora Enso Fors" ebenfalls prima facie nicht neuheitsschädlich.

4.5 Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, die Vorbenutzungseinreden "Kronotex" und "Stora Enso Fors" und die zugehörigen Beweismittel PU4 bis PU19 in das Verfahren zuzulassen.

5. Zulassung des Neuheitseinwands basierend auf der flüchtigen Offenbarung "NTNU"

5.1 Die Kammer hat entschieden, von ihrem Ermessen gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 Gebrauch zu machen und das Vorbringen "NTNU" und die Beweismittel OD1 bis OD5 nicht im Verfahren zu berücksichtigen.

5.2 Erstmals mit der Beschwerdebegründung wurde eine Offenbarung flüchtiger Natur (Präsentation auf einer Konferenz) auf Basis der Beweismittel OD1-OD5 als Neuheitseinwand für den Gegenstand von Anspruch 1 des Patents geltend gemacht. Eine Begründung, warum das Vorbringen erst mit der Beschwerdebegründung erfolgt, wird nicht angegeben.

5.3 Wie bei den zuvor beschriebenen Kriterien für eine erst mit der Beschwerde vorgebrachten Vorbenutzungseinrede gilt auch für flüchtige Offenbarungen, dass die Offenbarung prima facie wie vorgebracht relevant für den Bestand des Patents sein muss und keine weiteren Ermittlungen mehr erforderlich sind. Dies ist jedoch für die flüchtige Offenbarung NTNU nicht der Fall.

In der Präsentation OD2 ist auf der Folie 10 ein Pfropfrohr mit radialen Öffnungen zu erkennen, jedoch kein Innenrohr mit Durchtrittsöffnungen (Merkmale g.1 bis g.3). In beiden Erklärungen OD4 und OD5 wird behauptet, dass in der Präsentation mündlich ein Innenrohr mit länglichen Schlitzen ("internal plug pipe comprising longitudinal slots") offenbart wurde und dies die Entwässerungscharakteristik verbessert habe. Allerdings wird in keinem der Erklärungen das Größenverhältnis der Öffnungen gemäß Merkmal g.3 erwähnt, so dass der Neuheitseinwand zumindest an diesem Punkt scheitert. Insofern ist diese flüchtige Offenbarung nicht prima facie für den Fortbestand des Patents relevant. Im Hinblick auf die mangelnde Substantiierung des Gegenstandes der Offenbarung hat die Kammer von den hierzu angebotenen Zeugeneinvernahmen abgesehen.

6. Zulassung des Neuheitseinwands basierend auf der flüchtigen Offenbarung "Halifax"

6.1 Die Kammer verneint auch die Zulassung des neuen Vorbringens "Halifax" sowie die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Beweismittel OD6 bis OD9 im Hinblick auf ihr Ermessen unter Artikel 13(1) VOBK 2020.

6.2 Die fast ein Jahr nach der Beschwerdebegründung vorgebrachte flüchtige Offenbarung "Halifax" in Form einer Präsentation auf einer Konferenz umfasst die Beweismittel OD6-OD9 und das Angebot von Herrn Lauritzen zur Zeugeneinvernahme. Eine spezifische Begründung für das späte Vorbringen dieses Einwands hat die Beschwerdeführerin nicht gegeben.

6.3 Es ist nicht prima facie ersichtlich, dass sie alle Merkmale von Anspruch 1 des Patents offenbart. In der Präsentation (OD7) offenbart Folie 19 unstreitig eine Vorrichtung gemäß des Oberbegriffs sowie ein Pfropfrohr mit Durchtrittsöffnungen (Merkmal f.2). Angeblich soll in der Figur der Folie 17 ein Innenrohr mit länglichen Schlitzen zu erkennen sein. Der diesbezügliche Teil der Figur, insbesondere die Darstellung der Öffnungen im Pfropfrohr, ist jedoch in der Präsentation zu klein, um eindeutig darunter liegende Merkmale g.1 bis g.3 eines vorgeblichen Innenrohrs zu erkennen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Verhältnis zu den Öffnungen im Pfropfrohr um ein Vielfaches kleinere Schlitze in der Präsentation sichtbar wären, ist nicht erkennbar, ob diese in einem innen am Pfropfrohr anliegenden Innenrohr oder integral am Pfropfrohr ausgeführt sind. Die Erklärung OD9 geht nur auf die (unstreitigen) Offenbarungsumstände ein und nicht auf Details der Offenbarung selbst. Somit wurde die angebotene Zeugeneinvernahme von Herrn Lauritzen von der Kammer nicht für angezeigt gehalten. Da die Merkmale g.1, g.2 und g.3 nicht eindeutig offenbart sind, mangelt es auch dem Vorbringen "Halifax" prima facie an Relevanz.

7. Die Begründung der Einspruchsabteilung betreffend die erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ hat die Beschwerdeführerin nicht inhaltlich angegriffen. Daher verbleibt es bei den Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung.

8. Nach alledem steht der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100(a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt nicht entgegen. Damit ist die Beschwerde nicht begründet.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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