T 1217/17 () of 25.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T121717.20200925
Datum der Entscheidung: 25 September 2020
Aktenzeichen: T 1217/17
Anmeldenummer: 08160816.8
IPC-Klasse: A24C5/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Aufbringen von Aromastoffen auf einen Tabakstrang, Zigarettenpapier oder Filter von Zigaretten
Name des Anmelders: Köhl Maschinenbau GmbH
Name des Einsprechenden: CB Kaymich & Co. Limited
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
European Patent Convention Art 113(1) (2007)
Schlagwörter: Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Substantiierung nicht ausreichend
Änderung des Beschwerdevorbringes
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein)
Rechtliches Gehör - Verletzung (nein)
Rechtliches Gehör - mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1914/12
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 2 016 840 widerrufen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der geltend gemachte Einspruchsgrund des Artikels 100 (a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegen stehe. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des einzigen unabhängigen Anspruchs 1 in der erteilten Fassung wurde von der Einspruchsabteilung unter Berücksichtigung des folgenden Standes der Technik:

D5 : "The Mentholating of Cigarettes: "A comparison of principles and methods for the application of menthol cigarettes", CB Kaymich & Co Limited © 2002

im Hinblick auf allgemeines Fachwissen verneint.

Die öffentliche Zugänglichkeit vor dem Prioritätsdatum der Broschüre D5, die ein von der Einsprechenden angebotenes System des Typs "CFA 1000" betrifft, ist von der Einspruchsabteilung auf der Grundlage der Aussagen des Zeugen Alexander Raddon als bewiesen angesehen worden.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens sind von der Einsprechenden auch folgende Beweismittel genannt worden:

D1 = DE 295 04 284 U1

D2 = DE 38 44 620 A1

D3 = DE 198 44 682 A1

D4 = EP 1 397 965 A1

D6 = "A New Beginning for Flavour Application", Paul Leverik, August 1992 "Tobacco reporter",

Darüber hinaus sind im Einspruchsverfahren folgende offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht worden:

P3: Lieferung eines UFA1000-Systems mit dem in den Bedienungsanleitungen D18a und D18b beschriebenen Eigenschaften an die Firma Nobleza-Picardo im März 2008

P4: Ausstellung eines AFS1000-Systems auf der "TabExpo 2007" in Paris

Diese offenkundigen Vorbenutzungen sind unter Berücksichtigung der Aussagen des Zeugen Reynolds von der Einspruchsabteilung ebenfalls als bewiesen angesehen worden.

II. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 25.09.2020 statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung, hilfsweise in geänderter Fassung im Umfang des mit der Beschwerdebegründung vorgelegten ersten oder zweiten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

Vorrichtung zum Aufbringen von flüssigen Aromastoffen, insbesondere von Flavour oder Menthol, auf einen Tabakstrang während dessen Erzeugung im Saugkanal einer Zigarettenmaschine und/oder auf das Zigarettenpapier und/oder in die Zuführeinrichtung von Filtern einer Filtermaschine, umfassend einen Vorratsbehälter für den Aromastoff, eine den Vorratsbehälter mit der Zigarettenmaschine und/oder der Zuführeinrichtung der Filtermaschine verbindende Leitung mit einer Düseneinrichtung und einer Pumpe zum Zuführen des Aromastoffs aus dem Vorratsbehälter zur Düse in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine bzw. der Filtermaschine, wobei der Vorratsbehälter und die Pumpe in einem an die Zigarettenmaschine bzw. die Filtermaschine anschließbaren Gerät untergebracht sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung mit mehreren messwertgesteuerten Dosiersystemen zur Versorgung von jeweils einem Strang einer Zigarettenmaschine (3) bzw. Filtermaschine mit Aromastoffen ausgestattet ist, wobei die Dosiersysteme als geschlossene Regelkreise ausgebildet sind, die Dosierpumpen, entsprechende Ventileinheiten und Durchflussmesser umfassen.

V. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Unzulässige Erweiterung

Hinsichtlich der von der Beschwerdegegnerin beanstandeten unzulässigen Erweiterung durch die Einführung im Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1 der Merkmalskombination, dass die Regelkreise "Dosierpumpen, entsprechende Ventileinheiten und Durchflussmesser umfassen", schließt sich die Beschwerdeführerin der Einschätzung und Ausführungen der Einspruchsabteilung an, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügt. In der mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin keine weitere Argumente vor.

Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D5 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die Einspruchsabteilung eine verzerrte Auslegung des Gegenstandes des Anspruchs 1 zu Grunde gelegt hat, die zu einer unzutreffenden Merkmalanalyse und somit zu einer sich daraus ergebenden, falschen Einschätzung der erfinderischen Höhe geführt habe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich vom technischen Inhalt der Broschüre D5 nicht nur durch die mehrstrangige Ausführung der messwertgesteuerten Dosiersysteme. Dem gesamten Wortlaut des Anspruchs 1 sei für den Fachmann vielmehr unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei den beanspruchten "Dosierpumpen" in der Tat um regelbaren Verstellpumpen handele, die - anders als bei der einzigen Konstantpumpe der Vorrichtung gemäß D5 - Bestandteile der die Dosiersysteme ausbildenden Regelkreise seien und im Betrieb in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine geregelt würden. Wie vom Zeugen Raddon bestätigt, werde bei der Vorrichtung gemäß D5 eine Konstantpumpe eingesetzt, deren Förderleistung nicht in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine geregelt sei, sondern einfach vorprogrammiert. Die Regelung der auf den Strängen aufzubringenden Aromastoffmenge erfolge somit nicht über die Pumpe, die im Betrieb lediglich eine konstante, vorprogrammierbare Fördermenge leiste, sondern durch die Verstellung der in der Abbildung auf Seite 10 der D5 gezeigten Ventileinheit. Zudem und im Unterschied zur Dosierpumpe des Anspruchs 1 gehöre die ungeregelte Konstantpumpe der Vorrichtung gemäß D5 nicht dem Regelkreis an. Unter Berücksichtung dieser zusätzlichen, unterscheidenden Merkmale beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil für den Fachmann keine Anregung bestehe, die einzige, ungeregelte Konstantpumpe der aus D5 bekannten Vorrichtung durch eine Mehrzahl von in Abhängigkeit der Produktionsgeschwindigkeit geregelten Verstellpumpen zu ersetzen, die in den Regelkreisen der jeweiligen Dosiersysteme integriert sind.

Weitere Angrifflinien unter Artikel 56 EPÜ basierend auf D1 in Kombination mit D5, D1-D4, D6, P3 und P4

Die Beschwerdeführerin tritt der Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung angekündigten Einwände unter Artikel 56 EPÜ basierend auf D6, auf D1 in Kombination mit D5 und auf den Dokumenten D1-D4 mit der Begründung entgegen, dass diese Einwände in der Beschwerdeerwiderung gar nicht substantiiert sind. Diese Beanstandung wird auch hinsichtlich der auf den offenkundigen Vorbenutzungen P3 und P4 basierenden Angriffe erhoben, mit dem Argument, dass die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung nicht präzise angegeben habe, welche Merkmale des Anspruchs 1 durch welche konkreten Passagen dieser Beweismittel vorweggenommen werden sollen. Zudem seien weder eine Aufgabestellung formuliert noch Ausführungen auf der Grundlage des "problem-solution approach" vorgetragen worden. Die in der mündlichen Verhandlung angekündigte erstmalige Substantiierung der auf den oben genannten Beweismitteln beruhenden Angrifflinien sei als eine ungerechtfertigte Änderung des Beschwerdevorbringens anzusehen, die unter Artikel 13(1) VOBK 2020 nicht zuzulassen sei.

Rüge gemäß Regel 106 EPÜ wegen fehlenden rechtlichen Gehörs

Zu der kurz vor des Abschlusses der mündlichen Verhandlung eingereichten Rüge gemäß Regel 106 wegen fehlenden rechtlichen Gehörs unter Artikel 113(1) EPÜ führt die Beschwerdeführerin aus, dass über die strittige Frage der Zulassung der angekündigten, erstmaligen Ausführungen zu den in der Beschwerdeerwiderung nicht substantiierten Angriffslinien über eine Stunde diskutiert wurde, und dass die darauffolgende Entscheidung, diese Ausführungen nicht zuzulassen gemäß Artikel 13(1) VOBK 2020 im Ermessen der Kammer lag. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs kann somit nicht die Rede sein.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Unzulässige Erweiterung

Die Beschwerdegegnerin tritt der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung entgegen mit der Begründung, dass für die unter Artikel 123(2) EPÜ bestrittene Merkmalskombination des Anspruchs 1 keine Basis in der ursprünglichen Anmeldung vorhanden sei bzw. dass diese Merkmalskombination eine unzulässige Verallgemeinerung der bevorzugten Ausführungsform im Absatz [0034] der ursprünglichen Anmeldung in Kombination mit Figur 7 darstelle.

Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf D5 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen

Hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass der Begriff "Dosierpumpe" im Anspruch 1 breit auszulegen sei, so dass er nicht als regelbare Verstellpumpe interpretiert werden könne. Auch im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin erwähnten Passagen des Absatzes [0035] der ursprünglichen Anmeldung sei eine engere Auslegung des Begriffes "Dosierpumpe" als regelbare Verstellpumpe nicht gerechtfertigt. In der Abbildung auf Seite 10 der Broschüre D5 sei ein Regelkreis mit einer Dosierpumpe im Sinne des Anspruchs 1 offenbart, der ebenfalls entsprechende Ventileinheiten und Durchflussmesser zur Regelung der Förderleistung der Pumpe in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine unter Verwendung eines "Machine Encoder" (siehe Abbildung oben links) umfasst. Dieser Regelkreis falle unter den Wortlaut des Anspruchs 1. Folglich sei die Merkmalsanalyse der Einspruchsabteilung sowie die sich daraus ergebende Schlussfolgerung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D5 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht, zutreffend.

Weitere Angrifflinien unter Artikel 56 EPÜ basierend auf D1 in Kombination mit D5, D1-D4, D6, P3 und P4

Hinsichtlich der Frage der Substantiierung der auf den Dokumenten D1-D4 und D6 beruhenden Argumentationslinien, insbesondere auf der Kombination von D1 mit D5, vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass diese Argumentationslinien durch den klaren Bezug in der Beschwerdeerwiderung auf den jeweiligen, im schriftlichen Einspruchsverfahren vorgelegten Ausführungen als substantiiert im Sinne des Artikels 12(2) VOBK 2007 anzusehen seien. Dass diese Argumentationslinien in der Beschwerdeerwiderung nicht ausführlich vorgetragen wurden, sei darauf zuführen, dass die Einspruchsabteilung das Streitpatent nur auf der Grundlage der Druckschrift D5 im Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen widerrufen hat, und dass die Patentinhaberin an der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat.

Hinsichtlich der ausreichenden Substantiierung der auf den offenkundigen Vorbenutzungen P3 und P4 beruhenden Angrifflinien führt die Beschwerdegegnerin aus, dass diese Beweismittel, im Hinblick auf die engere Auslegung des technischen Inhalts des Anspruchs 1, die von der Kammer in der mündlichen Verhandlung vertreten wurde, einen besseren Ausgangspunkt für das Streitpatent darstellen, weil sie auch die Verwendung einer Verstellpumpe offenbaren. Eine ausreichende Substantiierung in der Beschwerdeerwiderung sei durch den Verweis auf den Absatz 1.2.2 der Bedienungseinleitung D18a der UFA1000 Maschine und auf die Beschreibung D18b des darin verwendeten Flussmessers (offenkundige Vorbenutzung P3), sowie auf die Entgegenhaltung D14 in Kombination mit den Aussagen des Zeugen Reynolds vorhanden (offenkundige Vorbenutzung P3).

Darüber hinaus sei nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (es wurde auf die T 1914/12 verwiesen) die erstmalige Vorlage bzw. Expandierung von Argumenten, insbesondere wenn sie auf bereits vorgelegten Beweismitteln basieren, nicht als Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne des Artikels 13(1) VOBK 2020 anzusehen. Die Kammer solle daher die erstmalige Darlegung in der mündlichen Verhandlung der auf den oben genannten Entgegenhaltungen beruhenden Angrifflinien zulassen.

Rüge gemäß Regel 106 EPÜ wegen fehlenden rechtlichen Gehörs

Kurz vor dem Ende der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin eine schriftliche Rüge gemäß Regel 106 EPÜ ein. Es wird darin behauptet, dass die Entscheidung der Kammer, die auf den Dokumenten D1-D4, 6, auf der Kombination von D1 mit D5, sowie auf P3 und P4 basierenden, angekündigten Ausführungen zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit in der mündliche Verhandlung nicht zuzulassen, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdegegnerin im Sinne des Artikels 113(1) EPÜ darstelle.

Entscheidungsgründe

Unzulässige Erweiterung: Artikel 123(2) EPÜ

1. In der mündlichen Verhandlung verwiesen beide Parteien hinsichtlich dieses Punkts auf den jeweiligen, schriftlichen Sachverhalt.

1.1 Die Kammer schließt sich der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügt.

1.2 Die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass für die strittige Merkmalskombination des Anspruchs 1, wonach

"die Dosiersysteme als geschlossene Regelkreise ausgebildet sind, die Dosierpumpen, entsprechende Ventileinheiten und Durchflussmesser umfassen."

keine Basis in der ursprünglichen eingereichten Anmeldung vorhanden sei, kann aus folgenden Gründen nicht geteilt werden:

Wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung zutreffend festgestellt hat, geht aus der ursprünglichen Anmeldung (es wird hierbei auf die A-Schrift Bezug genommen) unmittelbar und eindeutig hervor, dass die Vorrichtung gemäß Streitpatent wenigstens ein Dosiersystem umfasst (vgl. Absatz [0004]), das eine Dosierpumpe aufweist (vgl. Absatz [0010]), wobei das Dosiersystem als geschlossener Regelkreis ausgebildet ist (vgl. Absatz [0018]). Im Absatz [0034] der ursprünglichen Beschreibung werden - wie im Anspruch 1 beansprucht - die Dosierpumpen in Kombination mit entsprechenden Ventileinheiten und Durchflussmessern offenbart, wobei für den Fachmann eindeutig erkennbar ist, dass es sich dabei um die gleichen und selben Dosierpumpen des in den Absätzen [0004], [0010] und [0018] beschriebenen Dosiersystems handelt.

1.3 Zur beanstandeten unzulässigen Verallgemeinerung ist die Kammer der Auffassung, dass der Fachmann ohne weiteres erkennt, dass die im Absatz [0034] beschriebene Anordnung/Positionierung der Dosierpumpen, sowie der entsprechenden Ventileinheiten und Durchflussmesser relativ zu anderen Elementen der Vorrichtung (d.h. Puffertank (28), Reinigungsmitteltank sowie Seitenräume (34) und (35)) für die allgemeine Funktionalität des jeweiligen Dosiersystems nicht wesentlich ist. Diese vorgeschlagene Anordnung/Positionierung ist daher nicht mit den restlichen Merkmalen des Ausführungsbeispiels des Absatzes [0034] funktionell/strukturell untrennbar verbunden, so dass eine Isolierung der strittigen, oben genannten Merkmalskombination aus der oben erwähnten Ausführungsform zu keiner unter Artikel 123(2) EPÜ unzulässigen Verallgemeinerung führt. Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass die im Anspruch 1 fehlende Anordnung/Positionierung doch funktional wesentlich sei, wurde nicht durch technische Begründungen substanziiert und ist somit nicht überzeugend.

Auslegung des Begriffs "Dosierpumpe"

2. Der entscheidende Diskussionspunkt bei der strittigen Frage des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit besteht in der Auslegung des Begriffs "Dosierpumpe" im technischen Kontext des Anspruchs 1. Unter diesem Fachbegriff und im Hinblick auf den Gegenstands des Anspruchs 1 ("Vorrichtung zum Aufbringen von flüssigen Aromastoffen") versteht der Fachmann eine Pumpe, die eine genau bestimmte Menge an Flüssigkeit fördern kann. Es wird zwischen den Parteien darüber diskutiert, ob bei der Dosierpumpe des Anspruchs 1 - wie von der Beschwerdegegnerin behauptet - die geforderte, bestimmte Menge an Aromastoff voreingestellt wird und im Betrieb konstant bleibt, oder ob stattdessen - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - die Menge an Aromastoff über die Pumpe, in Abhängigkeit von anderen Betriebsparametern in Echtzeit geregelt werden kann.

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollte der Fachmann, bei der Auslegung eines Anspruchs versuchen, durch Synthese, also eher aufbauend als zerlegend, zu einer technisch sinnvollen Interpretation zu gelangen, bei welcher auch der gesamte technische Inhalt des Anspruchs berücksichtigt wird. Unter Beachtung dieser Bestimmungen versteht der Fachmann aus der folgenden Formulierung des Oberbegriffes des Anspruchs 1:

"..mit einer Düseneinrichtungen und einer Pumpe zum Zuführen des Aromastoffs aus dem Vorratsbehälter zur Düse in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine..",

dass (auch) die Förderleistung der Pumpe, die das Zuführen des Aromastoffs aus dem Vorratsbehälter zur Düse gewährleistet, an die Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine irgendwie angepasst wird.

2.2 Zudem entnimmt der Fachmann dem Kennzeichen des Anspruchs 1, dass jede einzelne Dosierpumpe, zusammen mit den dazugehörigen Ventileinheiten und Durchflussmessern, Teil des Regelkreises ist, der das jeweilige Dosiersystem bildet. Anders als von der Beschwerdegegnerin behauptet, entnimmt somit der Fachmann dem gesamten technischen Inhalt des Anspruchs 1, dass die in der Vorrichtung gemäß Streitpatent verwendeten Dosierpumpen keine einfachen Konstantpumpen, sondern im Regelkreis integrierte und somit regelbare Verstellpumpen sind, deren Förderleistung in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine geregelt wird. Folglich teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Begriff des Anspruchs 1 "Dosierpumpe" im vorliegenden Kontext als regelbare Verstellpumpe auszulegen ist.

Erfinderische Tätigkeit: Artikel 56 EPÜ

D5 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen

3. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass die Pumpe der in der Broschüre D5 offenbarten Vorrichtung (siehe insbesondere Seiten 9 und 11 sowie Abbildung auf Seite 10) eine herkömmliche Konstantpumpe ist, die zwar auf eine konstante Förderleistung vorprogrammiert werden kann (vgl. D5, Seite 11, "Programmable pump speed"), aber keine Regelungsmöglichkeit besitzt. Diese Auslegung des technischen Inhalts der Broschüre D5 hinsichtlich der Art der verwendeten Pumpe wurde ebenfalls vom Zeugen Raddon während der vor der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme bestätigt.

3.1 Dementgegen liest die Beschwerdegegnerin in der Beschreibung der Funktionsweise der bekannten Vorrichtung (vgl. Seite 9 der Broschüre D5) einen klaren Hinweis darauf, dass die Förderleistung der dort eingesetzten Pumpe auch in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine geregelt wird. Die Kammer kann diese Ansicht aus folgenden Gründen nicht teilen:

Auf Seite 9 der Broschüre D5, dritter Absatz, wird ausdrücklich erwähnt, dass nach dem Starten der Vorrichtung die Pumpe die Flüssigkeit mit konstanter Geschwindigkeit fördert ("The pump (runnig at constant speed) pumps the fluid ..."). Man kann somit davon ausgehen, dass die von der Pumpe geförderte Menge an Aromastoff während des gesamten Betriebs konstant bleibt. Der Zufluss von Aromastoff wird dann gemessen, mit einem vorbestimmten Sollwert verglichen und mittels einer verstellbaren Drosselanordnung (vgl. "Regulator Motor/Valve Assembly" in der Abbildung auf Seite 10) geregelt (vgl. Absätze 8 und 9 der Seite 9). Sollte die Abweichung vom Sollwert außerhalb eines bestimmten Toleranzbereiches liegen, dann werden die betroffenen, mangelhaften Zigaretten verworfen (vgl. Absatz 10). Entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin findet somit bei der Vorrichtung gemäß D5 die Regelung des Zuflusses des Aromastoffes zum Zigarettenstrang in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine nicht über die Regelung der Fördermenge der Pumpe statt, sondern über die Steuerung der Drosselanordnung. Aus diesen Gründen vertritt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Pumpe der bekannten Vorrichtung gar nicht geregelt wird und somit, anders als im Anspruch 1 angegeben, nicht zum Regelkreis des Dosiersystems gehört.

3.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert weiterhin, dass bei der Anordnung auf Seite 10 der Broschüre D5 eine Signalleitung zwischen der Pumpe und der CPU angezeigt wird, die darauf hinweisen soll, dass die Pumpe, nämlich ihre Förderleistung, durch die CPU doch gesteuert/geregelt wird. Auch diese Argumentation ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend:

Gemäß der Abbildung auf Seite 10 der D5 ist der Encoder der Zigarettenmaschine (siehe oben links) seinerseits nur mit der CPU gekoppelt. Welche Steuerungssignale zwischen der CPU und der Pumpe über die angezeigte Signalleitung ausgetaucht werden, ist in der Broschüre D5 nicht offenbart. Folglich kann die von der Beschwerdegegnerin behauptete Steuerung der Pumpe durch Steuerungssignale der Zigarettenmaschine, nämlich durch Steuerungssignale aus dem Encoder, der D5 nicht eindeutig und unmittelbar entnommen werden.

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von dem Inhalt der Broschüre D5 nicht lediglich - wie von der Einspruchsabteilung festgestellt - durch die mehrstrangige Ausführung der Dosiersysteme, sondern auch dadurch, dass die Dosierpumpen Bestandteil des jeweiligen messwertgesteuerten Dosiersystems sind und zu den jeweiligen geschlossenen Regelkreis gehören, so dass die Dosierpumpen zur Regelung der Zuführung des Aromastoffes zur Düseneinrichtung in Abhängigkeit von der Produktionsgeschwindigkeit der Zigarettenmaschine aktiv beitragen. Dies ist bei der aus der Broschüre D5 bekannten Vorrichtung nicht der Fall, weil dort - wie oben ausgeführt - die Regelung der Zuführung des Aromastoffes zur Düseneinrichtung ausschließlich über die Steuerung der Drosseleinheit erfolgt.

3.4 Ausgehend von der Vorrichtung der Broschüre D5 und im Hinblick auf die oben genannten, zusätzlichen unterscheidenden Merkmale, stimmt die Kammer grundsätzlich der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung ausgeführten Aufgabestellung zu, nämlich:

den gleichzeitigen und gleichmäßigen Auftrag von Aromastoffen auf mehreren Tabaksträngen einer Mehrstrangzigarettenmaschine zu gewährleisten.

3.5 In Abweichung von der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin an, dass die im Anspruch 1 zur Lösung der oben genannten Aufgabe vorgeschlagene Lösung auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne der Artikel 52(1) und 56 EPÜ beruht.

Selbst wenn, im Einklang mit der Begründung der Einspruchsabteilung, eine Vervielfachung des bekannten Dosiersystems zum Zweck eines gleichzeitigen Auftrags von Aromastoffen auf mehreren Tabaksträngen als eine naheliegende Weiterbildung der bekannten einsträngigen Vorrichtung angesehen werden könnte, besteht für den Fachmann keine Anregung, die außerhalb des Regelkreises angeordnete, ungeregelte Konstantpumpe der Vorrichtung der D5 durch eine Verstellpumpe zu ersetzen, die Teil des Dosiersystems ist. Eine solche Modifizierung würde außerdem komplexe Anpassungen der Steuerungseinrichtung sowie ein Verzichten auf die regelbare Drosselanordnung voraussetzen, was jeweils nicht als naheliegend angesehen werden kann. Die Argumentation der Beschwerdegegnerin, die im Wesentlichen auf der sich vom technischen Inhalt der Broschüre D5 unterscheidenden, mehrstrangigen Ausführung der Dosiersysteme basiert und ergänzend darauf verweist, dass die Auswahl eine Verstellpumpe anstatt einer Konstantpumpe für den Fachmann naheliegend sei, ist somit nicht überzeugend.

Weitere Angrifflinien unter Artikel 56 EPÜ basierend auf D1 in Kombination mit D5, D1-D4, D6 sowie auf P3 und P4 - Vortrag in der Beschwerdeerwiderung

4. Im Laufe der mündliche Verhandlung kündigte die Beschwerdegegnerin an, dass sie, als Reaktion auf die oben ausgeführte Schlussfolgerung der Kammer, weitere Angrifflinien basierend auf den Dokumenten D1-D4 und D6, insbesondere auf der Kombination von D1 mit D5, sowie auf den offenkundigen Vorbenutzungen P3 und P4 vortragen wolle. Die Beschwerdeführerin trat der Berücksichtigung eines auf diesen Angrifflinien basierenden Vortrags entgegen mit der Begründung, dass sie in der Beschwerdeerwiderung entweder nicht ausreichend oder gar nicht substantiiert sind.

Argumentationslinien basierend auf D1-D4 und D6 sowie auf der Kombination von D1 mit D5

4.1 Die Kammer stellt fest, dass diese Argumentationslinien in der Beschwerdeerwiderung lediglich mit einem bloßen Verweis auf die eigene Argumentation zum Einspruchsgrund des Artikel 100(a) EPÜ im vorangehenden, schriftlichen Einspruchsverfahren erwähnt worden sind. Nähere Angaben dazu, welcher Teil des bisherigen Vortrags zur Stützung welcher Angriffslinie im Beschwerdeverfahren herangezogen werden soll, fehlen. Darüber hinaus scheinen auch die im Einspruchsverfahren eingereichten Schriftsätze keinen diesbezüglichen ausführlichen Vortrag zu enthalten. Damit überließ die Beschwerdegegnerin es ganz der Kammer und der Beschwerdeführerin herauszufinden, inwiefern und aus welchen Gründen die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 im Hinblick auf den technischen Inhalt dieser Entgegenhaltungen in Frage gestellt werden soll. Im Einklang mit ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern, vertritt die Kammer die Auffassung, dass sich ein Beteiligter nicht darauf beschränken kann, ein Konvolut von Dokumenten vorzulegen ohne substantiiert vorzutragen, welche Tatsachen durch welche konkreten Passagen oder Figuren dieser Dokumente belegt werden sollen.

4.2 In diesem Zusammenhang verweist die Kammer auf die ersten zwei Sätze des Artikels 12 (2) VOBK in der Fassung 2007, die gemäß Artikel 25 VOBK 2020 auf dieser Beschwerde anzuwenden ist, wonach:

"Die Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen." (Hervorhebung durch die Kammer).

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern reicht ein bloßer Verweis auf die erstinstanzlichen Ausführungen als Begründung im Sinne von Regel 99(2) EPÜ und von Artikel 12(2) VOBK 2007 nicht aus, so dass die von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung angekündigten Angrifflinien als unsubstantiiert anzusehen sind.

4.3 Die Argumentation der Beschwerdegegnerin, dass das Ausbleiben einer ausführlichen Substantiierung dieser Argumentationslinien in der Beschwerdeerwiderung dadurch gerechtfertigt sei, dass die angefochtene Entscheidung nur auf der Grundlage der Broschüre D5 zu Gunsten der Beschwerdegegnerin getroffen wurde, und dass die Beschwerdeführerin an der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hatte, kann die Kammer nicht überzeugen. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Umstände ändern nichts an der Tatsache, dass eine im Sinne der Regel 99(2) EPÜ und des Artikels 12(2) VOBK 2007 ausreichende Substantiierung sämtlicher im Beschwerdeverfahren ggf. vorzutragenden Angrifflinien hinsichtlich des Mangels an erfinderischer Tätigkeit bereits in der Beschwerdeerwiderung hätte enthalten sein sollen, wenn die Beschwerdegegnerin die Argumentationslinien für relevant erachtet.

4.4 Demzufolge werden die Andeutungen dieser Angrifflinien in der Beschwerdeerwiderung unter Artikel 12(2) VOBK 2007 in Kombination mit Artikel 12(4) VOBK 2007, letzter Halbsatz, nicht berücksichtigt.

Argumentationslinien basierend auf den offenkundigen Vorbenutzungen P3 und P4

5. Hinsichtlich der auf den offenkundigen Vorbenutzungen P3 (Lieferung einer Maschine des Typs UFA1000) und P4 (Ausstellung einer Maschine des Typs AFS1000 bei der TabExpo 2007 in Paris) beruhenden Angrifflinien wird von der Beschwerdeführerin ebenfalls mangelnde Substantiierung beanstandet und ihrer Berücksichtigung unter Artikel 12(2) VOBK 2007 in Kombination mit Artikel 12(4) VOBK 2007 und Artikel 13(1) VOBK 2020 entgegengetreten.

5.1 Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass diese Beweismittel einen besseren Ausgangspunkt für das Streitpatent als die Vorrichtung gemäß D5 darstellen, weil sie alle Merkmale des Anspruchs 1 bis der mehrstrangigen Ausführung der Dosiersystem aufweisen, wurde in der Beschwerdeerwiderung nicht dargelegt. Es ist insoweit der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass in der Beschwerdeerwiderung keine konkreten Fundstellen angegeben sind, die belegen sollten, welche Merkmale des Anspruchs 1 von diesen Entgegenhaltungen vorweggenommen sind. Wie auch zutreffend von der Beschwerdeführerin angemerkt, beschreibt die einzige angegebene Fundstelle der P3 (siehe Punkt 1.2.2 der Bedienungsanleitung D18a der Maschine des Typs UFA1000) lediglich die Ausgestaltung der verwendeten Pumpe als Doppelkopfkolben. Ein konkreter Hinweis auf das Vorhandensein einer Regelung der Pumpe ist in dieser Passage nicht zu finden. Dokument D18b sollte den sogenannten "closed-loop control mode" des verwendeten Flussmessers beschreiben. Auch in diesem Fall wird aber keine relevante Passage des D18b angegeben, sondern, ganz im Allgemeinen, auf die Ansagen des Zeugens Herrn Reynolds verwiesen.

5.2 P4 betrifft die Aufstellung einer Maschine des Typs AFS1000 bei der "TabExpo 2007" in Paris. Es wird dabei lediglich auf eine sogenannten "display card" (D14) und noch einmal allgemein auf sämtliche Aussagen des Zeugen Reynolds verweisen.

5.3 Im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin stellt die Kammer somit fest, dass der Vortrag in der Beschwerdeerwiderung zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit basierend auf den offenkundigen Vorbenutzung P3 und P4 weder eine konkrete Analyse der dort jeweils offenbarten Merkmale noch eine sich daraus ergebende Aufgabestellung enthält. Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin nicht knapp und deutlich angegeben, aus welchen Gründen der Fachmann, ausgehend von P3 oder P4, ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen sollte.

5.4 Die Kammer ist somit der Auffassung, dass die Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit basierend auf P3 und P4 als Begründung im Sinne von Regel 99(2) EPÜ und Artikel 12(2) VOBK 2007 nicht ausreichen und somit als unsubstantiiert anzusehen sind. Demzufolge werden auch die Andeutungen dieser Angrifflinien in der Beschwerdeerwiderung unter Artikel 12(2) VOBK 2007 in Kombination mit Artikel 12(4) VOBK 2007, letzter Halbsatz, nicht berücksichtigt.

Änderung des Beschwerdevorbringens

6. Zur debattierten Frage der Zulassung der in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin angekündigten "Expandierung" des als nicht ausreichend substantiiert angesehenen Vortrags zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit basierend auf D1-D4, D6, auf der Kombination von D1 mit D5 sowie auf P3 und P4, merkt die Kammer Folgendes an:

6.1 Nach Artikel 13(1) VOBK in der Fassung 2020, die auf diese Beschwerde anzuwenden ist, bedürfen Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten. Zudem steht die Zulassung solcher Änderungen im Ermessen der Kammer.

6.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert zum einen, dass es sich bei dem angekündigten Vortrag um kein neues Beschwerdevorbringen im Sinne des Artikels 13(1) VOBK 2020 handele, sondern um eine in jeder Phase des Beschwerdeverfahrens zulässige Weiterentwicklung von in der Beschwerdeerwiderung bereits erwähnten Argumenten, die sich auf im Verfahren befindliche Entgegenhaltungen stützen. Die Kammer kann sich dieser Ansicht aus folgenden Gründen nicht anschließen:

6.3 Zu den Dokumenten D1-D4 und D6 bzw. zu der Kombination von D1 mit der Broschüre D5 ist in der Beschwerdeerwiderung gar nichts vorgetragen. Demzufolge wäre jegliche zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vorzutragende Ausführung zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit, die sich auf diesen Beweismitteln stützt, als ein vollkommen neues Beschwerdevorbringen anzusehen, bestehend aus neuen Tatsachen sowie aus neuen Argumenten zur Darlegung dieser Tatsachen, dessen Zulassung nach Artikel 13(1) VOBK 2020 im Ermessen der Kammer liegt.

6.4 Zu den offenkundigen Vorbenutzungen P3 und P4 merkt die Kammer an, dass der Beschwerdeerwiderung lediglich die Auffassung der Beschwerdegegnerin zu entnehmen ist, dass diese Entgegenhaltungen einen besseren Ausgangpunkt für den Gegenstand des Anspruchs 1 im Vergleich zu D5 darstellen. Wie hinsichtlich der Substantiierungsfrage vorgetragen wurde (siehe vorstehende Punkte 5. bis 5.4), hat die Beschwerdegegnerin keine logische Argumentationskette zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit vorgetragen (d.h. Merkmalanalyse, Aufgabestellung, Begründung auf Basis des "problem-solution approach"), die aus diesen Entgegenhaltungen hervorgeht. Auch in diesem Fall würde somit jeglicher zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vorzutragende Vortrag zum Artikel 56 EPÜ eine substantielle Änderung des Beschwerdevorbringens beinhalten, deren Zulassung im Hinblick auf die Bestimmungen des Artikels 13(1) VOBK 2020 im Ermessen der Kammer liegt.

6.5 Unter Verweis auf die T1914/12 führt die Beschwerdegegnerin aus, dass die Zulassung von neuen, für die zutreffende Entscheidung relevanten Argumenten - anders als bei der Zulassung von neuen Tatsachen und Beweismitteln -, nicht im Ermessen der Kammer liegt. Diese Argumentation ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend:

Die Kammer vertritt die Auffassung, dass es sich bei den angekündigten, vorzutragenden Ausführungen nicht lediglich um neuen "Argumente" handelt, sonder auch um neue relevante "Tatsachen", wie z.B. die in der Beschwerdeerwiderung fehlende Merkmalanalyse, sowie die Angabe der konkreten Passagen in den oben genannten Beweismittel, die die von der Beschwerdegegnerin als bekannt betrachteten Merkmale des Anspruchs 1 vorwegnehmen. Die Ausübung des Ermessens im Sinne des Artikels 13(1) VOBK 2020 bei der Zulassungsentscheidung über die in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal vorzutragenden Ausführungen ist daher gerechtfertigt.

6.6 Artikel 13(1) VOBK 2020 sieht vor, dass der Beteiligte die Gründe dafür angeben muss, weshalb er die Änderungen erst in einer späten Phase des Beschwerdeverfahrens einreicht. Zudem enthält Artikel 13(1) VOBK 2020 eine nicht erschöpfende Liste von Kriterien die von der Kammer bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt werden soll.

6.7 Die Beschwerdegegnerin rechtfertigt den angekündigten, erstmaligen Vortrag zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit dadurch, dass die Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung zu Gunsten der Beschwerdegegnerin ausschließlich auf der Grundlage der Broschüre D5 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen entschieden hatte, und dass die Beschwerdeführerin an der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hatte. Unter diesen Umständen habe es die Beschwerdegegnerin für opportun erachtet, sich in der Beschwerdeerwiderung nur auf eine vollständige Ausführung zur Kombination der Broschüre D5 mit dem allgemeinen Fachwissen zu beschränken, weil sie die einzige war, die in der angefochtenen Entscheidung und in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin berücksichtigt wurde.

6.8 Die Kammer kann diese Argumentation aus folgenden Gründen nicht teilen:

Aus der Diskussion im erstinstanzlichen Verfahren, sowie aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung ging zweifellos hervor, dass die Auslegung des Begriffs "Dosierpumpe" im Hinblick auf den Inhalt der D5 der entscheidende Diskussionspunkt im Beschwerdeverfahren werden würde. Dass die Kammer bei der Prüfung des schriftlichen Beschwerdevorbringens der für die Beschwerdegegnerin günstigen Auslegung der Einspruchsabteilung nicht hätte folgen können, ist als eine mögliche und vorhersehbare Entwicklung des Beschwerdeverfahrens anzusehen, die die Beschwerdegegnerin bei der Ausarbeitung der Beschwerdeerwiderung nicht hätte außer Acht gelassen werden dürfen. Die Beschwerdegegnerin hätte somit sämtliche, ihrer Auffassung nach für die Frage der erfinderischen Tätigkeit relevante Argumentationslinien bereits in der Beschwerdeerwiderung ausreichend substantiieren müssen. Folglich kann die Kammer die Unterbreitung erstmaliger Vorträge zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht durch eine unvorhersehbare Entwicklung des Beschwerdeverfahrens rechtfertigten.

6.9 Bei der Ausübung des durch Artikel 13(1) VOBK 2020 eingeräumten Ermessens berücksichtigt die Kammer unter anderem den Stand des Verfahrens, und ob die in Frage kommenden Änderungen des Beschwervorbringens der Verfahrensökonomie abträglich sind. In dem vorliegenden Fall handelt es sich um ganz neue Vorträge, deren Zulassung komplexe neue Fragen in einem sehr späten Stadium des Beschwerdeverfahrens aufwerfen würde, deren Erörterung zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung zwangläufig eine negative Auswirkung auf die Verfahrensökonomie zur Folge haben würde. In einer solchen Situation kann auch von der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden, dass sie in kurzer Zeit eine Entgegnung auf erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ausführungen, die in der Beschwerdeerwiderung nicht ausreichend oder gar nicht substantiiert wurden, ausarbeitet. Zudem ließ bereits die von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung in Grundzügen ausgeführte präferierte Angriffslinie ausgehend von D1 in Kombination mit D5 keine Eignung erkennen, die aufgeworfenen Probleme zu lösen, also das Fehlen der erfinderischen Tätigkeit zu belegen, so dass dies auch von den weniger präferierten nicht zu erwarten gewesen wäre. Auch die Darlegungen der Beschwerdegegnerin zu den Vorbenutzungen P3 und P4 ließen nicht erkennen, dass diese zur Lösung ihres Anliegens, den behaupteten Mangel an erfinderischer Tätigkeit zu belegen, geeignet gewesen wären. Die Beschwerdegegnerin konnte keine konkreteren Punkte belegen, die in den Vorbenutzungen P3 oder P4 die fehlenden Merkmale besser als in D5 offenbart oder jedenfalls nahegelegt hätten.

6.10 Folglich sind die in der mündlichen Verhandlung angekündigten, erstmaligen Ausführungen zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1, basierend auf D1-D4 und D6, auf D1 in Kombination mit D5, sowie auf P3 und P4, als eine ungerechtfertigte Änderung des Beschwerdevorbringens anzusehen, die als solche, in Ausübung des durch Artikel 13(1) VOBK 2020 eingeräumten Ermessens nicht ins Verfahren zuzulassen sind.

Rüge des fehlenden rechtlichen Gehörs

7. Angesicht der Entscheidung der Kammer, erstmalige Vorträge zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht zuzulassen, reichte die Beschwerdegegnerin eine schriftliche Rüge gemäß Regel 106 EPÜ ein und argumentierte, dass durch die Nichtzulassung der weiteren Ausführungen zu den angekündigten, zusätzlichen Angrifflinien das rechtliche Gehör der Beschwerdegegnerin verletzt wurde. Wie von der Beschwerdeführerin angemerkt, wurde die Frage der Zulassung dieser Ausführungen über eine Stunde in der mündlichen Verhandlung diskutiert, was auch von der Beschwerdegegnerin eingeräumt wird. Zudem, wie unter dem vorstehenden Absatz ausgeführt, ist die gerügte Nichtzulassungsentscheidung eine Ermessenentscheidung, die von der Kammer unter Berücksichtigung der im Artikel 13(1) VOBK 2020 erwähnten Kriterien, zu denen die Beschwerdegegnerin ausführlich hatte Stellung nehmen können, getroffen wurde. Aus diesen Gründen sieht die Kammer keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdegegnerin durch die Nichtzulassung der von der Beschwerdegegnerin angekündigten, erstmaligen Vorträge zum Artikel 56 EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird aufrechterhalten wie erteilt.

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